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März 26, 2019

Kino: DUMBO (2019)

Das erste Drittel ist wunderschön, der Anfang ganz besonders. Für die aus Kino solcher Größenordnung nun endgültig verbannte Titelsequenz springt, wie im 1941 veröffentlichten Original, ein fahrender Zug ein, auf den Bilder von Handlung und Figuren projiziert werden, derweil Danny Elfman den anrollenden Karneval mit einer Ausgelassenheit begleitet, die Tim Burtons nicht gerade felliniesken Filmen jüngeren Datums fehlt. Und wenn der versehrte Kriegsheimkehrer Colin Farrell dem Zug zur großen Verunsicherung seiner am Bahnhof wartenden Kinder einarmig entsteigt, ist das einer der seltsam berührenden, von noch unbekannten Figuren ausgehenden Momente, wie sie Burton früher mühelos gelangen. In Edward Scissorhands hatte uns Avonberaterin Peg schon auf ihrer Seite, bevor sie das im Autorückspiegel erblickte Schloss mit dem schüchternen Bewohner zu inspizieren gedenkt. Vielleicht brennt man für Burton-Helden sofort oder eben nie. 

Einem schnell Feuer fangenden Publikum macht es seine Dumbo-Neuauflage somit leicht. Die Wiedervereinigung von Michael Keaton und Danny DeVito ist reine Bestechung, genauso wie Alan Arkins Besetzung (in Edward Scissorhands spielte er den treudoofen, geistig und räumlich immer leicht abwesenden Mittelklassevater), und bestechliche Fans der neuen Burton-Muse Eva Green gibt es wahrscheinlich ebenfalls reichlich (ich bin mir noch unsicher, ob aus der Zusammenarbeit eine Seelenverwandtschaft oder Altmännerromantik spricht). Die Figuren, vor allem DeVito als Anführer der liebenswerten Überlebenskünstler im Zirkus, bereiten großes Vergnügen, von der Meerjungfrau bis zum riesigen Gewichtheber lassen sie erahnen, dass Burton ein Herz fürs rastlose Milieu hat, wenn auch nicht unbedingt für den Zirkus an sich, sondern eine mit ihm verknüpfte Idee von Zweckgemeinschaft, die Ausgestoßenen eine Ersatzfamilie ermöglicht. 

Gestört, nämlich ins erzählerische Gleichgewicht gebracht, wird das Burton-Revival dann von seiner Titelfigur. Mit Dumbo bzw. der Dumbowerdung des fliegenden Elefanten kommen Plot und Dringlichkeit, akzelerierte Handlung und ausagierte Emotionen, An- wie Aussprachen und die alles überzuckernde Disney-Sahne in den Film. Ab der zweiten, neu gesponnenen Hälfte der Geschichte (die das lediglich 60 Minuten dauernde Original um einen Schauplatzwechsel und menschliche Antagonisten erweitert) scheint Burton dem Tempo machenden Script von Ehren Kruger hinterher zu inszenieren; sein eigentlich gut begründetes Desinteresse an Gradlinigkeit gibt er für die nicht sehr spannende Frage auf, ob Dumbo dem sinistren Besitzer eines Vergnügungsparks entkommen und seine ausrangierte Mutter finden wird (die in der Gruselattraktion des Parks haust, wo Burtons schauerromantische Prägung nur noch ein ästhetisch perpetuiertes Überbleibsel ist). 

Zum Disney-Konzern pflegte Burton bisher ein sympathisch ambivalentes Verhältnis. Jahrelang arbeitete er als Zeichner niedlicher Tiere in der Kunstschule CalArts, bevor das Studio die Kurzfilme Vincent und Frankenweenie produzieren und im Archiv verstauen ließ (der heute als Disney-Film beworbene Nightmare Before Christmas erschien 1993 über den Umweg von Tochtergesellschaft Touchstone). Für Alice im Wunderland, seiner Rückkehr ins Maushaus, stellte sich Burton 2010 wider besseres Wissen als Erfüllungsgehilfe zur Verfügung. Der Erfolg des Films zementierte einen wesentlichen Geschäftszweig der aktuellen Disney-Firmenpolitik, die das Studio durch Verengung seines allein mit Neuauflagen hauseigener Katalogtitel, Animationsfortsetzungen sowie Produkten der eingekauften Marken Star Wars und Marvel bestückten Programms zum einträglichsten Hollywoodunternehmen ohne ernstzunehmende Konkurrenz macht. 

