Januar 30, 2008

Diverses: HÄSCHENGEZÄTER

Wer schon immer mal die Kurzfassung von Ang Lees "Brokeback Mountain" sehen wollte, oder wem Ridley Scotts "Alien" zu langweilig und Quentin Tarantinos "Pulp Fiction" zu geschwätzig ist, dem sei der Blick auf die 'Bunnyfied Shorts' empfohlen, 30sekündige Kurzfilme der Angry Alien Productions. Zum Brüllen!

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Januar 29, 2008

Kino: CLOVERFIELD

Man könnte jetzt noch einmal aufzählen, wie sorgfältig und langfristig der Verleih das Projekt beworben hat, wie erst Teaser-Fragmente im World Wide Web positioniert, dann die Spannung mit weiteren Informationen angetrieben und schließlich ein recht fulminanter Trailer ins Spiel gebracht wurde. Wie eine Erwartungshaltung bei Leuten geschürt wurde, deren Erwartungen sich im Internetzeitalter eigentlich gar nicht mehr schüren lassen. An ein vermeintliches Realprojekt glaubt kein Mensch mehr knapp 10 Jahre nach "The Blair Witch Project", und die semidokumentarische Kamera ist im Jahre 2008 so abgegriffen, dass sie selbst als modernes Filmklischee keine Erwähnung mehr finden sollte. Es gibt also nichts, das "Cloverfield" Erfolg beim so genannten viralen Marketing hätte versprechen dürfen, und dennoch hat es wieder funktioniert, das Ankitzeln, das Neugierigmachen, das Berechnen. Hype lautet der dazugehörige Inflationärbegriff. 

Dass die J.J. Abrams’ Produktion mit einer Idee aufwartet, die letztlich weder neu, noch sonderlich originell ist, sich nämlich gänzlich einer subjektiven Perspektive, einer Ich-Erzählung via Digitalkamera zu verschreiben, ist an und für sich nicht weniger vermessen als einen großen Monsterfilm ohne eigentliche Monster in Szene zu setzen. Sicher: Da wird schon durch New York gerempelt, da werden kleiner Krabbelviecher abgesondert, die die Menschen attackieren, aber das alles findet in Bruchteilen statt, in kurzen Momenten, oder sogar gänzlich off-screen. Unverschämt ist das, und kostengünstig obendrein. Warum fasziniert diese pseudo-reale Monsterattacke aber dennoch, wo man gerade mal ein paar schnelle Blicke auf das erhaschen kann, wofür man eigentlich Eintrittsgeld bezahlt.

Weil der Film in seiner veritablen Ökonomie jene banale wie simple These aufstellt und beweist, dass das, was man nicht sieht, eben doch um einiges erschreckender sein kann als jede Scope-Einstellung nackten Grauens und toll getrickster Effekte. Hier macht es sich "Cloverfield" wunderbar einfach, die Kamera schwenkt mal hier und mal da hin, zoomt dort mal kurz ran und fällt hier mal auf den Boden, dazwischen sieht man dann oft nichts oder einfach nur eine Horde Mitzwanziger durchs nächtliche zerstörte New York irren. Das soll großes Kino sein und ist in seiner tatsächlich weitgehenden Distanzlosigkeit, die besagte Wackelbilder hervorrufen, ungemein fesselnd und beklemmend, auch wenn man nie so recht weiß, warum das nun eigentlich der Fall ist. Wie "Cloverfield" also auf einer gänzlich suggestiven Ebene arbeitet und funktioniert, ist so selbstverständlich wie erstaunlich: Man kennt das alles, das Prinzip ist nicht anders als im End-90er-Kinohit um die drei Studenten auf den Waldspuren einer Hexe, und eigentlich ist es verdammt dated und verdammt berechenbar.
Da muss man sich als Zuschauer also auch auf etwas einlassen, auf eine Fiktion im möchtegern-realen Gewand, die nur funktioniert, wenn man den nicht selten nervigen Jungen und Mädchen bei ihrer Schreckensflucht vor letztlich ungewissen Monstern zu folgen bereit ist. Immerhin nutzt der Film seine spartanischen Mittel mit viel Mühe aus: Die Reise geht durch Häuserruinen, Tunnelschächte und über Hochhausdächer, und immer lauern garstige CGI-Monster auf dem Weg, die mit jedem Angriff ein ordentliches Gewackel provozieren. Natürlich weiß man als Zuschauer nie mehr, man sieht streng gefiltert und sauber den Suspense-Gesetzen folgend. Das kann ganz schön frustrierend sein, aber einmal inmitten dieser schweißtreibenden Endzeithatz ist das auch unverschämt spannend. Denn wo es wenig zu sehen gibt, darf umso mehr fantasiert werden: War da eben etwas an der Decke des U-Bahnschachts – oder hat die Kamera nur ein Problem mit der automatischen Schärferegulierung?

Ganz sicher wird man "Cloverfield" übel nehmen, dass er keine innere Plausibilität herstellt. Warum jemand, der dauerhaft um sein Leben bangen muss, alles darauf setzt, dies auch filmen zu können, dafür höhere Risiken und manch deftige Pietätlosigkeit in Kauf nimmt, weiß eigentlich auch kein Mensch. Altruismus in Notsituationen ist ebenfalls eine ehrbare Eigenschaft – ob es aber auch noch einen anderen Grund dafür gibt, dass die Truppe völlig unnötige Gefahren auf sich nimmt, um eine Freundin zu finden und aus einem umgestürzten Hochhaus zu befreien, außer dass es sich gut für den Verlauf der Geschichte und einige ideenreiche Drehbucheinlagen macht, darf natürlich bezweifelt werden. Dass der Film hierbei also ebenso an Logik einbüßt wie seine Versprechen unerfüllt bleiben, könnte zu einer deutlichen Spaltung des Publikums führen (von der dezenten Geschmacklosigkeit der 9/11-Verweise ganz zu schweigen). Man wird diesen Film entweder als feinen Monsterhorror mit neuer alter Hülse feiern – oder verzweifelt nach der herkömmlichen Filmsprache rufen müssen. "Cloverfield" ist in etwa so originell wie Roland Emmerichs "Godzilla"-Remake, aber bei aller Innovationsarmut auch so richtig schön offenherzig. Und wenn das so simpel möglich ist, warum dann eigentlich nicht.

