Februar 28, 2007

News: DIARY OF THE DEAD - Set-Clip #1

Bei Myspace gibt es schon etwas länger einen Setbericht zur ersten Drehwoche von George A. Romeros fünfter Zombie- episode zu bestaunen. Vor 2008 wird mit "Diary of the Dead", Romeros Rückkehr zum independent filmmaking, aber wohl nicht zu rechnen sein.

Februar 26, 2007

Kino: THE GOOD GERMAN

Für seinen neuen Film verschlägt es Steven Soderbergh in das Nachkriegsdeutschland unter den Alliierten kurz vor der Potsdamer Konferenz. Es geht um Liebe, Korruption und Macht im besetzten Berlin, wo der US-Kriegskorrespondent Jake Geismer (George Clooney) seine verflossene Anvertraute Lena Brandt (Cate Blanchett) wieder trifft. Im zwielichtigen Strudel aus Schuld und Unschuld, Wahrheit und Lüge müssen sich beide nicht nur gegen erpresserische Schwarzmarkt- schieber behaupten. Soderbergh möchte nun sicher gern, dass man seinen stilistischen Genreexkurs entsprechend benennt, damit auch jeder gleich weiß, dass sich der um seine Selbstsicherheit zu beneidende Regisseur hier am Film Noir versucht. Ja richtig, die Blanchett als Femme Fatale und der Clooney als Lonesome Rider im undurchsichtigen Verbrechenskabinett, in kontrastreiche S/W-Tristesse getaucht und mit opulentem Sinfonieorchester unterlegt, als würde Max Steiner persönlich zu den Bildern eines Michael Curtiz dirigieren.

An der Oberfläche geht die Rechnung auf. So oder so ähnlich schauen sie aus, die Filme aus den 40er-Jahren, mit den dunklen Gassen, kahlen Wänden und Spuren des Krieges, mit den verwegenen Überbleibseln aus der Zeit der großen Hoffnung irgendwo am Straßenrand, und der entfremdeten Kühle, die eine bittere Distanz zwischen den Menschen schafft. Die Kinozeitreise fällt aber schon aufgrund der Hauptdarsteller schwer. Wer verbindet mit ihnen nicht die aktuellen Kassenerfolge der Saison, die Bilder roter Teppiche, Preisverleihungen und Filmpremieren? Nein, "The Good German" ist kein Relikt aus der glanzvollen Studiofilmära Hollywoods, da nützt jede Anstrengung nichts. Soderberghs Film ist der kokette Versuch an die Magie der großen Vorbilder anzuknüpfen. Diese heißen "Casablanca" und insbesondere "The Third Man". Und natürlich: Dieser Versuch scheitert ganz grandios.

Grundsätzlich ist Soderbergh versessen darauf, seinen Film möglichst stilecht in Szene zu setzen. Die Beleuchtung ist fein abgestimmt darauf, alles und nichts zu zeigen. Die Figuren werden je nach Charakterisierung aus bedrohlichen oder weniger bedrohlichen Winkeln gezeigt, ihre Gesichter meist in Schatten gehüllt, mit Großaufnahmen gearbeitet. Doch geschulte Augen erkennen manche Schlampigkeit darin: Der Film schwankt in seinem Stil. Stimmen werden laut, Soderbergh bewege sich vielmehr in den 60er-Jahren. Doch auch jenseits derartiger Feinheiten schlägt "The Good German" nicht selten schmerzhaft laut daneben. Was dem Regisseur bei aller Ambition entging ist die Entwicklung eines Eigen- oder zumindest Innenlebens seiner Figuren. Die bittere Tragik im Handeln eines Robert Mitchum, die Verzweiflung einer Mary Astor oder das zerrissene Herz der Ingrid Bergman führen doch die ruhmvollen Noir-Klassiker erst zu den existentialistischen Dramen im großen Stil. Soderberghs Film ist seltsam gefühllos, auch und besonders an der Unterfläche.

Wer Cate Blanchett schon immer geschlagen, hoffnungslos verzweifelt und gedemütigt sehen wollte, der sollte sich "The Good German" nicht entgehen lassen. Doch ihre Figur könnte profilloser nicht sein, obwohl Blanchett sich alle Mühe dabei gibt, diesen Eindruck zu verwässern: Mit abgeklärtem Realitätssinn und totaler Desillusion, ganz wie im epischen Brecht-Theater, erinnert vieles in ihrem Spiel an das offensichtliche Vorbild Hildegard Knef im Meistwerk "Die Mörder sind unter uns". Noch schwieriger verhält es sich mit George Clooney. Die Eindimensionalität seiner Figur ist allerdings ungleich weniger problematisch als seine generelle Besetzung. In der vergnüglichen Screwball- Hommage "Intolerable Cruelty" hat er neben Catherine Zeta-Jones bewiesen, dass er eher den liebreizenden Charmeur denn einsamen Detektiv abgibt. Oder anders gesagt: Clooney kann ein wenig wie Cary Grant sein, aber er wird nie an Humphrey Bogart erinnern. Das versuchen Sie vergeblich, Mr. Soderbergh.

Man könnte jetzt höchstens noch versuchen den filmanalytischen Kleingeist im Zaum zu halten (obwohl das ganz sicher nicht der Intention des Regisseurs entspräche!) und sich ganz von der Geschichte mitreißen lassen – läge hier nicht vielleicht sogar die größte Schwäche von "The Good German". Das Drehbuch nimmt zu keiner Sekunde Fahrt auf, die wirren Ereignisse werden ohne jeglichen Spannungsbogen serviert, dramaturgische Entwicklungen gibt es nahezu keine. Die öde Lethargie des Films ist wahrhaft schrecklich, Langeweile in neuen Ausmaßen. Da graut es mir, wenn ich daran denke, dass manch einer im Kino sitzen und sich entsetzt fragen wird, ob denn nun alle großen Hollywoodfilme der 40er derart uninspiriert erzählt seien. Soderbergh gibt hier ein Bild vor, das so einfach nicht stimmt. Der vitale Schleier, mit dem der Film Noir sämtliche Genres durchzog, muss "The Good German" absichtlich verfehlt haben, selbst als „beschwingter“ Nostalgietrip hat er keine Qualitäten. Aber Hochmut kommt leider vor dem Fall.


35%

Februar 25, 2007

News: ACADEMY AWARDS 2007

Heute Nacht werden zum 79. Mal die Annual Academy Awards verliehen. Hier noch einmal die Nominierten und in schwarz markiert meine Tipps, wer das Rennen machen wird (nicht für wen ich es mir wünschen würde).

Edit 26.02. - 12:21 Uhr. Die Sieger werden kursiv angezeigt.