Allenfalls oberflächlich hält Dumbo, der sich wie Alice im Wunderland als Realfilmversion eines Disney-Zeichentrickklassikers begreift, jener vorteilhaft-biographischen Lesart stand, die seine Erzählung vom kommerziell ausgebeuteten Elefanten mit Burtons eigenen Studioerfahrungen zusammenbringt. Tatsächlich reflektieren in der zweiten Hälfte des Films nicht die rigorose Vermarktung und der über Leichen gehende Erfolgsdruck eine dem Unternehmen ähnliche Kompromisslosigkeit, sondern verkörpert der Schlappohrenprotagonist selbst die zweifelsfrei affirmative Idee vom Disney-Branding. Als vermeintlicher Sonderling, der einen Nach- zum Vorteil wendet, bewegt sich Dumbo nur so lange auf Burton-Linie, wie er im Disney-Sinne anpassungs- und also marktfähig bleibt. Beschwippst von Rosaelefanten träumen darf der kleine Held 2019 deshalb nicht mehr. Burton musste die tollste Sequenz des Originalfilms gegen schnell verpuffende Seifenblasen eintauschen.

August 26, 2018

Zum 60. Geburtstag von Tim Burton

Dass Tim Burton einen besonderen Stil nach Hollywood brachte, werden selbst Skeptiker anerkennen. Um lediglich prägnante Bilder ging es in seinem Kino allerdings nie. Zum 60. Geburtstag blicke ich auf einen sich schließenden Karrierekreis.

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Juli 16, 2017

Batmans Rückkehr, die beste aller Comicverfilmungen

Vor heute genau 25 Jahren kam mit "Batmans Rückkehr" der vielleicht eigenwilligste Superheldenfilm überhaupt in die deutschen Kinos. Von der Radikalität eines Tim Burton könnten gegenwärtige Comicadaptionen kaum weiter entfernt sein.

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April 23, 2015

Kino: BIG EYES

Amerikanische Vorstadtwelten sind den Alltagsmärchen ("Edward mit den Scherenhänden") und Monsterspektakeln ("Frankenweenie") von Regisseur Tim Burton für gewöhnlich ein willkommener Anlass, die katalogtaugliche Gemachtheit ihres vermeintlichen Idylls auf den Kopf zu stellen. "Big Eyes", Burtons neuer und entschieden nicht phantastischer, sondern nach "wahren Begebenheiten" erzählter Film, beginnt hingegen mit dem abrupten Bild einer Flucht aus suburbanen Lebensverhältnissen: Die Malerin Margaret Ulbrich (Amy Adams) schnappt sich Koffer und Tochter, um ihre kalifornische Reihenhaussiedlung zu verlassen, in Richtung des San Francisco der ausgehenden 1950er Jahre. Das sei ein gewagter Schritt, behauptet die geheimnisvolle Erzählerstimme ("back then, women didn't leave their husbands"), und tatsächlich findet Margaret nur geradeso Arbeit bei einem Fabrikanten, für den sie Kinderbetten mit niedlichen Mustern bepinselt. [...]

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Januar 28, 2015

Quo vadis, Johnny Depp?

Das Kinopublikum ist der skurrilen Rollen von Johnny Depp überdrüssig, obwohl es ihn mit ebensolchen zum bestbezahlten Schauspieler Hollywoods machte. Dieser Widerspruch aber passt gut zur Karriere eines Mannes, der nie Star sein wollte. 

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Oktober 26, 2014

Zum 25jährigen Jubiläum von Tim Burtons Batman

Kaum ein Film wurde von so viel Presserummel begleitet wie einst Tim Burtons Kinoadaption des einsamen Rächers Batman. Zum 25jährigen Jubiläum erinnere ich mich der Kontroverse, aber auch ungebrochenen Stärken eines Comicspektakels mit Pioniergeist. 

