Oktober 31, 2013

Zuletzt gesehen: SILENT NIGHT, BLOODY NIGHT [aka. NIGHT OF THE DARK FULL MOON aka. DEATH HOUSE aka. BLUTNACHT - DAS HAUS DES TODES] (1974)

Im selben Jahr wie Black Christmas veröffentlicht, aber bereits 1972 fertig gestellt, darf sich auch Silent Night, Bloody Night als weihnachtlicher Horrorfilmvorgriff prototypischer Slasher-Insignien rühmen. Ihn auf POV-Shots und Gruselgeflüster des Killers, auf Bodycount-Dramaturgie und das auch hier die Handlung strukturierende fatale Ereignis aus der Vergangenheit zu reduzieren, hieße allerdings auch, die eigentlichen Qualitäten dieses sonderbaren Films zu vernebeln. So legt Regisseur Theodore Gershuny augenscheinlich weniger Wert auf Effektivität im (nicht unwichtig zu betonen: heutigen) Genresinne, und Wahrscheinlichkeiten liegen ihm erst recht nicht, als sein winterlich-stimmungsvoller, verwegen-schöner Film eher einem schauerlichen Familienmelodram gleicht, das durch den erzählerischen Rahmen sowie einem ständigen Voice-Over auch auf die intuitive, sinnliche Logik der Geschichte verweist. Pre-"Final Girl" Mary Woronov überstrahlt die nahezu vollständig aus der Warhol-Factory rekrutierte Besetzung mit Leichtigkeit, es ist schlicht unmöglich, sie nicht zu lieben (und ihre Besetzung in Ti Wests The House of the Devil mutet wie ein Link an, auch wenn beide Filme nichts miteinander zu tun haben). Lange Jahre war Silent Night, Bloody Night als Public-Domain-Titel nur in unterirdischer Bild- und Tonqualität erhältlich, ehe das ehrwürdige Label Code Red im September 2013 endlich eine hervorragende Widescreen-Version veröffentlichte. In dieser Fassung sollte einer Neuentdeckung des Films hoffentlich nichts mehr im Wege stehen.

Oktober 30, 2013

TV: Komasaufen - Themenfernsehen & Zeigefingerrhetorik

Laut Destatis nimmt der übermäßige Alkoholkonsum unter Jugendlichen seit Jahren drastisch zu. Für den Fernsehfilm "Komasaufen" scheint dies allerdings noch lange kein Grund, das Thema annähernd komplex zu verhandeln. Bauerntheater im Kolportagestil. [...]

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Oktober 28, 2013

DVD/BD: THE LORDS OF SALEM

Er habe ein kleineres, intimeres Projekt verwirklichen wollen, ließ Rob Zombie nach seinen beiden Neuinterpretationen des "Halloween"-Filmmythos verlauten. Im Gegensatz zur Zusammenarbeit mit den Weinstein-Brüdern wurde ihm für "The Lords of Salem" schließlich erstmals volle künstlerische Freiheit garantiert. Das eigenwillige Hexenhorrormärchen ist sein kostengünstigster und gleichzeitig persönlichster Film, Rob Zombie ungepanscht und unverstellt. [...]

Oktober 25, 2013

Zuletzt gesehen: STRIP SEARCH [DAS VERHÖR] (2004)

Dass Sidney Lumets brisantes Fernsehkammerspiel über "außerordentliche Maßnahmen" zur Terrorbekämpfung im unmittelbaren 9/11-Klima 2004 eine Kontroverse entfache, verwundert kaum. Dass aber die sonst so diskursfreudige TV-Institution HBO genau diese vorschnell selbst abwickelte, indem sie Strip Search von, so heißt es, ursprünglich 120 auf 56 (!) Minuten zurechtstutzte, ohne Ankündigung im Spätprogramm versendete und erst nach Zuschauerprotesten ein einziges Mal wiederholte, verwundert wiederum sehr. In der hierzulande verfügbaren, immerhin 85minütigen Fassung nun lässt sich zumindest nicht so recht nachvollziehen, was eine derartige Zensur zu provozieren vermochte. Zwar kann Lumets Film über zwei in Wort und Bild weitgehend identische, rechtsstaatswidrige Verhörsituationen, die eine indes beim chinesischen, die andere beim US-amerikanischen Geheimdienst, freilich als offensiv empfunden werden, weil er die Terrorbekämpfung des vermeintlich demokratischen mit der des sozialistischen Staates gleichsetzt. Jedoch ist der didaktische Ansatz des Films, trotz seiner konkreten historisch-politischen Einordnung, viel zu artifiziell, um nicht zumindest lediglich als linksliberales Gedankenspiel bedenkenlos zur Ausstrahlung freigegeben werden zu können. Die Vernehmungen jedenfalls, von denen Sidney Lumet während seiner langen Karriere ja nicht wenige inszenierte, sind großartig verdichtet, engagiert gespielt und in der (gewiss grobschlächtigen) Gegenüberstellung auch bemerkenswert trocken. Ein gutes Stück weit ist dies, vor allem hinsichtlich des Schlussbildes von Glenn Close, vielleicht der Film, den Kathyrin Bigelow mit Zero Dark Thirty drehen wollte, um dann intellektuell an ihm zu scheitern.

