November 30, 2006

Kino: IN MY FATHER'S DEN

Wenn man in Central Otago, einer Gegend im weiten Süden von Neuseeland lebt, dann kann einem der Kontrast zwischen unendlich weiter Landschaft und ungleich engerer Einöde, in der niemand wirklich anonym ist, offenbar so zusetzen, dass nur noch eine stürmische Flucht aus all dem die Lösung zu sein scheint. Dem Kriegsphotographen Paul Prior (Matthew Macfadyen) muss es so ergangen sein, an der Schwelle zum Erwachsenwerden verließ er seine Heimat, um sich zu zerstreuen, neue Orte zu entdecken, um überall – nur nicht daheim – sein zu können. Der Tod der Mutter war scheinbarer Auslöser dieser Notwendigkeit zur fernen Selbstsuche, und der Tod des anderen Elternteils führt ihn nach 17 Jahren schließlich zurück. Für die Freunde von einst ist Paul ein Fremder, die Wunden des jüngeren Bruders, den im Stich gelassenen, sind nie gänzlich verheilt: Plötzlich ist Paul den Schmerzen der Vergangenheit wieder so nah, und dieses Mal wird er ihnen nicht entfliehen können.

Die Distanz zum Umfeld, die Macfadyen seinem Charakter auferlegt, die ließe sich anfänglich schnell als egoistische Überlegenheit interpretieren, der junge Mann, der seiner Identität einst den Rücken kehrte, hat immerhin die Welt gesehen, hat vermutlich Erfahrungen gesammelt, die vielen hier seltsam fern erscheinen. Doch wie sich zeigen wird, ist das eine streng aufgebaute Fassade, eine abgeklärte, aber allmählich bröselnde Schutzschicht, die Enttäuschung, Verbitterung und eine zerbrechliche Angst vor der Realität zu verdecken sucht – der Blick durch das massive Objektiv seiner Kamera währt Paul die sichere Entfernung, verhindert ein Überschreiten seiner persönlichen Nähe. Der Zuschauer wird die Tiefe dieser und ebenso all der anderen Figuren selbst ergründen müssen, Regisseur Brad McGann gelingt das, was nur wenigen anderen Geschichtenerzählern auch gelingt: Er ist der festen Überzeugung, dieses Portrait nicht kommentieren, sondern mit nur feinen Details und sonst zurückhaltendem Fokus entwerfen zu können.

"In My Father’s Den", die gleichnamige Verfilmung des Romans von Maurice Gee, ist einer der wenigen Ausnahmefälle, der diese Distanz nicht zu überschreiten, sondern wahren versucht, und dennoch die Oberfläche seiner Figuren auflöst, in dem er sie in ihrer Beweglichkeit nicht einschränkt. McGann erweist sich als sorgfältiger Beobachter, der weder den Ton angeben, noch aufdringlich Führung übernehmen muss, er blickt gemeinsam mit dem Zuschauer auf eine isolierte Gesellschaft, die sich gegen diesen Zustand schon lange nicht mehr zu Wehr setzen möchte, und die doch eigentlich gar nicht so anders ist, als es die allgemeine Betrachtung vom geographischen „Ende der Welt“ zu implizieren versucht – Wo das Ende ist, kann ein Anfang schließlich nicht fern sein, am Schluss dieser selbst zerstörerischen Familienchronik wird nur ein Neubeginn stehen, wenn sich all die Dämonen der Vergangenheit befeit haben.

Die Vorahnungen bestätigen sich dann unweigerlich, jegliche Lethargie der Erzählung in der ersten Hälfte des Films ist nur eine sprichwörtliche Ruhe vor dem Sturm, zunehmend löst McGann vorsichtig das narrative Geflecht in mehrere sich überschneidende Handlungsebenen auf. "In My Father’s Den" kombiniert seine philosophische Paraphrase über Sinn und Unsinn des Lebens dann leise mit Elementen einer unheimlich dichten Thrillerdramaturgie, die jedoch weniger vordergründige Effekte, denn notwendige, unabdingbare Wendungen, die in ihrer rigorosen Unumkehrbarkeit keine Flucht mehr zulassen, hervorbringt. Nur über wenige, subtile Mittel wird diese Entwicklung filmisch vollzogen, es sind vor allem die unbegreiflich schönen, später dunkel schattierten Bilder Stuart Dryburghs ("The Piano"), die hier zum Tragen kommen, und die zurückhaltend erklingenden, träumerischen Akkorde Simon Boswells ("Santa sangre"), deren nachdenkliche Ruhe mit einigen inhaltlich definierten Rocksongs durchbrochen wird.

Am Ende kann es keine Gewinner geben, jede der Figuren muss mit dem Schmerz des Verlustes kämpfen, jede Fehler einräumen oder begleichen, und sie alle haben etwas von sich preisgegeben. Wo ähnliche Filme die Intimität der Inszenierung für Zynismus missbrauchen, oder nicht davor zurückschrecken, den Pranger errichten oder Belehrungen zu Selbsterkenntnissen umdichten zu wollen, vertraut McGann ganz auf die Kraft der Authentizität, auf seine ausdrucksstarken Schauspieler, die allesamt bemerkenswerte Leistungen vollbringen, und auf eine ausnahmslos nicht konstruierte, sondern selbst gewonnene Peripherie. "In My Father’s Den" führt sich nicht vor, das ist seine größte Stärke.


85% - erschienen bei filmzentrale.de

November 29, 2006

TV: MOH #3 - THE V WORD

Regisseur Ernest Dickerson transformierte mit dem amüsanten Splatterkammerspiel „Demon Knight“ vor einigen Jahren erfolgreich die Ideen und Zutaten einer Fernsehserie, der Horror-Anthologie „Tales from the Crypt“, zum Kinofilm – seine bunte Nummernrevue war ein zum Leben erwachter Comicfilm, der die längst in Vergessenheit geratene Horrorkomödie mit enormer Spielfreude kurzzeitig aus der Versenkung hievte. Im Umkehrschluss führt das unverhofft nicht zum selben Ergebnis, der Versuch, Motive des Vampir- und Zombiefilmgenres zu einer Folge des zweiten „Masters of Horror“-TV-Zyklus’ zu durchmischen, erweist sich als unausgegorene Ansammlung mehr oder weniger gelungener Schauermomente klassischen Horrors, die nicht zu einem großen Ganzen vereinbart werden können. Mick Garris schickt darin zwei Jugendliche in ein Bestattungsinstitut, in dem der blutdurstige, aber leider auch etwas farblose Michael Ironside des Nachts sein Unwesen treibt, reiht in seinem Drehbuch jedoch nur Klischees und zahlreiche Tricks aus der Mottenkiste aneinander. Atmosphärisch zwar verhältnismäßig dicht inszeniert, drängt sich „The V Word“ insgesamt nur mit einigen gelungenen, sehr gorigen Make-Up-Effekten in den Vordergrund, bisweilen allerdings tut sich Dickerson merklich schwer mit dieser faden „Dracula“-Variante.

5/10

TV: MOH #2 - FAMILY

Bereits in der ersten Staffel war es John Landis, der die anfänglich bemüht auf komprimierten Horror herunter- konstruierten Folgen der Serie mit gewohnt schwarzem Humor durchbrach, sein „Deer Woman“ bewegte sich zwar auf sicherem Terrain, bei dem der „American Were- wolf“-Regisseur sich ausreichend selbst zitieren konnte, amüsierte jedoch mit einigen gelungenen Regieeinfällen und überraschenden Wendungen. Weniger unerwartet ist da schon der Umstand, dass Landis sich auch bei seinem zweiten Ausflug in die Riege der „Masters of Horror“ treu bleibt, in erster Linie mit bissigen Kommentaren hausieren geht, aber auch ausreichend auf Altbewährtes vertraut, was zur dramaturgischen Ungunst den mehr oder weniger großen Twist dieser Geschichte vorschnell erahnen lässt.

