September 29, 2007

TV: Fernsehtipps vom 29.09. - 05.10.07

Samstag, 29.09.

20:15 Uhr – „Waterworld“ (VOX)

Hollywoodflopgigant mit bemerkenswertem Unterhaltungs- potential. Nicht zu verwechseln mit einem guten Film

20:15 Uhr – „Manche mögen’s heiß“ (BR)

Die beste Komödie aller Zeiten. TV-Selbstläufer.

20:15 Uhr – „Greystoke“ (Tele5)

Christopher Lambert als grunzender Hippie. Doof und albern, aber der Film hat das gewisse etwas.

20:15 Uhr – „Black Rain“ (K1)

Ridley Scott hat streng genommen zwei wirklich gute Filme gemacht. Dieser gehört da keinesfalls zu. Gedöns. Gekürzt.

22:30 Uhr – „The Crow 2“ (Das Vierte)

Jetzt rächt sich die Krähe das zweite Mal. Noch fader als der Vorgänger, und dieses Mal ohne die Aura des Mythischen.

22:30 Uhr – „Arsen und Spitzenhäubchen“ (BR)

Leicht verdauliche und pointierte schwarze Komödie, die ganz dem exaltierter denn je auftretenden Cary Grant gehört.

23:00 Uhr – „Die Hexen von Eastwick“ (Tele5)

Ob der Film immer noch so verspielt, leichtfüßig und amüsant ist, wie ich ihn in Erinnerung habe, ob es noch immer eine wahre Freude ist, Cher-Sarandon-Pfeiffer den armen Nicholson traktieren zu sehen, kann ich nicht beschwören. Aber allein die Kirschen kotzende Veronica Cartwright muss es wert sein!

23:30 Uhr – „U-Turn“ (RTL2)

Absurde Gewaltfantasie eines ungezügelten Oliver Stone. Lässt mich kalt.

0:45 Uhr – „Jenseits aller Grenzen“ (SAT.1)

Bestimmt ein typisches Jolie-Desaster, aber Clive Owen ist dabei. Vielleicht reißt der es ja raus?

Sonntag, 30.09.

20:15 Uhr – „X-Men 2“ (RTL)

Komplexer und ausgereifter als der Vorgänger. Außenseiter-Parabel mit gelungenen Effekten und einem wirklich guten Drehbuch.

20:45 Uhr – „Die rote Laterne“ (Arte)

Unfassbar poetisch, Zhang Yimous vorläufiges Meisterwerk.

22:50 Uhr – „Bad Boys – Harte Jungs“ (Pro7)

Dümmliches, schlecht inszeniertes und absolut nervtötendes Buddy-Geseiere. Immerhin noch besser als das hundsmiserable Sequel. Aber was heißt das schon.

1:05 Uhr – „Nurse Betty“ (ZDF)

Zu Leben erwachter Groschenroman, heiter, kurzweilig und garantiert nicht nachhaltig.

1:10 Uhr – „King Arthur“ (Pro7)

Fuqua überrascht mit einem historisch undichten, aber schick inszenierten Kostümepos. Die Schlacht auf dem Eis hat zumindest mir erstaunlich gut gefallen.

Montag, 01.10.

20:40 Uhr – „Mulholland Drive“ (Arte)

Einmal David Lynch hin und zurück bitte. Tiefer Blick in die Intuition eines reizvollen, wenn auch überschätzten Filmemachers. Sehr gut.

22:50 Uhr – „Heaven“ (MDR)

Tom Tykwer = Brechmittel

Dienstag, 02.10.

0:20 Uhr – „Das Appartement“ (ARD)

Billy Wilders kongeniales, bittersüßes, umwerfend gespieltes, tragikomisches, zeitloses Meisterwerk. Kino.

2:25 Uhr – „Der Glückspilz“ (ARD)

Ebenfalls gewohnt stilsicher inszenierte Wilder-Komödie, die es am Ende aber jedem recht machen will und die Geschichte ein wenig unbefriedigend auflöst. Walter Matthau ist brillant.

Mittwoch, 03.10.

9:40 Uhr – „Toy Story“ (Pro7)

Pixars wunderbarer Einstand. Hat neue Maßstäbe gesetzt.

22:15 Uhr – „Bad Boys 2“ (Pro7)

Wird auch noch mal ungeschnitten wiederholt, damit die Witze über Tote mit Riesentitten und Leichen auf der Fahrbahn so richtig zünden. Michael Bay ist vielleicht nicht der schlechteste Mainstream-Regisseur, den die 90er zu verschulden haben – bestimmt aber ist er der beschränkteste,

22:15 Uhr – „Basic Instinct“ (RTL2)

Eleganter, ungemein schön in Szene gesetzter Thriller, der aber ganz streng genommen auch ziemlich komisch ist. Guilty Pleasure, mehr und mehr.

0:15 Uhr – „True Romance“ (K1)

Road Movie, das wie eine Ansammlung der größten Filmstereotypen wirkt. Ohne Charme, aber mit launigem Ensemble. Not my kinda scene.

1:05 Uhr – „Eins, zwei, drei“ (ARD)

Billy Wilder im absoluten Vollbesitz seiner Kräfte. Die Messalte für Komödien.

1:15 Uhr – „Chinatown“ (SAT.1)

Polanskis Sternstunde: Kongenial geschriebener Film Noir.

2:10 Uhr – „Warlock – Satans Sohn“ (VOX)

Hervorragender, überaus spannender Fantasyhorror mit einem herrlich diabolischen Julian Sands und großartiger Musik.

2:25 Uhr – „The Dead Hate The Living“ (K1)

Selten blöder Amateur-Zombiefilm. Weg damit.

Donnerstag, 04.10.

20:15 Uhr – „Ein perfekter Mord“ (VOX)

Unnützes Hitchcock-Remake.