Einigermaßen ausgeschlafen resümiere ich: Ein spannender Abend, wenn größtenteils auch auf groteskem Niveau. Dass "The Departed" den Oscar für das beste (adaptierte) Drehbuch bekommt, ist schon irgendwie ein Witz mit Bart, alle Veränderungen zur Vorlage hätten schlechter nicht sein können, ganz zu schweigen davon, dass die inhaltlich anvisierte Dreierkonstellation selbst im Ansatz nicht aufging. Das Drehbuch hat etliche klaffende Löcher und kann im nüchternen Zustand nicht ernsthaft als oscarwürdig bezeichnet werden. Auch der andere Drehbuchpreis für die als Independentkomödie getarnte Familienode „Little Miss Sunshine“ ist bei Konkurrenz wie „Babel“ oder „The Queen“ in dieser Kategorie nicht ohne hysterisches Grinsen erträglich. Dann bekam auch noch Al Gores abgefilmter Diavortrag, den man nur unter Alkoholeinfluss als „Dokumentation“ bezeichnen kann, die Auszeichnung – „An Inconvenient Truth“ wurde allerdings sogar noch mit dem besten Song geehrt und so gleich zwei Mal zum Sieger gekürt. Wer den Film und dessen Selbstdarstellung überlebt hat, der wird sich wohl kaum über Gores penetranten Missbrauch der Show gewundert haben: Der Mann lässt sich ekelhaft gern feiern. Als alle Anwesenden auch noch erwartungsgemäß aufgestanden sind, konnte ich mir ein lautes kurzes Lachen nicht verkneifen – so ätzend kann Linksliberalismus sein, dachte ich. Als dann ein hochnäsiger Filmschulabsolvent mit Adelstitel aus Bayern auf die Bühne stürzte und von seinen mitangereisten deutschen Hackfressen bejubelt wurde, war es dann um mich geschehen. Ich werde für einige Minuten unzurechnungsfähig. Deutsche Moralkeule, die sich an sich selbst aufgeilt, spielt Fantasymeilenstein aus. Und ich beginne den Abend eher als Farce wahrzunehmen. Dabei ärgere ich mich insgeheim, für Zelluloidmüll wie „Das Leben der anderen“ auch noch die Verleihgebühr entrichtet zu haben. Nachdem der Whitaker sein Geseiere beendet hat, darf die einzig wirkliche Nicht-Überraschung die Bühne (be)treten: Helen Mirren, die ich am liebsten habe als ans Bett gefesselte S/M-Lehrerin Mrs. Tingle. Marty Scorsese bekommt erwartungsgemäß daraufhin seinen Regiegoldjungen, was spätestens feststand, als symbolträchtig das Dreiergespann Coppola, Spielberg und Lucas die Bühne betrat, um den Preis zu überreichen: New Hollywoods merkwürdige Re-Union. „The Departed“, eine der uninspiriertesten Filme, die ich letztes Jahr gesehen habe, wurde dann gleich noch „Bester Film“ und ich beginne zu rätseln, inwiefern hier dem Vorjahresfiasko um „L.A. Crash“ gehuldigt werden soll. Ein Abend der Überraschungen und totalen Fehltritte ist beendet. Ich denke inzwischen träumerisch an „Pan’s Labyrinth“, „Children of Men“ und „Letters from Iwo Jima“, die man in einigen Jahren alle drei als Instant Classics wird titulieren müssen.


Performance by an actor in a leading role

Leonardo DiCaprio - BLOOD DIAMOND
Ryan Gosling - HALF NELSON
Peter O'Toole - VENUS
Will Smith - THE PURSUIT OF HAPPYNESS
Forest Whitaker - THE LAST KING OF SCOTLAND

Performance by an actor in a supporting role

Alan Arkin - LITTLE MISS SUNSHINE
Jackie Earle Haley - LITTLE CHILDREN
Djimon Hounsou - BLOOD DIAMOND
Eddie Murphy - DREAMGIRLS
Mark Wahlberg - THE DEPARTED

Performance by an actress in a leading role

Penélope Cruz - VOLVER
Judi Dench - NOTES ON A SCANDAL
Helen Mirren - THE QUEEN
Meryl Streep - THE DEVIL WEARS PRADA
Kate Winslet - LITTLE CHILDREN

Performance by an actress in a supporting role

Adriana Barraza - BABEL
Cate Blanchett - NOTES ON A SCANDAL
Abigail Breslin - LITTLE MISS SUNSHINE
Jennifer Hudson - DREAMGIRLS
Rinko Kikuchi - BABEL

Best animated feature film of the year

CARS
HAPPY FEET
MONSTER HOUSE

Achievement in art direction

DREAMGIRLS
THE GOOD SHEPHERD
PAN'S LABYRINTH
PIRATES OF THE CARIBBEAN: DEAD MAN'S CHEST
THE PRESTIGE

Achievement in cinematography

THE BLACK DAHLIA
CHILDREN OF MEN
THE ILLUSIONIST
PAN'S LABYRINTH
THE PRESTIGE

Achievement in costume design

CURSE OF THE GOLDEN FLOWER
THE DEVIL WEARS PRADA
DREAMGIRLS
MARIE ANTOINETTE
THE QUEEN

Achievement in directing

BABEL
THE DEPARTED
LETTERS FROM IWO JIMA
THE QUEEN
UNITED 93

Best documentary feature

DELIVER US FROM EVIL
AN INCONVENIENT TRUTH
IRAQ IN FRAGMENTS
JESUS CAMP
MY COUNTRY, MY COUNTRY

Best documentary short subject

THE BLOOD OF YINGZHOU DISTRICT
RECYCLED LIFE
REHEARSING A DREAM
TWO HANDS

Achievement in film editing

BABEL
BLOOD DIAMOND
CHILDREN OF MEN
THE DEPARTED
UNITED 93

Best foreign language film of the year

AFTER THE WEDDING
DAYS OF GLORY (INDIGÈNES)
THE LIVES OF OTHERS
PAN'S LABYRINTH
WATER

Achievement in makeup

APOCALYPTO
CLICK
PAN'S LABYRINTH

Achievement in music written for motion pictures (Original score)

BABEL
THE GOOD GERMAN
NOTES ON A SCANDAL
PAN'S LABYRINTH
THE QUEEN

Achievement in music written for motion pictures (Original song)

"I Need to Wake Up" - AN INCONVENIENT TRUTH
"Listen" - DREAMGIRLS
"Love You I Do" - DREAMGIRLS
"Our Town" - CARS
"Patience" - DREAMGIRLS

Best animated short film

THE DANISH POET
LIFTED
THE LITTLE MATCHGIRL
MAESTRO
NO TIME FOR NUTS
Best live action short film

BINTA AND THE GREAT IDEA (BINTA Y LA GRAN IDEA)
ÉRAMOS POCOS (ONE TOO MANY)
HELMER & SON
THE SAVIOUR
WEST BANK STORY

Achievement in sound editing

APOCALYPTO
BLOOD DIAMOND
FLAGS OF OUR FATHERS
LETTERS FROM IWO JIMA
PIRATES OF THE CARIBBEAN: DEAD MAN'S CHEST

Achievement in sound mixing

APOCALYPTO
BLOOD DIAMOND
DREAMGIRLS
FLAGS OF OUR FATHERS
PIRATES OF THE CARIBBEAN: DEAD MAN'S CHEST

Achievement in visual effects

PIRATES OF THE CARIBBEAN: DEAD MAN'S CHEST
POSEIDON
SUPERMAN RETURNS

Adapted screenplay

BORAT CULTURAL LEARNINGS OF AMERICA FOR MAKE BENEFIT GLORIOUS NATION OF KAZAKHSTAN
CHILDREN OF MEN
THE DEPARTED
LITTLE CHILDREN
NOTES ON A SCANDAL