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Juni 19, 2014

Zuletzt gesehen: HANSEL AND GRETEL (1982)

Obgleich unlängst auf einigen Filmseiten das Gegenteil behauptet steht, galt Tim Burtons Disney-TV-Special Hansel and Gretel nie als verschollen, sondern wurde lediglich vom Regisseur selbst unter Verschluss gehalten. Erst für dessen populäre Ausstellungen im MOMA bzw. der Cinémathèque Française gab er jenes kuriose Frühwerk frei, das nach seiner einzigen Ausstrahlung an Halloween 1983 ausschließlich in filmwissenschaftlichen Kontexten (und damit so gut wie gar nicht) verfügbar war. Eine kleine Sensation ist die nun in Umlauf gebrachte VHS-Aufnahme der selbstverständlich sehr sonderbaren Grimm-Adaption aber dennoch – und mich hat die Nachricht auch regelrecht vom Stuhl gehauen, so ich damals einzig für diese 35 Minuten gar einen Trip nach Paris in Erwägung zog (ja ja, ein wahrer Fan hätte das wohl getan, usw.usf.). Die Sichtung habe ich jetzt tatsächlich mehrere Tage lang vor mir her geschoben, einerseits aus Ehrfurcht, andererseits dem wohligen Gefühl, sich einen Burton-Film einfach auch aufheben zu können – wenn man ihn braucht, ist er nun da. Und geht nicht mehr weg.

Hansel and Gretel markiert in vielerlei Hinsicht einen Meilenstein in Tim Burtons Karriere. Es war seine bis dato längste Produktion ebenso wie der erste Film, für den der einstmalige Disney-Zeichner und Animationsregisseur mit Schauspielern arbeitete. Vielleicht im Wissen, mit ebendiesen ohnehin nicht konventionell umgehen zu können, zumindest aber dergestalt zu verfahren, wie es das Disney-Network wohl von ihm erwartet haben mag, entschied er sich für eine merklich bizarre Yarō-Kabuki-Interpretation des Märchens: Die bekannte Geschichte "nach verschiedenen Erzählungen aus Hessen" besetzte er ausschließlich mit japanischen Darstellern, von denen Michael Yama sowohl Hänsels und Gretels Stiefmutter als auch die böse Hexe (mit Zuckerstangen als Nase und Krückstock!) mimte. Es ist erstaunlich zu sehen, wie Burton schon anno dazumal queere Konzepte an manierliche Familienunterhaltung zu binden verstand, und auch Gepflogenheiten eines Konzerns (hier: Disney) zu unterwandern, ohne sie dabei zwangsläufig radikal zu destabilisieren – was ja eben bereits auf die viel zitierte "Subversion im Mainstream" verweist, die Burton später als eine Art auteuresken Schlüssel zum Erfolg nutzen wird.

Das TV-Special selbst verbleibt als ulkige Persiflage klassischer Kindergeschichten natürlich als das, was es ist: eine Fingerübung, eine Aneignung visueller Gestaltungswerkzeuge (Stop-Motion im Realfilm, On-Set-Tricks, Dekorverfremdung), eine erste Probe aufs Exempel, mit bereits allen ästhetischen Erkennungszeichen, von eigensinnigen Spiral- und Schachmustern bis zu langen Schatten, die hier von hageren Studiobäumen ohne Ast und Laub geworfen werden. Im orgiastischen Finale, das mit richtungslos umher geschmissenen Farbbeuteln, einer Kung-Fu-Einlage (die Hexe wirft essbare Ninja-Sterne und kämpft mit einem Nunchaku) sowie Unmengen an Glibberschleim herrlichsten Nonsens auffährt, scheint Tim Burton, der seinerzeit so unzufriedene Disney-Zeichner, erstmals ganz zu sich selbst zu finden. Und dass das nun endlich auch für jedermann einseh- und nachvollziehbar ist, stimmt mich höchst zufrieden.