20:40 Uhr – „Intolerance“ (Arte)

Von David Griffith. Und ich hab kein Fernsehen. Arrrghhs.

22:15 Uhr – „Rambo 3“ (VOX)

Inhaltlich längst überholt und immerhin selbstironisch. Man darf zwar guten Gewissens drüber schmunzeln, totaler Müll bleibt das aber auch 20 Jahre später noch.

Freitag, 05.10.

20:15 Uhr – „The Fast and the Furious“ (RTL2)

The Point and the Break in the Remake of Doom. Bigelow, wo bist du?

20:15 Uhr – „Tank Girl“ (Das Vierte)

Mit Rachel Talalay-Bonus.


September 27, 2007

Kino: PLANET TERROR

Eine Knochensäge nähert sich unaufhörlich dem Gesicht des mad scientist, immer weiter zoomt die Kamera an den vor Schreck erstarrten Doktor, während der infizierte Halbtote auf ihn zuschreitet. Dann plötzlich … reicht das Stromkabel nicht aus, der Stecker wird gezogen und das Publikum lacht. Natürlich! Denn hier wurde soeben augenscheinlich ein Genreklischee bedient, so bewusst und offensichtlich, dass ein jeder hinter der steifen Darstellung mitsamt schriller Musik und sabbernden B-Filmeffekten den gewollten Spaß ausmachen kann. Das ist sozusagen das Prinzip jenes postmodernen Kinos, in dem sich Quentin Tarantino und Robert Rodriguez so ungeniert austoben dürfen. Selbst die geschmacklosesten Witze und unappetitlichsten Einfälle erhalten hier unabhängig ihrer Originalität Applaus, weil es in ihnen immer ein Element gibt, das den Zuschauer in seinem Wissen und seiner Vorkenntnis bestätigt. Ob man nun "The Incredible Melting Man" und "Return of the Living Dead" gesehen hat oder nicht, ob jemand weiß, wer Tom Savini und Michael Biehn sind und welch ironischen Kniefall ihre Besetzung zum Ausdruck bringen soll oder auch nicht – der Witz dieser Szene wird mindestens durch die schlicht-schlechte Offensichtlichkeit evoziert und gesichert.

Was Rodriguez hier mehr noch als in all seinen anderen Filmen macht, ist ein sich selbst ausstellendes Plündern sattsam bekannter Genreklischees und beliebig platzierter Zitate. "Planet Terror" ist enorm durchlässig in seiner popkulturellen Ereigniskette, die keinen roten Faden, keinen eigenen Stil und keine Individualität und Subjektivität aufweist. Der Film – als Bestandteil eines Experiments, irgendwas mit Grindhouse-Kino und Double Feature – bringt noch direkter auf den Punkt, was die Arbeit dieses autodidaktischen Regisseurs ausmacht, nämlich die ähigkeit, das völlig Zusammenhangslose in sich selbst zu kontextualisieren. Selten jedoch war darin eine so derartige Belang- und Ziellosigkeit zu verorten wie im Falle von "Planet Terror", der wie eine schrecklich anbiedernde Mischung aus gewolltem Trashkino, das zwar teuer und hochwertig produziert wurde, aber bewusst dümmlich erscheinen soll, und selbstgefälliger Genügsamkeit daherkommt. Und selten zuvor erschien diese Art des Filmemachens so kindisch und banal.

Der Film verlässt sich ausschließlich darauf, dass sein Publikum die Offensichtlichkeit der Bezüge zu allgemeinen und spezifischen Genre-Klischees und –Referenzen erkennt und daraus ein unterhaltsames Vergnügen ableitet. Für Spaß und Verständnis eines "Planet Terror" muss man lediglich mit dem Fernsehen groß geworden sein, filmische Komplexität würde diese Wirkung behindern, darum verharrt der Film in einer formalen wie inhaltlichen Einfältigkeit. Jedes Element läuft sich selbst über den Weg, immer ist die offensichtliche Übertreibung der Darstellung oberstes Prinzip. Das funktioniert als uneigenständiges Kino der Oberflächenreize bis zu einem gewissen Punkt, so lange zumindest die Freude am Belanglosen, der Spaß an der vorgetäuschten Originalität bei Filmen wie "Pulp Fiction" oder "The Faculty" überwiegt. Nun jedoch ist dieses Prinzip allmählich an seinem Ende angekommen, Rodriguez’ "Planet Terror" ist nur eine missglückte, zerteilte Reprise des "From Dusk Till Dawn"-Konzepts. Das Wiederholte wiederholt sich, das auf sich selbst Aufmerksammachende macht auf sich selbst aufmerksam.

Ironischerweise bezeichnet eines der Hauptprobleme von "Planet Terror" die bemühte und zum Teil auch gelungene Beziehung zu den Vorbildern. Krankte "Death Proof" vielleicht an seiner Inkonsequenz beim Versuch, ein längst ausgestorbenes Kino zu imitieren, indem er mit künstlichen Bildfehlern die peppigen Dialoge, originellen Kameraeinstellungen und raffinierten Plotholes zu verdecken und damit einen grundlegenden Bezug zur Grindhouse-Ära herzustellen versuchte – er also eigentlich viel zu gut war, um schlecht sein zu können –, so präsentiert sich "Planet Terror" nicht weniger kokett in schmuddeliger Filmrissoptik. Er weist jedoch keinerlei Stärken auf, die sein Konzept zu verraten drohen. Das ist streng genommen ein anderer und womöglich besserer Ansatz als beim Zwillingsfilm, nur offenbart sich somit die ganz simple Erkenntnis, dass ein gelungen auf schlecht getrimmter Film deshalb noch lange kein guter Film sein muss. Zumal ja doch manche der alten Grindhouse-Produktionen durch ihren unfreiwilligen Witz, ihre exploitative Naivität und rudimentäre Inszenierung amüsieren.

