November 29, 2010

November 28, 2010

Zuletzt gesehen: STRAIT-JACKET

Nach einer ganzen Reihe berühmter Gimmick-Filme, deren Vermarktung und Rezeption sich – zum Teil auch: leider – in erster Linie mit legendären Attraktionen um fliegende Skelette und elektrisierte Sitze in den hiesigen Kinos verband, hat William Castle in seinem bekanntesten Spätwerk 1964 den vielleicht größten Gimmick seiner Karriere aufgefahren: Joan Crawford. "Strait-Jacket", in geradezu kunstvollem Trash aus billigem Horroreffekt, banalpsychologischer Dramaturgie und erwärmender Melodramatik ein Meisterstück des unter- schätzten Autorenfilmers, ist Crawfords Bühne, ganz auf sie zugeschnitten, um ihre Schauspiel-Range herum erbaut. Ein hochkarätiger Brocken Edel-Sleaze mit einem echten A-Star in der Hauptrolle, der nach "What Ever Happened to Baby Jane?" folgerichtig in den süßen Niederungen des B-Movies landen musste. "Strait-Jacket" ist umwerfend inszeniert, mal hysterisch, mal melancholisch, einfach wunderschön – irgendwo zwischen Rip-Off-Ästhetik und eigenwillig-originärer Camp-Schauerstunde: Grande Dame Guignol, hat man das einmal sehr treffend genannt. Ein Film voller Highlights, im Guten wie im Schlechten, aber immer mit Leidenschaft.


75%


Ein sehr lesenswertes Plädoyer für das unterschlagene Kino William Castles hat Bloggerkollege Sano kürzlich an dieser Stelle verfasst.

November 26, 2010

Zuletzt gesehen: SORORITY ROW

Mitunter solides, aber komplett austauschbares Slasher-Remake im Hochglanzformat. Der ausgelassenen Farbverspieltheit des stimmungsvollen Originals setzt die Neuauflage aalglatte Bilder in kühler Ausleuchtung entgegen, die der Atmosphäre nicht gerade zuträglich sind. Die Verbindungsschwestern mutieren im Remake allesamt zu garstigen Biestern oder ziemlich langweiligen Zicken, was ins Konzept passen mag, aber die Figuren getreu üblicher Slasherfilme nur wieder leichtfertig als Opfervieh ausweist. Das enorm käsige Finale und die durch und durch unwürdige Gastrolle Carrie Fishers verspielen obendrein einige Sympathiepunkte, während die einzigen wirklichen Lichtblicke die Bezugspunkte zum Original bleiben. Ansonsten weitestgehend unoriginell, zuweilen launig, insgesamt deutlich blutiger als das Original. Mit hoher Toleranzgrenze: Gerade noch so unterdurchschnittlich.


40%

November 24, 2010

Kino: SAW 3D

Wenn einem schon nach wenigen Minuten allerlei Blut und Gekröse, Körperteil und Gedärm um die Ohren fliegt, weiß man wieder zügig, woran man ist. "Saw", die beständige Folterserie, das derzeit zuverlässigste Horrorunternehmen des Kinos und der einzige wirkliche Franchise-Riese im Genre, beglückt jedes Jahr aufs Neue mit hübschen Fallen, konstruierten Hintertürchen und ideenreichen Blutschüben. Ob’s nun gefällt oder nicht: Die Reihe liefert regelmäßig ab, was sie verspricht, und das auf durchaus akzeptablem Niveau, seit nunmehr sieben Filmen. Jetzt aber soll zum letzten Mal gesägt werden.

Der Jigsaw-Killer ist also bislang nicht totzukriegen. Was eine gewisse Ironie mit sich bringt, denn eigentlich ist er schon in Film Nummer drei abgetreten. Tobin Bell, der Star der Serie, geistert seither in Rückblenden durch die Handlung und steuert das Geschehen quasi aus dem Jenseits. Obwohl Jigsaw keine wirkliche Rolle mehr spielt, bleibt er das Cover-Zugpferd der Reihe. Seine Nachkommen sind ihm hörig, sie führen die tüfteligen Mordfallen munter fort und das, zugegeben, aus keinem wirklich ersichtlichen Grund. Es scheint vielmehr, als verberge sich hinter den nicht enden wollenden Jigsaw-Erben ein gewisser Kodex: Eine Ideologie des Tötens.