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Radio: FILM-BLUE MOON 01/08

Heute ab 22Uhr heißt es erstmals mit Moderator Tom Ehrhardt zwei Stunden mitstreiten beim Film-Blue Moon auf Radio Fritz (Berlin/Brandenburg). Mit dabei ist neben Mc Lücke- Nachfolger Ehrhardt weiterhin Ronald Bluhm, anrufen und sich aktiv an hitzigen Diskussionen zu aktuellen Kinofilmen von beteiligen kann jeder - und einen Griff in die Fritz-Film- Geschenkekiste gibt es dann auch noch. Per Livestream oder direkt im Radio.

News: Upcoming Reviews


Demnächst Filmbesprechungen zu: "Cloverfield" (Matt Reeves), "No Country for Old Men" (Joel Coen, Ethan Coen) und "I'm Not There" (Todd Haynes).

Januar 26, 2008

Kino: SWEENEY TODD...

...The Demon Barber of Fleet Street

Der Barbier ist keine neue Figur im Oeuvre von Tim Burton: Bereits in
"Edward Scissorhands" ließ der Regisseur Johnny Depp frisieren, rasieren und anderweitige Schnippelarbeit verrichten. Sweeney Todd fügt sich hier nahtlos ein in die Reihe tragischer Antihelden, missverstandener Gestalten und rastloser Einzelgänger, mit denen Burton seit jeher den traditionellen Universal-Horrorfilm beschwört. Dass der Mann fürs Morbide geradezu auserkoren ist, um Stephen Sondheims düsteres, schwarzromantisches Musical für die große Kinoleinwand zu übersetzen, schien auch dem Komponisten klar: Nach einigen Fernsehverfilmungen, die sich des Stoffes nie adäquat annahmen, war es Sondheim selbst, der seinen Bühnenhit nach fast 30 Jahren angemessen adaptiert wissen wollte und der Verpflichtung Burtons ohne Bedenken zustimmte. Dafür genügt bereits der Blick auf dessen bisheriges Werk – sowohl der stets düstere Ton, als auch der irgendwo zwischen Hammer-Films und Gotik-Ambiente, zwischen Grand-Guignol und klassischem Monster-Horror festgemachte visuelle Stil Burtons ist geradezu prädestiniert für den schmierig-kargen, tristen Straßenlook Londons im mittleren 19. Jahrhundert.

Einst führten hier der junge Benjamin Barker (Johnny Depp) und seine Frau Lucy (Laura Michelle Kelly) ein friedliches Familienleben. Doch der korrupte Richter Turpin (Alan Rickman) hat ein Auge auf die schöne Frau des Barbiers geworfen und bringt Barker mithilfe seines Handlangers Bamford (Timothy Spall) unschuldig ins Gefängnis, um Lucy und deren kleine Tochter Johanna zu missbrauchen. Das geschah vor 15 Jahren. Nun kehrt Barker zurück nach London – als Sweeney Todd schwört er Rache für die einstige Ungerechtigkeit an ihm und seiner Familie. Gemeinsam mit der Bäckerin Mrs. Lovett (Helena Bonham Carter), die ihm vom Selbstmord seiner geliebten Lucy berichtet, schmiedet er einen teuflischen Plan: Jeder, der um eine Glattrasur bittet, wird fortan zu Fleischpastete verarbeitet.

Wer die Figur Sweeney Todd wirklich war, weiß niemand genau. In England ist die Geschichte eine Art Gegenstück zum Jack the Ripper-Mythos, eine urbane Legende, der mal wahre Wurzeln, mal reine Fantasie unterstellt werden. Als Film- und Theaterstoff vielmals aufbereitet und erweitert, war es schließlich Sondheim, der "Sweeney Todd" 1979 zu einem bluttriefenden, aber auch schwarzhumorigem Bühnenmusical verarbeitete, das heute zu den meistgeschätzten und komplexesten Werken der Musikgeschichte zählt. Selbst gestandenen Sängern und ausgebildeten Musikern bereitet die Partitur Probleme, die dissonante, im Tempo immer wieder unerwartet variierende Musik auf der einen; überbrausende, unglaublich verdichtete und schwer vorzutragende Texte auf der anderen Seite – Sondheims Komposition gilt als heilige Kuh, an die sich bislang zurecht noch kein Regisseur in vollem Umfang gewagt hat.

Umso erstaunlicher, dass Burton den Film (abgesehen von wenigen Ausnahmen in Nebenrollen) mit unprofessionellen Sängern besetzt hat. Weder Depp, noch Bonham Carter oder Rickman verfügen über ausreichend Erfahrung in Gesang und Musicalperformance, doch gerade dieser filmische Ansatz scheint der einzig mögliche: Dies ist eine Kinointerpretation des Stoffes, kein verfilmtes Broadway-Stück. Es ist ein Experiment, ein Versuch, nicht geschulte Schauspieler singen zu lassen. Und obwohl insbesondere Bonham Carter trotz des verlangsamten Tempos hörbar Probleme mit ihren Parts hat, funktioniert dieses Konzept: Denn "Sweeney Todd" ist gesungenes Schauspiel und kein gespielter Dauergesang, was dem zweistündigen und fast durchgängig gesungenen Film jene bühnenhafte Theatralik nimmt, die ein derart operettenhafter Stoff als Filmversion schnell annehmen kann. Dies ist kein Kompromiss, sondern eine künstlerische Entscheidung, die den Film auch einem Publikum näher bringen dürfte, das Musicals ablehnend gegenübersteht. Ein wenig schade zwar, dass das übernatürliche Element bei Burton deshalb nun gar keine Rolle mehr spielt – der Geisterchor der Vorlage, eine ans Publikum gerichtete, im filmischen Kontext hingegen nur schwer umsetzbare Instanz, fehlt gänzlich –, würde jedoch genau diesem eher gesetztem Konzept zu stark widersprechen.