"Planet Terror"
ist darum bemüht, mithilfe bewusster Mittel einen freiwillig unfreiwilligen Humor zu erzeugen, der sich naturgemäß völlig von den ausgewiesenen Vorbildern unterscheidet. Es ist unterhaltsam und komisch, wenn ein schmuddeliger Horrorfilm einer bestimmten Handlung entspricht, die eine andere Wirkung erzeugt, als sie womöglich intendierte. Rodriguez hingegen positioniert seine profanen und mitunter sicherlich liebenswürdigen Ecken und Kanten als bewusste Augenzwinkereffekte, die meist aufgrund ihres Wandels zu Klischees und vor allem ihrer Deutlichkeit nur eine Wirkung, nämlich die des Amüsements, verfolgen. Darüber geht ihm indes jegliche Subtilität verloren, die Filmverweise sind platt und leicht erkenntlich, damit auch jeder Zuschauer einen bequemen Platz zugewiesen bekommt. Das ist wohl ohnehin der Punkt: Die Postmodernität dieser Filme ist einfach nur reine Bequemlichkeit. Und sie unterfordert ihr Publikum mehr und mehr.

September 25, 2007

Kino: THE BRAVE ONE

Nach seinem bemerkenswerten IRA-Drama "Breakfast on Pluto" inszeniert Neil Jordan wieder in den USA. Vielleicht um etwas Geld zu verdienen. Oder auch die Arbeit mit Jodie Foster als Fußnote in der Schaffensvita zu verewigen. Wie die meisten US-Produktionen des Iren ist "The Brave One" von einer herausragenden Lustlosigkeit in Regie und Inszenierung gekennzeichnet, vielleicht ist es sogar der schlechteste Film, den Jordan bislang zu verantworten hat.

Erica Bain (Foster) ist Radiomoderatorin in
New York. Ihrer zarten und schmächtigen Erscheinung steht eine einfühlsame Intelligenz gegenüber, sie kann auf Menschen eingehen, steht mit beiden Beinen im Leben. Eines Nachts spazieren sie und ihr Freund David (Naveen Andrews) im Park, sie führen den Hund aus, küssen sich, albern herum – und werden von brutalen Straßengangstern überfallen. Wochen später erwacht Erica aus dem Koma, David hat den Angriff nicht überlebt. Fortan ist die Frau geplagt von Angstzuständen und Panikattacken. Als sie dann unerwartet in einen weiteren Überfall gerät, wehrt sie sich: Und beginnt einen Rachefeldzug auf eigene Faust.

Das Übel beginnt wohl mit der Erwartungshaltung: Beim "The Crying Game"-Regisseur hätte man guten Gewissens eine – wenn schon nicht ideologisch einwandfreie – so doch zumindest differenzierte, komplexe, uneindeutige, ja wenigstens eine gedankliche Auseinandersetzung mit dem leidigen Selbstjustizstoff vermuten dürfen. Das haben sie uns doch uns vorgemacht, die großen Meister. Diejenigen, auf die sich Jordan so plump beruft. Auf Martin Scorsese etwa, auf "Taxi Driver" also – den mit der jungen Jodie Foster und der Musik von Bernard Herrmann. "The Brave One" zitiert fleißig, grobschlächtig, auf sich selbst verweisend. Und macht es dem Zuschauer besonders unangenehm. Selbst wenn das hingegen nur halb so peinlich wie langweilig ist.

Weil der Film so arglos vor sich hin plätschert, möchte man schnell mutmaßen, dass Jordan an einer weniger spekulativen, denn behutsamen Annäherung interessiert scheint. Viel zu tun hat der Mann allerdings nicht. Seine Jodie Foster inszeniert sich unweigerlich selbst: Die Rolle als zerbrechliche, agile und hilflose Frau, die sich nach schmerzlicher Pein zur Emanzipation aufrafft, hat sie sicherlich schon einige Dutzend Mal gespielt. Die Kamera steigt ihr stets nach, und mehr als Mitleid für die Hauptfigur soll dabei auch nicht herumkommen. Doof nur, dass "The Brave One" ähnlich wie jüngst "Death Sentence" vorheuchelt, an Graustufen interessiert zu sein, anders als dieser aber nicht einmal für zwei Stunden gesunde Exploitation genügt.

Jordan bzw. Foster zeigen den ersten Überfall mit vehementer Brutalität, an deren Intensität der Film ganz bewusst zu keiner Zeit mehr anknüpfen wird. Die weiteren Morde als Akt der Eigenvergeltung werden niemals in Frage gestellt, obwohl es fast schon so wirkt, als provoziere Fosters Figur jeglichen Konflikt. Ob ein Überfall im Spirituosengeschäft oder eine Pöbelei in der U-Bahn – der Film fährt eine konstante moralische Linie, immer sollen die Sympathien bei der gebeutelten Moderatorin liegen, ohne dass hier nach Ursachen in gesellschaftlichen und/oder politischen Institutionen gesucht wird. Richtig unangenehm, fast schon grotesk wird’s zum Ende, wenn Terrence Howard als gutmütiger, seines Zeichens selbst von Justitia losgelöster Polizist der weinerlichen Foster die Waffe in die Hand drückt, um schließlich den Gangleader erschießen zu können. An Jordans Gespür fürs Mehrdeutige, für Subtilität und trockenen Witz denkt man hier dann schon längst nicht mehr. Ein wahres Trauerspiel.


25%
- erschienen bei: DAS MANIFEST

September 22, 2007

News: EASTERN PROMISES Kritikererfolg

Die Variety spricht von einem der besten, wenn nicht dem besten Cronenberg überhaupt, während "Eastern Promises" auch sonst fast ausnahmslos positive Besprechungen erntet und bei zahlreichen festivals Preise absahnt. Deutscher Kinostart nun jedoch leider erst am 27.12.07!

TV: Fernsehtipps vom 22.09. - 28.09.07

Samstag, 22.09.