(Randnotiz: Catherine Hardwicke, Regisseurin des ersten Twilight, kreierte für den Film einige Modelle und erhielt dafür die allererste Abspannnennung ihrer Karriere)

(Randnotiz 2: Vincent Price wird in der IMDb als Erzähler geführt, doch zumindest in der jetzt einzig verfügbaren Fassung fehlt diese Rahmung bedauerlicherweise vollständig)

April 08, 2013

Januar 21, 2013

Kino: FRANKENWEENIE

Horror in der Vorstadt: Tim Burton widmet sich mit "Frankenweenie" einmal mehr dem ganz persönlichen Suburbian Nightmare. Die Stop-Motion-Langfilmversion des gleichnamigen Kurzfilms von 1984 vereint die liebenswürdige Außenseiterromantik seiner Fantasy-Märchen mit der hemmungslosen Zerstörungswut eines Desaster-Movies. Es ist Burtons erster großer Monsterfilm und seine beste Regiearbeit seit Jahren. [...]

Mai 08, 2012

Kino: DARK SHADOWS

Blutsauger & andere Katastrophen: In der Gothic-Seifenoper "Dark Shadows" vermengten sich alltägliche Konflikte und Horrormythen zu einer melodramatisch überhöhten Spukhaus- farce. Mehr als 1200 Episoden lang fesselte die ABC-Serie Ende der 60er Jahre ein Millionenpublikum in den USA, hierzulande jedoch ist sie bis heute fast niemandem ein Begriff. Jetzt bringt Tim Burton die Geschichte des 200 Jahre alten Vampirs Barnabas Collins noch einmal auf die Leinwand. [...]

März 16, 2012

Dezember 01, 2010

Zuletzt gesehen: MAD MONSTER PARTY

Stop-Motion-Trickfilm als schauerromantisches Musical. In Deutschland bis heute komplett unbekannt, ist "Mad Monster Party" mit seinen knuddeligen Gruselpuppen, schrägen Dialogen und beschwingten 60’s-Sounds zumindest in den USA ein beliebter Animationsklassiker, dessen Einfluss besonders auf die Trickfilme Tim Burtons unverkennbar ist. Der Titel des kruden Vergnügens ist Programm: Frankenstein (gesprochen von Boris Karloff!) beordert Graf Dracula, den Wolfsmensch, die Mumie, den Unsichtbaren, Dr. Jekyll & Hyde und andere illustre Schauergestalten in sein Schloss, um dort seinen Neffen Felix als Erben auszurufen, was unter den anwesenden Monstern auf wenig Begeisterung stößt. "Mad Monster Party" steckt voller liebenswürdiger Details, verneigt sich vor Genregrößen wie Peter Lorre und gilt mit seiner aufwändigen Animation und insbesondere der Figuren- zeichnung völlig zu Recht als einer der Pioniere des Trickfilms. Das alles ist unaufgeregt, heute fast schon lethargisch und irgendwie ein wenig neben der Spur, aber dem Charme des Films kann man sich nur schwer entziehen.


70%

März 02, 2010

Kino: ALICE IN WONDERLAND

Tm Burton und Alice im Wunderland, das gehört eigentlich zusammen. Ein prädestinierter Stoff für den Regisseur, dessen Filme seit jeher auch als Beschwörungen klassischer Märchengeschichten funktionierten. Da scheint es nahe liegend, dass Burton eine neue Kinoversion des Lewis-Carroll-Klassikers inszeniert hat, begann er seine Kariere doch als Zeichner bei Disney, deren Alice-Trickfilm von 1951 noch immer als beliebteste Adaption der Vorlage gilt. Grund genug für das Erfolgsstudio, sich selbst zu übertreffen und den einstigen Schützling zurück ins Boot zu hieven. Burtons Interpretation kombiniert eindrucksvoll Real- und Animationsfilm als bildgewaltiges Kino: durchaus mit Verstand, aber ohne Herz.

Nachdem er bei Disney eigenen Angaben zufolge keine "niedlichen Füchse" mehr sehen und seine beiden Kurzfilme Vincent und Frankenweenie lange Zeit nicht veröffentlichen konnte, wandte sich Burton Mitte der 1980er Jahre vom Animationsmajor ab. Alice im Wunderland nun ist der erste große Spielfilm, den er direkt für Disney in Szene setzt. Man darf davon ausgehen, dass Burton hierbei künstlerische Freiheiten zugestanden wurden, gilt er doch trotz seiner zum Teil radikalen Mainstream-Brüche als einer der einträglichsten Filmemacher Hollywoods. Nach der leidvollen Batman-Erfahrung gelang es Burton zudem, seine Autorenhandschrift auch im Blockbuster-Sektor auszubauen und sich als einer der wenigen souveränen Hollywoodregisseure zu etablieren.

