November 04, 2010

Kino: DUE DATE

Der Komödie im amerikanischen Mainstream-Kino geht es schlecht. Sie boomt seit Jahren, sie ist rentabel, sie hat den Dreh raus. Und produziert fleißig einen Rohrkrepierer nach dem anderen. Trotz hartnäckiger Versuche, in den Filmen so unterschiedlicher Regisseure wie Judd Apatow, Adam McKay oder Billy-Wilder-Fan Jason Reitman neue Hoffnungsschimmer für das Genre zu installieren, krankt die überwiegende Mehrheit der US-Comedies am strukturell gleichen Problem: Schlechtigkeit, Tendenz steigend. Der potentielle Publikumsliebling "Due Date", ins Deutsche aus unerfindlichen Gründen zu "Stichtag" übersetzt, ermöglicht eine Annäherung: 15 Fragen zum momentanen Zustand der US-Komödie, die dieser Film indirekt beantwortet.


1. Was ist "Stichtag"?

"Stichtag" ist der neue Film der "Hangover"-Produzenten und des "Hangover"-Regisseurs Todd Phillips mit dem "Hangover"- Star Zach Gali…fianakis nach dem "Hangover"-Erfolgsrezept: Männer on the Road, Frauen in the kitchen.

2. Was ist "Hangover"?

"Hangover" ist die erfolgreichste Komödie des vergangenen Jahres. Sie spielte weltweit rund 470 Millionen US-Dollar ein und wird in Kürze fortgesetzt. Im Wesentlichen geht es in dem Film um die Folgen eines haarsträubenden Junggesellenabschieds. Die Geschichte mit den vier Männern, dem Baby, den Tigern, Tucken und Titten wurde zum Publikums- und Kritikerliebling.

3. Wer ist Todd Phillips?

Todd Phillips ist ein Regisseur, Produzent und Drehbuchautor, der seine Karriere mit zotigen Komödien wie "Road Trip" und "Old School" zum Laufen brachte. Seine früheren Filme trugen Züge der rabiaten Humorästhetik der Farrelly-Brüder, mit "Hangover" und nun "Stichtag" scheint seine mildere Midlife-Phase begonnen zu haben.

4. Wer ist Zach Gali…fianakis?

Zach Galifianakis ist ein Stand-Up-Komiker mit relativ unaussprechlichem Nachnamen. Er hat ein paar unbedeutende Nebenrollen in Film und Fernsehen gespielt, bis er mit der tatsächlich recht komischen Fake-Interview-Serie "Between Two Ferns with Zach Galifianakis" und schließlich "Hangover" größere Bekanntschaft und Beliebtheit erlangte. Jetzt, da er ein Shooting-Star zu sein scheint, taucht er in jeder dritten Kinokomödie auf, zuletzt in "Dinner für Spinner".

5. Wer spielt in "Stichtag" außerdem mit?

In "Stichtag" spielen außerdem Robert Downey Jr., Michelle Monaghan, Juliette Lewis und Jamie Foxx mit.

6. Juliette Lewis?

Ja. Sie spielt eine Minirolle als kiffende Mutter namens Heidi (…). Nach ihrer Erfolgslaufbahn in den 90er Jahren (mit Oscar-Nominierung) und Beitritt zu Scientology (mit Weirdo-Faktor) arbeitet sie nun zum dritten Mal mit Regisseur Todd Phillips zusammen. Sonst spielt und singt sie in einer Punkband mit treuer Fangemeinde.

7. Worum geht es in "Stichtag"?

In "Stichtag" geht es um den schnöseligen Kontrollfreak Peter Highman (Downey Jr.), der dringend den Flieger nach Hause zu seiner Frau (Monaghan) bekommen muss, um nicht die Geburt seines Kindes zu verpassen. Am Flughafen macht er Bekanntschaft mit dem Nachwuchsschauspieler Ethan Tremblay (Galifianakis), der ihm fortan nur Pech bescheren wird. Schließlich müssen die beiden aufgrund verschiedener Umstände mit dem Auto quer durch die USA reisen, um rechtzeitig bei Peters Frau zu sein, und erleben dabei einige verrückte Abenteuer.

8. Und worum geht’s eigentlich?

Eigentlich geht’s um die mittleren Jahre ergrauter Männer, Selbstfindung, Freundschaft und Frauen, die zuhause auf der Couch sitzen und ihre Männer vermissen. Also in etwa um das gleiche wie in "Hangover".