Stilistisch einem Meisterwerk gleich, hat Burton dem Bild jede Farbe genommen. Die ausgewaschene, graue Optik, in der das altertümliche, viktorianische London inszeniert ist, bildet die perfekte Grundlage für ein unheimliches Sittengemälde, das nahezu alle Motive des Regisseurs aufgreift. Der despotische Richter Turpin wird bei Burton zu einer Art Max Shrek ("Batman Returns") des Mittelalters, während dessen quasi-inzestuöses Verhältnis zur vereinnahmten Barker- Tochter einem ähnlich bizarren Familienverständnis entspricht, wie es auch die rachsüchtigen und um Geschlechtergrenzen rangierenden Konflikte in "Sleepy Hollow" zum Ausdruck bringen. Dass Depps Kostümierung mehrmals an seine Rolle in "Edward Scissorhands" erinnert, ist ebenso offensichtlich wie dessen Inszenierung als innerlich zerrissener, selbst zerstörerischer Außenseiter, der Prototypfigur eines jeden Tim Burton-Films.

Barbier Sweeney Todd erweitert die Konstanz an Charakteren im Burton-Werk jedoch um einige Noten. Er ist wesentlich ambivalenter gestaltet als die bisherigen Abtrünnigen in Burtons Filmen und entspricht weniger der Verkörperung eines Identifikationsangebotes, als vielmehr einem maniac on the loose, der seines fragwürdigen Rachefeldzuges wegen auch keine sentimentale, melancholisch verklärte Darstellung erfährt (für ein wunderbares "La Strada"-Zitat ist sich Fellini-Freund Burton aber dennoch nicht zu schade). Todd ist so sehr von seinem blinden Racheplan erfüllt, dass er darüber sogar den Grund für die Vergeltung zu vergessen scheint: An seiner befreiten Tochter scheint er schließlich gar kein Interesse mehr zu haben. Dem Film fehlt deshalb auch ein wenig die emotionale Hingabe, seinem Antihelden gehört nicht uneingeschränkt jede Sympathie, wie er zumindest keine eindeutige Ode an die Außenseiter stimmt. Das wiederum ist ebenfalls angesichts der tragischen, aber auch unaufhaltsam dem bitteren Ende entgegenblickenden Geschichte die richtige Entscheidung.

In "Sweeney Todd" geht es doch schließlich vor allem um unerfüllte Liebe. Um die Liebe zwischen Todd und seiner Frau ("And my Lucy lies in ashes, and I'll never see my girl again"), zwischen dem jungen Anthony (Jamie Campbell Bower) und der von Turpin aufgezogenen und eingesperrten Barker-Tochter Johanna (Jayne Wisener), und auch um die seltsame Liebe der Mrs. Lovett zum wahnsinnigen Todd. Burton kontrastiert jede Romantik mit expressionistischen Settings, frei in alle Richtungen spritzendem Kunstblut und ebenso zynischen (die Erarbeitung eines Speiseplans im großartigen Song "Little Priest") wie sarkastischen Regieeinfällen (die Nummer "By the Sea", in der es um ein Leben jenseits des tristen Molochs geht, wird als kunterbunte Farce inszeniert). Welch Gespür der Mann grundsätzlich für Musicals besitzt, war bislang zwar mehrfach zu erahnen – man denke an die Busby Berkeley-Anleihen in "Charlie and the Chocolate Factory" –, doch handwerklich ist "Sweeney Todd" nicht nur eine Weiterentwicklung Burtons, sondern auch eine nahezu perfekte Übertragung des Stoffes ins filmische Medium. Bei den rhythmischen, wohl bedacht und überaus ideenreich mit Bewegungen, Soundeffekten und vor allem einem ungemein raffinierten Schnitt in Szene gesetzten Gesangseinlagen sind Bild und Ton wirklich einmal eins, eine funktionale Einheit, bei der beinahe jede Nuance stimmt. Das ist in letzter Konsequenz nicht weniger als reinstes, purstes Kino – oder womöglich sogar die absolute Form von Kino überhaupt.


95% - gekürzte Fassung erschienen in: Deadline #08/08

Januar 24, 2008

News: DEADLINE #08

Am 30. Januar erscheint die neue Deadline. Darin wie immer Reviews und Specials rund um den phantastischen Film für nur 5 Euro, unter anderem mit folgenden Themen:
  • Titelstory: SAW 4 inkl. Interview mit Tobin Bell
  • Breitwand - jetzt im Kino
  • Heimservice - neu auf DVD
  • Über 100 Reviews inklusive exklusiven Interviews mit Imogen Poots und Mackintosh Muggleton
  • Festivalberichte: Sitges Film Festival `07, 1. Europa Filmfest München
  • Specials: Horror privat mit Carolin Kebekus
  • Olaf Ittenbach-Special - Inklusive Retrospektive und Interview
  • Hennes Benders Hörstürz - Hörspiel-Kolumne
  • Herr Buttgereit empfiehlt - die Kolumne von Jörg Buttgereit
  • Texthilo - die Kolumne von Thilo Gosejohann
  • I-On New Media -Labelportrait
  • David Cronenberg-Interview und Retrospektive Teil 2
  • TWIN PEAKS-Special
  • BRITCOM-Special
  • HEROES-Special Inklusive Interview Adrian Pasdar
  • Animeskop
  • Hirntot - die freundliche Rätselecke
  • Televisionen - TV-Serien auf DVD
  • ZeichentriX - Comics am Rand
  • Frischfleisch - Neuigkeiten
  • Underdogs - Independentfilme und andere Auswüchse

Januar 22, 2008

Absolute Sprachlosigkeit...