Darin lag schon immer der Kern der "Saw"-Filme, die ihre Splatter-Ergüsse stets mit einer Prise banalisierter Gesellschaftskritik zu legitimieren versuchten. Jigsaw, der seinen Opfern ausgerechnet mit Tod bringenden Fallen den moralischen Wert des Lebens vor Augen führen möchte, sinniert als todkranker Psychopath über Moralvorstellungen und entscheidet willkürlich, wer ein guter und wer ein schlechter Mensch zu sein hat. Bis zu einem gewissen Punkt musste sich die Serie deshalb zu Recht den Vorwurf gefallen lassen, sadistischen Hardcore-Horror mit Nazilogik anzureichern und fürs Multiplexkino salonfähig zu machen.

Mit immer abstruseren Storykonstrukten und einem deutlichen Rückgang der fragwürdigen Jigsaw-Monologe hat sich die Reihe allerdings schnell zum verlässlichen Folterspaß gemausert, der nicht anders als die zahllosen Slasher-Filmserien der 80er Jahre strukturiert ist. Kreatives Töten heißt die Formel, der Rest wird irgendwie so gebogen, dass es passt: Zweckerfüllung. Die "Saw"-Serie ist immerhin redlich bemüht, das Drumherum mit verschiedenen Erzählebenen, wechselnden Protagonisten und verschachtelten Rückblenden verhältnismäßig komplex zu gestalten. Tatsächlich bilden alle sieben Filme ein zusammenhängendes Gewebe, aus dem man ein Stück nicht ohne weiteres heraustrennen kann.

Deshalb geht es auch in "Saw 3D – Vollendung", so hat man den siebten Film hierzulande genannt, genauso verschachtelt zu wie bisher. Detective Mark Hoffman (Costas Mandylor) hängt die Backe schief, nachdem Jigsaws Witwe (Betsy Russell) ihm am Ende von "Saw VI" den berüchtigten Folteraufsatz übers Gesicht stülpte. Hoffman allerdings überlebt und setzt sein blutiges Treiben fort, während Frau Jigsaw bei der Polizei um Immunität bittet, um dafür mit exklusiven Informationen zur Stellung des Killers beizutragen. Das übliche Katz-und-Maus-Spiel nimmt seinen Lauf, während zwischenzeitlich diverse Menschen in diversen Todesfallen ihre Leben lassen müssen.

Wenn eine Horrorserie sich auf dem Höhepunkt ihres Erfolges als Finale oder letztes Kapitel ankündigt, dann weiß man als geneigter Fan in der Regel, dass es jetzt erst richtig losgeht. Unwahrscheinlich zumindest, dass "Saw 3D" bei Einspielergebnissen von weltweit bereits knapp 100 Millionen US-Dollar wirklich die „Vollendung“ besiegelt. Zwar schließt sich der Kreis zum Schluss abermals, als der Bogen bis zum ersten Film von James Wan gespannt wird, aber das kann’s ja nun trotzdem noch nicht gewesen ein. So lange Jigsaw Milch gibt, wird er auch gemolken. Das war bei Freddy, Jason und Konsorten nicht anders.

Immerhin fällt den "Saw"-Produzenten immer noch was Neues ein. Der siebte Film nun eröffnet wie gewohnt mit einer obligatorischen Mordfalle, die allerdings in einem Schaufenster platziert ist. Vor den Augen der Öffentlichkeit bluten zwei Männer um die Gunst ihrer Flamme, bis irgendwann haufenweise Innereien umher fliegen. Der Beginn von "Saw 3D" dürfte sicherlich zu den bisher originellsten der Serie gehören, was ja auch nicht mehr selbstverständlich ist.

Gastauftritte mehr oder weniger bekannter Größen wie hier Linkin-Park-Sänger Chester Bennington gehören inzwischen genauso zum Programm wie die stärkere Ausgestaltung des "Saw"-Universums. Die Handlung der Filme scheint nunmehr schließlich eine derart tragfähige Plotmythologie gebildet zu haben, dass Jigsaw als gesellschaftlicher Boogey Man bereits zum Medienphänomen aufgestiegen ist. Immerhin haben sich mittlerweile Selbsthilfegruppen von Jigsaw-Überlebenden versammelt, während man in TV-Shows als Opfer kuriose Berühmtheit erlangen kann. Das "Saw"-Netz lässt sich munter weiter spinnen.