Insgesamt ist „Family“ ein zitierfreudiger, überaus ironischer Blick auf die amerikanischen Suburbs, ganz in der Tradition von Joe Dantes bürgerlicher Satire „The ’Burbs“, nur ein wenig übersichtlicher, strukturierter. Mit derbem Humor hält sich Landis kaum zurück, er darf – und soll – sich schließlich auch austoben dürfen. So ist sein Beitrag über einen netten mittelständischen Mann, der sich seine Familienmitglieder im Supermarkt oder der nächstgelegenen Schule auswählt, sie im heimischen Keller mit Säure zersetzt, und sie als liebevoll verdrahtetes Knochengerippe anschließend im Wohnzimmer positioniert, in reichlich bunten Farben augenzwinkernd inszeniert und mit süffisanter Musik unterlegt. Prinzipiell steht die Episode in der Tradition der „Tales from the Crypt“, und ein wenig wäre sie dort auch besser aufgehoben: Landis’ Beitrag krankt am ausgedehnten Hinarbeiten auf eine Pointe, die kaum schlüssig erscheint. Das ist schwer unterhaltsam, trifft den Ton der Serie aber nur bedingt.

70%

TV: MOH #1 - THE DAMNED THING

Ein friedliches Abendessen, ein gemütliches, familiäres Beisammensein. Doch die Stimmung schlägt unvermittelt um: Als kleiner Junge muss Kevin (Sean Patrick Flanery) mit ansehen, wie sein Vater kaltblütig die eigene Ehefrau erschießt. 24 Jahre später erinnert sich kaum noch jemand an das Ereignis, als die Bewohner des texanischen Kleinstädtchens plötzlich unter mysteriösen Umständen beginnen, sich selbst zu ermorden, oder wahllos auf ihre nächsten zu schießen.

Der Auftakt zum zweiten Jahr „Masters of Horror“ hat den stärksten Prolog der Serie, mit ungewöhnlich intensiver Härte inszeniert Tobe Hooper, dessen erster Beitrag „Dance of the Dead“ einen durch und durch überdrehten, stilistisch herausragend entworfenen Endzeitausschnitt markierte, einen radikalen Einstieg für eine bisweilen sonst sehr albern konstruierte Episode. Das dünne Geschichtchen nach der Short Story von Ambrose Bierce übersteht die knapp 60 Minuten Laufzeit nur sehr angestrengt, die Auflösung ist nichts sagend und enttäuschend. Mit sichtlich gelangweilten Darstellern, darunter Ted Raimi als städtischer Pfarrer (!), versucht „The Damned Thing“ mehr schlecht als recht unter Einsatz ebenso blutiger wie selbst zweckhafter Goreeinlagen seine offensichtlichen Plotlücken in den Hintergrund zu rücken. Auf Gewalt als ostentatives Mittel kann sich Hooper jedoch nicht ausnahmslos verlassen, so handwerklich beachtlich die KNB-Jungs hier auch zu Werke ziehen mögen.

35%

Retro: OCTOBER SKY (1999)

In Coalwood, West Virginia gibt es noch Wunder, die das Leben schreibt. Niemand mag daran glauben, doch es gibt sie. Dabei verläuft in dem verschlafenen Nest anno 1954 eigentlich alles nach Tradition: Entweder man beendet die Highschool und wird Arbeiter „unter Tage“, das heißt bei der Zeche, oder man ist der Mittelpunkt aller Aufmerksamkeit – ein talentierter Footballspieler – und hat Chancen auf ein begehrtes Sportstipendium, um der ewigen Einöde zu entfliehen. Ausbrüche aus diesem System sind undenkbar, doch mit Homer Hickam verkörpert Jake Gyllenhaal einen jungen Mann, der anderes im Sinn hat. Nicht weniger als Raketen konstruieren und sie in die Luft befördern wie das große Vorbild Wernher von Braun ist seine Leidenschaft, für die er einstehen und sie gegen alle Vorbehalte verteidigen muss.

Diese Geschichte folgt einer klar strukturierten Gute-Laune-Intention, es ist eine der vielen Mut machenden Heldenerzählungen, von der das Kino nur zu gern berichtet. Doch man täte "October Sky" unrecht, würde man ihn leichtfertig als naives Aufsteigerdrama wahrnehmen, sich zwar umgarnen lassen von der hoffnungsvollen Gewissheit, alles wird sich ohnehin dem Guten zuwenden, doch nichtsdestotrotz nüchterne Distanz halten – es ist ja schließlich emotional gebleicht. Denn Homer Hickam, dieser jugendliche Schüler, dessen Milchbubengesicht die unschuldige Erwartung an eine Welt der Träume nicht verbergen kann, ist weniger eine Figur der Fiktion, denn ein erfolgreicher Raketenkonstrukteur, auf dessen Autobiographie der Film schließlich basiert.

Ein wenig "Stand by me" steckt in der Verarbeitung dieser Lebensgeschichte durchaus, es hat immer etwas Sentimentales, eine wehmütige Gemütlichkeit, wenn Jungs sich von den Normen und Pflichten abwenden, auf rostigen Bahngleisen Zeit verbringen, und Ziele verfolgen, an die niemand anderes glauben will. Meist ertönen dazu stimmige Oldies und Jukebox-Klassiker, warum sollte Joe Johnston, der sich dem Metier auf andere Weise schon mit "The Rocketeer" widmete, in dieser Hinsicht auch Ausnahmen einräumen, wenn sich diese Zeit der Jugend nun einmal so anfühlt. Was zum Klischee verkommen kann, das hält der Film in ehrlicher Absicht unbefleckt fest: Natürlich werden Konflikte gelöst, fügen sich Schicksalsketten einem versöhnlichen Ende, doch "October Sky" porträtiert diese träumerischen Fantasien beinahe so charmant, als wäre es das erste Mal, dass sich ihnen überhaupt jemand widmen würde.

Wenn das Drehbuch manches Mal zur Überkonstruktion neigt, Erfolge mit Rückschlägen beantwortet, um das emotionale Karussell in Bewegung zu halten, dann lassen wunderbare schauspielerische Leistungen schnell vergessen, dass der Weg des Homer Hickam bei all der wahren Begebenheit vielleicht doch an die Naivität des Zuschauers appelliert. Ganz nebenbei aber ist der Film nicht nur eine dezent moraline Hoffungsfabel, sondern Beispiel einer weitestgehend glaubwürdig erzählten Vater-Sohn-Geschichte, deren Kontext eine erstaunlich tiefgründige Zeichnung gesellschaftlicher Schichten bildet. Als Kontrast zum ewigen sozialen Abstieg, dem Hinunterfahren in die staubigen Bergwerke, steht der Wunsch hoch hinaus zu kommen, dem Aufstieg zum Himmel, synonym für die Konstruktion von Raketen. Einfache Metaphern für schwere Hürden: So weit scheint das Leben in Coalwood gar nicht entfernt.


70%

November 27, 2006

News: ALL SAINTS DAY kommt doch!

Gerüchte um ein mögliches Sequel gibt es ja seit Erscheinen des großzügig zum Kultfilm erklärten „The Boondock Saints“ aka. „Der Blutige Pfad Gottes“. Auf der Website des Films bestätigt Regisseur Troy Duffy, dass die offizielle Fortsetzung „All Saints Day“ bereits fertig geschrieben sei. Der Dreh würde in Kürze beginnen, die zahllosen Dementi, eine Fortsetzung wäre nie angedacht, sind damit wohl vergessen. Oder?

November 25, 2006

TV: Fernsehtipps 25.11. - 01.12.06

Samstag, 25.11.

22:40 Uhr – „A.I. - Künstliche Intelligenz“ (ARD)

Die Kritik raufte sich reihenweise die Haare über Spielbergs Versuch, das filmische Erbe Stanley Kubricks anzutreten, dabei gehört der Film zu den tiefgründigsten Auseinandersetzungen mit den ewigen Fragen um das Menschsein.

23:10 Uhr – „American History X“ (Pro7)

Nicht unumstrittener Versuch, die Ursachen und Auswirkungen des Neo-Faschismus anhand von amerikanischen Suburbs zu untersuchen.

23:30 Uhr – „Vampire in Brooklyn“ (K1)

Wes Cravens etwas unausgegorene Vampirklamotte, bei der Eddie Murphys nervige Sprüche nicht recht zu dem ernst gemeinten social background des Films passen wollen.

0:00 Uhr – „Waxwork“ (Tele5)

Eine meiner absoluten Lieblingshorrorkomödien - verspielt, spannend, witzig. Und mit einigen hervorragenden Effekten versehen. Leider wird man genau jene in dieser Version hier vermissen.

2:40 Uhr – „October Sky“ (RTL)

Frühwerk eines meiner gegenwärtigen Lieblingsschauspieler Jake Gyllenhaal.

2:55 Uhr – „Rufmord – Jenseits der Moral“ (ARD)

Brillantes Polit-Drama, das eindrucksvoll Mutmaßungen über die Rückseite politischen Handelns anstellt, und dabei großartig gespielt ist von Joan Allen und allen voran Jeff Bridges (Oscar nominiert!).