Original screenplay

BABEL
LETTERS FROM IWO JIMA
LITTLE MISS SUNSHINE
PAN'S LABYRINTH
THE QUEEN

Best motion picture of the year

BABEL
THE DEPARTED
LETTERS FROM IWO JIMA
LITTLE MISS SUNSHINE
THE QUEEN

Februar 23, 2007

Retro: A DIRTY SHAME (2004)

Gehören Sie zur Gruppe der braven „neuters“ oder würden Sie sich doch eher zu den hemmungslosen „sex addicts“ zählen? Sie haben keinen blassen Schimmer? Dann finden Sie es heraus! Folgende Fragen könnte dabei hilfreich sein: Wissen Sie was „Blossom“ bedeutet? Was man unter dem „second closet“ versteht? Oder „Sploshing“? Wenn nicht, könnte man Sie tendenziell in erstere Kategorie einordnen. Mit diesem Zustand zurückgezogener Enthaltsamkeit müssen Sie sich jedoch nicht zufrieden geben – begeben Sie sich in die Obhut des John Waters und überzeugen Sie sich selbst von der Notwendigkeit der sexuellen Befreiung! Feiern Sie die enthemmte Lust und helfen bei der Klärung jedweder Begrifflichkeiten! Probieren Sie aus, beweisen Sie Mut zur Veränderung und haben Sie nur keine falsche Scheu: In "A Dirty Shame" begegnet Ihnen jeder nur erdenkliche Fetisch, den es gibt.

Die mürrische Hausfrau Sylvia Stickles (Tracey Ullman) weiß gar nicht, was sie bei der Fahrt durch ihre Nachbarschaft schlimmer finden soll – die frisch nebenan eingezogene Homobären-Gemeinschaft oder die pensionierten Liebenden, die ihre Sexualität frei zur Schau stellen. Kein Wunder, dass sich Tochter Caprice (Selma Blair) bei derartigen Verhältnissen exhibitionistisch verausgabt und deshalb auf der Dachstube weggesperrt wird. In einer Umwelt aus Nudisten und Perversen muss man sich als Neutrum also stets aufs Neue beweisen, wobei Sylvias fromme Mutter Big Ethel (Suzanne Shepherd) und Ehemann Vaughn (Chris Isaak) ihr tatkräftig zur Seite stehen. Doch als sie durch einen Unfall eine Gehirnerschütterung erleidet, hat das enthaltsame Leben ein jähes Ende: Der Automechaniker Ray Ray Perkins (Johnny Knoxville) sieht in ihr den zwölften Apostel zur Erfindung eines neuen Sexualaktes und besorgt ihr den Orgasmus ihres Lebens. Fortan ist Sylvia getrieben von unbändiger Lust, was ihr immer mehr Bewohner der Stadt als Folge der schicksalhaften Kopfschläge nachmachen.

Nach Waters’ provokanten, ausgefallenen und irrsinnigen Erstlingswerken folgten angefangen mit "Hairspray" (1988) einige kommerziellere Arbeiten, die zwar nicht minder subversiv, aber in ihrem offensichtlichen Ton doch gemäßigter waren. Die freizügigen Obszönitäten eines "Female Trouble" vermischen sich nun jedoch mit der vermeintlichen Kleinstadtidylle aus "Serial Mom" – der anarchische "A Dirty Shame" schlägt eine groteske Brücke zwischen dem filmischen Früh- und Spätschaffen des Baltimore-Regisseurs und ist damit so etwas wie die Quintessenz im Waters-Oeuvre. Selbst aufgeklärten Zuschauern wird hier mit radikaler Offenheit die Schamesröte ins Gesicht getrieben, ohne dass der enorme Happening-Charakter dieser feierlichen Travestieshow jemals penetrante Züge annehmen würde: Der Spaß an der Freude könnte kaum dominanter sein.

Die von Waters als „Cunnilingus-Gehirnerschütterungs- Kömodie“ umschriebene Farce begeistert durch unglaublich absurde Entgleisungen und derben Humor. "A Dirty Shame" ist die vielleicht rigoroseste Abrechnung mit Bigotterie, die je von einem großen Studio (New Line) in Auftrag gegeben wurde. Nahezu jedes Ausstattungsdetail ist sexualisiert, da wedeln Penissträucher neben Muschibäumen oder bekommen Benzinkanister eine ganz neue phallische Bedeutung. Um die eingangs erwähnten Fachtermini nicht unerläutert zu lassen, sei natürlich noch darauf eingegangen: Der Ausdruck „Sploshing“ bezeichnet den sexuellen Trieb, sich lustvoll am ganzen Körper mit Nahrungsmitteln einzuschmieren, während „Blossom“ eine Art Vergleichsritual darstellt, bei dem festgestellt wird, wer nach dem Fist Fucking den größten Blumenkohl vorzuzeigen hat. Geschmacklos und widerwärtig? Aber natürlich doch! Das ist ein John Waters-Film. Nirgends sonst macht Geschmacklosigkeit so viel Spaß.

Obwohl er seinen schrägen Witz auch in den als zahm bezeichneten Komödien der letzten Jahre nie wirklich abgelegt hatte, ist es doch diese rüde Exploitation, mit der sich Waters erst so wirklich wohl zu fühlen scheint. "A Dirty Shame" ist zudem mit zahlreichen Referenzen angehäuft, von "Night of the Living Dead" bis zu "Ilsa, She Wolf of the SS" wird die B-Movie-Geschichte ausgiebig zitiert – nicht zuletzt lässt sich der ganze Film auch als Hommage an Schmuddellegende Russ Meyer lesen. Wenn sich die durch ihre Triebe gesteuerte Meute im Finale schließlich vereint und der lüsterne Mob in einer orgiastischen Levitation gipfelt, dann spätestens sind auch die Fans der ersten Stunde zurück gewonnen (sofern sie denn jemals wirklich weg waren). Ohne Zweifel: Daran hätte Divine ihre helle Freude gehabt. Und wenn Sie das alles nicht lustig finden sollten, dann leiden Sie wahrscheinlich an „schwedischen Kopfschmerzen“. Was das ist? Finden Sie es doch heraus, besorgen Sie sich "A Dirty Shame"!

80%

TV: Fernsehtipps 24.02. - 02.03.07

Samstag, 24.02.

20:15 Uhr – „Batman und Robin“ (RTL2)

Unterhaltsamer Edel-Trash, bei dem sich Joel Schumacher für nichts zu schade ist. Ob Batman so etwas aber verdient hat, ist wiederum eine andere Frage.

20:15 Uhr – „Evita“ (Das Vierte)

Eine Höllenqual: Madonna ist schrecklich in der Rolle und die Musik grauenhaft.