Umso unverständlicher erscheint es deshalb, dass sich seine Alice-Version überraschend stark am Disney-Film orientiert bzw. diesen zumindest oft herbei zitiert, und darüber hinaus eine überaus gradlinige, übersichtliche Geschichte erzählt. Burton, der oft für seine dramaturgische Nachlässigkeit kritisiert wurde (obgleich er an erzählerischer Stringenz auch nie interessiert war, wie er schließlich in seinem persönlichsten Film Big Fish deutlich machte), adaptiert ausgerechnet jenen Stoff, der sich als Freifahrtsschein für abtrünnige Fantasien und wirres Fabulieren anbietet, mit sicherer Hand zu einem straighten Märchen-Blockbuster ohne Umwege.

Das ist nicht zwangsläufig schlecht. Doch liegen die Stärken des Films ausschließlich im handwerklichen Umgang mit der Vorlage. Als eine Mischform aus Carrolls 1865 erschienenem Buch "Alice im Wunderland" und dessen Fortsetzung "Alice hinter den Spiegeln" findet Burton einen interessanten Erzählansatz: Er lässt die nunmehr erwachsene Alice (Mia Wasikowska) ins Wunderland zurückkehren, in dem sie all die bekannten Tiere und Märchengestalten bereits zu erwarten scheinen. Die junge Frau kann sich allerdings nicht erinnern, jemals dort gewesen zu sein - und weiß demnach herzlich wenig mit der Teeparty des schrillen Mad Hatters (Johnny Depp) oder den Machenschaften der Red Queen (Helena Bonham-Carter) anzufangen.

Indem der Film die Geschichte also streng genommen am deutlich bekannteren Original entlang, aber aus der Perspektive des Sequels heraus entwickelt, bedient er sich der Elemente beider Bücher. Tim Burton hat vieles aus dem Original gestrichen – das Croquet-Spiel, die Gerichtsverhandlung oder das Meer aus Tränen – und stattdessen Platz für Figuren und Erzählstränge der Fortsetzung geschaffen. Die große Schachpartie hat er ebenso integriert wie den Jabberwocky-Kampf oder die Zwillinge Tweedledee und Tweedledum. Burtons Alice im Wunderland ist demnach der Film zum gesamten Alice-Mythos Carrolls mit einem eigenständigen dramaturgischen Konzept.

So clever er dabei auch gestrickt ist und so sauber und zielorientiert er sich an dieser Idee abarbeitet – Raum für Abweichungen lässt die klare Erzählstruktur nicht zu. Das gesamte (insbesondere frühe) Burton-Œuvre ist bestimmt von der Verweigerung und dem Verzicht auf Konventionen, narrative Geschlossenheit oder konsequente Handlungsführung. Seine Filme, von Pee-wee’s irre Abenteuer bis Charlie und die Schokoladenfabrik, folgten stets einer eher intuitiven oder auch träumerischen Erzähllogik, ausgehend von einer emotionalen Nähe Burtons zu seinen schrägen oder missverstandenen Figuren.

Dass ausgerechnet Alice im Wunderland mit seinen absonderlichen Entwürfen und den schrillen Figuren Burton zu einer erstaunlich braven, berechenbaren Literaturadaption inspiriert, die sich ästhetisch zudem an die Disney-Version anlehnt, wirkt allzu verwunderlich. Es scheint, als wolle es Burton bei aller Sorgfalt, die beiden Bücher zum Leben zu erwecken, nie gelingen, sich zum emotionalen Kern der Geschichte vorzuarbeiten. Der Film trägt zwar seine Handschrift, aber er vermittelt nie restlos das Gefühl einer eigenständigen Vision. 

erschienen bei gamona

März 01, 2010

News: BURTON UND DEPP BEI ROSS

Ich mag Promo-Zeugs eigentlich gar nicht, am Wenigsten bei Tim Burton, weil er das leidenschaftlich hasst. Aber sein Besuch mit Johnny Depp bei Jonathan Ross diese Woche ist einfach so wunderbar komisch, selbstironsich und toll, das muss man verlinken. Schön auch, dass es mal nicht das übliche rasche Late-Night-Ding ist. Und der Schlusssatz von Ross - herrlich.







