Rückwirkend kann man darüber lächeln: Ein übergroßer Fliegenkopf, undefinierbare Lichter und Blitze, die wissenschaftlichen Prozess abbilden sollen, und eine üble Monsterklaue, mit der für die sorgenvolle Ehefrau Briefe getippt werden. Das alles im dunklen Keller eines ansonsten farbenfrohen Vorstadthauses, wo biederer Familienkitsch selbst den grausigsten Auswuchs eines fehlgeschlagenen Experiments überschattet. Schwer vorstellbar, dass "The Fly" nicht schon bei seiner Veröffentlichung 1958 eher komisch denn schockierend beäugt wurde. Cronenberg ist demnach auch nicht daran interessiert, lediglich die Köpfe von Wissenschaftler und Fliege zu vertauschen, sondern unterzieht seinen Protagonisten einer langwierigen Metamorphose, bei der Brundle als typisierter Cronenberg- Intellektueller stets fähig ist, seine emotionalen Konflikte zu artikulieren. Wie alle Figuren des kanadischen Regisseurs ist auch der von Jeff Goldblum gespielte Brundle ein eloquenter Erwachsener, dessen Schicksal durch das eindeutige Bewusstsein über den allmählichen Verfall nicht einfacher, für den Zuschauer aber gleichwohl verständlicher scheint. Anders als die erste Verfilmung des Stoffes konzentriert sich Cronenberg weniger auf die Frau des Wissenschaftlers bzw. deren merkwürdig umschiffte Eheprobleme, sondern erzählt vielmehr eine sich entwickelnde Liebesgeschichte, bei der er die gegenseitigen Abhängigkeiten in Beziehungen effektiv in den dramatischen Handlungsprozess einbettet.
Wo Neumanns alberner Spuk letztlich insbesondere aufgrund seiner Unterhaltungsfreude reiner Eskapismus bedeuten muss, nutzt Cronenberg die Genremechanismen grundsätzlich dafür, ein durch und durch existentialistisches Drama zu inszenieren. Da seine Thesen außerhalb des Horrorfilms womöglich geradezu erschütternd wirkten (wie unausstehlich zersetzend müsste der anti-evolutionäre "Dead Ringers" erscheinen, wenn er seinen phantastischen Boden verließe), formuliert sie der Regisseur in scheinbar abgeschwächten Sphären, wo sexhungrige Humanparasiten, mutierte Fliege-Mensch- Hybriden oder virtuelle Ego-Shooter vom Mantel des Absurdem umhüllt werden, nur um deren philosophisch- nüchterne Betrachtungsgrundlage bei Bedarf übersehen zu dürfen. Wenn "The Fly" also ein Film über das Altwerden und die Sterblichkeit, die Fliegen-Transformation nur eine Genre-Metapher für den Be- und Verfall des Menschen durch natürliche Zersetzungsprozesse und Krankheiten wie Krebs oder – des Entstehungskontextes wegen nicht auszuschließen – AIDS, und dem Umgang mit Tod als unumgehbarem Schicksal auch innerhalb sozialer (Liebes-)Beziehungen bedeutet, wie beurteilt Cronenberg dann seine neu chiffrierten und zum Teil auch hinlänglich bekannten Erkenntnisse?
Insgesamt eher unentschlossen oder zumindest uneindeutig, für den Zuschauer jedoch auch bewusst urteilsfrei. Da "The Fly" durch sein Spiel mit Urängsten gleichermaßen verstörend wie mitunter auch abstoßend wirken kann, im gleichen Moment aber von seiner Anziehungskraft und Faszination lebt, lässt Cronenberg dem Publikum ausreichend Interpretations- freiraum. Und das ist wichtig. Immerhin bewegt sich der Film ins menschliche Unterbewusstsein auf einer ungleich weniger abstrakten Ebene vor, als es noch 1983 bei "Videodrome" der Fall war, wo das ‚neue’ eigentlich doch nur wie das ‚alte’, von Krebsgeschwüren zersetzte Fleisch als Folge einer totalen massenmedialen Entfremdung erschien. In "The Fly" verschmelzen Mensch und Technik tatsächlich weniger sinnbildlich zu einer ‚Poesie des Fleisches’ (wie Stefan Höltgen hinsichtlich seines filmischen Simulationsraumes 2004 schrieb), vielmehr beherrscht eine Symbiose aus sozialen Verhaltensformen und technisiertem Umfeld das Geschehen: Längst dominiert die Alltagselektronik jedweden Vorgang, seien es der übergroße Computer mit Sprachsteuerung, die robusten Teleboxen, leicht bedienbaren Videokameras oder eben versteckten Diktiergeräte, die alle längst nicht mehr nur dokumentieren, sondern als unersetzliche Funktionsvariablen des Menschen begriffen werden müssen. Cronenbergs Schlussfolgerung ist hier auch anders als noch im Original: Nicht die Maschine, das technische Konstrukt ist fehlerhaft, sondern das Verhalten ihres Erzeugers Brundle, der darauf achten hätte müssen, dass mit ihm kein weiteres Lebewesen in die Box steigt.