23:15 Uhr – „John Carpenters Vampire“ (HR)

Ich komme nicht umhin Heike Kühn zu zitieren: „Carpenters Film ist der peinliche Versuch, einem von europäischen Spitzfindigkeiten ausgelaugten Kino den Mann als Helden zurückzugeben. Unter der homophoben Kraftmeierei des obersten Vampirjägers Crow kommt jedoch die Angst vor der tabuisierten Sexualität ans Licht: ‚Vampires’ krankt an der unfreiwilligen Komik eines unterdrückten Coming-Out.“

0:10 Uhr – „Omen 2: Damien“ (K1)

Etwas schleppend inszenierte Fortsetzung, die sich sehr stark an ihrem Vorgänger orientiert – einige kreative Tötungs- szenen inbegriffen.

0:10 Uhr – „Die Nacht des Jägers“ (WDR)

Eine brillante Stil-Studie, an der kein Filmfan vorbei kommt.

Sonntag, 25.02.

20:15 Uhr – „James Bond 007 – Feuerball“ (K1)

Etwas unstrukturiert und wirr, aber der Film vermittelt eine wunderbare Urlaubsstimmung. Das atmosphärische Flair lässt den blassen Bösewicht vergessen. Und die Unterwasser- szenen sind bahnbrechend.

20:15 Uhr – „Million Dollar Baby“ (Pro7)

Beklemmend intensives und einfühlsames Meisterwerk von Clint Eastwood. Die konventionelle Inszenierung erscheint wie eine Antithese zu den mutigen und wichtigen inhaltlichen Statements.

20:15 Uhr – „Miss Daisy und ihr Chauffeur“ (Das Vierte)

Manches mal zu süßlich geratenes Südstaatendrama, dessen Schwächen (darunter die grauenvolle Musik Hans Zimmers) durch die liebevolle Jessica Tandy wettgemacht werden.

22:55 Uhr – „Das Schweigen der Lämmer“ (Pro7)

Thriller-Klassiker, der seine Angst von dort bezieht, wo sie am fruchtbarsten ist: dem Unterbewusstsein.

Dienstag, 27.02.

0:00 Uhr – „Der Glückpilz“ (SWR)

Billy Wilder in Hochform: Die erste Zusammenarbeit von Lemmon/Matthau strotz gerade so vor bissigem Witz. Nur das allzu versöhnliche Ende wirkt aufgesetzt.

0:20 Uhr – „Die Katze auf dem heißen Blechdach“ (ARD)

Großartig gespieltes, doppelbödiges Melodram nach Tennessee Williams, das leider alle homosexuellen Anspie- lungen der Vorlage eliminieren musste.

Mittwoch, 28.02.

20:15 Uhr – „40 Tage und 40 Nächte“ (Pro7)

Erst nervig und pubertär, später dann verlogen und bieder.

22:25 Uhr – „Der Prinzipal“ (K1)

James Belushi gibt den Schul-Rambo: Unterhaltsam, aber an der Realität völlig vorbei.

Donnerstag, 01.03.

20:15 Uhr – „The Beach“ (VOX)

Der Film hat seine Macken, aber die soziologische Utopie darin auch unbestritten ihre Reize. Leonardo DiCaprio ist exzellent.

Freitag, 02.03.

20:15 Uhr – „Spider-Man“ (Pro7)

Phänomenale Comic-Adaption, die ihre (brillanten) Effekte immer der sensiblen Geschichte unterstellt. Willem Dafoe glänzt als schmieriger Bösewicht.

22:35 Uhr – „Jackie Brown“ (RTL2)

Tarantinos Verneigung vor dem Blacksploitation-Kino ist wunderbar trivial und mit einem Übermaß an Dialogen gegen den Strich gebürstet.

Februar 21, 2007

Kino: LETTERS FROM IWO JIMA

Wenn man im Alter von 76 Jahren zwei filmische Kriegsmonumente erbaut, eines die US-amerikanische, das andere die japanische Seite des Pazifikkrieges 1945 schildernd, dann ist man entweder von besonders eifrigen Altersdämonen beseelt, die am Zahn der Zeit nagen und sich selbst beweisen müssen. Oder man heißt Clint Eastwood und setzt mit unaufgeregter Beharrlichkeit daran, die eine oder andere filmgeschichtliche Lücke zu schließen: Medaillen werden im Krieg so manche verliehen, doch ihre Kehrseiten geraten nur selten in den Fokus einer Kamera. "Letters from Iwo Jima" erzählt von derselben 40tägigen Schlacht auf der "Schwefel-Insel" wie auch das Vorgängerepos "Flags of our Fathers". Dieses Mal allerdings besetzen die Amerikaner die Posten der Feinde - der vollständig in Japanisch gedrehte Film schildert den Feldzug am Pazifik aus Sicht des einstigen Gegners.

Die Jahrzehnte später angesiedelte Rahmenhandlung erzählt vom Fund Hunderter Briefe mehrerer Soldaten und ihres Generalleutnants Tadamichi Kuribayashi (Ken Watanabe) in den alten Tunnelsystemen auf Iwo Jima. Diese beschreiben nicht nur die schicksalhaften Kriegserlebnisse, sondern liefern auch Einblicke in die individuellen Vorgeschichten der jungen Kämpfer. Bis auf einige ausgewählte Rückblicke in genau dieses Leben vor der Einberufung verlässt der Film den Kriegsschauplatz - anders als „Flags of our Fathers“ - nicht. Im Mittelpunkt steht dabei der Bäcker Saigo (Kazunari Ninomiya), der kurz vor der Geburt seiner Tochter eingezogen wird. Täglich schreibt er seiner Frau Briefe aus den dunklen Höhlen, ehe die Invasion auch den letzten Stützpunkt der kaiserlichen Armee einnimmt. Am Schluss stehen den fast 7000 US-Soldaten, die an der Küste ihr Leben ließen, mehr als 20.000 Japaner gegenüber.

"Letters from Iwo Jima"
ist strukturierter und konventioneller als sein Vorgänger, mindestens so eindrucksvoll und episch, aber ungleich bewegender. Umgab ein passiver Schleier die Kriegsszenen in "Flags of our Fathers", die eher den Charakter distanzierter Erinnerungen hatten, wirken sie als Panorama des Films hier direkter inszeniert. Die ausgewaschenen, fahlen Bilder erhalten eine noch düsterere Note, wenn der schwarze Staub des Krieges die Kamera eingenommen hat. Der Blick in die Stollen und Gewehrnester zeigt die Vorbereitungen auf den Angriff der US-Truppen, der versteckte Feind aus dem Vorgänger erhält nun ein Gesicht - in den verwinkelten Gebirgsbunkern lauern keine Monster, sondern ebenso junge Soldaten. Der Regisseur bebildert diesen Krieg sensibel, aber nicht sentimental, mit kurzer Distanz, aber nicht aufdringlich. Keine Spur vom ätzenden Narzissmus, mit dem Steven Spielberg seinen Männern in "Saving Private Ryan" auf den Leib rückte.

Während Eastwood zuvor mit akribischer Genauigkeit und bemerkenswertem Feingefühl das Schicksal dreier US-Soldaten beleuchtete, deren verzerrte Selbstwahr- nehmung im Kontrast zur öffentlichen Heldenikonisierung stand, widmet er sich nun den zwischen Vaterlandsstolz und Lebenswunsch hin- und her gerissenen Japanern. Die offensichtlichen Unterschiede von Mentalität und Kultur vereint er vorsichtig zu einem Nenner. "Flags of our Fathers" beschäftigte sich mit der Ausbeutung von patriotischen Symbolen, wenn das Bild der Fahnenhisser zum ideologischen Siegerstatement umfunktioniert wurde, obwohl es auf namentlichen Irrtümern basiert - die verklärten Helden werden entweder ihrer individuellen Verwahrlosung übergeben oder leben mit einer glorreichen Lüge.