Sonntag, 26.11

10:00 Uhr - “Tarantula” (Das Vierte)

Der schrillste Film seiner Art, tolle Effektarbeit und eine charmante Inszenierung machen Jack Arnolds Invasionsspektakel zum amüsanten Vergnügen.

20:15 Uhr – „School of Rock“ (Pro7)

Jack Black kann sehr anstrengend sein, und die Lehrmethoden sind eher die eines Psychopathen, doch mit gelungenen Konzertsequenzen wird die zigmal gesehene Geschichte ganz ordentlich kaschiert.

0:10 Uhr – „Bunny Lake ist verschwunden“ (3SAT)

Otto Preminger ist immer Pflichtprogramm!

0:20 Uhr – „12 Uhr Nachts – Midnight Express“ (K1)

Sehr diskussionswertes, weil einseitiges Gefängnisdrama über die vermeintliche Hölle in türkischen Gefängnissen. Ich reagierte einst sehr anfällig auf diesen verstörenden Film.

0:50 Uhr – „Der blaue Engel“ (ARD)

Josef von Sterbergs Meilenstein des deutschen Kinos.

Montag, 27.11.

22:15 – „Im Auftrag des teufels“ (ZDF)

Unglaublich angestrengt gespielter Film, dessen misslungenes Finale die zuvor aufgebaute Subtilität zerstört. Ein Glanzlicht ist zweifellos Charlize Theron, die hier lasziv wie eh und je auftritt.

23:15 Uhr – „In & Out“ (SWR)

Verdammt witzige Klischeekomödie, die einzig und allein vom großartigen Kevin Kline lebt.

0:50 Uhr – „Indiskret“ (ARD)

Später Reanimierungsversuch der Screwball-Comedy mit der wunderbaren Ingrid Bergman und dem noch wunderbareren Cary Grant.

Dienstag, 28.11.

23:10 Uhr – „Freitag, der 13. Teil 2“ (Das Vierte)

Vielleicht eines der meistunterschätzten Sequels überhaupt, ein Film, der sich mit seiner (stark vereinfachten) Mutter/Sohn-Geschichte auf die Essenz des Subgenres beruft – und das übrigens elegant photographiert. Aufgrund der Indizierung aber stark gekürzt, obwohl bereits die MPAA vorher angesetzt hat.

Mittwoch, 29.11.

20:15 Uhr – „Happy End im September“ (Das Vierte)

Nein, mit Rock Hudson mag ich mich nicht anfreunden. Viel zu zahm das ganze.

Donnerstag, 30.11.

1:09 Uhr – „Infernal Affairs“ (ZDF)

Der beste HK-Film seit Jahren, ein in jeder Hinsicht mitreißender Thriller, der durch Martin Scorsese kürzlich eine durch und durch unnötige Neuauflage erfuhr.

Freitag, 01.12.

20:15 Uhr – „Fletchers Visionen“ (RTL2)

Völlig banale, hundsmiserabel gespielte Verschwörungsulknummer, in der Mel Gibson sich mal wieder selbst sucht – möge es ihm diesmal doch bitte gelingen.

20:15 Uhr – „Waterworld“ (VOX)

Kevin Costner ist durchaus ein wenig größenwahnsinnig, doch da kann man es drehen und wenden wie man möchte, der Film ist einfach schwer unterhaltsam.

22:20 Uhr – „Amityville Horror“ (Tele5)

Atmsphärischer, aber doch recht profaner Geisterspuk mit enttäuschendem Schluss.

23:00 Uhr – „Mad Max“ (RTL2)

Das passt doch thematisch gleich in zweierlei Hinsicht, nur dass George Millers filmisch geschlossenes Endzeitspektakel wesentlich mehr Substanz als „Waterworld“ hat und Mr. Gibson noch eine erfrischend unverbrauchte Figur macht, wenn ich aber auch hier anmerken muss, dass der Film meiner Meinung nach leicht überschätzt wird.

November 24, 2006

Kino: CASINO ROYALE

Er hat es nicht leicht gehabt, dieser neue Bond. Weil Daniel Craig ("The Jacket") am Drehset mit Schwimmweste gesehen wurde, betitelte ihn die Presse als Weichei, und weil er Gerüchten zufolge im ersten Anlauf Probleme mit der Gangschaltung seines Sportwagens gehabt haben soll, verspielte er vorschnell auch die restlichen Sympathiepunkte – ist der gefürchtete Spion etwa kein ganzer Mann? Die ersten Ausschnitte behaupteten schon so deutlich das Gegenteil, dass die Kritik kaum mehr hinterherkam, jegliche Zweifel zu revidieren: Craig belehrte sie eines besseren, und seine Interpretation von Ian Flemings Figur mit der Lizenz zum Töten ist an Charme, Eleganz und – das ist überraschend – stringenter Härte kaum zu überbieten: "Casino Royale" lässt die 90er-Jahre-Abenteuer von Pierce Brosnan schnell vergessen und knüpft in seinen stärksten Momenten problemlos an die Hochzeit der Filmserie an.

Basierend auf dem ersten Roman vom Agenten im Geheimdienst ihrer Majestät, inszeniert Regisseur Martin Campbell, nachdem sein Bond-Einstieg mit "GoldenEye" etwas holprig verlief, den Film als konsequente Neudichtung. Die in verrauschtem schwarz-weiß gehaltene pre-credit-Sequenz betont das Vergangene, die Geburtsstunde des Helden verläuft erstaunlich unspektakulär, aber mit umso mehr Stil und Raffinesse. Der darauf folgende Vorspann ist dann schon bereits das zweite große Highlight, getreu dem Motto fliegen hier die comichaft animierten Karten durchs Casino, während der kraftvolle Titelsong "You know my name" von Chris Cornell ertönt, der schon jetzt zu den besten Bond-Songs gehören dürfte – und Madonnas Totalausfall "Die Another Day" fast vergessen lässt.

Nein, die Zweifel waren nicht unberechtigt, sie waren anmaßend. Diese physische Präsenz von Craigs Bond hat etwas unmenschlich-menschliches, seine strahlend blauen Augen drängen sich so penetrant auf, dass man eigentlich wegschauen möchte, aber gleichzeitig nicht verbergen kann, welch enorme Ausstrahlung doch von ihnen ausgeht, und der athletische, gestählte Körper kämpft und schlägt sich durch Betonwände, hängt an riesigen Kränen und Lastwägen, dass die Luft wegzubleiben droht. Gleichzeitig schafft es der Schauspieler aber auch, seiner Figur emotionalen Ausdruck zu geben, mitunter strahlt Bond hier so viel Bedürftigkeit und Sensibilität aus, dass die Frauen reihenweise ihre Herzen auszuschütten bereit sein dürften.

Unter ihnen Vesper Lynd, das Bond-Girl in "Casino Royale". Sie, gespielt von Eva Green ("The Dreamers"), beherrscht all die verführerischen Blicke, die scheinbar berechnende Anziehungskraft und die kluge Eloquenz, mit der auch ihre Vorgängerinnen ausgestattet waren. Doch bringt sie noch andere Eigenschaften mit, die ungleich wenige vor ihr auszeichneten. Lynd ist nicht nur eine emanzipierte Schönheit, sondern ebenso eine zerbrechliche Frau, die nicht leichtfertig von einer zur nächsten Minute Morde vergessen kann, die hinter ihrer Fassade eine zerbrechliche, unsichere Seele zu verbergen sucht. Das Drehbuch nutzt diese Charakteristika jedoch nicht für das plakative Heldentum seines Agenten aus, der wie einst im selben Moment seine Gegner ausschaltete, in dem er auch mit hübschen Frauen unter der Bettdecke verschwand, sondern verwendet diese sorgfältige Zeichnung, um auch James Bond eine glaubhafte Tiefe zu verleihen, die unweigerlich an George Lazenbys Verkörperung der Rolle im unterschätzten "On Her Majesty's Secret Service" erinnert.