"It’s your turn" –
"To do what?" –
"To go through!" –
"No, I don’t want to try that." –
"It’ll make you feel sexy!"
Cronenberg lässt offen, inwiefern Brundles Transformation und der damit einhergehende Verfallsprozess als Negativschicksal erscheinen müssen: Zwar untersteht der Wissenschaftler einer mitunter unangenehmen Zersetzung, er findet sich damit jedoch nicht nur schnell zurecht, sondern nutzt auch die Vorzüge des Prozesses, sei es ein gesteigerter Lustgewinn oder die Fähigkeit zu übermenschlichen Kräften. Überhaupt inszeniert der Film die zunehmende Verdorbenheit des Fleischlichen als sexuell befriedigenden Akt, wenn Brundle in seinem Atelier athletische Turnübungen vorführt und seine Freundin Veronica zwanghaft dazu bekehren will, auch in die Teleboxen zu steigen, um "in das Plasma einzutauchen". Brundle verwandelt sich nicht nur in eine Fliege, sondern entdeckt und gewinnt Fähigkeiten, die seinem Charakter zuvor widersprachen. Aus dem sozial isoliert in einer Lagerhalle lebenden Streber, dessen ganze Garderobe aus fünf exakt gleichen Anzügen besteht, wird ein agiles Energiemonster, dessen – ironischerweise – grenzenlose Vitalität durch die Metamorphose erst aktiviert scheint. Gleichzeitig akzeptiert Brundle sein Schicksal mit vollem Bewusstsein, selbst als er geschwächt auf einem Krückstock vor Veronica tritt (bei diesem Bild wird die metaphorische Komponente vom Siechtum des Menschen besonders deutlich).
Diesbezüglich betritt "The Fly" mit seiner Handlung eines sich verändernden, selbst zerstörerischen Menschen noch eine andere Ebene: Betrachtet man die Verwandlung Brundles als Krankheit, die sowohl positive, als auch negative Eigenschaften zum Vorschein bringt, so erinnert dieser Prozess auch an eine Form von Alkohol- oder Drogensucht. Die Figur selbst ist ohnehin besessen von ihrer wissenschaftlichen Errungenschaft, verfällt durch die Transformation jedoch zusätzlich einer manischen Abhängigkeit von Technik (die aus dem Film entfernte "MonkeyCat"-Sequenz demonstriert auch den mitunter sinnlosen Einsatz der Teleboxen). Vor allem aber die Tatsache, dass sie nicht aus wissenschaftlicher Neugierde, sondern persönlicher Frustration heraus selbst das Experiment wagt – wohl gemerkt unter Alkoholeinfluss – unterstreicht den Aspekt einer willenlosen Abhängigkeit. Brundle verteidigt seine „Sucht“ zudem mit aller Kraft, insbesondere in den Auseinandersetzungen mit Veronica, die seinem Verfall machtlos beiwohnen muss, ehe sie ihm schließlich in einem ergreifend inszenierten Euthanasie-Akt zur Erlösung verhilft. Die zahlreichen literarischen Einflüsse von "Frankenstein" über "Dr. Jekyll and Mr. Hyde" bis hin zu "The Beauty and the Beast" vermischen sich im operettenhaften Finale endgültig, wenn das tragische Monster seinem unausweichlichen Ende entgegensieht. Howard Shores meisterlicher Score gliedert die dramaturgische Struktur des Films in eine dreiaktige Horror-Oper, die zu den nachhaltig verstörenden und intensivsten Werken Cronenbergs zählt.
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