September 27, 2007

Kino: PLANET TERROR

Eine Knochensäge nähert sich unaufhörlich dem Gesicht des mad scientist, immer weiter zoomt die Kamera an den vor Schreck erstarrten Doktor, während der infizierte Halbtote auf ihn zuschreitet. Dann plötzlich … reicht das Stromkabel nicht aus, der Stecker wird gezogen und das Publikum lacht. Natürlich! Denn hier wurde soeben augenscheinlich ein Genreklischee bedient, so bewusst und offensichtlich, dass ein jeder hinter der steifen Darstellung mitsamt schriller Musik und sabbernden B-Filmeffekten den gewollten Spaß ausmachen kann. Das ist sozusagen das Prinzip jenes postmodernen Kinos, in dem sich Quentin Tarantino und Robert Rodriguez so ungeniert austoben dürfen. Selbst die geschmacklosesten Witze und unappetitlichsten Einfälle erhalten hier unabhängig ihrer Originalität Applaus, weil es in ihnen immer ein Element gibt, das den Zuschauer in seinem Wissen und seiner Vorkenntnis bestätigt. Ob man nun "The Incredible Melting Man" und "Return of the Living Dead" gesehen hat oder nicht, ob jemand weiß, wer Tom Savini und Michael Biehn sind und welch ironischen Kniefall ihre Besetzung zum Ausdruck bringen soll oder auch nicht – der Witz dieser Szene wird mindestens durch die schlicht-schlechte Offensichtlichkeit evoziert und gesichert.

Was Rodriguez hier mehr noch als in all seinen anderen Filmen macht, ist ein sich selbst ausstellendes Plündern sattsam bekannter Genreklischees und beliebig platzierter Zitate. "Planet Terror" ist enorm durchlässig in seiner popkulturellen Ereigniskette, die keinen roten Faden, keinen eigenen Stil und keine Individualität und Subjektivität aufweist. Der Film – als Bestandteil eines Experiments, irgendwas mit Grindhouse-Kino und Double Feature – bringt noch direkter auf den Punkt, was die Arbeit dieses autodidaktischen Regisseurs ausmacht, nämlich die ähigkeit, das völlig Zusammenhangslose in sich selbst zu kontextualisieren. Selten jedoch war darin eine so derartige Belang- und Ziellosigkeit zu verorten wie im Falle von "Planet Terror", der wie eine schrecklich anbiedernde Mischung aus gewolltem Trashkino, das zwar teuer und hochwertig produziert wurde, aber bewusst dümmlich erscheinen soll, und selbstgefälliger Genügsamkeit daherkommt. Und selten zuvor erschien diese Art des Filmemachens so kindisch und banal.

Der Film verlässt sich ausschließlich darauf, dass sein Publikum die Offensichtlichkeit der Bezüge zu allgemeinen und spezifischen Genre-Klischees und –Referenzen erkennt und daraus ein unterhaltsames Vergnügen ableitet. Für Spaß und Verständnis eines "Planet Terror" muss man lediglich mit dem Fernsehen groß geworden sein, filmische Komplexität würde diese Wirkung behindern, darum verharrt der Film in einer formalen wie inhaltlichen Einfältigkeit. Jedes Element läuft sich selbst über den Weg, immer ist die offensichtliche Übertreibung der Darstellung oberstes Prinzip. Das funktioniert als uneigenständiges Kino der Oberflächenreize bis zu einem gewissen Punkt, so lange zumindest die Freude am Belanglosen, der Spaß an der vorgetäuschten Originalität bei Filmen wie "Pulp Fiction" oder "The Faculty" überwiegt. Nun jedoch ist dieses Prinzip allmählich an seinem Ende angekommen, Rodriguez’ "Planet Terror" ist nur eine missglückte, zerteilte Reprise des "From Dusk Till Dawn"-Konzepts. Das Wiederholte wiederholt sich, das auf sich selbst Aufmerksammachende macht auf sich selbst aufmerksam.

Ironischerweise bezeichnet eines der Hauptprobleme von "Planet Terror" die bemühte und zum Teil auch gelungene Beziehung zu den Vorbildern. Krankte "Death Proof" vielleicht an seiner Inkonsequenz beim Versuch, ein längst ausgestorbenes Kino zu imitieren, indem er mit künstlichen Bildfehlern die peppigen Dialoge, originellen Kameraeinstellungen und raffinierten Plotholes zu verdecken und damit einen grundlegenden Bezug zur Grindhouse-Ära herzustellen versuchte – er also eigentlich viel zu gut war, um schlecht sein zu können –, so präsentiert sich "Planet Terror" nicht weniger kokett in schmuddeliger Filmrissoptik. Er weist jedoch keinerlei Stärken auf, die sein Konzept zu verraten drohen. Das ist streng genommen ein anderer und womöglich besserer Ansatz als beim Zwillingsfilm, nur offenbart sich somit die ganz simple Erkenntnis, dass ein gelungen auf schlecht getrimmter Film deshalb noch lange kein guter Film sein muss. Zumal ja doch manche der alten Grindhouse-Produktionen durch ihren unfreiwilligen Witz, ihre exploitative Naivität und rudimentäre Inszenierung amüsieren.

"Planet Terror"
ist darum bemüht, mithilfe bewusster Mittel einen freiwillig unfreiwilligen Humor zu erzeugen, der sich naturgemäß völlig von den ausgewiesenen Vorbildern unterscheidet. Es ist unterhaltsam und komisch, wenn ein schmuddeliger Horrorfilm einer bestimmten Handlung entspricht, die eine andere Wirkung erzeugt, als sie womöglich intendierte. Rodriguez hingegen positioniert seine profanen und mitunter sicherlich liebenswürdigen Ecken und Kanten als bewusste Augenzwinkereffekte, die meist aufgrund ihres Wandels zu Klischees und vor allem ihrer Deutlichkeit nur eine Wirkung, nämlich die des Amüsements, verfolgen. Darüber geht ihm indes jegliche Subtilität verloren, die Filmverweise sind platt und leicht erkenntlich, damit auch jeder Zuschauer einen bequemen Platz zugewiesen bekommt. Das ist wohl ohnehin der Punkt: Die Postmodernität dieser Filme ist einfach nur reine Bequemlichkeit. Und sie unterfordert ihr Publikum mehr und mehr.