Die Gemeinsamkeiten der beiden Berufsspione liegen weniger in Banalitäten wie Skrupellosigkeit oder besonderer Härte im Durchsetzen der Aufgaben ihrer Legitimierenden MI 6-Chefin M (Judi Dench), sondern in deren Herkunft als Waisenkinder. Ihnen fehlt in dieser kaltherzigen Welt, in der sie Terroristen und Drogendealer jagen, Zuneigung und Nähe, weil sie nichts anderes gewohnt sind. Sie ergänzen sich auf Augenhöhe, und der Film lässt sich – vielleicht zur Enttäuschung einiger Action verwöhnter Zuschauer – angenehm viel Zeit für diese Herausarbeitung, die natürlich nur ein dramatisches Ende nehmen kann. Die außerordentliche Härte, mit der Craigs Bond zur Sache geht, ist kein Widerspruch zur geschilderten Einfühlsamkeit dieser Figur, sondern Ausdruck einer mehrdimensional entwickelten Neuinterpretation des Mythos.

Wer nun befürchtet, dass "Casino Royale" nicht dennoch mit knallharter Action aufwarten würde, der wird gleich nach rund 20 Minuten mit einer spektakulären Verfolgungsjagd verwöhnt. Dabei müssen nicht Häuser oder Autos in die Luft fliegen, sind keine übertriebenen Effektszenarien vonnöten, es sind präzise Stunts und ein herausragender Schnitt, die diese Sequenz zum atemberaubenden, beinahe vorzeitigen Showdown machen. Wenn Bond seinen Gegner dann einfach erschießt, anstatt ihn getreu der Anweisung lebend festzunehmen, ist das nur ein weiterer neuer Zug der Figur: Der Mann ist eben nicht unfehlbar, er begeht Fehler, wird von M zurechtgewiesen und muss gezügelt werden. Für die Idealisierung von Mord im vermeintlichen Dienst einer höheren Instanz ist hier kein Platz, für die Egotrips eines selbst verliebten Agenten schon gar nicht.

Die ungeahnten Ambivalenzen in der Struktur des Films schließen auch die Darstellung des Bösewichts darin ein, der hochintelligente Le Chiffre (Mads Mikkelsen, "Adams Äpfel") ist ein ungeheuerlich gerissener, kaltblütiger Terroristenarm, den man zumeist nur diebisch Pokerspielen sieht. Trotzdem verkörpert Mikkelsen seinen Charakter als bitteren Existentialisten, der sich selbst im Fadenkreuz wesentlich bedrohlicherer Gesellen sehen muss. Sollte er das große Spiel im Casino nicht gewinnen können, werden seine Auftraggeber ihn vermutlich töten. Der eigentliche Höhepunkt des Films ist dann auch keine lautstarke Actionabfolge, sondern ein rund 45minütiger Poker, der ungeheuerlich raffiniert inszeniert ist. Die Spannung entwickelt sich hier aus dem Zusammenspiel von Bond und Le Chiffre, sowie all den feinen Details, die Campbell hier ins Bild setzt.

"Shaken or stirred?" - "Do I look like I give a damn?"


Der 21. Bond ist also tatsächlich anders als die anderen. Er ist weniger die Variation des ewig gleichen, denn ein Agententhriller mit Herz und Seele, der Feinfühligkeit und Härte miteinander vereinbart, kompromisslose Kampfszenen neben emotionale Ruhemomente stellt. Das alles mag ein wenig zu lang geraten sein, aber selbst der großartige Clive Owen ("Children of Men") hätte wohl keine bessere Bond-Figur als Daniel Craig abgegeben. Nach den Dreharbeiten zu "Casino Royale" brannte übrigens die 007-Halle der legendären Pinewood-Studios komplett leer. Unfreiwilliges Zeichen eines reinigenden Neubeginns, ein ziemlich drastisches zwar, aber eines, das vielleicht irgendwie nötig war.

80%

Review erschienen bei: Wicked-Vision.de

November 22, 2006

News: THE HILLS HAVE EYES II Poster

Das erste Poster zum Sequel des Remakes von Martin Weisz. Für die Effekte konnten erneut die Jungs der K.N.B. verpflichtet werden, photographiert wird der Film von Sam McCurdy ("The Descent"). Das Promo-Video gibt es hier zu sehen.

November 19, 2006

TV: Fernsehtipps 18.11. - 24.11.06

Samstag, 18.11.

23:10 Uhr – „Minority Report“ (ARD)

Spielbergs visueller Leckerbissen, der an seiner Oberfläche brillant inszenierte Unterhaltung bietet, darunter allerdings mit dem Umstand zu kämpfen hat, dass sich der Meister aus der unabdingbaren moralischen Frage herausmogelt: Das fehlbare System wird von ihm nicht problematisiert, sondern sogar unfreiwillig legitimiert.

0:00 Uhr – „Priscilla“ (WDR)

Skurril-charmante Travestie-Show.

1:00 Uhr – „Aliens“ (ZDF)

An Spannung und Action sucht Camerons eigene Interpretation des Stoffes im Genre der Science Fiction ihresgleichen.

1:35 Uhr – „North by Northwest – Der Unsichtbare Dritte“ (ARD)

Wer braucht James Bond, wenn man Cary Grant haben kann?

Sonntag, 19.11.

20:15 Uhr – „Harry Potter und die Kammer des Schreckens“ (Pro7)

Mein Lieblingsfilm der Serie, wunderbar hält Regisseur Chris Columbus die Waage zwischen kindlicher Naivität und nahendem Erwachsenwerden, reichert seinen Film mit fantastischen Effekten und stimmungsvollen Settings an. Zudem wird (anders als im ZDF vor einiger Zeit) die ungekürzte Fassung ausgestrahlt, während hierzulande im Kino und auf Video/DVD mehrere gruselige Minuten weichen mussten.

20:15 Uhr – „JFK“ (K1)

Vielleicht der einzige wirklich gute Oliver Stone, einen besseren Polit-Thriller hat es in den 90ern wohl nicht gegeben.

23:20 Uhr – „Vampires: Los Muertos“ (Pro7)

Unglaublich langweilige Fortsetzung des ohnehin schon dezent albernen Carpenter-Films.

1:55 Uhr – „The Fast and the Furious“ (RTL)

Kopiert mehr schlecht als recht Kathryn Bigelows “Point Break”, ist stellenweise handwerklich bodenlos, doch kann mit unfreiwilliger Komik punkten. Kategorie: „Peinlichster Lieblingsfilm“.

Montag, 20.11.

20:40 Uhr – „Der Mieter“ (Arte)

Phänomenal photographierter Psycho-Thriller!

22:15 Uhr – „Monster“ (ZDF)

Zweifelsohne mit Schwächen in der Inszenierung, im Kern erfasst der Film jedoch als einer der wenigen Serial Killer-Vertreter das ambivalente Ausmaß seiner Protagonistin und verzichtet entgegen aller Polemik-Vorwürfe Wertungen vorzunehmen. Seine volle Kraft entfaltet „Monster“ in Kombination mit den beiden hervorragenden Dokumentationen „Selling of a Serial Killer“ und „Life and Death of a Serial Killer“, letztere strahlt das ZDF am 21.11. aus.

23:15 „E.T. – Der Außerirdische“ (SWR)

Einer der wenigen wirklichen Kinderfilme, Spielbergs frühes und immer noch bestes Werk, das sich ganz auf die Ebene seiner Helden begibt. Ehrlich und unschuldig, aber alles andere als naiv.

0:50 Uhr – „Vor Hausfrauen wird gewarnt“ (ARD)

Das Gespann Donen/Grant dürfte Komödie auf hohem Niveau garantieren.

Donnerstag, 23.11.

0:55 Uhr – „Diabolisch“

Annehmbares Remake des Clouzot-Klassikers, allerdings mit sehr verfehltem Homo-Subtext.

Freitag, 24.11.

20:15 Uhr – „Wilde Kreaturen“ (VOX)

Sequel zu einem der komischsten Filme aller Zeiten. Ich weiß bis heute nicht, was ich von dieser verspäteten Reunion halten soll, ich mag „A Fish Called Wanda“ aber auch einfach viel zu sehr.

22:15 Uhr – „Blutiger Valentinstag“ (Das 4.)

Großartige Atmosphäre, aber für Slasher-Fans beinahe ungoutierbar, kürzten die Produzenten fürs R-Rating leider massiv. Diese Fassung hier dürfte noch stärker gestutzt sein.

1:30 Uhr – „Unternehmen Petticoat“ (ARD)

Leichte Klamotte mit gut aufgelegten und spielfreudigen Hauptdarstellern.