9. Was soll daran lustig sein?

Lustig sein sollen die Erlebnisse des ungleichen Paars, zum Beispiel ein ungewollter Autocrash oder eine Verhaftung durch die mexikanische Grenzpolizei. Einmal verkloppt Peter den kleinen Sohn von Heidi, was ebenfalls lustig gemeint sein könnte. Die größten Lacher dürfte eine Szene kassieren wollen, in der Zach Galifianakis sich im Auto parallel zu seinem Hund selbst befriedigt.

10. Ist das denn lustig?

Nein, das ist nicht lustig. Das ist nur der typische Klemmi-Humor typischer US-Komödien von heute, in denen konservierte Geschlechterbilder mit vordergründigen Sexwitzchen kaschiert werden sollen. Andere Comedy-Regisseure mit ebenso ausgeprägtem Mutter- oder Analkomplex, wie Kevin Smith etwa, versuchen ihr reaktionäres Verständnis von Humor wiederum mit endlosen Nerd-Dialogen zu kompensieren.

11. Woran macht sich diese Haltung fest?

Diese Haltung durchzieht sämtliche US-Komödien des Mainstreams und Indie-Mainstreams. "Hangover" und "Stichtag" verstehen eine gute Frau als Kinder gebärende Hausfrau und Mutter, eine schlechte als Wesen mit eigenständiger Sexualität oder Promiskuität, also Nutte bzw. Schlampe.

12. Beispielsweise?

In "Stichtag" werden mindestens eine Handvoll Gags aus dem Umstand generiert, dass Robert Downey Jr. seine Frau verdächtigt, ihn mit seinem besten Freund (Foxx) betrogen zu haben. Höhepunkt dieser zur totalen Dystopie aufgeblasenen Vorstellung ist ein finaler Witz des Films, bei dem Peter im Kreissaal zunächst ein schwarzes Baby erblickt. Die neue Prüderie der US-Comedies hinter einer lediglich behauptet anrüchigen Gesinnung erreicht also allmählich ihren traurigen Tiefpunkt.

13. Ist der Film denn wenigstens okay gemacht?

Der Film ist nicht okay gemacht. Er ist, einmal jegliche Ideologie außer Acht gelassen, ein Film ohne Handwerk. "Stichtag" folgt der inoffiziellen Agenda heutiger US-Komödien: Hauptsache Star-Komiker, der Rest ergibt sich von allein. Drehbücher im Sinne zu ende erdachter Geschichten mit gezielten Pointen oder klugen Wendungen spielen keine Rolle, so lange man irgendeine Fernsehnase hat (zumeist aus Saturday Night Live), der man Gags vorsetzt oder sie einfach vor der Kamera improvisieren lässt. Zach Galifianakis ist so ein Fall. Hat man ihn, hat man den Film – so ungefähr lautet das Konzept. Ob er sich dabei mit seinem Schnarchhumor letztlich nur als komatöse Version von Jack Black erweist, scheint egal zu sein.

14. Könnte ein guter Regisseur da überhaupt etwas retten?

Vermutlich ja. Leider ist Todd Phillips kein solcher. Sein Gespür für Tempo gleicht dem einer Schildkröte, sein Timing hat was von einem epileptischen Anfall in Zeitlupe. "Schluss mit gemütlich" steht auf dem deutschen Poster zu "Stichtag", was eine glatte Lüge ist. Der Film ist so gemütlich wie ein Sesselfurzer – und so witzig. Am deutlichsten entlarvt sich Phillips’ Nichtskönnerei, wenn er auf besonders verzweifelte Regieeinfälle zurückgreift: So schneidet er nach einem Gag immer mal wieder auf die Reaktion des Hundes, damit auch jeder kapiert, dass etwas Lustiges vor sich geht.

15. Und sonst so?

Sonst so ist "Stichtag" einfach kein guter Film, geschweige eine gute Komödie. Er ist sicher besser als "Hot Tub Time Machine", aber auch deutlich schlechter als "Hangover". Was gewiss kein Qualitätskriterium ist. Gegen die müden mainstreamigen US-Komödien der letzten Jahre mit ihrer Klemmi-Moral, ewigen Selbstfindungssoße und Proll-Attitüde muss endlich mal ein Kraut wachsen, sonst wird das nichts mehr mit der Ehrenrettung des Genres.


15% - erschienen bei: gamona