Demgegenüber sehen sich die japanischen Soldaten mit dem Widerspruch konfrontiert, für ihr Leben zwar kämpfen, es andererseits jedoch auch aufgeben zu müssen. Der Befehl Kuribayashis, jeder müsse mindestens 10 der Feinde erledigen, ehe er selbst sterben dürfe, verleiht diesem Fatalismus Ausdruck: Dem übersteigerten Siegeswillen der US-Gegner steht die bewusste Unterlegenheit der Japaner gegenüber. Wenn einer der Stützpunkte zu fallen droht, dann führt nur noch der Weg des Selbstmords zur Erlösung - auf Befehl sprengt sich einer nach dem anderen selbst in die Luft. Die brutalen Bilder jener zersetzten Leiber sahen wir bereits im Pendant, die direkten Parallelen zwischen beiden Filmen sind indes allerdings nicht so offensichtlich, als dass sie sich selbst ausstellten.

Durch die Gegensätze, die sich bei beiden Seiten aus Pflichtgefühl gegenüber der eigenen Nation und einer natürlichen Hinterfragung dieses Schreckens vom organisierten Töten ergeben, kommt Eastwood zu ähnlichen Ergebnissen. In "Letters from Iwo Jima" zweifelt er den verordneten Heldentod im gleichen Maße an, wie er in "Flags of our Fathers" die fadenscheinige Kriegsanleihenkampagne auf Kosten der Soldaten vorführte. Hier wie dort verlieren die jungen Kämpfer nicht nur ihre Unschuld, sondern auch den Glauben an sich selbst. Die Bedeutung dieses imposanten Projekts kann man nur schwer unterschätzen: Eastwoods größter Verdienst ist die unaufgeregte Dekonstruktion kriegsmythischer Verklärung.


85%
- erschienen bei: DAS MANIFEST

Februar 20, 2007

News: Upcoming Reviews


Demnächst Filmbesprechungen zu: „Letters from Iwo Jima“ (Clint Eastwood), „The Good German“ (Steven Soderbergh) und „Freedom Writers“ (Richard LaGravenese).

Februar 19, 2007

DVD: BRICK (2005)

Wer hat sich nicht alles allein in den letzten Jahren daran versucht, mit mehr oder weniger modernen, originellen, vertrackten oder anders gearteten Experimenten den Film Noir zu reanimieren. Zuletzt bemühten sich Brian De Palma und seine schwarze Dahlie um frischen Wind, doch die stark vereinfachte Bebilderung der großartigen Vorlage endete in einem Fiasko – wie bereits so viele scheiterte auch diese selbst ernannte Neo-Form an ihren eigenen Ansprüchen. Einen der größten Vorwürfe, den man De Palma machen musste, war seine katastrophale Besetzung: Insbesondere Josh Hartnett wirkte mehr als unbeholfen in seiner Rolle als Ermittler, nicht zuletzt weil sein smartes Teen Idol-Gesicht keine Spur von der ausweglosen Tristesse trug, die die Figur hätte ausstrahlen müssen. Vermutlich, müsste man meinen, kann man derartige Positionen nicht mit blutjungen Schauspielern ausfüllen. Wäre da nicht dieser kleine gerissene Film, der stolz das Gegenteil beweist.

Die Independentproduktion "Brick" von Regiedebütant Rian Johnson ist nicht nur eine der wenigen wirklichen Hammet- und Chandler-Huldigungen, sondern auch ein bizarr-mutiges Unterfangen, das all seine Aufmerksamkeit redlich verdient hat. Von den nassen und dunklen Gossen, den schattigen Treppenhäusern und kargen Laternenlichtern des klassischen Detektivfilms verwandelt sich das Ambiente bei dieser mysteriösen Verstrickung in den Tatort Schulhof: "Brick" spielt tatsächlich in einer High School und legt die bedeutungsschwangeren, abgeklärten Dialoge eines kühlen Bogart- oder Mitchum-Originals direkt in die Münder halbwüchsiger Teenager. Den bissigen Kommentar auf die subjektive Erhabenheit der Jugend mal außen vorgelassen, trifft der Zuschauer innerhalb dieser bewusst konfusen, an John Hustons meisterlichen "Maltese Falcon" angelegten Erzählung all die Typenvariationen mitsamt den desillusionierten Helden, ambivalenten Femme fatales und abgebrühten Bösewichtern wieder.

Das könnte schnell zu einer plumpen Theaternummer verkommen, so als wenn sich ein Haufen Kids altklug aufmachen würde, um zu zeigen, wie sehr sie den Stil des Noir begriffen hätten. Doch Johnson ist so ambitioniert darin, die ausweglose und pessimistische Atmosphäre der alten 40er-Jahre Krimis im Teenagemilieu zu reproduzieren, dass man nicht einmal auf die Idee kommen würde, ihm das zu unterstellen. Ganz genau hat er die stilistischen Eigenheiten der Vorbilder studiert; der kantige Schnitt, die simplen, aber eindeutigen Eintellungen, die verhaltenen, suggestiven Musikklänge und spärlichen Ausstattungsdetails beweisen den genauen Blick eines Regisseurs, der weit mehr als ausgestellte Koketterie im Sinn hat.

Insbesondere die Jungschauspieler erfüllen ihre entfremdeten Figuren mit einer unnahbaren Zweideutigkeit, die keinen Zweifel am Nihilismus dieser Charaktere zulässt. Joseph Gordon-Levitt ist bestechend als detektivischer Loner, dessen abgebrühte Eloquenz ihn nicht vor herben Faustschlägen bewahrt: Your muscle seemed plenty cool putting his fist in my head. I want him out.“. Wenn sich diese Gestalten weder mit Hut und hochgezogenem Kragen, noch ausschließlich bei schwüler Nacht umher treiben, dann scheint ganz nebenbei auch bewiesen, dass Film Noir alles, nur kein Genre bezeichnet. Das Drehbuch verschachtelt die für sich genommen banalen Ereignisse zu einem cleveren, undurchschaubaren Komplott, und reichert sie mit einigen bemerkenswerten, ebenso ausgeklügelten wie doppelbödigen Dialogen an, die zu keiner Zeit aufgesetzt wirken. "Brick" hätte dabei leicht zu einer bloßen Spielerei verkommen können – doch unter Johnsons sicherer Hand belebt er den schwarzen Film wie kein zweiter.