22:35 Uhr – „Das Ding aus einer anderen Welt“ (K1)

…als Remakes noch ordentliche Neuinterpretationen waren. Carpenters ultraatmosphärischer, an Spannung kaum zu überbietender Polar-Alptraum. Vielleicht sogar – wie letztes Mal – ungekürzt.

23:00 Uhr – „The Crow“

An und für sich überaus mittelprächtiger Film, dem durch das tragische Ableben Brandon Lees jedoch eine mythische und zeitlose Dimension zuteil wurde.

0:20 Uhr – „Red Heat“ (Tele5)

Buddy-Komödie mit Mottenkistenhumor und erschreckend schwachen Actionszenen.

0:35 Uhr – „Rhea M.“ (K1)

Stephen Kings berühmt-berüchtigter Selbstversuch: So schlecht und albern, dass es fast schon wieder Spaß macht.

1:30 Uhr – „Dich kriegen wir auch noch!“ (Pro7)

Mit unzähligen Genreverweisen angereicherte, völlig unterschätzte Bereicherung des Teenfilms, eine erstaunlich tiefgründige Auseinandersetzung mit den Problemen und Ängsten von Jugendlichen, die nur manchmal in Zugeständnisse an das MTV-Publikum abdriftet.

3:20 Uhr – „Trainspotting“ (RTL2)

Dogentrips so cool wie sie in Wahrheit schrecklich sein müssen – Danny Boyles Zeitgeistfilm irgendwo zwischen Verklärung und Slacker-Romantik.

Sonntag, 23.09.

0:05 Uhr – „Midnight Run“ (VOX)

Amüsantes Road Movie mit toller Musik.

Montag, 24.09.

20:15 Uhr – „Terminal“ (SAT.1)

In Anlehnung an klassische Hollywoodkomödien wunderbar heiter inszenierte Comedy mit viel Kitsch und schönen Regieeinfällen.

23:15 Uhr – „Infam“ (SWR)

Sehr bewegendes, oft aber in die falsche Richtung gedachtes und aus heutiger Sicht reichlich naives, wenn nicht gar homophobes Drama mit großartigen Schauspielern.

1:05 Uhr - „Frauen am Rande des Nervenzusammen- bruchs“ (Arte)

Schrulliger Kultfilm mit wunderbaren Figuren.

2:20 Uhr – “Fearless” (RTL2)

Weir kann’s besser, aber Jeff Bridges ist fast schon übermenschlich gut.

Mittwoch, 26.09.

20:15 Uhr – „Kindergarten Cop“ (SRTL)

Jungs haben einen Penis und Mädchen eine Vagina.

0:05 Uhr – „Robin Hood“ (ZDF)

Grauenhaft inszenierte Neuauflage mit einem wurschtel- haarigen Kevin Costner und fehlbesetzten Alan Rickman.

Donnerstag, 27.09.

22:30 Uhr – „Rambo 2“ (VOX)

Der Film zur Reagan-Ära: Heute kann man getrost drüber lächeln.

0:35 Uhr – „Die Bettwurst“ (Arte)

Rosa von Praunheim wie man ihn hasst und liebt.

Freitag, 28.09.

20:15 Uhr – „House of Flying Daggers“ (Pro7)

Wunderschönes, herausragend choreographiertes und eigen- williges Liebesmärchen. Mein Lieblingsfilm der inoffiziellen Trilogie.

1:55 Uhr – „Jackie Brown“ (RTL2)

Tarantinos Verneigung vor dem Blacksploitation-Kino ist wunderbar trivial und mit einem Übermaß an Dialogen gegen den Strich gebürstet.


September 20, 2007

Kino: SHOOT 'EM UP

Es gehört nicht viel dazu, "Shoot ’Em Up" den Status als neues heißes Ding vorauszusagen. Ganz sicher wird das der Film, um den sich noch in vielen Jahren Internetdiskussionen und Forengerüchte ranken werden, ob er in dieser oder jener Fassung nun Uncut, Unrated und ganz besonders bluttriefend sei, ob er cooler als "The Boondock Saints" und schnittiger als der letzte Guy Ritchie wäre, und inwiefern er eine inoffizielle Entschädigung für das bisherige Hollywoodschaffen des John Woo bildete. Das alles dann sicher nicht unberechtigt. Vor allem nämlich macht "Shoot ’Em Up" als die kurzweiligste Dauerschießerei seit langem deshalb so viel Spaß, weil er ganz hinter seinem veritablen Selbstbekenntnis steht: Bietet er doch für eigentlich etablierte Charak- terschauspieler wie Clive Owen oder Paul Giamatti die Möglichkeit, dem Typecasting zuwider sinnentleert drauflos zu ballern – und das niemals auch nur eine Sekunde ohne jenes Augenzwinkern, welches ihn als Große Jungen-Spiel so unterhaltsam gestaltet.

Gleich zu Beginn fliegen die Fetzen, da wird auf alles geschossen, was sich bewegt, spritzt das Blut aus Arm und Bein, Kopf und Mark. Mittendrin Owen, der da anknüpft, wo er zuletzt mit "Children of Men" aufhörte: Er durchschießt die Nabelschnur eines Säuglings und ist fortan in bester "Hard Boiled"-Manier darum bemüht, das quengelnde Neugeborene vor irgendwelchen Gangstern zu beschützen. Niemand weiß, wer hier eigentlich wer ist oder was irgendjemand in diesem Schlamassel wirklich möchte – außer sein gegenüber in der Luft zu zerfetzen –, und gerade weil der Zuschauer keinen blassen Schimmer von dem hat, was da in kurzen 80 Minuten erzählt wird, kann er sich ohne Umschweife an den kreativen, findigen, irrealen, also ganz einfach besonders ansehnlichen Actionchoreographien erfreuen.