News: ACADEMY AWARDS 2008

Die Nominierungen für die 80. Annual Academy Awards werden heute um 14:30 Uhr WEZ bekanntgegeben. Ich hoffe inständig, dass "Sweeney Todd" (weil ich es noch nicht erwähnte: ganz, ganz groß) es in die Auswahl für den Besten Film schafft, ebenso wie Tim Burton seine erste Oscarnominierung bekommen könnte (Depp und die Nebenkategorien sind dem auf jeden Fall sicher). Schön auch, wenn David Fincher ("Zodiac") nicht übersehen würde. Aber "Atonement" räumt sicherlich ohnehin in jeder Kategorie ab. Fatih Akins "Auf der anderen Seite" kann übrigens nicht mehr nominiert werden, der schaffte es nicht einmal in die Vorauswahl (sic!).

edit:

Enttäuschung pur! ---> klick

Januar 21, 2008

Kino: ONCE

Gemessen an ihrem verschwindend geringen Budget kann sich die Independentproduktion "Once" nicht gerade über zu wenig Aufmerksamkeit beklagen. Die Geschichte eines irischen Straßenmusikers, der gemeinsam mit einer tschechischen Immigrantin ein Album aufnehmen möchte, hat sich nicht nur in die Herzen von Steven Spielberg, der den Film seinerzeit zum Kraft schöpfenden Kinohöhenflug des Jahres erklärte, und dem Publikum des Sundance Film Festivals gespielt, sondern begeistert auch weltweit die Kritik. Dem analytischen Kleingeist muss Regisseur John Carney zwar erst einmal den Wunsch nach filmischer Komplexität austreiben, wer aber über die eher spontan denn durchgeplant erscheinende Inszenie- rung samt Drehbuchmängel und einer gewissen Ziel- und Richtungslosigkeit hinwegsehen kann, der wird mit einem der ehrlichsten, sympathischsten Musikfilme der letzten Jahre belohnt.

Es ist die enorme Aufrichtigkeit mit der "Once" seine Geschichte erzählt, die jede Distanz nach wenigen Augen- blicken überwindet. Der Film versprüht von Beginn an eine ungezwungene, natürliche und lebensbejahende Stimmung, integriert seine melancholischen Gitarrennummern wie von selbst in einen beinahe märchenhaften Rahmen. Obwohl der Straßenlook ungefilterte Authentizität verheißt, schwelgt der Film mehr in einer fantasievollen, nicht selten naiven, ungewöhnlichen Liebesgeschichte, die über viele tolle Singer/Songwriter-Nummern getragen, zusammengehalten und vor allem auch charakterisiert wird. In seiner etwas eckigen ungeschliffenen Art wirkt "Once" deshalb auch wie ein verfilmtes Demotape. Ganz nach dem Motto ‚The Soundtrack of my Life’ verkörpert The Frames-Bandleader Glen Hansard den teddybärigen Gitarrenspieler mit einem großen Schuss Alltagspoesie und einem noch größeren Schuss empathischer Kleinkunst.

Musik ist in Carneys Film die einzige wirkliche Sprache, sie ist der Schlüssel zur Kommunikation, das Bindeglied zwischen den Figuren, das alles antreibende Element. Sie bildet somit die wichtigste Form der Filmsprache, weil sie das Gerüst aufrechterhält, vielmals die Dialoge ersetzt, die unglücklichen Digitalbilder kaschiert und sowohl das äußere, den Film bindende, als auch das innere, die Geschichte wiedergebende Funktionsmittel darstellt. Hier ist "Once" deshalb letztlich ein ungewöhnlicher, aber doch deutlicher Musical-Vertreter, der sich trotz unbeholfener Dramaturgie und Technik gänzlich seinem Sujet verschreibt: Ein zwar spartanisch inszenierter, einfacher, bescheidener, aber ebenso klar sich selbst verpflichteter Film. Das ‚was’ muss transportiert werden, das ‚wie’ untersteht den Mitteln. Und weil sich Carney so wunderbar nachvollziehbar der Kraft der Musik hingibt, sich ihrer Entstehung, ihrer Bedeutsamkeit widmet, mit einer wahrhaftigen Liebe fürs Musizieren, spielt die Form schnell keine Rolle mehr.

Der Film begibt sich mit diesem Konzept ohnehin ganz selbstverständlich auf Augenhöhe seiner Figuren. Wie der Junge und das Mädchen vorsichtig zueinander finden, ohne Geld und ohne Mittel ihrem Wunsch nach Ausdruck näher kommen, transportiert Carney mit zwar formalen, nicht aber inhaltlichen Grenzen umso glaubwürdiger – was die gewollt oder ungewollt dokumentarische Cadrage von "Once" unterstützt. Dass der Film, obwohl er vieles zu sagen hat und noch mehr zu sagen hätte über soziale Stati und über die Wertschätzung des Einfachen, nie ganz ausbricht, nie den Blick erweitert und nie nach einem größeren Gefüge forscht, er deshalb immer auch ein wenig beschränkt, etwas sympathisch provinziell, aber doch beengt für sich stehend bleibt, muss man ihm unbedingt verzeihen. Spätestens dann, wenn einem die abgeriebenen Einkerbungen an der Korpusdecke der Gitarre auffallen – denn wann hat ein Film jemals einen charmanteren Ausdruck für die so genannten Spuren eines Lebens gefunden?

75%

TV: Fernsehtipps vom 21.01. - 27.01.2008

Montag, 21.01.