November 17, 2006

Kino: THE COVENANT

Der Vorspann verrät bereits, worum es in diesem Film gehen wird: Hektisch gleitet die Kamera über wahllos montierte Symbole, okkult anmutende Zeichen und Schriften, mit schnellen Überblendungen und fetzigem Metal-Soundtrack unterlegt, erscheinen brennende Pentagramme und die Namen vieler Jungstars, die niemand kennt – und die wohl auch niemand wirklich kennen will. „The Covenant“ nimmt sich nicht nur sehr ernst, sondern möchte auch dementsprechend behandelt werden. Darum wird hier sprichwörtlich nicht lange gefackelt: Das hier ist der geheime Kampf der Hexenerben, ausgefochten zwischen stylishen Teenies. Auf einem Besen fliegen die zwar nicht, für Hokus Pokus soll aber dennoch gesorgt sein. Damit der Zuschauer nicht lange rätseln muss, was diese so bemüht mit verzogenen Mimen dreinschauenden Jungs zu verbergen haben, muss gar nicht erst um Aufklärung gebeten werden.

“Im Jahr 1692, in der Kolonie Ipswich in Massachusetts, schlossen fünf Familien mit unbeschreiblichen Kräften einen Pakt des Schweigens. Eine Familie dürstete nach mehr und wurde verbannt. Ihr Stammbaum verschwand spurlos … bis heute. Stell dir vor, du hast die Fähigkeiten, all das zu tun, was du möchtest – aber je öfter du diese Macht nutzt, desto mehr schwächt sie dich.“

Klingt sehr mysteriös. Und das ist es auch. Hier hat man es mit unheimlichen Kräften, schwarzer Magie und unkontrollierbarer Macht zu tun, also durchaus mit den ganz normalen Problemen, die einen durchschnittlich pubertierenden Jugendlichen so beschäftigen dürften. Doch da sich die Geschichte um vier Hexer, die durch den rivalisierenden Erben eines als ausgestorben gegoltenen fünften Familienclans bedroht werden, schnell erzählen lässt, dürfen auch andere Themen nicht fehlen: Liebe, Freundschaft, Verlust und so weiter eben. Deshalb bestimmt natürlich auch eine blonde Pretty das Geschehen, die sich in den Anführer des geheimen Zirkels, den smarten Caleb, verliebt (und umgekehrt versteht sich!). Dass diese dann im Mittelpunkt der finalen Gefahr, bei der sich ein netter Kommilitone als der gemeine Gegner entpuppt, steht, das kommt dann auch verdammt unerwartet.

Überhaupt strotzt Renny Harlins „The Covenant“ förmlich vor originellem Esprit. Nicht nur ist das Drehbuch unvorhersehbar, spannend und sorgfältig ausgearbeitet, sondern wird die abwechslungsreiche Geschichte packend inszeniert und durch spielfreudige wie talentierte Jungdarsteller ins Leben gerufen. Zumindest ließe sich das problemlos in Stein meißeln, wenn man 12-14 Jahre alt, Genre unerprobt und Freund seichten Serienspuks á la „Charmed“ ist, dann nämlich dürfte man wohl zur Zielgruppe dieses ansonsten einfach nur grausig schlechten Films gehören. Ohne Garantie natürlich!

Obwohl die Erwartungshaltung bei derartigen Produktionen – Okkulthorror gehört bekanntlich zur besonders ausgelaugten B-Movie-Sorte – ohnehin verschwindend gering ist, unterbietet Harlin, einst große Genrehoffnung durch Phantastereien wie „A Nightmare On Elm Street 4“, „The Adventures of Ford Fairlane“ oder „Cliffhanger“, selbst diese. Das ist zwar auch schon eine Kunst für sich, kann aber nicht über die leise Wehmut hinwegtäuschen, dass der Regieheld von einst scheinbar endgültig in die untersten Gefilde Hollywoods abgerutscht ist (nein, „Driven“ war somit kein einmaliger Ausrutscher). Zwar blinzelt hier und da kurzzeitig der Routinier durch, doch gegen dieses komplett einfältige, bis ins Mark triviale Anti-Potential des Films kann auch das nichts mehr ausrichten, „The Covenant“ ist selbst für TV-Verhältnisse (und es handelt sich immerhin um eine Kinoproduktion) erschreckend schwach.

Das alles ist ein reines Sammelsurium sattsam bekannter Klischees und kupfert fleißig von so illustren Vorbildern wie Andrew Flemings „The Craft“, der auf originelle Weise den Horror aus der Vor- in die Großstadt manövrierte, oder besonders Joel Schumachers „The Lost Boys“ ab. Letzterer wird in vielen Einstellungen und Ideen relativ dreist kopiert, wenn die vier College-Jungs als düstere Gestalten der Nacht eingeführt werden und wie ruhelose Hüter eines Geheimnisses, das – man erinnert sich an den freundlichen Hinweis zu Beginn – gar keines mehr ist, erscheinen sollen. Von der doppelbödigen und vielschichtigen Auseinandersetzung mit der Generationsproblematik der genannten Beispiele ist der Film jedoch Lichtjahre entfernt, hier wird lediglich ein unglaublich gelangweilt vorgetragener Plot heruntergespult, der selbst in Ansätzen den Hauch einer Eigenständigkeit scheut.

„Ich wollte eine Art ‚The Lost Boys’ für die heutige Generation machen, und dies war genau das Skript, das mir die Vorlage dafür lieferte“, gesteht Sony Screen Gems-Chef Clint Culpepper beinahe reumütig ein. Schumachers Film hatte allerdings, abgesehen von seinem großartigen Subtext, der auf J. M. Barries „Peter Pan“ fußte, einen wesentlich komplexeren visuellen Stil, eine eigenwillige Ästhetik, gehüllt in werbeclipähnliche Bilder, die den klassischen Rock’n’roll mit den Pop-Zutaten des MTV-Zeitalters vermischten. Harlin bietet dagegen stillosen Nonsens, bei dem insbesondere die visuellen Effekte einen lachhaften Eindruck hinterlassen. Schließlich wird auch vor den erneut aus „The Matrix“ entlehnten Bullet-Time-Sequenzen nicht Halt gemacht, während das unangenehm peinliche Finale im plätschernden Regen, einem Kräftemessen der Kontrahenten, das im Wesentlichen daraus besteht, sich entweder gegenseitig Energiebälle zuzuwerfen oder abwechselnd durch die Luft zu befördern, sogar noch deutlicher an den Abschluss der bekannten Wachowski-Trilogie erinnert.

Unterm Strich also wie befürchtet: „The Covenant“ ist ziemlich alberner PG-13-Spuk für kleine Mädchen, die sich gerne mal ein wenig gruseln und gleichzeitig gut aussehende Coverboys anhimmeln dürfen. Ansonsten amüsiert sich mancher verhalten über Dialoge und Effekte, alle anderen enttarnen Harlins Ulknummer bitte als faulen Zauber und lehnen dankend ab.

25%

Review erschienen bei: Wicked-Vision.de

November 16, 2006

Vorschau: Upcoming Reviews

Demnächst Filmbesprechungen zu: "The Covenant - Der Pakt" (Renny Harlin), "Babel" (Alejandro González Inárritu) und "Als das Meer verschwand - In My Father's Den" (Brad McGann).

November 15, 2006

Retro: BRAINDEAD (1992)

"Braindead" setzt die Lust an der orgiastischen Koppelung übertriebener Anarchokomik mit Splatterfilmelementen aus dem wenige Jahre zuvor entstandenen "Bad Taste" lückenlos fort, um ihn schließlich in jeder Hinsicht - und besonders des roten Nasses wegen - zu überbieten. Regisseur Peter Jackson reiht nunmehr nicht einfach bewusste Provokationen aus amüsantem Ekel und obszönen Ideen aneinander, sondern unterordnet sie bis zur Klimax einem Handlungsgeflecht, das wesentlich sorgfältiger ausgearbeitet scheint als beim relativ wahllosen Erzählmuster des indirekten Vorgängers, wo die einfache Landung von Außerirdischen den Mittelpunkt der Geschichte und damit die Voraussetzung für viel herben Witz markierte.

Mit jederzeit unverkennbarer Liebe zum Genre gilt es den Leidensweg des naiven und durch die sadistische Obhut seiner Mutter gebrandmarkten Lionel Cosgrove, vom neuseeländischen TV-Comedian Timothy Balme verkörpert, zu beenden. Nur eine Frau (die temperamentvolle Paquita) kann ihn, den umgekehrten Märchenprinzen, aus dem alttäglichen Alptraum befreien. Der jähe Tod der Mutter durch den Biss eines importierten Rattenaffen (der - Referenzen an "King Kong" inklusive - in der Pre-Credit-Sequenz auf Skull Island bereits für einigen Ärger sorgt) ist allerdings nicht Ende, sondern Beginn einer wesentlich problematischeren Entwicklung: Die alte Frau wird zu einem unkontrollierbaren Zombie, der bald die halbe Stadt infiziert hat.