In groß und direkt: Hier.

Februar 24, 2010

Kino: 9

Neun kleine Stoffpuppen kämpfen auf der menschenleeren Erde gegen eine Übermacht der Maschinen. Düster, bedrohlich und vor allem actionreich erzählt Shane Ackers "9" eine computeranimierte Schöpfungsgeschichte: In einer post- apokalyptischen Welt aus Schmutz und Metallresten begründen die kleinen durchnummerierten Geschöpfe eines verstorbenen Wissenschaftlers die Grundlage für neues Leben. Ein unkonventioneller, schöner, melancholischer Animationsfilm, der es Dank seiner Produzenten Tim Burton und Timur Bekmambetov ("Wanted") auf die große Leinwand geschafft hat.

Die Welt scheint nur noch eine einzige Ruine. Staubwolken tummeln sich in der Luft, rostige Schrotthaufen ragen bis zum Himmel, von Leben gibt es weit und breit keine Spur. Inmitten dieser dystopischen Öde erwacht der kleine 9, eine fragile Stoffpuppe. Verwirrt stolpert er umher, als er unerwartet Bekanntschaft mit Nummer 7 macht. Ehe sich 9 versieht, lernt er seine Kollegen 1-8 kennen, trifft auf das gigantische Metallmonster "Beast" und muss bald einige gefahrenvolle Missionen auf sich nehmen, um übermächtige Maschinen zu bekämpfen und schließlich das Erbe seines Erschaffers zu wahren.

In Ansätzen hat Regisseur Shane Acker diese Geschichte vor fünf Jahren schon einmal erzählt. Im gleichnamigen 10minütigen Animationsfilm kämpft 9 gegen ein bewegliches Schrottmonstrum, um die Seelen seiner Freunde zu befreien. In wenigen Minuten gelang es Acker, ganz unvermittelt, eine kleine futuristische Endzeitfantasie zu spinnen, die dem Zuschauer ebenso verwirrend wie faszinierend einen Ausschnitt aus dem Leben einer kleinen Stoffpuppe zeigte. Nachdem der Kurzfilm 2006 für den Oscar nominiert wurde, durfte Acker seine Idee mit prominenter Unterstützung nun noch einmal als großen kleinen Kinofilm ausbauen.

"9" war bereits in Kurzfilmform mit zahlreichen Anspielungen gespickt. Die Pixar-Lampe Luxo Jr. tauchte ebenso auf wie der Verweis auf bekannte Science-Fiction-Filme. Acker hat seine Kombination aus den kindgerechten Animationsmotiven unschuldig wirkender, niedlicher Stoffpuppen und den gewalttätigen Endzeitbildern eines "Matrix" oder "Krieg der Welten" für die Kinofassung entsprechend zugespitzt: Die kleinen Helden des Films müssen sich permanent gegen die verselbständigten Maschinen eines von künstlicher Intelligenz geführten Systems zur Wehr setzen, das ihnen und damit dem Film keine Ruhe gönnt.

Der Run-and-Hide-Charakter des ungewöhnlich actionreichen und mit 80 Minuten Spielzeit ohnehin recht kurzweiligen "9" ist selbst für ein erwachsenes Publikum mitunter eine Belastungsprobe. Wie in der Kurzfilmvorlage verzichtet Acker auf eine erklärende Exposition und füttert den Plot erst nach und nach mit spärlichen Informationen zum Auslöser der Apokalypse. Das ist vor allem in seiner Humorlosigkeit mutig und im immer noch kindlich besetzten amerikanischen Animationsfilm eine willkommene Ausnahme, aber es erklärt auch, wieso "9" ein PG-13-Rating erhielt und bei Publikum und Kritik in den USA durchgefallen ist.