21:00 Uhr – Jules und Jim (Arte)

Schön, sehr menschlich, sehr ehrlich, einer der wenigen richtig guten Truffauts.

22:15 Uhr – Deep Star Six (Tele5)

Unterwasser-Trash von Sean Cunningham, gar nicht mal unspannend und wunderbar albern.

23:45 Uhr – Blood Simple (Das Vierte)

Dezent überschätzte Noir-Nummer der Coens, die von ihren Machern seitdem fleißig wieder und wieder aufgelegt wird.

Dienstag, 22.01.

jarnix

Mittwoch, 23.01.

20:15 Uhr – Backdraft –… (K1)

….Zuschauer, die durchs Feuer gehen. Achtung Ron Howard, Brechreiz!

22:55 Uhr – Species 2 (K1)

Noch bekloppter als der Vorgänger und so schleimig- eklig-doof, dass selbst Michael Madsen erträglich wird.

23:15 Uhr – Die Verurteilten (HR)

Gutes Gefängnisdrama, schöner Film über Freundschaft, aber nicht annähernd so groß, wie es die Rezeption vermuten lässt. Darabonts wahres Gesicht: The Mist.

Donnerstag, 24.01.

20:15 Uhr – X-Men (VOX)

Funktioniert insgesamt zwar noch eher wie eine überlange Exposition für die herausragende Fortsetzung – ist aber natürlich dennoch ein toll getrickstes Ensemble-Vergnügen.

Freitag, 24.01.

20:15 Uhr – Der 13. Krieger (RTL2)

Tolle Musik von Goldsmith, der Rest ist scheiße.

20:15 Uhr – 1492 (Tele5)

So aufgeblasen und stillos wie die meisten Ridley Scott-Filme.

20:15 Uhr – Der Anschlag (Pro7)

Der Anschlag gefällt, "Der Anschlag" aber ist lächerlich und dröge.

0:25 Uhr – Forsaken (Pro7)

Untergegangenes, aber durchaus annehmbares Vampir-Road- Movie.

1:00 Uhr – Tequila Sunrise (ZDF)

Pfeiffer großartig wie immer, aber am Film selbst nagt der Zahn der Zeit.

1:05 Uhr – Kinder des Zorns (VOX)

Linda Hamiltons unbeteiligtes, gelangweiltes Spiel allein ist schon zum Brüllen, der rothaarige Psychoanführer der Kinder setzt dem ganzen aber die Krone auf – puppenlustig.

Samstag, 26.01.

20:15 Uhr – Rufmord – Jenseits der Moral (RTL2)

Solides Polit-Drama, das Mutmaßungen über die Rückseite politischen Handelns anstellt, zumindest großartig gespielt von Joan Allen und allen voran Jeff Bridges.

22:45 Uhr – Sisters (Das Vierte)

Fesselnd, technisch überaus geschickt – sagt die TV-Movie, die muss es ja wissen.

23:45 Uhr – Demolition Man (ZDF)

Zum Schießen: Sandra Bullock. Der Rest ist aber auch nicht ohne.

23:50 Uhr – Jackass – The Movie (Pro7)

Genauso witzig wie die Serie, nicht unbedingt spektakulärer und deshalb im Kino nicht wirklich notwendig. Der zweite Film ist besser.

Sonntag, 27.01.

14:10 Uhr – Vierzig Gewehre (Das Vierte)

Einer der besten Western überhaupt. Barbara Stanwyck hätte ich gern geheiratet.

20:15 Uhr – Die Mumie kehrt zurück (RTL)

Noch hanebüchener als der Vorgänger. Leider sind auch die Effekte ziemlich schaise.

20:15 Uhr – Der Babynator (Pro7)

Übler Ideenklau! "Mr. Babysitter" mit Hulk Hogan ist viel cooler!

20:40 Uhr – Tagebuch einer Kammerzofe (Arte)

Ein Bunuel, den ich noch nicht kenne. Und ich habe kein Arte – Fuck!


Januar 20, 2008

News: DIARY OF THE DEAD - Trailer + 2 Poster

In den USA bekommt George A. Romeros neuer Film nur einen limitierten Kinostart am 15.02.2008, ob er hier also überhaupt in die Kinos kommen wird, muss leider bezweifelt werden.

---> Trailer <---


PS: Die TV-Tipps gibt's jetzt immer von Montag bis Sonntag, lässt sich besser timen.

Januar 17, 2008

News: TOM CRUISE SAVES THE WORLD

Wer dachte, der Auftritt bei Oprah Winfrey sei schon der Höhepunkt an Wahnsinn gewesen, der schaue sich dieses nun veröffentlichte interne Scientology-Interview von 2004 an. Höhepunkt: Das hysterische Lachen.

---> klick <---

Januar 14, 2008

News: Upcoming Reviews

Demnächst Filmbesprechungen zu: "Once" (John Carney), "Sweeney Todd - Der teuflische Barbier aus der Fleet Street" (Tim Burton) und "Saw IV" (Darren Lynn Bousman).

News: GOLDEN GLOBES 2008 - Gewinner

Die Gewinner gibt es hier nachzulesen, wer es zumindest noch etwas spannend haben möchte, der klicke hier und oben auf Video, wo man sich die Pressekonferenz in mehreren Teilen anschauen kann. Zu den Gewinnern: Keine wirklichen Überraschungen. Foreign Press-Standard. Aber für "Sweeney Todd" freue ich mich selbstverständlich.

Die Oscarnominierungen werden übrigens am 22.01. bekannt gegeben.

Januar 12, 2008

TV: Fernsehtipps vom 12.01. - 18.01.2008

Samstag, 12.01.