Im Gegensatz zum Züge einer Amateurproduktion tragenden "Bad Taste" kann sich Jackson bei der Arbeit an "Braindead" auf ein hervorragendes Drehbuch stützen, das er gemeinsam mit seiner Ehefrau Fran Walsh verfasste. Dieses fokussiert die simple Liebesgeschichte der beiden unfreiwilligen Helden, sowie die Überwindung des Mutterkomplexes und anschließende Selbstfindung Lionels, und reichert es mit zahllosen Genreverweisen, Situationskomik und Slapstick an. Immer wieder wurde der Film auf seinen finalen Goreanteil reduziert, ohne die hommageähnlichen Elemente - die mitunter weitaus tragfähiger sind - zu berücksichtigen.

In liebevollen Details und mit charmanter Inszenierungsfreude bebildert Jackson kleinbürgerliche Schreckensvorstellungen. Die 50er-Jahre bilden den zeitlichen Rahmen des Films: Da fahren alte Straßenbahnen unweigerlich ihre Linien, tuckern langsame Autos umher, und im kleinen Kaufmannsladen kennt und grüßt man sich freundlich. Diese Fassade ist natürlich immer als solche erkennbar, insbesondere wenn Lionels Mutter in den eigenen vier Wänden einer regelrechten Tyrannei nachgeht, bei der Beerdigung von Nachbarn und Freunden jedoch als gutmütige Mutter und Witwe geadelt wird. Jackson überzieht seine scharfen Statements immer weiter, bis das Ende sogar verrät, dass sie die Mörderin des eigenen Ehemannes ist: Ihre Legitimation für die Unterdrückung des Sohnes enttarnt sich als bittere Lebenslüge.

Die Ähnlichkeiten zu Alfred Hitchcocks "Psycho" sind nicht von der Hand zu weisen. Lionels schüchterne Unsicherheit und seine Fügung mütterlicher Einschränkungen erinnern überdeutlich an Norman Bates, und wenn Jackson das große Anwesen in Bates Motel-ähnlichen Einstellungen einfängt, sind die Gemeinsamkeiten schnell als beabsichtigt zu erkennen. Mit fortlaufender Handlung entfernt sich "Braindead" jedoch von diesen Analogien - Hitchcock hielt für seinen „Helden“ keinerlei optimistische Optionen bereit, während sich Jackson getreu seiner komödiantischen Verpflichtung ein süßlich-romantisches Ende nicht verkneifen möchte.

D
enn innerhalb des Zombiefilmgenres nimmt der Film eine Sonderstellung ein: Er erzählt tatsächlich eine konsequente Liebesgeschichte. Der britische Regisseur Edgar Wright warb bei seiner viele Jahre später inszenierten und ohne Jacksons Film unvorstellbaren Splatterpersiflage "Shaun of the Dead" mit den Worten "A Romantic Comedy. With Zombies." und formuliert damit treffend die Essenz von "Braindead". Die Romantik mag bei all dem Blut und den in der Luft umherwirbelnden Gedärmen nicht jedermanns Geschmack sein, doch die naiven wie unbeschwerten Liebesszenen der ersten Hälfte unterscheiden sich kaum vom späteren "gegenseitigen Ergänzen" im matschigen Chaos: Als alle Zombies sich gegen die Lebenden verschwören, müssen sich Lionel und Paquita ihrer ultimativen Beziehungsherausforderung stellen. Im makaberen Sinne versteht Jackson es als bizarre Prüfung, wenn der eine wild gestikulierend mit dem Rasenmäher die Gliedmaßen seiner untoten Gegenspieler abtrennt, und die andere diese noch einmal durch einen Mixer befördert. Sicher ist eben sicher. Und romantisch ist das eigentlich auch irgendwie.

Die deutschen Zensurbehörden wollten respektive konnten offenbar kaum das Humorverständnis des Neuseeländers teilen, hierzulande wurde der Film für die Kino- und Videoauswertung so stark gekürzt, dass der ohnehin sehr freie Untertitel "Der Zombie-Rasenmähermann" jeglichem Sinn entbehrt, ist doch eben genau diese Sequenz nahezu vollständig entfernt worden. Die später veröffentlichte ungeschnittene und nicht geprüfte Fassung wurde bundesweit beschlagnahmt, bevor nach rund 10 Jahren selbst die alte FSK: 18-Version dran glauben musste. Momentan ist "Braindead" nunmehr in einer indiskutabel gekürzten, jugendfreien Fassung erhältlich (die kurioserweise an vielen Stellen länger als die frühere FSK-Videofassung ist). Abgesehen von der Veröffentlichung in den USA (dort ist neben der R-Rated selbst die Unrated-Version zensiert) erschien im Gegensatz dazu weltweit die vollständige Originalfassung. Selbst die zimperliche BBFC gab das Werk trotz sexistischer Elemente (der Pfarrer und die Krankenschwester können selbst im blutigen Matsch nicht voneinander lassen) in Großbritannien ohne Schnitte frei.

Dabei ist das aufwändige und viel zitierte Finale des Films, das auch maßgeblich für seinen Kultstatus verantwortlich zeichnen dürfte, nicht nur Ausdruck einer spürbaren Freude an der Sauerei, die mit unzählbaren Effekten explodierender und zerstückelter Körper aufwartet, sondern tatsächlich Höhepunkt einer dem Inhalt verpflichteten Katharsis, wie es sie mit derartigen Hyperbeln im Stakkatorhythmus bislang nicht auf der Leinwand zu sehen gab. Das große Fest an Gore Galore ist nicht mehr als das konsequente Herauslassen all der unterdrückten Energie des Helden, ein gezogener Schlusssatz unter die langwierigen Qualen der Mutter: In einem letzten Kampf stellt er sich der hinreißend komischen Inkarnation kindlicher Horrorvorstellungen der Erziehungsberechtigten. Die mutierte Übermutter verschlingt ihren Sprössling, der sich darauf hin selbstständig aus ihren Klauen befreit und sprichwörtlich neugeboren wird. Vor den brennenden Trümmern des Hauses - dem Käfig des alten Lebens - hat das blutüberströmte und gleichzeitig ironisch unbefleckte Paar ihren Liebesbeweis vollbracht.

Der überaus spezielle Humor des Films resultiert nicht allein aus einer Nummernrevue bizarrer Effekte und Ideen, sondern aus dem skurrilen Weltentwurf Jacksons. An jeder Straßenecke lauern seltsame Gestalten, die entweder snobistisch die Nase rümpfen, sich von allem und jedem abkehren oder aufdringlich in die Kamera grinsen - die vielen schrillen Gesichter, die in verzerrten Perspektiven erscheinen, sind eines der Markenzeichen des Regisseurs. Die logische Folge dieses Gesellschaftssarkasmus' kann demnach nur die Herausbildung einer Zombieplage sein. Exemplarisch lässt der Film sogar ein untotes Baby den Anfangspunkt setzen, was abermals Gelegenheit für zahlreiche komödiantische Situationen ergibt. So reihen sich urkomische Slapstickmomente an geschickt platzierte Running-Gags, wenn Lionel den Zombienachwuchs auf den Spielplatz ausführt oder das später verselbstständigte Baby im Alleingang nicht aufzuhalten scheint.

Jackson spart dabei nie mit dezenten Ansätzen, sondern verschreibt sich hemmungslos dem bad taste. In vielen Momenten erinnert die respektlose Übertreibung der Darstellung an den Humor der Monty Python-Truppe ("Monty Python And The Holy Grail"). Insbesondere die Friedhofssequenz, bei der ein Pfarrer mit exaltierten Kunf-Fu-Bewegungen einer Horde wilder Rocker "für den Herrn in den Arsch tritt", steht mit ihrer comicartigen Inszenierung abgerissener Arme und Beine in der Tradition des skurrilen Humors der Briten und scheut auch nicht vor einer gesunden Portion Blasphemie. Zusätzlich erhalten die kruden Goreeskapaden durch die pointierte Musik aus der Feder Peter Dasents eine ironische Note. Dass der Regisseur bei all dem scheinbaren Durcheinander an Turbulenz und Ideendrive dennoch nie seine liebevollen Figuren - darunter eine gesetzte Krankenschwester, ein erbsüchtiger Onkel (deren Weichteile als wiederkehrender Gag regelmäßig in Beschlag genommen werden), ein überforderter Bestatter, illustre Gesellschaftsdamen und andere schrullige Gestalten - aus den Augen verliert, distanziert Jackson von seinen Kollegen, die sich zumeist in eindimensionalem Nonsens verlieren.