Den kargen Actionheld gibt Owen dabei mit gewohntem Charisma, keine Geste zu viel und kein One Liner zu wenig. Ihm zur Seite steht Monica Belucci, die selbst als verdorbene Nutte und Fetisch-Milchspenderin überfordert scheint, erfreulicherweise aber stets Sidekick im Duell Owen versus Giamatti bleibt. Höhepunkt hinsichtlich oben beschriebener Kult-Gütesiegel ist dabei eine Sexszene zwischen Belluci und Owen, bei der ein Bösewicht nach dem anderen zur Strecke gebracht wird, während manch gymnastische Sonderstellung die enorme Absurdität des ganzen mit großer Freude vorführt. Da erreicht dann nur noch der vorantreibende Zynismus größere Ausmaße, so doch besagtes Baby in allerlei höchst zwiespältige und selbstredend nicht minder amüsante Gefechte gerät. Das ist schon zweifellos ein sonderbarer Humor in "Shoot ’Em Up".

Und all die Verweise aufs Genre, auf die Ikonen und Helden des Kinos, die Zitate und Selbstreferenzen ("Fuck me sideways!") kommen so leichtfüßig, so ironisch und ungezwungen daher, dass man Michael Davis' Film gar richtig lieb haben kann. Und das auch trotz all der gorigen Geschmacklosigkeiten darin: Denn wie schrecklich kann es sein, dass Owen während eines Fallschirmsprungs dutzende Kerle erledigt, indem er sie erschießt, als Schutzschild benutzt und schließlich in die rotierenden Helikopterflügel befördert, wenn er sich anschließend ganz wie Bugs Bunny eine gesunde Karotte zwischen die Zähne steckt? Selten war ein Titel so schlicht Programm – "Shoot ’Em Up" ist die beste Comicverfilmung, die kein Comic verfilmt.

60% - erschienen bei: DAS MANIFEST

News: AM 20. NOVEMBER 2007 ...

... erscheint in den USA die wohl beste DVD des Jahres. Als Single-Ausgabe, 2-Disc 'Shake and Shimmy'-Version in zwei Covern und als große Limited Edition-Box.


Details zur Ausstattung hier.

September 19, 2007

News: Upcoming Reviews


In Kürze Filmbesprechungen zu: "Shoot 'Em Up" (Michael Davis), "Die Fremde in Dir" (Neil Jordan) und "Planet Terror" (Robert Rodriguez).

Retro: M. BUTTERFLY (1993)

Wie kann jemand nicht merken, ein Mann im gehobenen Dienst wohl gemerkt, verheiratet und kühn in seiner Ausstrahlung, dass er eine Affäre mit einem anderen Mann hat? Bei René Gallimard (Jeremy Irons) ist dies der Fall, er verliebt sich in die Opernsängerin Song Liling (John Lone), deren hübsche Kleider und streng gebundene Haare zumindest dem Zuschauer keinen Zweifel an ihrer wahren Identität aufgeben. Doch je offensichtlicher Liling keine Frau ist, desto verständlicher und nachvollziehbarer erscheint es, dass Gallimard diese Offensichtlichkeit nicht wahrnimmt. Und schon befindet man sich erneut mittendrin – im Cronenbergschen Konflikt von Körper und Geist.

"M. Butterfly" ist ein Meisterwerk. Nicht etwa deshalb, weil er eine tragische und emotionalisierte, obwohl urkomisch anmutende Geschichte erzählt, der Augenscheinlichkeit zum Trotz auf verführerische Umgarnungen setzt oder versucht, den Zuschauer Teil dieser Fantasie und Realitätsflucht werden zu lassen. Cronenberg gelingt es spätestens mit diesem Film, sein profanes Image als Body Horror-Filmer um zerplatzende Schädel und mutierte Fliegen abzulegen, ohne auch nur im Geringsten auf die Schlagkraft seiner menschlichen Betrachtungen und Fragen verzichten zu müssen. Vielmehr aber verwirrt der Film in seiner Schönheit aus Originalschauplätzen und melodramatischen Landschafts- bildern den Dunstkreis jener, die Cronenbergs Fleisch- beschauungen als veräußerlichte Biometaphern begriffen. Mehr noch als "Dead Ringers" und dem sehr ähnlichen "Naked Lunch" verdeutlicht "M. Butterfly" hingegen die Radikalität der inneren Körperwelten.

Gallimard ist wie so oft in Cronenbergs Geschichten eine zentrale Figur, die über ausreichend Bildung verfügt, eine strenge Präsenz hat und eher pragmatisch und abgeklärt, denn idealistisch und realitätsfremd wirkt. Diese Fehleinschätzung wurde innerhalb der Filme des Kanadiers nur selten so ironisch vorgeführt, immerhin dreht sich "M. Butterfly" um Illusion und Konstruktion – Jeremy Irons macht schließlich nur aus dem Grund einen bodenständigen Eindruck, weil der Zuschauer ihn so wahrnehmen möchte. In Wahrheit aber ist er nicht anders als ein Max Renn aus "Videodrome" oder Seth Brundle aus "The Fly": Jemand, der noch so fest verankert im Leben scheinen kann, aber tatsächlich keinen blassen Schimmer von dem hat, was die Welt eigentlich für ihn bereithält. Jemand, der nicht weiß, dass seine Geliebte ein Mann ist, weil er es auch nicht wissen will. "I’d never ask him.", gibt Liling vor Gericht zu Protokoll, wohl wissend, dass diese Frage auch kein Gehör gefunden hätte.