22:55 Uhr – Diamantenfieber (ARD)

Connerys Rückkehr. Sieht gut aus und gefällt als schmissiger Bond-Entry in die 70er. Aber der Chauvi-Gehalt der Serie war schon niedriger – und zum schwulen Killerpaar samt ‚Schlussgag’ muss man auch keine Worte mehr verlieren.

23:05 Uhr – Freddy vs. Jason (Pro7)

Wunderbar in Szene gesetztes Ikonenduell mit erstaunlich guter Geschichte, pfiffigen Ideen und hohem Goregehalt. Eines meiner unvergesslichen Kinoerlebnisse.

1:00 Uhr – Im Angesicht des Todes (ARD)

Trotz fortgeschrittenen Alters schultert Roger Moore seinen letzten Bond mit souveräner Leichtigkeit. Nach der enttäuschenden Pre-Title-Sequenz entwickelt John Glen eine nahezu konkurrenzlose Dynamik, die selbst in den vergleichsweise ruhigen, dafür jedoch clever austarierten Pferderennszenen aufrechterhalten wird. Die Besetzung mit Patrick Macnee und Christopher Walken ist zudem ein wahrer Coup, der auch die guten, aber offensichtlicher denn je gedoubelten Actionszenen ausgleicht.

Sonntag, 13.01.

20:15 Uhr – Die Bourne Identität (RTL)

Solide Bond-Nummer, gut gespielt, stilistisch etwas nervig. Hat zumindest in erster Folge noch nicht allzu viel Potential.

20:15 Uhr – Die Insel (Pro7)

In der ersten Hälfte klug stibitzter und erstaunlich ernsthafter Sci-Fi-Film, dessen pseudophilosophische Fragen bald einer Bay-obligaten Effektshow weichen müssen. Scarlett Johans- son nervt sowieso. Und Ewan McGregor war schon besser.

2:00 Uhr – Sweet and Lowdown (ARD)

Woody Allens verkrampfter "La Strada" bietet zum 150.mal alles, was man an Woody Allen gut oder schlecht finden kann.

Dienstag, 15.01.

22:25 Uhr – Meine Nächte sind schöner als deine Tage (3SAT)

Wird zur Zulawski-Meinungsbildung angeschaut, auch wenn ich den Mann bislang für grobschlächtig und plump halte.

22:50 Uhr – Bin-Jip (RBB)

Kim Ki-duk blickt in seelische Abgründe – ein bewegendes, großartiges Drama mit Gänsehautgarantie.

Mittwoch, 16.01.

22:30 Uhr – Die Killerhand (K1)

Slacker-Humor und einige saftige Einfälle gefallen, wie sich der Film ohnehin wenig ernst nimmt. Sehr bescheiden und sehr gelungen.

0:35 Uhr – Ghost Dog (ARD)

Jim Jarmusch = prätentiöser Sondermüll = Brechreiz = Forest Whitaker

Donnerstag, 17.01.

20:15 Uhr – Kevin allein zu Haus (VOX)

Mag ein guilty pleasure sein, aber ich liebe den Film. Kommt nur rund vier Wochen zu spät.

23:15 Uhr – Mein Leben ohne mich (WDR)

Mein Coixet-Einstieg. Hoffentlich hat der Film mehr zu bieten als Sarah Polley.

Freitag, 18.01.

22:10 Uhr – Sie leben! (Tele5)

Leider ist das Beste am Film der Audiokommentar auf der Kinowelt-DVD.

22:10 Uhr – Romeo Must Die (RTL2)

Jet Lis begnadete Kämpfe sind die ganze Miete, trotz der infantilen Shakespeare-Geschichte. "Kiss of the Dragon" fand ich aber noch mal einen ganzen Zacken besser.

23:45 Uhr – Assault – Anschlag bei Nacht (Tele5)

Carpenters verdichtete "Rio Bravo"-Hommage. Gut, mehr nicht.


Januar 10, 2008

News: HOW TO LOSE FRIENDS... - Trailer

Eine Traumbesetzung. Zwei meiner absoluten Lieblingsschau- spieler in einem Film. Zu "How To Lose Friends & Alienate People" mit Simon Pegg und Jeff Bridges ist kürzlich der erste Trailer erschienen. Das wird köstlich.

---> Trailer <---

Januar 08, 2008

News: KEINE GOLDEN GLOBE AWARDS 2008

So sehr ich die Globes auch nicht ernst nehmen kann, berichtete ich kürzlich doch mit Vorfreude über die diesjährigen Nominierungen. Da der (berechtigte) Autoren- streik jedoch seine Opfer bringen muss, folgte der Nachricht ausbleibender Stars nun gleich die komplette Absage der Verleihung. Schöne Kacke. Hoffentlich wird das nicht auch die Oscars betreffen.

Quelle

Januar 06, 2008

Retro: MALA NOCHE (1985)

Lange Straßen führen durch Portland, Oregon. Es ist eine Welt, die jenseits des Stadtinnern so trist wie befreiend wirken kann, und in ihren dreckigen Seitengassen so beklemmend wie wahrhaftig. Mit dem Auto lässt es sich hier ewig über Landstraßen fahren, dem Wind und der Ungewissheit entgegen. Die graue Leere dieser Umgebung, das totale Nirgendwo fungiert als Schlüssel zu einer Ungelöstheit, die den ärmlichen und suchenden Figuren von Gus Van Sants "Mala Noche" in den heruntergekommen Stadtteilen verwehrt bleibt. Hier tummeln sich verwahrloste Menschen, Obdachlose, Stricher, an den sozialen Rand gedrängte Gestalten. Sie hausen auf der Straße, in Bruchbuden und muffigen Absteigen. Und hier wimmelt es vor Problemen.