November 13, 2006

News: Neue HOT FUZZ-Poster

"Hot Fuzz" dürfte wohl DER Kracher des nächsten Jahres werden! In den Hauptrollen: Simon Pegg, Nick Frost, Timothy Dalton, David Bradley, Bill Nighy und Billie Whitelaw (!). Die beiden Teaser gibt es hier, Videoblogs und Clips hier.

November 11, 2006

TV: Fernsehtipps 11.11. - 17.11.06

Samstag, 11.11.

23:10 Uhr – „Lizenz zum Töten“ (ARD)

Die zweite und leider schon letzte Mission Timothy Daltons, überraschend harter und großartig inszenierter Bond.

23:45 Uhr – „Alien“ (ZDF)

Unübertroffen klaustrophobischer Sci-Fi-Horror, bei dem einfach alles stimmt.

2:55 Uhr – „Freddy Vs. Jason“ (Pro7)

Das witzigste und härteste Aufeinandertreffen zweier Filmmonster, in der Nachtwiederholung wohl ungekürzt.

Sonntag, 12.11.

22:05 Uhr – „Das Ding aus einer anderen Welt“ (K1)

…aus einer Zeit, als Remakes noch ordentliche Neuinterpretationen waren. Leider heftig gekürzt und im falschen Bildformat, auch in der Wiederholung.

0:05 Uhr – „Rosemaries Baby“ (K1)

Selten kam der wahre Horror so perfide wie suggestiv daher, wie in Polanskis ultimativem Meisterwerk, das an Spannung nicht zu überbieten ist.

1:50 Uhr – „Passwort: Swordfish“ (RTL)

Schicker Wichtigtuer, der vor allem schön doof und deshalb so unterhaltsam ist.

Montag, 13.11.

22:15 Uhr – „Eyes Wide Shut“ (ZDF)

Nicht unumstrittenes Abschiedswerk Kubricks, das einzig und allein an seinen Hauptdarstellern krankt: Durch die Personifizierung von Cruise/Kidman mit ihren Figuren wirken deren Selbstfindungen bei der verkrampften Beziehung beider unglaubwürdig.

2:50 Uhr – „Turbo: Der Power Rangers Film“ (VOX)

Düster-brillantes Sci-Fi-Spektakel mit glaubwürdigen Helden und Angst einflößenden Kreaturen – Verkannter Genreklassiker.

Dienstag, 14.11.

20:15 Uhr – „Der Mann in der eisernen Maske“ (K1)

Es gab schon schlechtere Adaptionen des Stoffes. Aber auch schon wesentlich bessere.

23:00 Uhr – „Reine Nervensache“ (RBB)

Ich konnte damit nichts anfangen – ist zwar sympathisch, aber einfach nicht witzig.

Donnerstag, 16.11.

20:15 Uhr – “The Green Mile” (VOX)

Sehr eindringlich umgesetzte King-Adaption mit Kitsch und Pathos, aber auch viel Magie.

22.25 Uhr – „Heavenly Creatures“ (3SAT)

Peter Jacksons Genreausflug ist nicht weniger als ein erfrischend natürlicher, ungezwungener Bilderreigen, der vor Skurrilität nur so strotzt.

November 10, 2006

Kino: THE DEPARTED

Mittlerweile scheinen sie fester Bestandteil der Filmkultur: Offizielle Remakes. Schon immer gab es zwar einen bestimmten Teil an Neuverfilmungen, doch mit derart hoher Dichte, und alle Genres betreffend, verläuft diese Entwicklung erst seit einigen Jahren. Filmstoffe aus Fernost eignen sich besonders deshalb so gut, da die entsprechenden Originale in den USA kaum einer gesehen haben dürfte – Untertitel oder Synchronisationen sind dort zudem allgemein eher unerwünscht. Den brillanten Hongkong-Thriller „Infernal Affairs“ haben allerdings zumindest diejenigen gesehen, die für die amerikanische Umsetzung des Stoffes verantwortlich zeichnen, vorrangig Drehbuchautor William Monahan („Kingdom of Heaven“). Der Regisseur Martin Scorsese („Good Fellas“) empfahl sich mit Geschichten von Intrigen, Mafiastrukturen und Korruption – und nicht zuletzt wohl mit der glanzvollen Neuauflage des „Cape Fear“ – vorbildlich für diesen Job.

Nicht-Kenner: Dürfen einem streng durchkomponierten, erstklassig inszenierten Polizei-Krimi beiwohnen. Das Ensemble harmoniert beachtlich, Leonardo DiCaprio (zuletzt großartig in „The Aviator“) und Matt Damon („Syriana“) übernehmen die Rollen der ungleichen Gegenspieler, deren Schicksal aber letztlich viel identischer scheint, als ihnen selbst bewusst ist, und brillieren mit ausdrucksstarkem Spiel, konzentrierter Energie auf Bewegungen und Sprache. Sie verinnerlichen ihre Figuren, die des korrupten Polizisten, der mit der Mafia arbeitet, und die des Undercover-Agenten inmitten dieser, so spürbar ernst, dass es eine Freude sein müsste, ihnen dabei zuzusehen. Gestärkt werden deren Leistungen durch Mark Wahlberg („Four Brothers“) und Ray Winstone („The Proposition“), die jedoch ungleich angestrengter die Härte ihrer Figuren verdeutlichen wollen. Nur Jack Nicholson darf gewohnt frei drehen bei seiner Interpretation des Mafiachefs, einer Beinahe-Parodie Marlon Brandos.

Der sichere Stil, mit dem „Infernal Affairs“ zu „The Departed“ umgestaltet wird, ist die wesentliche Stärke des Films. Der ruppige Schnitt lässt kaum Zeit zum Luft holen, die Kamera bewegt sich unaufhaltsam, Ausstattung und Kostüme sind trist und eintönig, gleichen sich unauffällig den braunen und grauen Gebäuden des verlegten Spielorts Boston an. Um den Kriminalthriller-Tenor stärker herauszuarbeiten, sind die Sets offenbar dahingehend ausgeleuchtet, alle Charaktere in zwielichtige Schatten zu hüllen – das hat zweifelsohne den Effekt eines modernen Noirs, wirkt unbemüht und suggestiv, und verdeutlicht vor allem die Ambivalenz dieser Figuren, ihre Undurchsichtigkeit, ihr unberechenbares Verhalten. Mit zahleichen symbolhaften Ambiguitäten erreicht Scorsese dabei auch das Unterbewusstsein seiner Zuschauer: So durchbricht unter anderem die Farbe Rot immer wieder leise und unbemerkt das Geschehen, um sich am Ende in Form blutigster Shoot-Outs zu entladen, während der Tod durch das wiederkehrende, in unterschiedlicher Darstellung in die Szenerie integrierte X-Motiv (äquivalent zu „Scarface“) allgegenwärtig scheint.

Kenner: Haben ein unweigerliches Problem. Zwar braucht Scorsese merkwürdigerweise gleich zwei volle und eine halbe Stunde obendrein, um die ehemals 90minütige Geschichte nachzuerzählen, viel Neues kommt dabei allerdings nicht herum. Im Gegenteil: Der Film hält sich nahezu akribisch an die Vorlage und kopiert ganze Szenenabläufe daraus, um an anderen Stellen Dehnungen vorzunehmen, die nicht wirklich etwas Sinnvolles zu bezwecken haben. Das alles kommt einem also mächtig bekannt vor, mehr sogar als man sich wünschte. Denn der vorbelastete Zuschauer, Gourmet oder Connaisseur, der dürfte sich bei „The Departed“ trotz jeglicher technischer Brillanz ganz vorzüglich langweilen respektive ärgern: Hier wurde sich nicht einmal die Mühe gemacht, die pessimistisch-philosophische Essenz des Originals neu zuinterpretieren, sondern stilistisches Austoben über die Notwendigkeit eigener Ansätze gestellt.