Was also soll man jetzt groß über "Saw 3D" sagen, außer, dass er völlig okay ist, dass er die Franchise-Erwartungen erfüllt und die im Prinzip eher Thriller-orientierte Handlung der Vorgänger fleißig weiterführt. Besonders ambitioniert ist das alles zwar nicht, aber das gehört zum Prinzip. Die besten Ideen stecken wie immer in kreativen Foltermethoden, die schlechtesten in der Entwicklung der Figuren. Das Billig-3D hat’s nicht gebraucht, sonst aber ist der Film nicht anders, nicht besser oder schlechter als die bisherigen Kapitel der Serie. Alle wie aus einem Guss – zielgenau produziert, ganz auf die Bedürfnisse der Fans zugeschnitten. "Saw"-Business as usual, im guten Sinne.


50% - erschienen bei: gamona

Zuletzt gesehen: THE HOUSE ON SORORITY ROW

Mit einigen Thrilleranleihen versehener, aber sonst recht exemplarischer B-Horror aus der Blütezeit des Slasherfilms, der in Deutschland seltsamerweise bisher nie veröffentlicht wurde. Den genreüblichen Zutaten fügt Regisseur Mark Rosman, besonders visuell unverkennbar ein Protegé Brian De Palmas, wenig hinzu: Die unheilvolle Exposition aus der Vergangenheit, promiske Teenager, die auf den Tod warten, und ein sleaziger Plot, dem es hin und wieder an Gross-Out-Momenten fehlt. "House on Sorority Row" funktioniert aber wie viele seiner Vertreter als atmosphärisches Zeitkolorit in schicken Bildern, und nicht zuletzt die erstaunlicherweise sinfonische Musik von Richard Band trübt über die gelegentlich arg ungelenke Inszenierung hinweg. Autor Kevin Williamson hat den Film offenbar genau geschaut und die Idee trügerischer Schuld im jugendlichen Sündenpfuhl clever für sein Drehbuch zum unterschätzten "I Know What You Did Last Summer" konkretisiert.


60%

November 23, 2010

Zuletzt gesehen: ONDINE

Die Geschichte vom Mädchen aus dem Wasser, als irisches Sozialdrama durchaus eigenwillig neu erzählt. Mit unbeirrtem Glauben ans Phantastische und gewohnt genreunbestimmt inszeniert Neil Jordan seine Version des Stoffes irgendwo zwischen Neuzeitmärchen und Liebesfilm, Familienmelodram und Thriller. Wie so oft beschreibt der Regisseur die Sehnsucht nach Märchenhaftigkeit im grauen Alltag, den Christopher Doyle zu schmuck- und wirkungsvollen Bildern formt, wie seine Kamera sich ohnehin als stärkste erzählerische Kraft des Films erweist. Eigentlich ist "Ondine" ziemlich schön, mit lakonischem Humor, Mut zum Kitsch und einem ungemein starken Colin Farrell in der Hauptrolle. Aber bis zuletzt wusste ich nicht, was ich davon halten sollte, alles blieb ungreifbar und distanziert, ohne wirklichen Fokus oder roten Faden. Vielleicht ist das seine Stärke, warm wurde ich damit aber nicht so recht. Und mittlerweile nerven mich Filme etwas, in denen Musik von Sigur Rós eine mehr oder weniger tragende Rolle spielt.


50%

November 16, 2010

Last Seen: MY SON, MY SON, WHAT HAVE YE DONE

Nach "Bad Lieutenant" hat Werner Herzog nun wieder einen typischen Herzog-Film über Gott und die Welt gemacht. Es geht um Wahnsinn, Menschsein und die Natur, um Himmel und Erde und Wolken und einen wilden Fluss. Dazu noch Tiere, Männer, Bibelzitate, Exotik, Theater und eagles in drag. Und ein paar Fragen danach, wie denn die Welt nun so beschaffen ist. Am Ende der verbürgten, aber recht irrelevanten Geschichte von "My Son, My Son, What Have Ye Done" übergibt Herzog das Schicksal wie so oft dem Zufall und inszeniert den Werdegang eines Basketballs zum Schlüsselmoment. Solch wohltuender Eso-Trash ist aber leider etwas rarer gesät als in seinem Vorgängerfilm, stattdessen verbinden sich Herzogs heitere Einblicke in die menschliche Natur mit den stilisierten Realismusbildern eines David Lynch, der hier ausführend produzierte. Etwas schade doch, dass Herzog sich unterm Strich nur wieder an alten Obsessionen abarbeitet, statt so ungeniert frei zu drehen wie in seinem letzten, diesem hier nicht ganz unähnlichen, Film – gerade oder trotz wegen einiger besonders schöner und amüsanter Regieeinfälle.