Oktober 24, 2013

Kino: JACKASS PRESENTS BAD GRANDPA

Wieder einmal schlüpft Johnny Knoxville zum Entsetzen ahnungsloser Passanten in das Alters-Make-up des 86-jährigen Lustmolchs Irving Zisman und lässt Seele wie Hodensack baumeln. Mit "Bad Grandpa" folgt der glorreichen "Jackass"-Trilogie ein vierter Kinofilm um den kindlich-anarchistischen Jungstrupp von MTV – ohne eingespielte Stammbelegschaft zwar, aber doch weitgehend im Geiste jener lustvollen Destruktivität, die sowohl TV- als auch Filmserie zu einem hemmungslosen Vergnügen machte. [...]

Oktober 22, 2013

Zuletzt gesehen: THE MORNING AFTER (1986)

Gut zu wissen, dass Sidney Lumet auch Edeltrash zu meistern verstand. Obgleich dieser High-Profile-Thriller, in dem sich alles ganz buchstäblich um den Cocktail für eine Leiche dreht, nach etwa einem Drittel zum Liebesmelodram gedeiht (fließende Genregrenzen, ein Traum!), ist der beachtliche Ernst dieser Hitchcockschen Plotprämisse mit neonfarbenem Eighties-Überzug schon sehr beachtlich. Während Paul Chihara auf der Tonspur wahlweise Sopransaxofon und Herrmann-Zitate dirigiert (kurios-interessanter Score allemal), üben sich die Mordverdächtige Jane Fonda und der mysteriöse Fremde Jeff Bridges in einem mehr als eigenwilligen Schlagabtausch rätselhafter Screwball-Dialoge (der einzige offizielle Drehbuch-Credit des kurzzeitigen Filmproduzenten James Cresson). Das alles ist wunderbar anzuschauen, enorm unterhaltsam, immer ein bisschen kaputt. Fondas Performance als alkoholkranker, runtergewirtschafteter Star von anno dazumal (garstigster Moment: "They were grooming me to be the next Vera Miles.") kann eigentlich nur als Geschenk an ihre schwulen Fans verstanden werden (oder eben Hollywood-Metatext), die der Film überdies auch mit seinen Nebenrollen – Raul Julia als heterosexueller Friseur?!; Kathy Bates in einem einminütigen Cameo?! – ausreichend verwöhnt. In gewisser Hinsicht ist "The Morning After" die sanfte Sidney-Lumet-Version eines notgeilen Brian-De-Palma-Films, und das ist natürlich als Kompliment zu verstehen.


70%

Oktober 21, 2013

Zuletzt gesehen: Q&A [TÖDLICHE FRAGEN] (1990)

Ein weiterer, vergleichsweise weniger bekannter Polizeifilm von Sidney Lumet, dessen Spätwerk nicht nur wahre Wunder birgt, sondern der eigenen Meisterschaft mit einer ganz selbstverständlich anmutenden Ruhe und Präzision freien Lauf lässt. "Q&A" ist Crime Plotting im besten Sinne, erzählt aber (anders als dies auch immer wieder schnarchnasige Polizeifilme jüngeren Datums tun) nicht von Loyalität, Korruption und anderem langweiligen Männersentiment, sondern fast beiläufig von institutionalisiertem Rassismus, offenkundiger Homophobie, subkulturellen Milieus und (natürlich, Lumet halt) auch ganz besonders von familiären Fesseln. Einmal mehr thront Timothy Hutton über allem, besonders über einem leider im Method Acting verlorenen Nick Nolte, der als Rumpel-Bulle mit Hampelmaxenschauspiel zeitweise den Hans Albers gibt. Vom Meisterwerk trennt diesen klug geschriebenen, souverän inszenierten Film letztlich nur der grausige Soundtrack, manch Drehbucheinfall aus Seitenraschelhausen sowie ein unerwartet genreverpflichtetes Finish, das aber wiederum von einer niederschmetternden Schlussszene rückvergütet wird.


70%

Gianni Ferrio

 
† 88

Oktober 20, 2013

DVD/BD: CURSE OF CHUCKY

Was "Psycho" für Duschvorhänge oder "Der Weiße Hai" für Badestrände bedeutete, das wohl mögen die "Chucky"-Filme für einfaches Puppenspielzeug bedeutet haben: Etwas, das seiner harmlosen Alltäglichkeit erst einmal lange Zeit beraubt war. Die "My Buddy"- und "That Kid"-Puppen aber, auf denen Chucky mutmaßlich basiert, dürften genauso längst aus US-amerikanischen Kinderzimmern verschwunden sein wie die mordlustige Killerpuppe aus den Kinos: "Curse of Chucky" ist die erste direkt für den Videomarkt produzierte Fortsetzung der Serie. [...]

