August 31, 2007

Kino: DEATH SENTENCE

Da kommt man sich ja fast schon wie ein Spielverderber vor, kritisiert man das Produkt seiner moralischen Bedenklichkeiten wegen, wenn es sich sogar über genau jene definiert: "Death Sentence" weist sich in jedem Detail als Selbstjustiz-Thriller aus, ganz retrospektiv mit Charles Bronson-Pose und glasklarem Bewusstsein. Ihm steht die Kampfansage auf der Stirn geschrieben, diskutabel soll es hier zugehen, da ist die Provokation reines Kalkül und bittere Koketterie zugleich – ganz clever denkt sich James Wan, verantwortlich auch für die melkfreudige "Saw"-Kuh, der dem Film abseits reaktionärer Rückbesinnung auf "Death Wish" und Co. eine zersetzende Note zu geben versucht. Dies soll bestimmt kein simpler Revenge-Reißer sein, sondern vielmehr eine Auseinandersetzung mit Schuld und Sühne in tristen Fabrikhallen und verwahrlosten Lagerhäusern, im Schöner Wohnen-Ambiente und zuletzt gar auf dem Boden einer alten brachen Kapelle. Sieht hier auch gleich viel schöner aus, das Gemansche.

Aber diese Rechnung geht nicht auf. Nick Hume (Kevin Bacon) bleibt stets der Mann, der rot sieht, ob er seine Mittel zeitweilig zu bereuen droht oder nicht, und er scheint mindestens so wenig ambivalent wie seine rustikalen Gegenspieler, die irgendeiner zwischen Oi- und Bikerästhetik schwankenden Gang angehören. "Death Sentence" kann seine Wurzeln nie leugnen, die liegen in der Literatur bei Brian Garfield, im Kino bei Don Siegel und Michael Winner. Er ist genauso urgeschichtlich und gestrig wie er es wohl nicht sein wollte, genauso fragwürdig, rechtslastig und falsch. Er setzt Mutter Justizia mit größter Freude außer Kraft, um allerlei wuchtige Action inszenieren zu können: Immer haben die Gewaltmomente in diesem Film eine choreographierte Schlagkraft, die sie deutlich als Bestandteil eines fiktiven Kinos erkennen lassen und dementsprechend einladen zu lebendigen Zuschauerreaktionen.

Anders als seine direkten Genrevorfahren rechtfertigt "Death Sentence" die banale Geschichte nicht lediglich mit dem einfachen Appell ans Publikum, sich in selbige Lage – ein unschuldiger Mann und Familienvater verliert seinen noch unschuldigeren Sohn bei einem sinnlosen Bandenritual – versetzen und mitfiebern zu müssen. Dass Hume hier eigenmächtig das Gesetz in die Hand nimmt und dennoch stets die zentrale Identifikationsfigur bleibt, wird nicht ausschließlich dadurch ermöglicht, weil eine externe Gefahr – unzivilisierte Junkies, der offensichtliche ‚Bodensatz der Gesellschaft’ eben – ihn und seine Familie bedroht. Vielmehr neigt Wan zu einer Darstellung des Helden, die ihn als gezeichneten, verzweifelten und letztlich vor allem hilflosen Rächer markiert. Hume weint viel, stellt seine Taten in Frage, möchte eigentlich ja nie hineingezogen werden in diesen ausweglosen Strudel aus Gewalt. Darum nimmt das Publikum ihm das blutrünstige Treiben auch sicherlich gleich weniger übel, immerhin wird er zur Selbstjustiz gezwungen. Trotz moralischer Bedenken.

Das ist sie, die perfide Andersartigkeit des Films, die sich mehr und mehr zur Hintertür hereinschleicht. Hume plant zwar den Mord am Übeltäter, zur Ausführung aber kommt es schließlich nur durch einen angeblichen Zufall. Und er möchte seinen Rachefeldzug zwar beenden, noch ehe er angefangen hat, doch die Gegner lassen ihm keine Chance, sie treiben ihn weiter und weiter bis ans Äußerste, ja gar an jenen Punkt, an dem Hume sich kahl rasiert und allerlei Waffengeschütz auffährt, um das Übel zu bekämpfen. Der Film demontiert seine Scheinaussage – Selbstjustiz sei kein Mittel zur Lösung – spätestens im großen Finale, wenn er sich fast unerträglich an seinen Großaufnahmen zerfetzter Leiber und den dazugehörigen Steadycam-Shots ergötzt. Es entbehrt jeglicher Erklärung, dass Hume letztlich doch nur der nachvollziehbare tragische Rächer ist, der sich und seine Familie vor den entfesselten Mächten der Gesellschaft beschützen wollte, gleich wenn er vom Anfangsmord abgesehen jegliches Unheil allein heraufbeschworen hat. Wenn Opfer und Täter in ihren festen Rollen blutend nebeneinander sitzen und sanfte Mollakkorde anklingen, verfängt sich der Film sogar in eine Art Gewaltpoesie.

Und so bedient "Death Sentence" unterm Strich doch all die banalen Instinkte, die er eigentlich zu hinterfragen vorgibt. Er verlässt sich auf die Bereitschaft seines Publikums, selbst die sinnloseste Gewalt noch damit zu legitimieren, den Wert von Familie und Ordnung aufrechtzuerhalten. Schlimmer noch: Wo sich subversive Ansätze angeboten hätten – Humes Sohn fühlt sich zweitrangig und weniger geliebt als sein verstorbener Bruder, was ein mögliches Indiz für den bereits reichlich schief hängenden Haussegen der Familie gewesen wäre –, wird gar noch tiefer in die ideologische Bresche geschlagen: Gerade weil er zum Mittel der Selbstjustiz greift, erkennt Hume die wahre Liebe zu seinem Sprössling, was er in einem großartig peinlichen Monolog am Krankenbett zum Ausdruck bringt. Auch die zeitweilig bemühte Gegenüber- stellung beider Familienstrukturen, sowohl die der Humes als auch der Gangster, bleibt einseitig und mündet doch nur in der infantilen Erkenntnis, dass die bürgerlichen Anzugträger Gewalt nicht als Lösung begreifen, sondern das Leben durch Zusammenhalt und Bibeltreue meistern. Natürlich erscheint jede Moralpredigt mit der populistischen Frage nach dem "Was würdest du tun?" erst einmal vergeblich: Doch für die Opfer liegt genau darin, im Umgang mit den inneren Rachedämonen, die Herausforderung. Und Herausforderungen sind etwas, an dem zumindest James Wan nicht interessiert scheint.

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