60%

Zuletzt gesehen: LA HORDE

Unsäglich langweiliger Blödsinn, der sein Gangster- und Zombiegeschehen am Liebsten permanent aus der Nähe filmt und es sich nicht nehmen lässt, seinen Mangel an ideenreicher Bildgestaltung mit verwackelten Steadys und komplett unmotiviertem Schnitt zu kompensieren. Die megagrottige Inszenierung generiert zu keiner Sekunde Atmosphäre, und die Arschlochfiguren sind so uninteressant, dass man nicht einmal Energie aufbringen möchte, ihnen die Zombies an den Hals zu wünschen – denn die sind genau so ätzend. Von vorn bis hinten absoluter Müll voll unnötiger und überzogener Gewalteinlagen und nach "Frontiers", "Inside" und "Mutants" die nächste Gore-Grotte aus Frankreich.


10%

November 15, 2010

Zuletzt gesehen: INCEPTION

Die ersten Minuten: Bräsige Dröhnmucke von Hansi Hinterzimmer, dann spielende Kinder in Zeitlupe, dann ein am Meer gestrandeter Leonardo DiCaprio mit Schlaf in den Augen. Ob’s hier wohl um etwas total faszinierend Merkwürdiges gehen mag? Zum Beispiel Traum- und damit Identitätsfragen? Wow! Christopher Nolan, Meister des Subtilen. Philosophie wird mit Dauergeballer angereichert, Träume werden auf die denkbar fantasieloseste Art ausbuchstabiert und sind sowieso nur Zerstörung statt Kreation, vor Tiefgründigkeit flüchtet sich "Inception" mit schwergewichtiger Planlos-Action, Knalleffekten und nichts sagender Geschwätzigkeit. Und das Unterbewusstsein ist ein Fahrstuhl – doofer geht’s nimmer. Eine einzige Chose und in seiner sklavischen Erzählverliebtheit eigentlich überhaupt keiner Rede wert. Das Bemerkenswerte aber an diesem künstlich verschachtelten und unnötig aufgeblasenen Film, der letztlich nur eine uralte Fragestellung zweieinhalb Stunden lang zu Tode verschnörkelt, ist seine Fähigkeit, eine bildgewaltige Architektur aus reinem Nichts zu erschaffen und mit ihr ein Popcorn mampfendes Massenpublikum so zu begeistern, dass selbst noch der hinterletzte Vollhorst den Abspann in dem Glauben runterrasseln sieht, etwas außergewöhnlich Komplexes und Unbegreifliches gesehen zu haben. Das hat auch bei mir zumindest soweit funktioniert, als ich mich wider besseres Wissen nicht gelangweilt habe (Inception?), obwohl dieser Film bestenfalls die gestutzte gedankliche Schmalspurversion von David Cronenbergs "eXistenZ" ist. Inhaltloses Posing, reine Hülle, Kino fürs Ego. Bäh.


30%



November 09, 2010

Zuletzt gesehen: GREENBERG

It never rains in Southern California. Alles eine Lüge und der Kitsch regiert die Welt: Mit verkrampften One-Night-Stands, alten Schulfreunden, glückseligem Nichtstun. Dazu Nuscheln, Kichern, Weinen und die besten Dialoge des Jahres. Die totale Neurose, das totale Leben. "Greenberg" ist Drehbuch und Feinsinnigkeit, also vollendete Ultrakunst. Es geht um gar nichts und um alles, also um Kitsch. Ben Stiller kann doch viel, Greta Gerwig kann alles und Noah Baumbach hat den Plan. Hurt people hurt people. Jede einzelne Minute ein Genuss. Verdammt wunderbarer Film.