Oktober 16, 2013

Asiatisches Kino in Deutschland – Fehlanzeige

Wer neue Filme etwa aus Japan, Hongkong oder Südkorea auf deutschen Kinoleinwänden sehen will, muss in der Regel den Umweg über Festivals gehen. Asiatisches Kino ist hierzulande fast vollständig verschwunden – oder ins Videothekenregal verbannt. 

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Oktober 14, 2013

DVD/BD: DEAD IN TOMBSTONE

Über zu wenig Danny Trejo kann man sich als Fan von Danny Trejo wirklich nicht beklagen. Sage und schreibe 25 Filme hat der 69-jährige (!) Schauspieler allein 2013 abgedreht, bislang verzeichnet seine Filmographie lässige 250 Acting-Credits. Eine gewisse Schmerzfreiheit müssen Freunde des Spätkarrieremachers in der Trejo-Werkschau allerdings schon mitbringen, um sich mühelos durch dessen Vielzahl an Schrottproduktionen arbeiten zu können. Next in Line: Der Fantasy-Western "Dead in Tombstone". [...]

Oktober 10, 2013

Das große Gähnen – Tarantinos Lieblingsfilme 2013

In seinen Regiearbeiten huldigt Quentin Tarantino einem unterschlagenen Kino aus vergessenen und kanonresistenten Filmperlen. Eine Liste mit seinen Lieblingsfilmen 2013 könnte also sehr interessant sein, wenn sie nicht so schrecklich langweilig wäre.

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Oktober 09, 2013

TV: Wer hat Angst vorm weißen Mann?

Bayrischer Metzger, afrikanischer Asylant. Der Filmmittwoch im Ersten, diesmal mit übernatürlicher Völkerverständigung und einer teutonischen Mischung aus "Ziemlich beste Freunde" und Ghost – Nachricht von Franz. 

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Oktober 07, 2013

Zuletzt gesehen: DANIEL (1983)

Aus dem "Buch Daniel" von E. L. Doctorow hat Sidney Lumet einen Film "Daniel" erarbeitet, der die fiktionalisierte Geschichte des denkwürdigen Rosenberg-Falls nicht nur in Kinobilder übersetzt, sondern als politisches Melodram noch einmal neu denkt. Die erweiterte Perspektive des Stoffes, in der die Rekonstruktion des schrankenlosen Antikommunismus und entsprechenden Schauprozesses mit der Verurteilung und Hinrichtung zweier, wie heute bekannt ist, unschuldig bzw. unzureichend angeklagter Rüstungsspione zu einem Erinnerungsszenario des Sohnes verdichtet wird, behält der Film bei. Daniel (wie immer sagenhaft: Timothy Hutton) muss sich, Jahre nach dem Tod der Eltern, dem schweren Kindheitstrauma entgegenstellen, es persönlich und aber auch historisch bewältigen. Die Suche nach einer Wahrheit inszeniert Lumet ebenso als Daniels Suche nach sich selbst, wie in seinem nur wenige Jahre später gedrehten "Running on Empty" erkundet er mit ruhiger Hand die seelischen Spuren, die Risse in der Persönlichkeit eines Heranwachsenden, die Frage nach der Identität eines Menschen, der eben nicht nur von den Eltern (politischer Aktivismus als private Tyrannei), sondern dem ganzen System im Stich gelassen wurde. Im Versuch eines narrativen Essays gelingt dem Film diese Verschränkung auf einfühlsamste, teils bitterste Art, immer eindeutig, aber auch immer klug. "Is there such a thing as too much hope?", so die suggestiv fragende, bestürzende Erkenntnis eines Jungen, in dessen trostlosem Blick sich die ganze fatale Verrücktheit der McCarthy-Ära spiegelt.


90%

Oktober 04, 2013

TV: DEXTER - SEASON 8

Es überraschte nicht, als Showtime das Ende der Erfolgsserie "Dexter" verkündete, nachdem die Weichen für das Finale bereits in der sechsten Staffel gestellt wurden. Die achte und letzte Season musste sich nun darum bemühen, den radikalen Cliffhanger der siebten halbwegs gewagt fortzusetzen und der Serie einen würdevollen Abschluss zu gönnen. Glaubt man dem virtuellen Shitstorm nach der Finalfolge, sind die Autoren an dieser Aufgabe grandios gescheitert. [...]

Oktober 03, 2013

Kino: RUSH

Die gleichermaßen von Missgunst und aufrichtiger Zuneigung geprägte Beziehung der beiden legendären Rennfahrerrivalen James Hunt und Niki Lauda mag wie maßgeschneiderter Hollywoodstoff erscheinen. "Rush – Alles für den Sieg" jedoch ist eine europäische Koproduktion, die sich ausgerechnet in den Händen des Schmalzfilmemachers Ron Howard als mitreißendes Nostalgiekino erweist. [...]

Oktober 02, 2013

Gravity und die Kunst der Plansequenz

Plansequenzen kommen einer Idee von purem Kino oft deshalb so nahe, weil sie herkömmliche Gestaltungsmittel in die Unsichtbarkeit verdrängen. Im Weltraumdrama "Gravity" ist die Plansequenz jetzt gleichzusetzen mit absolutem filmischem Erleben. 

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