75%

Februar 16, 2007

Kino: BRIDGE TO TERABITHIA

Der kleine Jess (Josh Hutcherson) gilt als flinkster Läufer an seiner Schule, wenn er ansonsten auch eher ein Außenseiter ist. Da ergeht es der neuen Nachbarin und Mitschülerin Leslie (AnnaSophia Robb) nicht anders – mit ihr teilt Jess nicht nur die Liebe fürs Rennen, sondern die beiden verstehen auch auf Anhieb ihre gegenseitigen Probleme und Ängste von Verantwortung, Schule und Eltern. Nach anfänglichen Bekundungen entwickelt sich schnell eine tiefe Freundschaft. An einem abgelegenen Bach richten sich die beiden ein Baumhaus ein und erschaffen ihre eigenes Fantasiereich – Terabithia. Dort müssen sie sich als König und Königin gegen riesige Trolls und wundersame Feen behaupten. Bis zu dem Tag, als die Realität sie plötzlich aus ihren Träumen reißt.

’Die Brücke nach Terabithia’ ist so etwas wie die Quintessenz eines Walden-Media-Films.“, wird Vorstands- mitglied Cary Granat im Presseheft zitiert. Da sind berechtigte Zweifel wohl erlaubt, immerhin gilt die Produktionsfirma – im Selbstverständnis mit dem göttlichen Auftrag versehen, durch familienfreundliche Filme der vermeintlichen Hollywood- blasphemie Einhalt zu gewähren – als konservatives und überaus aktives Unternehmen, das weder Kosten noch Mühen scheut, um die amerikanische Filmlandschaft vor dem prophezeiten Untergang zu bewahren. Jüngste Kassen- und Kritikererfolge wie "Brokeback Mountain" sind den selbst erklärten Bibelhütern besonders scharfe Dornen im Auge, diese würden nicht nur amoralische Sünden feiern, sondern auch traditionelle Familienwerte zersetzen. Den Boy- kottaufrufen folgen nicht wenige; fundamentalistische Christenverbände erleben in den letzten Jahren einen regelrechten Aufschwung, der besonders an der Traumfabrik nicht vorbeizieht.

Ausgehend von Mel Gibsons unabhängig produziertem "The Passion of the Christ", jenem pornographisch angehauchten S/M-Spektakel, das sich als erfolgreichster R-Rated-Film aller Zeiten erwies, wird der umtriebigen MTV-Generation zunehmend in ansprechender Genreverpackung der Wert der Bibel vermittelt. Ob Opfertod und Auferstehung im mit penetranter Aufdringlichkeit kreationistisch geschwängerten "The Chronicles of Narnia: The Lion, the Witch and the Wardrobe", einem der sicherlich perfidesten und fragwürdigsten Kinderfilme dieser Zeit, oder aber in Form einer Ode ans männliche Patriachart im Kitsch erfüllten "The Nativity Story" – am neu entfachten Christus-Run möchten sich alle eine Scheibe abschneiden. Das größte Stück ist dabei zweifellos für Walden-Media reserviert, die gemeinsam mit Marketing-Gigant Walt Disney Pictures nun einen weiteren wertvollen, an Kinder adressierten Bibel-Film in die Kinos bringen.

Doch "Bridge to Terabithia", die Verfilmung des 1977er-Jugendromans „Die Brücke in ein anderes Land“ von Katherine Paterson, möchte mit den indoktrinierten Phrasen des Vereins spürbar wenig zu tun haben. Der grundehrliche Kinderstoff über eine Freundschaft zweier Außenseiter wurde mit einigen mehr oder weniger störenden Bibel-Dialogen und rührseliger Familiensüße überzogen, obwohl er an derartigen Belehrungen eigentlich gar nicht interessiert ist. Die aufdringlichen Passagen, in denen die sonst so cleveren und aufgeklärten Kids plötzlich darüber zu schwadronieren beginnen, wie cool doch Kirche und Gott eigentlich seien, wirken wie Fremdkörper und behindern die ansonsten ebenso fantasie- wie gefühlvolle Geschichte erheblich. Und wenn gegen Waldelfen und Feen mit Handgranaten (!) in den Kampf gezogen wird, ruft das unschöne Erinnerungen an "The Chronicles of Narnia" hervor, wo der Weihnachtsmann den lieben Kindern nichts weniger als Waffen in die Hände drückte – was witziger klingt, als es wirklich ist.

Als "Pan’s Labyrinth" für die jüngeren Zuschauer könnte man "Bridge to Terabithia" schon ein wenig bezeichnen, auch wenn letzterer seine phantastischen Elemente weniger dafür nutzt, das Seelenleben seiner kindlichen Helden widerzuspiegeln, sondern sogar gerade in den Effektmomenten schwächelt (was nicht an der Arbeit der neuseeländischen WETA-Schmiede liegt). Über jene verfügt der Film allerdings ohnehin kaum, die imaginäre Parallelwelt ist als Zufluchtsort deutlich erkennbar und hat keine über ihren reinen Zustand hinausgehende Funktion – mit der (heilenden) Kraft der Fantasie setzt sich zumindest die Filmadaption nicht wirklich auseinander. Diesbezüglich wird sie indes auch irreführend vermarktet: Das Spielfilmdebüt von Gabor Csupo ist trotz seines Fantasy-Anstrichs ein überwiegend menschliches Drama, das seine Figuren und Themen von Freundschaft, Außenseitertum und Verlustangst erstaunlich ernst nimmt.

Sensibel erzählt gefällt der Film vor allem mit seinem Blick durch Kinderaugen. Die Abenteuer der beiden Helden Joss und Leslie werden aus einer entdeckerischen, kindlichen Perspektive beleuchtet, ohne dass die Inszenierung eine übergeordnete Position einnimmt. Entsprechend zurück- haltend sind die filmischen Mittel – zwar dient der musikalische Einsatz als emotionaler Führer, ansonsten dominiert jedoch eine Kamera auf Augenhöhe, die das unbefangene Spiel der Darsteller so einfängt, dass ein jüngeres Publikum keine Probleme haben dürfte, sich den Figuren zu nähern. Als schlicht herausragend muss deshalb auch die Leistung des 14jährigen Josh Hutcherson ("R.V.") bezeichnet werden, seinen cleveren, aber auch unsicheren Charakter interpretiert er mit natürlicher Zerbrechlichkeit und beeindruckender Ausdruckskraft. Nicht weniger überzeugt seine Filmfreundin, die von der ebenso talentierten AnnaSophia Robb gespielt wird – Aufmerksamkeit erlangte sie erstmals als Kaugummi kauende Göre in Tim Burtons "Charlie and the Chocolate Factory".

"Bridge to Terabithia" ist also durchaus ein einfühlsamer Film, dessen belehrende Entgleisungen und eingeschobene Moralgüsse manchem allerdings zu Recht aufstoßen dürften. Der moraline Unterton geht dabei zweifellos aufs Konto der Walden-Media, kann mit etwas gutem Willen aber sicher ausradiert werden, sofern man das darin vermittelte Weltbild nicht als verabsolutiert betrachtet. Dass der Trend liberal maskierter Kinderhaltung mit übersteigertem christlichen Erziehungsauftrag grundsätzlich höchst fragwürdig ist, sollte man jedoch nicht außer Acht lassen – so schön und anrührend dieser Film hier auch erscheinen mag.

65%

Review erschienen bei: Wicked-Vision.de

TV: Fernsehtipps 17.02. - 23.02.07

Samstag, 17.02.

20:15 Uhr – „Was das Herz begehrt“ (SAT.1)

Wie sehr auch eine Frau (bewusst oder unbewusst) zur Misogynie neigen kann, zeigt dieser katastrophale Fehlschlag von einem Film.