80%

November 05, 2010

Kino: MACHETE

Stunt-Casting, nächste Runde. Danny Trejo gibt Machete, Steven Seagal den Drogenkönig, Don Johnson einen viehischen Grenzsheriff, Robert De Niro 'nen bösen Senator, Cheech Marin ist als Priester zu sehen, Michelle Rodriguez wie immer als Amazone, Lindsay Lohan als drogenabhängige Blondine (was sonst), aber auch als Nonne (was sonst²). Und die CGI-Brüste von Jessica Alba spielen auch mit. Zusammen ergibt das ein wüstes Gemisch aus korrupten texanischen Politkern und einer mexikanischen Untergrundbewegung, die sich ab und an mal eins auf die Mütze geben. Am Ende saust Machete für 10 Sekunden mit einem ballernden Motorrad durch die Luft. Sonst passiert im Grunde nichts.

"Machete" ist der unter Tarantino- und Rodriguez-Jüngern lang erwartete Film zum Fake-Trailer ihres Schmuddel-Doubles. Ein Überbleibsel aus dem Konzept Pseudo-Grindhouse, das Billiges teuer zu imitieren versuchte. Das Schlechte im Guten, das Naive im Kalkulierten, das Unfreiwillige im Freiwilligen, das Ausstellen und Nachahmen der eigenen Exploitation-Vorbilder auf höherem Niveau.

Und damit ein einziges Missverständnis: Intendierter Trash ist nur halber Trash, wenn überhaupt. Rodriguez und Tarantino mögen mit ihrem Grindhouse-Projekt anständigen Filmulk verzapft haben, an der Mentalität und vor allem Rezeption ihrer Vorbilder haben sie allein mit ungleich höherwertigen Produktionsumständen vorbei inszeniert. Trash wollen heißt nicht unbedingt Trash machen, Trash rezipieren heißt Entdecken, vorbei denken, gegen den Strich gucken. "Machete" ist genauso gewollter Spaß wie "Planet Terror" und damit ziemlich unspaßig.

Müßig wohl, dem Film seine belanglose Handlung, sein Drehbuch ohne Höhepunkte, seine stinklangweilige Regie zum Vorwurf zu machen, schließlich ist’s ja Trash und damit zur Schlechtigkeit legitimiert, nicht wahr. Aber dass Machete in keiner Weise eine tragfähige Titelfigur ist, das wird man sagen dürfen. Dass Danny Trejo nicht grundlos seine gesamte Karriere über nur Neben- und Minidarsteller war, das wohl auch. Jemandem, der kaum eine Treppe hochsteigen kann, nimmt man einen derartigen Actionpart nicht ab, auch wenn er dabei mit Steven Seagal, der es offenbar nicht einmal mehr hinbekommt, sich um sich selbst zu drehen, zweifellos gute Gesellschaft an der Seite hat.

Und selbst für einen Trash-Film, der sich ja offenbar alles erlauben darf, weil Scheiße Programm zu sein scheint, sind drei, vier etwas wildere, etwas launige Momente zu wenig, um sich derart cool abzuklären wie "Machete" mit all seiner aufgesetzten cheasy Attitüde. Herz fehlt hier vor allem, die Liebe zum B-Film bleibt Behauptung, statt Liebe höchstens Vorliebe, Rodriguez’ Ego-Trip eben. Gewollt billig hin oder her, der Mann kann das Bild künstlich verfremden und verschlechtern, Jump-Cuts hier und Anschlussfehler da einbauen wie er möchte: Echt ist das alles nicht. Und charmant – wie die Vorbilder – schon gar nicht.


30% - erschienen bei den: 5 Filmfreunden

November 04, 2010

Kino: DUE DATE

Der Komödie im amerikanischen Mainstream-Kino geht es schlecht. Sie boomt seit Jahren, sie ist rentabel, sie hat den Dreh raus. Und produziert fleißig einen Rohrkrepierer nach dem anderen. Trotz hartnäckiger Versuche, in den Filmen so unterschiedlicher Regisseure wie Judd Apatow, Adam McKay oder Billy-Wilder-Fan Jason Reitman neue Hoffnungsschimmer für das Genre zu installieren, krankt die überwiegende Mehrheit der US-Comedies am strukturell gleichen Problem: Schlechtigkeit, Tendenz steigend. Der potentielle Publikumsliebling "Due Date", ins Deutsche aus unerfindlichen Gründen zu "Stichtag" übersetzt, ermöglicht eine Annäherung: 15 Fragen zum momentanen Zustand der US-Komödie, die dieser Film indirekt beantwortet.


