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Juli 29, 2015

Kino: WHILE WE'RE YOUNG

"Gefühlt Mitte Zwanzig" hat der deutsche Verleih Noah Baumbachs neuen Film "While We're Young" betitelt. Die Hauptfigur heißt Josh (Ben Stiller) und ist 44, gefühlt Mitte Vierzig. Seit acht Jahren arbeitet Josh an einer Dokumentation, die "zugleich materialistisch und intellektuell" von Amerikas Selbstverständnis im Wandel der Zeit handeln soll. Mit großen theoretischen, allerdings auch eingeprobt und darin merklich klein wirkenden Worten erklärt Josh sein noch unfertiges Projekt dem jungen Regisseur Jamie (Adam Driver) und dessen Frau Darby (Amanda Seyfried). Jamie gibt sich als Bewunderer des einst aussichtsreichen Dokumentarfilmers zu erkennen, nennt ihn Vorbild und Inspirationsquelle, stellt ihm vor der ersten Begegnung sogar nach. Schmeicheleien vom knapp halb so alten Nachwuchs: Erbaulich für den in Lebenskrisenstimmung verfallenen Josh und seine Ehefrau Cornelia (Naomi Watts). Auf Anhieb verbringen die beiden viel Zeit mit dem jungen Pärchen, über dessen Unbedarftheit Josh nur staunen kann: "They're all making things", meint er ein wenig neidvoll.

Noah Baumbach geht es darum, die ungleichen Paare so ausdifferenziert wie möglich agieren zu lassen, mit Blick vor allem auf alltägliche Gegensätze. Die Twentysomethings Jamie und Derby schauen Filme auf VHS, Josh und Cornelia richten ihre Abendunterhaltung am Netflix-Programm aus. Das eine Pärchen liest wieder Bücher und tippt mit alten Schreibmaschinen, das andere nutzt E-Reader und Smartphones. In der albernsten Parallelmontage des Films zocken die kinderlosen Mittvierziger einsam Tablet-Games, während sich ihre neuen Freunde mit Brettspielen vergnügen - als habe Baumbach die demonstrativ herausgepulten und dennoch bloß behaupteten Generationsunterschiede bis dahin noch nicht deutlich genug eskalieren lassen: Junge Hipster sind hip, alte Langweiler langweilig und die Anbiederungsversuche des sich mit Vintage-Kleidung verjüngenden Josh fürchterlich verzweifelt ("You are so in the moment", scharwenzelt der sich offenbar außerhalb irgendwelcher Momente bewegende Josh um seinen Günstling herum).

Das ist ziemlich unangenehm - und noch nicht einmal auf eine interessante Art. Baumbach stellt mit diesen Menschen nämlich nichts an, er spielt sie nur immer wieder gegeneinander aus. Nach etwa der Hälfte des Films hat er alle Klischees restlos abgefrühstückt, weshalb er das figurale Ungleichgewicht einfach kräftig in die andere Richtung verlagert: Josh wendet sich vom draufgängerischen Jamie ab, weil dessen ironische Gekünsteltheit auch keine lebenstaugliche Alternative zur eigenen Midlife-Crisis darstellt, und in einem großspurig inszenierten, aber denkbar absurden Twist wird auch noch der Dokumentarfilm des Nachwuchsregisseurs als methodisch fragwürdig überführt. Anders als Josh, der nach der Wahrheit im Leben und in seinem das Leben abbildenden Film sucht, hat es der selbstsüchtige Jamie lediglich auf schnelle Karriereerfolge im Kinobusiness abgesehen - eine Erkenntnis, die Josh zu Selbstoptimierung inspiriert und die Baumbach dazu bringt, umso abschätziger auf seine anderen Figuren zu blicken.