0:15 Uhr – „Das Omen“ (K1)

In den wilden 70ern sorgten sich Eltern so sehr um ihren Nachwuchs, dass sie darin gar den Teufel höchstpersönlich vermuteten. Und sie sollten recht behalten – schaurig, oder? Abgesehen vom reaktionären Unterton ein großer Film mit noch größerer Musik.

0:15 Uhr – „Priscilla – Königin der Wüste“ (MDR)

Skurril-charmante Travestie-Show zum immer wieder an- schauen.

Sonntag, 18.02.

20:15 Uhr – „Scary Movie 3“ (Pro7)

Der dritte Streich – ich war da bereits aus der Reihe aus- gestiegen.

20:15 Uhr – „James Bond 007 – Goldfinger“ (K1)

Den dürfte eigentlich jeder im Schlaf aufsagen können, was aber niemanden daran hindern sollte, den cleversten Connery-Bond ein weiteres Mal zu genießen.

22:00 Uhr – „Schrei, wenn du kannst“ (VOX)

Inhaltlich ziemlich dürftig, dafür umso schicker anzusehen. Durchschnittlicher Slasher.

22:00 Uhr – „Scary Movie“ (Pro7)

Das Beste kommt schon in den ersten Minuten: „Sorry, falsches Set!“ – mein absoluter Lieblings-Cameo. Danach kann man dann gern abschalten.

Montag, 19.02.

20:15 Uhr – „Jurassic Park“ (WDR)

Gigantisches Kino voller Magie, insgesamt zwar etwas unter Spielbergs technischem Niveau, aber die Spezialeffekte sind selbst heute noch immer unübertroffen.

1:15 Uhr – „Coming Out“ (SWR)

Nett, aber ihn angestaubt zu nennen wäre noch untertrieben.

Dienstag, 20.02.

0:00 Uhr – „Eins, zwei, drei“ (SWR)

Sicherlich eine der 10 besten Komödien, die je gedreht wurden. Wenn doch nur heute noch jemand so wunderbare Drehbücher schreiben würde…

Mittwoch, 21.02.

20:15 Uhr – „Vergessene Welt: Jurassic Park“ (WDR)

Insgesamt sehr stimmiges Sequel mit einigen bahnbrechenden Action-Sequenzen.

0:20 Uhr – „Wie ein wilder Stier“ (ARD)

Scorseses Regiehöhenflug, halte ich noch immer für seinen besten Film.

Freitag, 23.02.

20:15 Uhr – „Mystic River“ (Pro7)

Herausragendes, intensives Drama, das in eindringlichen aber dennoch zurückhaltenden Bildern von einer reichlich kaputten Welt berichtet.

22:05 Uhr – „Tango und Cash“ (RTL2)

Sehr unterhaltsame und mit herbem Charme inszenierte Buddy-Komödie. Leider gekürzt.

23:05 Uhr – „Begierde“ (WDR)

Wenn Tony Scott sich aufmacht, um die homoerotische Welt des Vampirs zu ergründen, kann das ja nur fürchterlich schief gehen.

23:45 Uhr – „Alienkiller“ (Tele5)

Konventionelle Alien-Geschichte mit starken Anleihen an „The Hidden“. Solide.

0:55 Uhr – „25 Stunden“ (Pro7)

Spike Lees plumpe Ground Zero-Metapher, deren schwulen- und überhaupt sexualfeindliches Auftreten schlicht und ergreifend widerwärtig ist. Völlig überschätzt.

Februar 15, 2007

Kino (Berlinale): NO REGRET

Der junge Su-min verlässt das ländliche Waisenhaus volljährig und mit schmerzlichem Widersinn, weil er dort einen geliebten Freund zurücklassen muss. In der neuen Stadt Seoul findet er sich nur mühsam zurecht, zunächst erscheint ihm alles wie in einer fremden Welt. Den ersten Job in einer Fabrik verliert er bereits kurz nach der Einstellung, sodass er notgedrungen als Stricher in einer untergründigen Schwulenabsteige arbeiten muss – im Gegensatz zu den meisten dort ist Su-min sich seiner Homosexualität allerdings sicher. Einer seiner Kunden, der schüchterne Jae-min, wohlhabender Sohn eines Fabrikbesitzers, ist an mehr interessiert als käuflicher Liebe. Nach anfänglichem Widerstand lässt sich Su-min auf eine leidenschaftliche Beziehung ein, die bald jedoch durch die konservativen Wertvorstellungen von Jae-mins Familie gestört wird: Die glückliche Romantik droht in seelische Selbstzerstörung umzuschlagen.

Obwohl es längst und völlig zu recht im Mittelpunkt des internationalen Blickfeldes liegt, muss sich das koreanische Kino dieser Tage ironischerweise besonders beweisen. Das allgemeine Aha-Erlebnis, das Regisseure wie Kim Ki-duk und Park Chan-wook mit großer Wucht seit dem Fall der Zensur evozierten, ist – so eindrucksvoll es auch erschien – am abklingen. Nun muss der koreanische Film zeigen, ob er sich konstant halten und die enormen Zuschauererwartungen mit Nachdruck erfüllen kann. Wie sich zeigt weichen radikale Schockszenarios spielerischen Tönen, wenn sich beispielsweise Chan-wook mit „I'm a Cyborg, But That's OK“ nach seiner strengen „Vengeance“-Trilogie einer romantischen Geschichte widmet, oder Filme wie „No Regret“ in unaufgeregtem Rhythmus das Wesen der Liebe porträtieren. Die Erwartungen können deshalb nur erfüllt werden: Die neusten Werke aus Südkorea zeichnen sich dadurch aus, dass sie in ihrer vorläufigen Selbstsicherheit angekommen sind.

Obwohl im alltäglichen Leben noch immer ein weitgehendes Tabuthema, erzählen koreanische Filme auf der großen Leinwand mittlerweile längst auch in freizügiger und offener Darstellung Geschichten gleichgeschlechtlicher Liebe. Das Spielfilmdebüt von Regisseur Leesong Hee-il (kurz vor der Berlinale-Aufführung: „Ich weiß, dass mein Film einige Defizite aufweist, aber ich hoffe, er gefällt ihnen trotzdem.“) ist mit kurzer Distanz, aber sehr viel sinnlichem Gefühl inszeniert. Die intensive Nähe zum Geschehen wird nicht nur durch zahlreiche Handkameraaufnahmen aufgebaut, sondern ist auch den unverbrauchten, glaubwürdigen Leistungen der jungen Schauspieler geschuldet. Wie der Titel „No Regret“ suggeriert, gibt es nichts zu bereuen, weder eine Liebesbeziehung, die an den Konventionen zu scheitern droht, noch die mühsame Suche nach der eigenen Identität. Und doch sind die wahren Glücksmomente Su-mins und Jae-mins von meist kurzer Dauer: Illusionen gibt sich der melodramatische Film nur ungern hin.