1. Was ist "Stichtag"?

"Stichtag" ist der neue Film der "Hangover"-Produzenten und des "Hangover"-Regisseurs Todd Phillips mit dem "Hangover"- Star Zach Gali…fianakis nach dem "Hangover"-Erfolgsrezept: Männer on the Road, Frauen in the kitchen.

2. Was ist "Hangover"?

"Hangover" ist die erfolgreichste Komödie des vergangenen Jahres. Sie spielte weltweit rund 470 Millionen US-Dollar ein und wird in Kürze fortgesetzt. Im Wesentlichen geht es in dem Film um die Folgen eines haarsträubenden Junggesellenabschieds. Die Geschichte mit den vier Männern, dem Baby, den Tigern, Tucken und Titten wurde zum Publikums- und Kritikerliebling.

3. Wer ist Todd Phillips?

Todd Phillips ist ein Regisseur, Produzent und Drehbuchautor, der seine Karriere mit zotigen Komödien wie "Road Trip" und "Old School" zum Laufen brachte. Seine früheren Filme trugen Züge der rabiaten Humorästhetik der Farrelly-Brüder, mit "Hangover" und nun "Stichtag" scheint seine mildere Midlife-Phase begonnen zu haben.

4. Wer ist Zach Gali…fianakis?

Zach Galifianakis ist ein Stand-Up-Komiker mit relativ unaussprechlichem Nachnamen. Er hat ein paar unbedeutende Nebenrollen in Film und Fernsehen gespielt, bis er mit der tatsächlich recht komischen Fake-Interview-Serie "Between Two Ferns with Zach Galifianakis" und schließlich "Hangover" größere Bekanntschaft und Beliebtheit erlangte. Jetzt, da er ein Shooting-Star zu sein scheint, taucht er in jeder dritten Kinokomödie auf, zuletzt in "Dinner für Spinner".

5. Wer spielt in "Stichtag" außerdem mit?

In "Stichtag" spielen außerdem Robert Downey Jr., Michelle Monaghan, Juliette Lewis und Jamie Foxx mit.

6. Juliette Lewis?

Ja. Sie spielt eine Minirolle als kiffende Mutter namens Heidi (…). Nach ihrer Erfolgslaufbahn in den 90er Jahren (mit Oscar-Nominierung) und Beitritt zu Scientology (mit Weirdo-Faktor) arbeitet sie nun zum dritten Mal mit Regisseur Todd Phillips zusammen. Sonst spielt und singt sie in einer Punkband mit treuer Fangemeinde.

7. Worum geht es in "Stichtag"?

In "Stichtag" geht es um den schnöseligen Kontrollfreak Peter Highman (Downey Jr.), der dringend den Flieger nach Hause zu seiner Frau (Monaghan) bekommen muss, um nicht die Geburt seines Kindes zu verpassen. Am Flughafen macht er Bekanntschaft mit dem Nachwuchsschauspieler Ethan Tremblay (Galifianakis), der ihm fortan nur Pech bescheren wird. Schließlich müssen die beiden aufgrund verschiedener Umstände mit dem Auto quer durch die USA reisen, um rechtzeitig bei Peters Frau zu sein, und erleben dabei einige verrückte Abenteuer.

8. Und worum geht’s eigentlich?

Eigentlich geht’s um die mittleren Jahre ergrauter Männer, Selbstfindung, Freundschaft und Frauen, die zuhause auf der Couch sitzen und ihre Männer vermissen. Also in etwa um das gleiche wie in "Hangover".

9. Was soll daran lustig sein?

Lustig sein sollen die Erlebnisse des ungleichen Paars, zum Beispiel ein ungewollter Autocrash oder eine Verhaftung durch die mexikanische Grenzpolizei. Einmal verkloppt Peter den kleinen Sohn von Heidi, was ebenfalls lustig gemeint sein könnte. Die größten Lacher dürfte eine Szene kassieren wollen, in der Zach Galifianakis sich im Auto parallel zu seinem Hund selbst befriedigt.

10. Ist das denn lustig?

Nein, das ist nicht lustig. Das ist nur der typische Klemmi-Humor typischer US-Komödien von heute, in denen konservierte Geschlechterbilder mit vordergründigen Sexwitzchen kaschiert werden sollen. Andere Comedy-Regisseure mit ebenso ausgeprägtem Mutter- oder Analkomplex, wie Kevin Smith etwa, versuchen ihr reaktionäres Verständnis von Humor wiederum mit endlosen Nerd-Dialogen zu kompensieren.