Zwar gelingen dem versierten Drehbuchautor, der Baumbach zweifellos ist, hin und wieder schöne Einzelszenen voller auf Fremdscham abzielenden Situationswitz, in denen Ben Stiller allerhand absonderliche, hochnotpeinliche Momente regungslos und also hochkomisch aussitzen darf. Doch das in den vorherigen Filmen des Regisseurs stets evidente Interesse an Menschen, die nicht anders können, als sich gegenseitig im Weg zu stehen (wie etwa die rührige Francis in der Post-Adoleszenz-Eloge "Frances Ha" oder der ebenfalls von Stiller gespielte Verlierertyp Roger in "Greenberg") ist einem seltsamen Altherrenzynismus gewichen. Wo frühere Baumbach-Protagonisten ihre Befindlichkeiten gerade deshalb geradezu brachial kommunizierten, weil sie auf eine gemeinsame Klärung der Verhältnisse auf Augenhöhe hoffen durften, erweist sich "Gefühlt Mitte Zwanzig" als geradewegs diskursfeindlich darin, wie die einmal gezogenen Trennlinien wieder und wieder bestätigt werden. Intergenerationelle Annäherung (oder auch Klassenwiderstände, die Josh in seiner Dokumentation zu thematisieren versucht) bekommt der Film lediglich über strikte Thesen und Gegenthesen zu fassen, mit dem ebenso unverhandelbaren wie trostlosen Ergebnis, dass es wohl allen besser ginge, wenn sie nur immer schön unter sich blieben.


erschienen im perlentaucher

November 09, 2010

Zuletzt gesehen: GREENBERG

It never rains in Southern California. Alles eine Lüge und der Kitsch regiert die Welt: Mit verkrampften One-Night-Stands, alten Schulfreunden, glückseligem Nichtstun. Dazu Nuscheln, Kichern, Weinen und die besten Dialoge des Jahres. Die totale Neurose, das totale Leben. "Greenberg" ist Drehbuch und Feinsinnigkeit, also vollendete Ultrakunst. Es geht um gar nichts und um alles, also um Kitsch. Ben Stiller kann doch viel, Greta Gerwig kann alles und Noah Baumbach hat den Plan. Hurt people hurt people. Jede einzelne Minute ein Genuss. Verdammt wunderbarer Film.


80%

März 08, 2010

OSCARS 2010 - Everybody Loves A Winner

Ein paar Worte zur reichlich tristen Oscarverleihung, die da vergangene Nacht rasch über die Bühne gebracht wurde. Weitaus weniger innovativ, ideenreich und amüsant als unter der Regie von Baz Luhrman im letzten Jahr, wurden die Preise ohne inszenatorische Raffinesse vergeben, und am Ende blieb sogar trotzdem nicht einmal Zeit, um noch einmal die nominierten Best-Picture-Kandidaten vorzulesen. Das ging dann alles ganz schnell und unglamourös.

Und dennoch war die 82. Verleihung der Academy Awards kein allzu kurzweiliges Vergnügen, was wohl an der grauenhaften Moderation der beiden Hosts Steve Martin und Alec Baldwin gelegen haben dürfte (sollte diese Konstellation in irgendeiner Weise PR für ihren gemeinsamen Film “It’s complicated” betreiben?). So ungelenk, unkomisch und zahm wurden die Oscars wohl selten unterhalten.

Die wenigen Highlights besorgten dann andere. Ben Stiller zum Beispiel, der als Na’vi verkleidet noch den originellsten Beitrag zum eher unangenehmen, an diesem Abend aber offenbar sehr populären “Avatar”-Bashing abgab. Eine schöne Hommage an den verstorbenen Regisseur, Drehbuchautor und Produzenten John Hughes versammelte noch einmal die Stars des 80er-Jahre Coming-of-age-Kinos (darunter Molly Ringwold und Anthony Michael Hall). Und Jeff Bridges wurde in der “Crazy Heart”-Nominierungsrede von seinem einstigen Co-Star Michelle Pfeiffer anmoderiert, was sehr bewegend und wehmütig ausfiel und der Verleihung einen kurzen Augenblick wahrer Größe verlieh.