Dabei ist die Umsetzung seiner Geschichte der formalen Strenge nicht in dem Maße unterworfen, wie es die Arbeiten genannter Regisseure sind. Deshalb repräsentiert der Film den gesetzten – nicht langweiligen! – Charakter des gegen- wärtigen koreanischen Kinos zureichend, verwischen sich kontrollierte Disziplin und dokumentarische, scheinbare Improvisation zu einer existentiellen Auslotung psychischer und physischer Grenzen – hier entspricht „No Regret“ ganz dem Geist seiner geographischen Herkunft. Denn im Kern erweist sich das subversive Element als unabdingbar: Die Einsamkeit des Helden dominiert, weil er einen inneren Kampf auszufechten hat. Genau dieser Prozess, den viele Figuren im koreanischen Kino durchlaufen, bestimmt dessen lethargischen, konzentrierten Charakter. Die pulsierende Sensibilität, mit der Hee-il seine Geschichte erzählt, lässt keinen Platz für Extraversion.

Im Gegensatz zu den gesamtgesellschaftlichen Charak- teristiken, auf die beispielsweise die bizarre Selbst- entfremdung in Chan-wooks „Oldboy“ hinweist, legt Hee-il den Blick lediglich auf eine kleine Gruppe junger Menschen, wenige unter vielen, ohne Rückschlüsse auf das große Gesamte ziehen zu müssen. Obwohl das Schicksal seiner Figuren dennoch beispielhafte Züge trägt: Vor die individuelle Selbstfindung in einem Land, das sich kapitalistisch neu definiert und gleichzeitig um eine Annäherung an den sozialistischen Nachbarn bemüht ist, wird jeder gestellt. Vielleicht erklärt sich dadurch der implosive Charakter dieser Figuren, die alle nach ihrer eigenen gesellschaftlichen Stellung suchen, während sich Traditionen und bisherige Konstanten im Umbruch befinden. Gegen Ende verlieren die Bilder in „No Regret“ immer mehr an Farbe, die Nachtaufnahmen könnten dunkler kaum sein – und die Selbstzerstörung scheint sich durchzusetzen. Wäre da nicht die ebenso unwirkliche wie ambivalente Schlusseinstellung, die dem widersprechen würde. Hoffnungsschimmer statt Katastrophenalarm – auch das gehört zum neuen korea- nischen Film.

75%

Februar 13, 2007

Retro: CRY BABY (1990)

Sein erster Studiofilm sollte es werden. Und nie wieder rissen sich Produzenten und Abteilungsleiter so um eine Zusammenarbeit mit John Waters wie anno 1990, als unlängst bekannt wurde, dass sich die Trash-Ikone mit "Cry Baby" an die 50er-Rockabillies machen würde. Immerhin hatte "Hairspray" auch die weniger obszöne Seite des Regisseurs offenbart und sich anfangs zwar nicht an den Kinokassen, später allerdings sogar am Broadway als Publikumsschlager erwiesen. Verglichen mit den Independentverhältnissen seiner Frühwerke waren die knapp 12 Millionen US-Dollar Budget geradezu gigantisch, sollten jedoch nicht die einzige Neuheit darstellen: Erstmals musste sich Waters, frisches Mitglied in der Gewerkschaft, im Rahmen eines vorgegebenen (PG-13-)Ratings bewegen, damit seine ganz auf Johnny Depp zugeschnittene und fälschlicherweise als Teenkomödie verkaufte Satire auch die "21 Jump Street"-Fans anlocken würde.

Die drohende Kommerzialisierung schuldigen Schunds für das Hollywoodkino ließ Waters-Anhänger zweifeln, ob die zerstörerischen Tage der einstigen Underground-Legende nicht gezählt seien. Dabei gilt "Cry Baby" als heiter verzerrte Parodie auf die Elvis Presley-Filme noch heute als eines der meistunterschätzten Waters-Werke, unterläuft es doch mit feierlicher Süffisanz die Albernheiten der Traumfabrik und gewährt scheinbar unbemerkt all den absurden Entgleisungen darin Einzug. Ganz ungeachtet auch der Tatsache, dass das Motto „Kino ohne Grenzen“ mit einschließt, sich nicht vom Independentfilm einengen oder zwangsläufig daran binden zu lassen – immerhin bedeutet der Ausflug nach Hollywood alles, nur nicht dass „Black Sheep“ Waters seinen aufbrüchigen Geist verlieren würde.

Auslöser für die Idee einer Komödie über Gesellschafts- schichten war der gleichnamige Song von den Bonnie Sisters auf der ersten Platte, die sich Waters als kleiner Junge besorgte. Schnell war klar, dass er "Cry Baby" als Musical inszenieren würde, "Hairspray" war als Tanzfilm bereits ein erster Schritt in diese Richtung. Da er sich mit jeder Produktion einem neuen Genre widmet und dieses dann entsprechend konsequent bedient, wartet der Film mit einigen sensationellen Musiksequenzen auf, smarte Choreographien und clevere Kameratricks inbegriffen. Die Geschichte einer unmöglichen Liebe zwischen Junge und Mädchen, Zugehörige zweier rivalisierender Gruppen, den wilden Drapes und spießigen Squares, ist herkömmlich und bedient jegliches Musical-Klischee, erscheint aber gleichzeitig auch prädestiniert für Waters’ überzogene Sicht der Dinge.

Den Kampf von Sitte und Etikette gegen jugendlichen Ungehorsam erfuhr der in Baltimore geborene Regisseur schließlich am eigenen Leib, da ist natürlich ebenso schnell klar, welcher der Gruppen hier die Sympathien gelten. Mit herrlichem Unernst und deutlicher Verklärung (die Drapettes selbst waren mitunter rassistisch) stimmt er ein sich weitestgehend gewohnt über Erzählkonventionen hinweg setzendes Loblied auf die unzweifelhafte Übermacht der Anarchie ein. Seine rebellischen, in jeder Hinsicht unkonformen Typen gestalten ihr freiheitliches Leben mit Sex, manchmal auch Drugs und vor allem viel Rock’n’roll aus, ohne ihre schrille Liebenswürdigkeit jemals Karikatur ähnlicher Aushöhlung opfern zu müssen. Dabei verschlüsselt Waters seine ausfälligen Eigenschaften zugunsten der Jugendfeigabe auf bizarre Weise, was deren extremen Charakter keinesfalls tilgt.

Wenn die von Liebenskummer geplagte Allison ihre Tränen in einem Wasserglas auffängt und anschließend genüsslich trinkt (Waters: „Autofellatio“), die Drapes eine regelrechte Zungenkussorgie veranstalten oder sich die Liebenden an Gefängnisfenstern reiben wie in einem Glory Hole-Porno, dann ist sie auch im Hollywoodfilm angekommen, die derbe Leidenschaft des Kultregisseurs, die das Genre des Teenfilms so maßgeblich beeinflussen sollte. Und wenn dann Drapes und Squares am Ende vereint scheinen, ist das weniger Widerspruch oder biederes Zugeständnis an das kommerzielle Kino, denn eine pure orgiastische Party, bei der das Spießbürgertum samt Amtsrichter und Gesellschaftsdame zum beswingten Takt der Revolution tanzt. Es war übrigens nebenbei bemerkt nicht nur der erste, sondern auch der letzte wirkliche Hollywoodstudiofilm des John Waters.

80%