11. Woran macht sich diese Haltung fest?

Diese Haltung durchzieht sämtliche US-Komödien des Mainstreams und Indie-Mainstreams. "Hangover" und "Stichtag" verstehen eine gute Frau als Kinder gebärende Hausfrau und Mutter, eine schlechte als Wesen mit eigenständiger Sexualität oder Promiskuität, also Nutte bzw. Schlampe.

12. Beispielsweise?

In "Stichtag" werden mindestens eine Handvoll Gags aus dem Umstand generiert, dass Robert Downey Jr. seine Frau verdächtigt, ihn mit seinem besten Freund (Foxx) betrogen zu haben. Höhepunkt dieser zur totalen Dystopie aufgeblasenen Vorstellung ist ein finaler Witz des Films, bei dem Peter im Kreissaal zunächst ein schwarzes Baby erblickt. Die neue Prüderie der US-Comedies hinter einer lediglich behauptet anrüchigen Gesinnung erreicht also allmählich ihren traurigen Tiefpunkt.

13. Ist der Film denn wenigstens okay gemacht?

Der Film ist nicht okay gemacht. Er ist, einmal jegliche Ideologie außer Acht gelassen, ein Film ohne Handwerk. "Stichtag" folgt der inoffiziellen Agenda heutiger US-Komödien: Hauptsache Star-Komiker, der Rest ergibt sich von allein. Drehbücher im Sinne zu ende erdachter Geschichten mit gezielten Pointen oder klugen Wendungen spielen keine Rolle, so lange man irgendeine Fernsehnase hat (zumeist aus Saturday Night Live), der man Gags vorsetzt oder sie einfach vor der Kamera improvisieren lässt. Zach Galifianakis ist so ein Fall. Hat man ihn, hat man den Film – so ungefähr lautet das Konzept. Ob er sich dabei mit seinem Schnarchhumor letztlich nur als komatöse Version von Jack Black erweist, scheint egal zu sein.

14. Könnte ein guter Regisseur da überhaupt etwas retten?

Vermutlich ja. Leider ist Todd Phillips kein solcher. Sein Gespür für Tempo gleicht dem einer Schildkröte, sein Timing hat was von einem epileptischen Anfall in Zeitlupe. "Schluss mit gemütlich" steht auf dem deutschen Poster zu "Stichtag", was eine glatte Lüge ist. Der Film ist so gemütlich wie ein Sesselfurzer – und so witzig. Am deutlichsten entlarvt sich Phillips’ Nichtskönnerei, wenn er auf besonders verzweifelte Regieeinfälle zurückgreift: So schneidet er nach einem Gag immer mal wieder auf die Reaktion des Hundes, damit auch jeder kapiert, dass etwas Lustiges vor sich geht.

15. Und sonst so?

Sonst so ist "Stichtag" einfach kein guter Film, geschweige eine gute Komödie. Er ist sicher besser als "Hot Tub Time Machine", aber auch deutlich schlechter als "Hangover". Was gewiss kein Qualitätskriterium ist. Gegen die müden mainstreamigen US-Komödien der letzten Jahre mit ihrer Klemmi-Moral, ewigen Selbstfindungssoße und Proll-Attitüde muss endlich mal ein Kraut wachsen, sonst wird das nichts mehr mit der Ehrenrettung des Genres.


15% - erschienen bei: gamona

November 03, 2010

Zuletzt gesehen: FILME IM OKTOBER 2010


In This Our Life

(USA 1942, John Huston) (8/10)

Der Baader Meinhof Komplex
(D 2008, Uli Edel) (2/10)

Europe & Italy
(I 1999, Bruno Bozzetto) (6/10)

Alice in Wonderland
(GB/USA 2010, Tim Burton) (6/10)

La Horde
(F 2009, Yannick Dahan & Benjamin Rocher) (1/10)

Legend of the Guardians: The Owls of Ga'Hoole
(USA/AUS 2010, Zack Snyder) (2/10)

Jaws
(USA 1975, Steven Spielberg) (9/10)

Zodiac – Director’s Cut
(USA 2007, David Fincher) (9/10)

AVP: Alien vs. Predator
(USA/GB/D/CDN/CZ 2004, Paul W.S. Anderson) (2/10)

The X Files – Season 1
(USA/CDN 1993, Rob Bowman, David Nutter u.a.) (7/10)