Größe, die dann zügig wieder von Sandra Bullocks tränendrüsiger Rede auf ein Normalmaß gestutzt wurde – ihre vor Political Correctness strotzende Laudatio gehörte zu den Tiefpunkten des Abends, ganz zu schweigen von den beschämenden und absolut unerklärlichen Standing Ovations für die einen Tag zuvor noch mit dem Razzie Award als schlechteste Schauspielerin ausgezeichnete “Blind Side”-Darstellerin (zum Film selbst in Kürze mehr – ich muss ihn erst noch verdauen). Auch eine völlig unmotivierte Montage diverser Horrorfilmausschnitte gehörte zu den Kuriositäten der Verleihung, zumal darin nur die üblichen amerikanischen Box-Office-Hits und Klassiker Erwähnung fanden, Meilensteine des Genres aus England oder Italien (Argento anyone?) aber völlig unberücksichtigt blieben. Richtig lustig wurde es aber, als eine wilde Tanzgruppe die nominierten Musikscores “interpretierte” – im Falle von Hans Zimmer und James Horner war das Kasperltheater ja noch angebracht, aber bei Marco Beltramis bedrückender “Hurt Locker”-Musik hatten die Choreographen verständlicherweise einige Darstellungsprobleme mit der Interpretation tänzelnder Bomben.

Eine überwiegend schlechte Show also. Aber: Mit guten Preisträgern. Und das ist natürlich wichtiger. Mit “The Hurt Locker” gewann endlich wieder ein Film, der auch wirklich gut ist und der die Aufmerksamkeit nur gebrauchen kann (beim Publikum fiel der Film trotz überwältigender Kritiken bekanntlich durch). Kathryn Bigelow erhielt als erste Regisseurin in der Geschichte der Academy Awards einen Oscar, was ihr nun hoffentlich die Anerkennung bringen wird, die sie schon mit ihren Genremeisterwerken “Near Dark” oder “Point Break” verdiente, und ihr Film über Bombenentschärfer im Irak trug mit sechs Auszeichnungen auch den verdienten Sieg des Abends davon.

Mai 02, 2008

Zuletzt gesehen: EMPIRE OF THE SUN

Erstaunlicherweise einer der Spielberg-Filme, die mich nie wirklich für sich begeistern konnten und es auch jetzt nicht schaffen (und davon gibt es eigentlich nicht einmal eine Handvoll). Richtig gut erzählt ist "Empire of the Sun" immer nur phasenweise, besonders zu Beginn und im letzten Drittel findet der Film überhaupt kein Zentrum, wirkt unausgeglichen und aufgeblasen, vor allem unnötig theatralisch und steif (die Trennung von den Eltern, die Rückkehr des Jungen in sein Haus). Spielberg tut sich sichtlich schwer mit der Thematik, bei der er nicht weiß, ob er sie naturalistisch oder realistisch inszenieren soll. Die Darstellung des japanischen Gefangenenlagers als Quasi-Abenteuerpark wirkt trotz der Erzählung aus Kindersicht zumindest stark verharmlosend. Und die David Lean-Anleihen stören dabei eher, während sie im trivialen "Temple of Doom"-Kontext noch gut funktionierten. Im Prinzip verhandelt der Film Elemente und ethische Fragen, die Spielberg allesamt in "Schindler’s List" wieder aufgriff und prägnanter, runder, besser anging. Die Kameraarbeit ist toll, ziemlich kunstvoll, der Williams-Score eher fad und mitunter viel zu pathetisch. Christian Bale hat seinerzeit alle Kritiker überzeugt, mir hingegen ist er hier bereits viel zu aufgeladen und ehrgeizig, meist kurz vorm Over-Acting. Klingt alles schlechter als es vermutlich ist, aber gemessen an dem, was Spielberg in den 80ern noch so geleistet hat, ist "Empire of the Sun" dann doch ziemlich durchschnittlich. Und der Moment des Wiedersehens mit den Eltern ging ganz böse daneben.