Genau genommen ist Gallimard sogar ein regelrechter Eskapist, ein Ich-Bezogener, unsympathischer Büromensch, der von Kultur ("I’m embarrassed to say I’ve never seen the Butterfly") ebenso wenig Ahnung hat wie von Politik ("We French lost our war in Indochina because we failed to learn about the people we sought to lead."). Cronenberg skizziert diese Figur mit vielen Feinheiten und äußerster Subtilität, indem er kurze Einblicke in Gallimards Privat- und Arbeitsleben gibt. Beide Bereiche sind entweder von einer banalen Tristesse durchzogen oder einfach nur schrecklich normal – wie die Ehefrau (Barbara Sukowa!), die abends im Bett noch eine Zeitung liest, bevor sie und ihr Mann ein oberflächliches Tagesresümee ziehen, oder die merkwürdigen Arbeitskollegen, die der Zuschauer mehr und mehr durch Gallimards verschrobene, immer realitätsfremdere Sicht anblickt, während seine Frau nach einigen Auftritten schließlich ganz aus der Handlung verschwindet. Cronenberg verschreibt sich so sehr seiner Sache, der obsessiven Beziehung zweier Menschen, dass er an allem anderen gar nicht interessiert scheint. Nicht nur die politischen Hintergründe der Geschichte, die Kulturrevolution, Studentendemos und Kommunistenhatz bleiben demnach reines Beiwerk.

Indem der Regisseur seine Hauptfigur mit strengen, teilweise schon krankhaften Eigenschaften ausstattet – immer wieder klettet sich Gallimard an ‚seine’ Butterfly, umschlingt sie fest und geht dabei nie tatsächlich auf sie ein –, setzt er sich auch mit dem Wesen des Narzissmus auseinander. Wie auch in der griechischen Mythologie Narziss vielmehr als jemand begriffen wird, der sein im Wasser gespiegeltes Selbst deshalb liebte, da er zu einem einsamen Leben verdammt war, erscheint Gallimard seiner Eitelkeit zum Trotz wie eine tragische, gescheiterte Existenz auf der Suche nach Zuneigung. Hier kann "M. Butterfly" mehr als jede andere Arbeit von Cronenberg als exzentrischer Liebesfilm gelesen werden, der sich mit Fragen um zwischenmenschliche Abhängigkeit, Verschmelzungsfantasien und schließlich dem Wesen der Liebe selbst auseinandersetzt.

So diese denn sprichwörtlich blind macht, nähert sich Cronenberg ihr mit einem zutiefst menschlichen und gleichzeitig bitteren Ansatz. So sehr der Transvestit Liling wahre Gefühle für Gallimard empfindet, ist dieser nur wie versessen darauf, sein Gegenüber nach eigenen Vorstellungen zu entwerfen. Er sieht in Liling die chinesische Exotin, das mysteriöse, unscheinbare, verheißungsvolle – all das, was sich nicht in Einklang bringen lässt mit seinen westlichen Konventionen, mit seiner Arbeit, der bourgeoisen Ehe, seinen Vorstellungen vom Bekannten, Herkömmlichen. Er lebt eine Lüge, weil er sie leben will, und er konstruiert eine alternative Realität, weil er seine Wirklichkeit nicht wahrhaben kann.

Damit offenbart Cronenberg die Liebe als nüchterne Projektion, als kreative Spielerei, die sich allem Wahrhaftigen entzieht. Eine Frage, die – führt man diesen Ansatz weiter – ihn zu der Erkenntnis bringt, dass Liebe bis zu einem gewissen Punkt immer nur Spiegelung bedeutet – Spiegelung eigener Wunschvorstellungen von einem anderen Menschen. Bei Gallimard scheint dieser Punkt schließlich überschritten, als er fast regungslos zur Kenntnis nimmt, dass Liling ein Mann ist. Die Liebe oder eher Abhängigkeit hat ein Ende in genau jenem Moment, in dem sie ein wirkliches Gesicht erhält. Gallimards Zusammenbruch im Polizeiwagen ist deshalb auch nicht der wahren Identität Lilings geschuldet, sondern der Erkenntnis, dass sein Traum, seine Konstruktion unmöglich geworden ist. Wenn zuletzt nur das Harakiri die Lösung scheint, legt das die menschlichste Eigenschaft dieses Mannes frei: Er hat ganz einfach sein Leben als Oper inszeniert. "My name is René Gallimard.""Also known as Madame Butterfly."

September 16, 2007

News: SAW IV - Teaser #2

Nach dem ersten Teaser und einem ominösen Clip, der die Anfangssequenz spoilert, nun ein goriger zweiter Eindruck von "Saw" Runde 4. Ich fand die Serie schon ab dem zweiten ziemlich dürftig, aber schauen wir mal.

September 15, 2007

TV: Fernsehtipps vom 15.08. - 21.08.07

Samstag, 15.09.

1:25 Uhr – „Liebe 1962“ (RBB)

Ein szenisch brillanter, vieldeutiger und poetisch wirkender Charakterfilm voller Tiefe in seinen Figuren. Weitgehend kühl und objektgebunden, erweist sich Antonioni als Meister der Bildkomposition, beansprucht den Zuschauer jedoch nachhaltig. Kein Kino, dem ich mich bedingungslos hingeben kann.

1:30 Uhr – „Fear – Wenn Liebe Angst macht“ (VOX)

Vor Mark Wahlberg kann man tatsächlich Angst bekommen – auch wenn der Film als glatt gebügelte Thrillerkost für jedermann ziemlich fad bleibt.

Sonntag, 16.09.

20:15 Uhr - “Ocean’s Eleven“ (RTL)

Launiger als das Original, gut aufgelegt und schwungvoll inszeniert, aber Soderbergh lässt als Regisseur über elenlange Fachsimpeleien meist das Herzblut vermissen.

20:40 Uhr – „French Connection 2“ (Arte)

Die Action mitsamt ihren Verfolgungsjagden hat dem ansonsten qualitativ recht überschaubaren Film einen Platz in der Filmgeschichte gesichert.

22:05 Uhr – „Kill Bill Vol. 2“ (Pro7)

Eine urkomische Abfolge verschiedenster Filmklischees und Zitate, elegischer im Ton und deutlich stringenter als seine erste Hälfte. Tarantinos bislang beste Leistung.

Montag, 17.09.