The X Files: I Want to Believe
(USA/CDN 2008, Chris Carter) (3/10)

Harry Brown
(GB 2009, Daniel Barber) (2/10)


Mary and Max
(AUS 2009, Adam Elliot) (9/10)

Machete
(USA 2010, Ethan Maniquis & Robert Rodriguez) (3/10)

The Loved Ones
(AUS 2009, Sean Byrne) (3/10)

Opération Lune
(F 2002, William Karel) (7/10)

Spider-Man
(USA 2002, Sam Raimi) (6/10)

Spider-Man 2
(USA 2004, Sam Raimi) (7/10)

The Ghost Writer
(GB/D/F 2010, Roman Polanski) (8/10)

Clash of the Titans
(USA/GB 2010, Louis Leterrier) (2/10)

Exit Through the Gift Shop
(GB/USA 2010, Banksy) (6/10)

Jackass 3-D
(USA 2010, Jeff Tremaine) (7/10)

Red
(USA 2010, Robert Schwentke) (5/10)

The Other Guys
(USA 2010, Adam McKay) (4/10)

Daybreakers
(AUS/USA 2009, Michael Spierig & Peter Spierig) (3/10)

Fair Game
(USA 2010, Doug Liman) (6/10)

The Runaways
(USA 2010, Floria Sigismondi) (3/10)

The Descent: Part 2
(GB 2009, Jon Harris) (2/10)

Due Date
(USA 2010, Todd Phillips) (2/10)

Rampage
(D/CDN 2009, Uwe Boll) (1/10)

Halloween
(USA 2007, Rob Zombie) (3/10)

May
(USA 2002, Lucky McKee) (7/10)

Triangle
(GB/AUS 2009, Christopher Smith) (3/10)

November 02, 2010

Zuletzt gesehen: TRIANGLE

Und täglich grüßt das Geisterschiff. Typischer Mitschwimmer auf der unsäglichen Welle so genannter Mindfuck-Filme, der eine einzige Drehbuchidee zur totalen Verschnörkelung überdehnt und allein mit der Konstruktion einer fragenden Erwartungshaltung Spannung zu generieren versucht. Die der allgemeinen Einfallslosigkeit wie so oft zuträgliche Ellipsenbildung zur selbständigen Lückenschließung durch interpretierwütige Zuschauer reizt "Triangle" mit banalsten Bildern und einer Überbetonung des, hm, Unheilvollen ohne jegliches stabile Fundament aus, auf dass man sich selbstclever richtig flashen lassen – oder auch einfach genervt abwenden kann. Klassischer Fall eines Films, der an die Eitelkeit des Zuschauers appelliert und diesem eigennützig das Feld überlässt, damit er sich in dem Glauben, etwas besonders Kluges gesehen zu haben, auf die Schulter klopfen und freuen darf (sprich: das Christopher-Nolan-Prinzip).


30%

November 01, 2010

Zuletzt gesehen: THE DESCENT - PART 2

Unmittelbares Sequel zum originären und effektiven Genremeisterwerk von 2005, das das interpretierfreudige Ende des Vorgängers gleich zu Beginn fortsetzungsgetreu zur Eindeutigkeit umdichtet und folglich die gesamte metaphorische Prämisse auf kleinste gemeinsame Nenner herunter bricht: Wahllose Schockszenen, ordentlich Blutgemansche und die unvermeidlich sinnlose Rückkehr an den Ort des Schreckens, den erneuten Abstieg ins Dunkle und die Konfrontation mit verdrängten Ängsten. Ohne den psychologischen Unterbau des ersten Teils wird noch einmal der gleiche Plot mit gleichen Situationen, gleichen Figuren und sogar gleichen Einstellungen nachgespielt, und von allem darf es etwas mehr sein. Zur besseren oder leichter verdaulichen Unterhaltung mag sich der diesmalige Verzicht der sprichwörtlich tiefgründigen Auseinandersetzung mit dem Horrorbegriff vielleicht positiv auswirken, der Mangel an Komplexität, Tiefsinn und damit auch Intensität empfiehlt diese lautstarke Fortsetzung aber eher als konsequent banalisiertes Gegenstück zum nunmehr umso außer- gewöhnlicher erscheinenden Vorgänger, der glücklicherweise und nichtsdestotrotz von diesem schwachsinnigen Nachzügler völlig unberührt bleibt.


20%