Der junge Zigarettenverkäufer Walt wirft ein Auge auf Johnny, einem mexikanischen Einwanderer, der sich gemeinsam mit seinem Freund Pepper illegal in den USA aufhält. Walt lädt die beiden spontan zum Essen ein, nicht ohne Hintergedanken allerdings, will er doch eine Nacht gemeinsam mit Johnny verbringen. Doch selbst für 15 Dollar lässt sich der Mexikaner nicht auf das Geschäft ein, weshalb letztlich Pepper bei und mit Walt schläft. Nachdem die drei einige Tage gemeinsam verbringen und in ihrer Straße herumhängen, verschwindet Johnny plötzlich spurlos. Der lebenslustige Walt versucht seinen mittellosen Freund Pepper – für sexuelle Gegenleistungen – weiterhin allein durchzubringen, doch als sich die Einwanderungsbehörde einschaltet, sind auch ihm Grenzen gesetzt.

Überhaupt geht es in "Mala Noche" gleich immer um Grenzen, um Einschränkungen und unstillbares Verlangen. Schon nach den ersten wirren Einstellungen im Zigarettenladen breitet sich ein Gefühl der Enge aus. Wie die Kamera an Gesichter fährt, sie beinahe überfährt, schlenkert und zoomt, das verschafft zunächst keinerlei Überblick. Gleichsam wird in diesen ersten Minuten bereits alles Wesentliche zum weiteren Verlauf des Films festgehalten: Der schwule Walt baggert den verschüchterten Johnny an, seine Gedanken werden in einem Voicer Over festgehalten, der den gesamten Film durchzieht. "He likes men", nuschelt ein alter qualmender Mann daneben. Der unsichere Mexikaner weiß mit den plumpen Anzüglichkeiten nicht viel anzufangen – ebenso wie der Zuschauer, der kurz zuvor noch die Ankunft Johnnys als blinder Zugpassagier verfolgte, ehe lyrische Countryklänge die Titel einläuteten.

Noch bevor Regisseur Gus Van Sant einige künstlerische Initiationsphasen durchlief, unter anderem eine kommerziell erfolgreiche Arbeitszeit in Hollywood, der mit der ‚Todes- trilogie’ die Rückkehr bzw. Neuzuwendung zum Indepen- dentfilm folgen sollte, schrieb und inszenierte er drei thematisch verwandte Geschichten: "Mala Noche", üble Nacht, ist sein erster Spielfilm, eine dokumentarische 16mm-Momentaufnahme, die sich jungen Erwachsenen irgendwo zwischen nicht mehr und noch nicht widmet. Gefolgt von "Drugstore Cowboy" und dem noch sehr viel ähnlicheren "My Own Private Idaho" bedeutete die nur 25000 Dollar teure Produktion den Durchbruch für den studierten Designer Van Sant.

Als Film innerhalb einer Subkultur, in der sich schwule unabhängige Filmemacher mit ebensolchen Themen auseinan- dersetzen, war (und – zumindest mitunter – ist) "Mala Noche" einzigartig. Das Debütwerk nähert sich seinem Sujet anders als es seinerzeit vergleichbare Regisseure wie Derek Jarman, Bill Sherwood oder Todd Haynes machten, gemacht hätten oder auch machen würden. Obgleich die zentrale Figur Walt in erster Linie über ihre Sexualität dargestellt und wahrgenommen wird, ganz deutlich im Mittelpunkt der Handlung steht und als Off-Erzähler sogar das einzig direkt verbundene Element zum Zuschauer bildet, geht es in "Mala Noche" nicht per se ums Schwulsein, nicht um Homo- sexualität als einzige Antriebskraft alles Abgebildeten, als Gerüst, das alles andere zusammenhält. Der Film geht darüber hinaus, indem er die Sexualität seines Protagonisten nicht zum Handlung steuernden Zentrum erklärt, sondern als gegeben, als ganz einfach da und durchaus facettenreich (die Figur wird beispielsweise ebenso als ignorant und ‚schwanzgesteuert’ gezeichnet). Walt ist schwul und auf der Suche nach einem Partner, er redet viel übers Ficken, über das Objekt seiner Begierde, und nicht selten auch definieren er und somit der Film sich über Homosexualität.

Viel ausgeprägter aber scheint "Mala Noche" das Bild einer Landschaft zu entwerfen, in der auch Walt und seine Sexualität letztlich untergeordnet oder zumindest den anderen – heterosexuellen – Figuren ebenbürtig wirken. Überhaupt ist gar nicht genau fassbar, welcher sexuellen Ausrichtung beispielsweise die beiden Mexikaner angehören, zumindest was Pepper betrifft, der schwulem Sex nicht eindeutig ablehnend gegenübersteht. Indem der Film diese Frage nie genau zu klären versucht, beutet er das Thema nicht aus und setzt in gewisser Weise eine Priorität, die andere Vertreter des queer cinema vermissen lassen. Walts Homosexualität ist ein integraler, aber letztlich dennoch nur ein Aspekt des Films, der vor allem von der Ziel- und Chancenlosigkeit einer Generation, der Einsamkeit, dem Verlorensein seiner Figuren berichtet. Der mehr ein fragmentarisches, soziales Abbild der Wahrnehmung seines Regisseurs liefert, selbst aus Portland stammend.

Van Sant ist hier mit einer spürbaren Frische bei der Sache. Er scheint zu wissen, wovon er redet, er arbeitet sehr intuitiv, ungezwungen und natürlich. "Mala Noche" bleibt trotz seiner aufdringlichen Kameraarbeit immer auch distanziert, er versucht sich den Figuren zwar deutlich zu nähern, rückt ihnen aber nie auf den Leib. Er bleibt unterkühlt und fremdartig, trotz seiner intimen Inszenierung, die keine räumlichen Grenzen zu kennen scheint, obwohl es gerade um die Beengtheit der Figuren geht. Erstaunlicherweise trifft er damit dennoch den richtigen Ton, was nicht zuletzt an der ungezwungenen, unsentimentalen, nie nach übergeordneter Bedeutung suchenden Regie liegen mag. Dies ist simpel eine in starken Kontrastbildern festgehaltene Geschichte über Romantik, über Verlierer und über eine ganz spezielle Zeit, die so oder vielleicht so ähnlich irgendwo abgelaufen ist. Oder anders: Van Sant macht in diesem Film noch vieles richtig, was er mittlerweile falsch macht.


