Gut zu wissen, dass Sidney Lumet auch Edeltrash zu meistern verstand. Obgleich dieser High-Profile-Thriller, in dem sich alles ganz buchstäblich um den Cocktail für eine Leiche dreht, nach etwa einem Drittel zum Liebesmelodram gedeiht (fließende Genregrenzen, ein Traum!), ist der beachtliche Ernst dieser Hitchcockschen Plotprämisse mit neonfarbenem Eighties-Überzug schon sehr beachtlich. Während Paul Chihara auf der Tonspur wahlweise Sopransaxofon und Herrmann-Zitate dirigiert (kurios-interessanter Score allemal), üben sich die Mordverdächtige Jane Fonda und der mysteriöse Fremde Jeff Bridges in einem mehr als eigenwilligen Schlagabtausch rätselhafter Screwball-Dialoge (der einzige offizielle Drehbuch-Credit des kurzzeitigen Filmproduzenten James Cresson). Das alles ist wunderbar anzuschauen, enorm unterhaltsam, immer ein bisschen kaputt. Fondas Performance als alkoholkranker, runtergewirtschafteter Star von anno dazumal (garstigster Moment: "They were grooming me to be the next Vera Miles.") kann eigentlich nur als Geschenk an ihre schwulen Fans verstanden werden (oder eben Hollywood-Metatext), die der Film überdies auch mit seinen Nebenrollen – Raul Julia als heterosexueller Friseur?!; Kathy Bates in einem einminütigen Cameo?! – ausreichend verwöhnt. In gewisser Hinsicht ist "The Morning After" die sanfte Sidney-Lumet-Version eines notgeilen Brian-De-Palma-Films, und das ist natürlich als Kompliment zu verstehen.
70%