Dabei hat Acker eines der noch am wenigsten Mainstream-Konventionen entsprechenden Details seines Kurzfilms für die Kinoadaption aufgegeben, im Gegensatz zur Vorlage verzichtet er hier nicht auf Dialoge. Das ist, wie schon in den letzten beiden Dritteln von Pixars Sci-Fi-Genrebeitrag "Wall-E", insofern schade, als es einen besonderen Reiz für die Untermalung der kommunikationslosen, verwilderten Endzeitwelt geboten hätte, würden sich die lebendigen Stoffpuppen wortlos verständigen müssen. Das hätte mit Sicherheit eine weitere Herausforderung, wenn nicht gar Zumutung für die Sehgewohnheiten eines Animations- filmpublikums bedeutet, aber eben auch eine besondere Note, um den ohnehin tristen, verstörenden Charakter des Films zu unterstreichen.

Immerhin jedoch, und hier bildeten sich einige Missverständnisse bei der Kritik, entsprechen die einfachen, präzisen und mitunter banalen Dialoge logischerweise den beschränkten Ausdrucksformen simpler Stofflappen auf zwei Beinen. Am Wirkungsvollsten erweckt Acker seine Figuren ohnehin mit mimischen und gestischen Bewegungen zum Leben: In den wenigen stillen Momenten seines Films wird der Einfluss Tim Burtons deutlich, wenn sich die letztlich kuriosen Gestalten in ihrer artifiziellen Andersartigkeit liebevoll umeinander kümmern. "9" pflegt nicht zufällig eine ästhetische und emotionale Verwandtschaft mit "Nightmare Before Christmas" oder "The World of Stainboy" – Burton mag hier, wie einst bei Henry Selick, einen Gleichgesinnten gefunden haben.

Tiefsinnig ist der Film bei alledem selten, und seine schlüssige, aber auch allzu simple Actiondramaturgie lässt wenig Raum für Existenzialismus oder die Widersprüchlichkeit eines Zukunftskonflikts der Künstlichkeiten. Dennoch ist "9" nicht zuletzt wegen seiner glasklaren, beeindruckend ausgeleuchteten und expressionistischen Computeranimation, der man das verhältnismäßig geringe Budget von 30 Millionen Dollarn nur selten ansieht, ein faszinierend beklemmender, geradezu dadaistischer Film. So möge Shane Acker der kommerzielle Misserfolg bitte nicht davon abhalten weitere Filme zu drehen.


65% - erschienen bei: gamona

Dezember 16, 2009

News: ALICE IN WONDERLAND - Trailer #3


Der dritte Trailer. Sieht alles schon viel deutlicher, runder, besser aus. Hier in groß.

August 14, 2009

Kino: CORALINE

Mehr skurrile Einfälle, liebevolle Noten und fantasievolle Entwürfe als in "Coraline" wird ein Animationsfilm kaum aufbringen können: Regisseur Henry Selick knüpft mit diesem Stop-Motion-Märchen in 3D an die Ideenreichtümer und Detailverliebtheit seiner beiden vorherigen Trickarbeiten "The Nightmare Before Christmas" und "James und der Riesen-pfirsich" an. Der Film setzt sich, trotz der stilistischen und inhaltlichen Nähe zu den Vorgängern, eigenständig und durchdacht mit kindlichen und erwachsenen Bilderwelten auseinander und ist auch als Emanzipation Selicks von seinem Wegbegleiter und einstigen Produzenten Tim Burton zu verstehen.

Basierend auf Neil Gaimans 2002 erschienener Kindergrusel-novelle "Gefangen hinter dem Spiegel" entwirft der Film eine verschrobene Welt durch die Augen eines kleinen Mädchens: Die eigensinnige Einzelgängerin Coraline ist gerade mit ihren Eltern in ein altes Haus auf dem Land gezogen, beginnt sich aber rasch zu langweilen in der tristen neuen Umgebung. Ihr Vater stürzt sich in die Arbeit, ehe überhaupt die Umzugskisten ausgepackt sind, während ihre Mutter sich ganz dem Haushalt verschreibt.