65%

Januar 04, 2008

TV: Fernsehtipps vom 05.01. - 11.01.08

Samstag, 05.01.

20:15 Uhr – Der mit dem Wolf tanzt (K1)

Aufgeblähtes Epos, bei dem die Indianer letztlich zur Staffage verkommen.

22:25 Uhr – Virus (RTL)

Super-Trash mit ganz vielen auweia-Momenten.

22:55 Uhr – Leben und Sterben Lassen (ARD)

Das Moore-Debüt ist in jeder Hinsicht eine runde Sache. "Live & Let Die" ist ungeheuer schwungvoll in Szene gesetzt, kann mit gewohnt vielfältigen Schauplätzen aufwarten und erzählt einmal nicht vom Kalten Krieg, sondern widmet sich einer obskur dargestellten Voodoosekte, die ihre Kontakte über ganz Harlem verstreut. Der rassistische Unterton des Films ist nicht von der Hand zu weisen, doch die brillante Musik und das großartige Titelthema (Paul McCartney), die Krokodilszene und bezaubernde Jane Seymour – all das ist zu gut, um es verdammen zu können.

23:15 Uhr – Das süße Leben (BR)

Fellinis Blick auf Dekadenz und Spaßgesellschaft, bissig, poetisch, wunderschön.

23:35 Uhr – Spider-Man (Pro7)

Liebevolle Comicadaption, bei der Sam Raimi alles richtig macht und nicht die Geschichte des Titelhelden, sondern die des unsicheren Peter Parker erzählt.

0:10 Uhr – Tödliche Absichten (RTL2)

Den nächsten Jamie Lee Curtis-Ausrutscher sendet RTL2 gleich hinten ran.

1:00 Uhr – Octopussy (ARD)

Unerklärlich eigentlich, wie jener selbe Regisseur, der Bond zuvor als seriösen Teamworker und Witwer porträtierte, aus der Kultfigur nun einen sprichwörtlichen Clown stricken kann – der sicherlich schlechteste Film der Serie unterläuft selbst "Moonraker" in Punkto Gags und Dialoge, nebst wirrer Geschichte, schlechten Schauspielern und schwacher Action. Der unausgegorene Ringelpietz um die vermeintliche Intrigantin und Titelheldin fällt dabei noch weitaus weniger ins Gewicht als die dreisten Indiana Jones-Bemühungen: Von Geklautem geklaut – das hätte das Original Bond nicht nötig.

Sonntag, 06.01.

13:35 Uhr – King Kong (K1)

Das 76er Remake. Sieht zwar schön aus, ist aber mindestens so unnötig wie langweilig.

20:15 Uhr – Spider-Man 2 (Pro7)

Noch melancholischer als sein Vorgänger, bläst Raimi die Geschichte zur großen Oper auf: Effekte satt und ein beeindruckender Alfred Molina.

23:00 Uhr – Dreamcatcher (Pro7)

…steht bei mir nach "The Mist" kürzlich wieder etwas besser da, ist aber dennoch eine höchst zwiespältige King-Adaption, die in der ersten Hälfte atmosphärisch dicht und hervorragend photographiert für stimmigen Grusel sorgt, dann jedoch zu unfreiwillig komischer und grottenschlecht gespielter Science-Fiction mit Überlänge mutiert.

Montag, 07.01.

23:15 Uhr – Crash (Das Vierte)

Cronenbergs bedrückende Sexfabel, bei der Autos als Verlängerung des Menschen fungieren. Die totale Sexuali- sierung als befreiende Rückführung zum Ausgangszustand des Seins formuliert der Maestro dabei ebenso witzig wie komplex. Meisterlich.

Dienstag, 08.01.

22:55 Uhr – 9 Songs (3SAT)

Winterbottom. Würg.

23:45 Uhr – The Door in the Floor (NDR)

Brillante John Irving-Adaption, überaus gewitzt und über- ragend gespielt.

Mittwoch, 09.01.

22:15 Uhr – Lethal Weapon (SAT.1)

Unheimlich dated und mittlerweile erstaunlich unspektakulär. Erschwerender Zusatzfaktor: Mel Gibson.

22:50 Uhr – Mary Shelleys Frankenstein (K1)

Völlig überzogene Neuverfilmung, die nicht alles falsch macht, durch Branaghs gnadenlose Selbstinszenierung jedoch vor unfreiwilliger Komik strotzt.

Donnerstag, 10.01.

20:15 Uhr – Herr der Ringe: Die Rückkehr des Königs (ZDF)

Sagenhafter Abschluss, der alles bisher Gesehene überflügelt. Mit meisterlicher Hand übersetzt Jackson die Vorlage in eine epochale Monumentalsaga, deren herausragende Spezial- effekte nie den emotionalen Gehalt der starken Geschichte behindern. Kino als formvollendete Fantasy-Poesie – leider nur in der gestutzten Kinofassung.

23:50 Uhr – Sleepy Hollow (ZDF)

Kongeniale Adaption der Legende, die ganz nebenbei auch eine Paraphrase über Schwarzromantik spinnt.

Freitag, 11.01.

20:15 Uhr – Ali (RTL2)

Will Smith ist bemerkenswert, rettet den verhunzten Sondermüll mit Billigdrehbuch aber auch nicht.

20:15 Uhr – The Astronaut’s Wife (Tele5)

Ganz, ganz doll verhauenes "Rosemary’s Baby"-Remake.

(ich empfehle ohnehin das Dschungelcamp zu gucken *g*)