22:15 Uhr – „Switchback“ (ZDF)

Kleiner feiner Thriller vor hübschen Kulissen und mit gelungenem Finale.

22:50 Uhr – „Mississippi Burning“ (MDR)

Alan Parkers eindringliche, deutlich Stellung beziehende und dennoch ungemütliche Auseinandersetzung mit dem Südstaatenrassismus. Willem Dafoe ist eine Offenbarung.

Dienstag, 18.09.

22:15 Uhr – „Teufelskreis Alpha“ (Das Vierte)

Nett und mit üppigem Schluss, aber auch recht vorhersehbar und oberflächlich. „Scanners“ bleibt bei mir die erste Wahl.

23:00 – „The Door in the Floor“ (RBB)

Meisterhafte, emotional sehr intelligente John Irving-Adaption mit sagenhaft guten Schauspielern – einer der vielen vorenthaltenen Oscars für Jeff Bridges.

Mittwoch, 19.09.

20:15 Uhr – „Eiskalte Engel“ (K1)

„Gefährliche Liebschaften“ auf dem Schulhof: Überraschend gute, wunderbar gemeine und spannende Neuadaption des Stoffes. Leider gekürzt.

22:20 Uhr – „Der Hexenclub“ (K1)

Teenienöten zu magischem Hokus Pokus chiffriert: Im Umgang mit ihren Kräften ergeht es ihnen hier jedoch glaubhafter als in ähnlichen Produktionen wie „Charmed“.

Donnerstag, 20.09.

22:10 Uhr – „Rambo“ (VOX)

Schon der erste Film der Serie ist weitaus weniger kritisch mit seinem Sujet, als gemeinhin behauptet wird. Zwar werden die Mechanismen hinterfragt – der Krieg als solcher jedoch untersteht einer grundsätzlichen Lobpreisung. Die Mittel sind fragwürdig, die Sache an sich aber in Ordnung.

22:25 Uhr – „Naked Lunch“ (3SAT)

Wenig zugänglich, aber umso kreativer vermischt Cronenberg hier Fiktion mit Realität – als intellektuelles Gedankenspiel um Identität und Sexualität. Ein großartiger, komplexer Film.

Freitag, 21.09.

20:15 Uhr – „The Beach“ (RTL2)

Der Film hat seine Macken, aber die soziologische Utopie darin auch unbestritten ihre Reize. Leonardo DiCaprio ist exzellent. Läuft gekürzt.


September 09, 2007

Radio: FILM-BLUE MOON 09/07

Heute ab 22Uhr heißt es wieder zwei Stunden mitstreiten beim Film-Blue Moon auf Radio Fritz (Berlin/Brandenburg). Durch die Sendung führen wie immer Mc Lücke und Ronald Bluhm, anrufen und sich aktiv an hitzigen Diskussionen zu aktuellen Kinofilmen von "Bourne Ultimatum" bis "Hairspray" beteiligen kann jeder - und einen Griff in die Fritz-Film-Geschenkekiste gibt es dann auch noch. Per Livestream oder direkt im Radio.

News: PREISTRÄGER IN VENEDIG 2007

Das Filmfestival von Venedig ist zu Ende gegangen - mit überraschenden Preisen. Trotz ernüchternder Kritiken nahe Verrissen (Anke Westphal in der Berliner Zeitung: "elegante Kälte - Enttäuschung") wurde Ang Lees neuer Film "Lust, Caution" wie schon zuvor "Brokeback Mountain" als bester Film mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet. Der Regisseur wird ihn trotz Proteste seitens des Verleihs mit einem NC-17-Rating in die Kinos bringen und widmete den Preis dem verstorbenen Ingmar Bergman. Brian De Palma soll mit "Redacted" für die beste Regie unter den Festivalfilmen verantwortlich sein - das wird sich zeigen, wann steht aber noch nicht fest.

Einen Ehrenlöwen für das bisherige Gesamtwerk bekam Tim Burton überreicht, der "eine verführerische, exzentrische Form des Kinos" liefere und "eines der wenigen Genies in der Fabrik der Bilder, Emotionen und visuellen Impulse" sei. Gezeigt wurden deshalb auch sieben Minuten aus Burtons neuem Musical "Sweeney Todd", die gigantisches Lob ernteten. Weiterhin wurden auch Brad Pitt, Cate Blanchett, Todd Haynes, Nikita Mikhalkvo und Bernardo Bertolucci ausgezeichnet.

September 08, 2007

Kino: HAIRSPRAY

Es gibt in "Hairspray" eine Montage, bei der das Mädchen im Mittelpunkt, Tracy Turnblad, gelangweilt eine Unterrichts- stunde nach der anderen durchsteht, von Algebra bis Biologie – immer wandert der Blick ungeduldig auf die große Uhr. Das Ticken wird mit einer rhythmischen Percussion-Abfolge unterstrichen, während ein abgehackter Bass das endlose Warten vorantreibt. Diese Vertonung von Bildern, das Einbetten der Sounds in eine Ereigniskette, ist geradezu prädestiniert für Filmmusicals und demonstriert schon nach nur wenigen Augenblicken, wie Adam Shankmans Inszenierung sich ganz auf den klassischen Stil des Genres festlegt. Seine Adaption des Broadway-Erfolges nach John Waters’ kongenialem Tanzfilm beweist nicht weniger, als dass Musicals die reinste, die purste Form des Kinos sind: Bewegungen, Rhythmen, Schnitt – all das verschmelzt zu einer Einheit, einer Technik und Grundsätzlichkeit, die Film überhaupt erst ermöglicht.