Prinzipiell schneidet Scorseses Neudichtung in nahezu allen Punkten schwächer ab. Zwar geht Michael Ballhaus eigene Wege und setzt die Schauspieler wie erwähnt in künstlich beleuchtete Gegensätze, doch die visuelle Schönheit, mit der Christopher Doyle die „Infernal Affairs“ einfing, erreicht er bei weitem nicht. Weder gelingt ihm die Zeichnung des Umfeldes, der Stadt mit ihren Straßen und Schluchten, noch der betreffenden Milieus in der Form, wie Doyle sein Metropolenbild in Beziehung zu den Figuren setzte. Wenn Martin Sheen („Catch Me If You Can“) und DiCaprio auf den Dächern Bostons einen Zufluchtsort suchen, dann hat das nichts von den erdrückenden Ruhemomenten des Originals: Als sich dort Polizeichef und Undercover-Cop über Hongkong zusammenfanden, war das nichts weiter als der bittere Ausdruck einer unmöglichen Freiheit, eine tragische Dimension, die die Erkenntnis brachte, dass es kein Zurück in das Leben mit der eigenen Identität geben kann.

Genau da setzten die Regisseure Andrew Lau und Alan Mak in ihrem Film an. Die Frage, wie viel verdecktes Leben das subjektive Ich aushält, wann sich die Grenzen zwischen Wahrheit und Lüge aufzulösen drohen, die stellt Scorsese nicht einmal, sondern übernimmt grundlos deren Antwort: Es führt zum Tod. Seinen Antihelden fehlt jedoch die selbstreflexive Tiefe, um das spürbar umzusetzen. Das Aufeinandertreffen der Gegenspieler war in der Vorlage nur ein Gänsehautmoment von vielen, die Spannung zwischen ihnen, die Enttäuschung der einstigen Freunde, der Selbsthass, all das kann im Remake nicht wiederholt werden, ohne jede Magie verkommt der Showdown in „The Departed“ zur ultrabrutalen Nummernrevue, ganz ohne emotionale Teilhabe. Tatsächlich ignoriert das Drehbuch ausgerechnet die gemeinsame Vergangenheit der beiden und verspielt vorschnell die Chance, die Gemeinsamkeiten dieser Männer „unter Feinden“ – so der treffende deutsche Untertitel – herauszuarbeiten.

Den größten Fehler aber begeht Monahan mit der Entscheidung, die beiden Frauenfiguren der Vorlage – die Psychologin, die der ruhelose Maulwurf Yan (Tony Leung) aufsucht, und die Buchautorin, mit der der Mafiaspitzel Ming (Andy Lau) liiert ist – zusammenzufassen. Das Remake sieht ausschließlich die Rolle der Therapeutin Madolyn (Vera Farmiga, „Running Scared“) vor, die natürlich sowohl mit DiCaprio, als auch Damon eine sexuelle Beziehung eingeht. Daraus entwickelt sich aber weniger das forcierte Spannungsverhältnis zwischen Jäger und Gejagtem, sondern vielmehr das unsinnige Zugeständnis an etwas Leinwanderotik: Auf die Dreierkonstellation und die damit einhergehenden Konfliktsituationen wird in der Tat gar nicht eingegangen. Und damit opfert der Film jene Ruhepausen, die in „Infernal Affairs“ das Innenleben der Charaktere offen legten. Dort besuchte Leung die junge Ärztin nur dann, wenn er ein wenig Schlaf suchte – die vertraute Psychologin kümmerte sich freundschaftlich um ihn – während Lau immer wieder mit der Frage seiner Verlobten konfrontiert wird, ob ihr Romanheld am Ende ein guter oder böse Mensch sei. Auf individuelle Weise zwingt ihr Umfeld beide, sich den unterdrückten Gefühlen zu stellen. All das wird man in Scorseses Version leider vergeblich suchen.

45%

Review erschienen bei: Wicked-Vision.de

November 09, 2006

Retro: SUSPIRIA (1976)

Regisseur Dario Argento entfernt sich mit "Suspiria" vom Giallo und entwickelt einen unverkennbar phantastischen Rahmen für die Geschichte einer jungen Amerikanerin, die an einer Freiburger Tanzschule ihre Ausbildung absolvieren soll. Rätselhafte Todesfälle und das auffällige Verhalten der Dienstleistenden bringen sie alsbald hinter das merkwürdige Treiben der vermeintlichen Akademie. Diese Handlung wird mit Mitteln umgesetzt, die eher in der Tradition von Geister- und Gotikhaushorror, denn der Kriminalerzählung eines Mario Bavas stehen.

Etwas so derart Bizarres, konsequent Fantasievolles hatte das Genre bis dato nicht kennen wollen, "Suspiria" ist ein Film ganz ohne seinesgleichen, bricht konsequent mit den Erwartungen des Publikums. Unmittelbar und ohne erkennbare Struktur findet es sich in einem stilisierten Alptraum wider, aus dem kein Erwachen möglich scheint. Suzy Benyon (Jessica Harper, "Phantom of the Paradise") ist darin Marionette und Führungsfigur zugleich, sie scheint den okkulten Kräften ihres Umfeldes ausgeliefert und bildet dennoch den für den Zuschauer einzig greifbaren Charakter, der die Handlung bestimmt.

Die junge Frau erscheint wie eine moderne Alice im Wunderland, bei der eine unheilvolle Begegnung auf die nächste folgt, doch Argentos Zauber und Magie manifestieren sich nicht in bunt-fröhlichen und lebendig wirkenden, sondern surrealistisch-bedrohlichen Bildern aus Gewalt und Terror: Messer, die tief in das Fleisch der Opfer eindringen (eine der wenigen Verbindungen zum vorherigen Sujet des Regisseurs), Hunde, die ihre Besitzer zerfleischen, Angriffe durch Fledermäuse und Insekten. Das Wunderland kehrt sich zu einem labyrinthischen Schreckenshort um, aus dem es nur dann ein Entrinnen geben kann, wenn das Grauen erkannt und besiegt wird.

Dieses Grauen bleibt lange gesichtslos. Es ist omnipräsent in den langen Gängen und Sälen, wenn Türen knarren, Fenster sich öffnen, der Wind zischt. Wie in einem expressionistischen Gemälde, das sich verselbstständigt hat, scheint diese Welt des Verschrobenen – die der Film nur in wenigen kurzen Szenen verlassen wird – ein Eigenleben zu führen. Erinnerungen an Roman Polanskis "Rosemary’s Baby" rufen sowohl Teile der Musikuntermalung, als auch atmosphärische Gestaltungsmittel hervor.

Unterstrichen wird die suggestive Rauschwirkung des Films durch ausgeklügelte technische Mittel, die in ihrem stellenweise aufdringlichen Erscheinen den Zuschauer regel- recht penetrieren. Dazu trägt neben den psychedelischen, schrillen Klängen der Band Goblin, die unter Fans vor allem auch für ihre Musik zu George A. Romeros "Dawn of the Dead" verehrt wird, in erster Linie die brillante Farbdramaturgie des Kameramannes Luciano Tovoli bei. Wie dieser es versteht, die von Argento gewünschte Trennung der Farben Blau, Gelb und Rot (Weiß kennzeichnet darüber hinaus zusätzlich die Unbeflecktheit der Heldin) als Ausdruck bedrohlicher Signale umzusetzen, und diese in einen Zusammenhang mit Verweisen und situativen Widererkennungseffekten zu bringen, das ist ebenso verstörend wie faszinierend und eines der Markenzeichen von "Suspiria".

Es ließe sich deshalb kaum leugnen, dass Argento sich völlig seiner formalen Energie für die visuelle Ausgestaltung des unbekannten Schreckens widmet, und seine prinzipiell banale Handlung – wie auch die nur grob angerissenen Figuren – dieser unterordnet. Das ist aber weniger ein Hinweis auf die Oberflächlichkeit des Erzählers, als eine Bestätigung seiner handwerklichen Qualitäten. Tatsächlich wird das Geschehen ausschließlich über die filmischen Mittel vorangetrieben, das Märchenhafte, Sinnliche dieser Farben, das Berechnende in der Ausstattung bilden die dramaturgische Dichte des Films – Argentos ungewöhnlicher, aber durchaus legitimer Stil. Dass die somit evozierte Künstlichkeit die Distanz des Zuschauers vergrößere – und damit zugleich die Spannung verdränge – mag ein bedauerlicher Nebeneffekt sein, dessen Bedeutung und Relevanz jedoch ganz und gar dem Rezipienten überlassen sei.


80%