Da trifft es sich natürlich gut, dass Coraline in ihrem neuen Haus eine kleine Tür entdeckt, hinter der ein langer Tunnel zu einer Parallelwelt führt – einer exakten Abbildung der Wirklichkeit: Mit dem Unterschied, dass sich ihre Eltern hier besonders liebevoll um sie kümmern, der ständig quasselnde Nachbarsjunge dort verstummt ist oder der vertrocknete Vorgarten sich plötzlich in eine bunte Blumenwelt verwandelt hat, die dem Gesicht des kleinen Mädchen nachempfunden ist.

Schade nur, dass Coraline jeden Morgen nach ihrem Ausflug in die verlockende Alternativrealität wieder in ihrem gewöhnlichen Bett erwacht. Doch was zunächst wie eine Flucht in lebhafte Wunschvorstellungen erscheint, wird rasch Wirklichkeit: Ihre sorgsame "andere" Mutter bittet sie, sich jene Knopfaugen anzunähen, die alle Gesichter in der Welt hinter der Tür zieren. Zu spät erst merkt Coraline, dass sie in die Fänge einer Hexe geraten ist, die das Mädchen für immer in ihr Reich sperren möchte – so wie schon zahlreiche andere Kinder vor ihr.

Die spielerischen Träume, die sich allmählich in verzerrte Alpträume umdichten, bedienen ein typisches Selick-Motiv: In "Nightmare Before Christmas", der ebenfalls zwei gegensätzliche Ästhetikentwürfe vereinbarte und schließlich vermischte (statt sie gegeneinander auszuspielen), spielten er und sein Co-Regisseur Tim Burton lustvoll mit der Widersprüchlichkeit einer morbiden Halloween-Welt und der zuckersüßen Ikonographie weihnachtlichen Kitsches.

In "Coraline" befinden sich die beiden Spielwelten jedoch in unauflösbarer Konkurrenz. Das Erschaffen einer imaginären oder auch realen Parallelvorstellung ist als Kinder-geschichtenmotiv freilich bewährt: Entsprechend spielt die Bildgestaltung des Films in vielerlei Hinsicht mit metaphorischen Konstrukten auf kindliche Urängste, Sehnsüchte und Ausdrucksformen an und erinnert dabei an klassische Stoffe wie "Alice im Wunderland" und ganz besonders den "Zauberer von Oz".

Es geht in "Coraline" also abermals um die Bedrohung des trauten Heims und der beschützten Kindheit durch eine gefahrenvolle Quelle, die hier bezeichnenderweise als intrigante Mutterfigur hinter einem geburtsgangähnlichen Tunnel erscheint und sich innerhalb des eigenen Hauses herausbildet – möglicherweise auch als Projektion eines Kindes, das an der Unzufriedenheit ihrer alltäglichen Wirklichkeit zu zerbrechen droht. Eines der offensichtlichsten Symbole für die Umkehrstrategie der Geschichte liefert dabei bereits der um die Vokale vertauschte Name der Titelheldin.

So konventionell und simpel "Coraline" inhaltlich auch strukturiert sein mag, so reizvoll bebildert der Film seine eskapistische Märchenhandlung. Es ist womöglich der erste aller neuerlichen Animationsfilme, dessen 3D-Konzept sich nicht in umher fliegenden Gegenständen erschöpft, sondern der seine dreidimensionalen Effekte ebenso spar- wie behutsam nutzt, um die Tiefe von Räumen und damit letztlich die Tiefe von Bildern zu erforschen: Insbesondere der die beiden Welten verknüpfende Tunnel wird in der 3D-Version zum visuellen Erlebnis, das den Zuschauer tief in die Geschichte lockt.

In Verbindung mit einer stets den richtigen Ton treffenden, erstaunlich komplexen Musikuntermalung nutzt der Film durch die Kombination von mühevoller Puppen-Stop-Motion, klassischem Zeichentrick und fein abgestimmter CGI-Arbeit schließlich alle Bereiche der Animation für seine ideenreiche, detailverliebte und vor allem beseelte Gute-Nacht-Geschichte, die mal schaurig, mal melancholisch die bisher rundeste Regiearbeit Selicks bildet.


70% - erschienen bei: gamona

Juli 22, 2009

News: ALICE IN WONDERLAND - Teaser Trailer


Der Comic-Con-Teaser. W-u-n-d-e-r-b-a-r. (hier in HD)