Die meisten Regisseure scheitern deshalb an dieser Aufgabe, zu komplex die Choreographien, zu anspruchsvoll die Anschlüsse, und zu schwierig die Synchronisationen der Bewegungen. In vielfacher Hinsicht beschwört "Hairspray" die Ära des Vergangenen herauf. Formal erinnert manches an die MGM-Musicals der 40er und 50er-Jahre, die wunderbaren Studiodekors etwa oder die farbenfrohen Kostüme. In einer Szene tanzen Christopher Walken und John Travolta auf einem kleinen Hinterhof zwischen Wäscheleinen – ein noch ikonischeres Flair könnte man gar nicht erschaffen. Und dann natürlich inhaltlich, im Baltimore der frühen 60er, wo verzweifelte Hausmütter und Ehemänner als gestrige Statussymbole ihre Kinder längst nicht mehr in die Kirche bewegen, sondern bestenfalls vom Fernsehgerät fernhalten können. 1962, im selben Jahr, als sich erstmals ein afroamerikanischer Student in der Universität von Oxford eingeschrieben hatte, sollten auch die nachmittäglichen TV-Tanzshows nicht mehr nur swingende Teenager in schwarz und weiß aufspalten.

"Nice white kids who like to lead the way
And once a month we have our ‘negro day!’"

Trotz der Elternproteste tanzte in Waters’ Original wie auch dem Musical zum Ende ein jeder gemeinsam, ob weiß oder schwarz, dick oder dünn, jung oder alt. Auch wenn die Realität indes anders aussah, da den Sittenwächtern die Absetzung der ‚Buddy Deane Show’ gelang, nachdem sie ihren ‚Negro-Day’ überwunden hatte und die Sendung stattdessen sowohl mit farbigen als auch weißen Jugendlichen ausstrahlte. Wirklich subversiv war das womöglich selbst 1988 nicht mehr, auch wenn Waters’ schräg-schrullige Parodie ganz generell als Ode an die Außenseiter für Toleranz in, wenn nicht mehr rassistischen, dann doch zumindest homophoben Verhältnissen warb. Da darf das Vergnügen rund 20 Jahre später guten Gewissens vor den ernst gemeinten Appell treten – die Themen im 2007er "Hairspray" sind weitgehend überholt und dürfen darum mit noch ausgelassener Ironie behandelt werden. Mehr nämlich als Waters, der sein Verständnis von Gleichberechtigung simpel wie auch originell dadurch zum Ausdruck brachte, dass er in einer Seitengasse einen schwarzen Jungen heftig mit einer konservativ erzogenen Weißen knutschen ließ, während über die zarten Füße dreckige Ratten krochen, werden hier gleich ganze Straßenzüge mit Queen Latifah als Kerzen haltende Rudelführerin aufgefahren, um die Rassentrennung zu überwinden.

"And i'm the man who keeps it spinnin' round
Mr. Corny Collins with the latest, greatest
Baltimore sound!!"

Die Ecken und Kanten aus Waters’ Version des Stoffes wurden auch sonst ausradiert, hier wird die Sexualität der Kinder nicht durch Elektroschocks zu unterdrücken versucht, finden sich keine Kotzszenarien oder zu gekokste Pia Zadoras in urigen Bruchbuden wieder. Und auch echte Transvestiten gibt es keine mehr: In die mächtigen Schuhe von Divine tritt nun Travolta, seinerzeit der Musicalstar einer ganzen Kinogeneration. So amüsant seine Auftritte als übergewichtige Mutter auch sind, seine Edna Turnblad bleibt letztlich eine Witznummer, die nur deshalb Spaß macht, weil ein Mann nach langer Prozedur wie eine komische Frau aussieht. Das kann manchem Divine-Vereherer zu Recht übel aufstoßen, auch wenn Travoltas Tanzeinlagen nur bestätigen, wie sehr dieses Genre ihn vermisst hat. Schwingt er im sensationellen Finale aber erst einmal die dicken Tanzbeine, ist das etwas beschädigte Erbe fast schon wieder vergessen.

"So every afternoon, drop everything
Who needs to read and write when you can dance and sing?"

Überhaupt ist die Besetzung der größte Coup des Films. Nach längerer Leinwandabstinenz begeistert Michelle Pfeiffer als intrigante, narzisstische Hexe mit hemmungslosem Over-Acting, rauchig-kratziger Stimme und erstaunlichem Gesangstalent, das an ihre hinreißende Performance aus "The Fabulous Baker Boys" erinnert. Ihr gegenüber darf Christopher Walken abermals sein Talent für Musicals unter Beweis stellen, immerhin weiß man nicht erst seit seinem tänzelnden Auftritt im Fatboy Slim-Video "Weapon of Choice" um dessen Gespür für elegante Bewegungen. Walken und Pfeiffer ist überdies eine urkomische Szene in einem Scherzartikelgeschäft vergönnt, die ob der ungeheuren Chemie zwischen beiden an ihre gemeinsamen Auftritte in Tim Burtons "Batman Returns" erinnert. Die Entdeckung in "Hairspray" jedoch ist zweifellos Debütantin Nikki Blonsky als pummelige Tracy, ebenso wie Ricki Lake bis dato komplett unbekannt. Sie schultert den Film mit enormer Souveränität, tanzt und singt als gäbe es kein Morgen mehr, mit einer Präsenz und Ausstrahlung, die viel zur lebendigen, ansteckenden Atmosphäre des Films beiträgt. Zuletzt spannen hübsche Gastauftritte von Waters, Lake und Jerry Stiller den Bogen zum Original.

Shankmans Leinwandadaption also ist die Musicalüber- raschung des Jahres, auch wenn er weniger bissig und verdorben, anstößig und zersetzend erscheint als seine Inspirationsquelle. Die mitreißenden Songs aus der Feder von Scott Wittman und Marc Shaiman, das überdrehte, spielfreudige Ensemble, all die bunten und ausgelassenen Kostüme bis hin zu den ausgedehnten, enorm peppigen Gesangs- und Tanzeinlagen stehen für sich – "Hairspray" hat seine Bühne wieder gefunden: Großes Kino als geschlossener Kreis.


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