Posts mit dem Label Julia werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Julia werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Oktober 22, 2013

Zuletzt gesehen: THE MORNING AFTER (1986)

Gut zu wissen, dass Sidney Lumet auch Edeltrash zu meistern verstand. Obgleich dieser High-Profile-Thriller, in dem sich alles ganz buchstäblich um den Cocktail für eine Leiche dreht, nach etwa einem Drittel zum Liebesmelodram gedeiht (fließende Genregrenzen, ein Traum!), ist der beachtliche Ernst dieser Hitchcockschen Plotprämisse mit neonfarbenem Eighties-Überzug schon sehr beachtlich. Während Paul Chihara auf der Tonspur wahlweise Sopransaxofon und Herrmann-Zitate dirigiert (kurios-interessanter Score allemal), üben sich die Mordverdächtige Jane Fonda und der mysteriöse Fremde Jeff Bridges in einem mehr als eigenwilligen Schlagabtausch rätselhafter Screwball-Dialoge (der einzige offizielle Drehbuch-Credit des kurzzeitigen Filmproduzenten James Cresson). Das alles ist wunderbar anzuschauen, enorm unterhaltsam, immer ein bisschen kaputt. Fondas Performance als alkoholkranker, runtergewirtschafteter Star von anno dazumal (garstigster Moment: "They were grooming me to be the next Vera Miles.") kann eigentlich nur als Geschenk an ihre schwulen Fans verstanden werden (oder eben Hollywood-Metatext), die der Film überdies auch mit seinen Nebenrollen – Raul Julia als heterosexueller Friseur?!; Kathy Bates in einem einminütigen Cameo?! – ausreichend verwöhnt. In gewisser Hinsicht ist "The Morning After" die sanfte Sidney-Lumet-Version eines notgeilen Brian-De-Palma-Films, und das ist natürlich als Kompliment zu verstehen.


70%

März 19, 2013

Zuletzt gesehen: EYES OF LAURA MARS [DIE AUGEN DER LAURA MARS] (1978)

Eine Art Bewährungsprobe der jungen Frisörs-Produzenten-Karriere von Jon Peters, der für seinen zweiten Hollywood-Ride nach dem irrsinnigen Erfolg von "A Star Is Born" noch einmal Girlfriend Babsy Streisand den Titelsong schmettern ließ, wenn es auch mit der Hauptrolle nicht klappen wollte. Stattdessen nahte bekanntlich für Faye Dunaway der berüchtigte Anfang vom Ende, während "Eyes of Laura Mars" nach Michael Millers Rausschmiss von Peters' Erfüllungsgehilfe Irvin Kershner entsprechend reibungslos runtergedreht werden sollte. Durchgehend auf appealing gebürstet und geradezu umwerfend beim Blick auf die Liste aller Beteiligten (Produktion: Laura Ziskin, Drehbuch: John Carpenter, Setdesign: Gene Callahan, Schnitt: Michael Kahn, ja, sogar die Film-in-Film-Photos stammen von Helmut Newton), blicken die "Eyes of Laura Mars" vor allem in den Abgrund des New Yorker Modesündenpfuhls Ende der 70er Jahre. Der Film höhlt einem die Augäpfel aus, so Seventies ist er, und in Kombination mit einer skurrilen American-Giallo-Ästhetik garantiert sein funky Let's-all-chant-Stil allein auf Produktionsebene Köstlichkeiten am laufenden Band. Inhaltlich as banal as it gets, tonal weitgehend widersprüchlich und im ständigen Wechsel der atmosphärischen Ausrichtung ein typisches Produkt Petersscher Interventionen, ist der Film als Chic-Zeitdokument heute von unschätzbarem musealen Wert. Und Dunaway spielte sich Kraft changierenden Power-Actings schon mal für "Mommie Dearest" warm.


50%

März 02, 2008

Retro: ONE FROM THE HEART (1982)

Nach fünf Jahren Beziehung voller Höhen und Tiefen scheint die Trennung endgültig besiegelt: In der Nacht vorm 4. Juli streiten sich Hank (Frederic Forrest) und Frannie (Teri Garr) lauthals auf offener Straße. Um sich über ihre Partnerschaft und deren Zukunft im Klaren zu werden, flüchten beide jeweils in eine nächtliche Odyssee im bunten Las Vegas. Sie lernt dabei einen exotischen Kellner (Raul Julia) kennen, der sie umgarnt und schließlich verführt, er trifft auf eine mysteriöse Zirkustänzerin (Nastassja Kinski), die sich in ihn verliebt. Am Ende einer langen bewegten Nacht finden Hank und Frannie schließlich wieder zueinander – doch werden sie noch eine weitere Chance erhalten?

Das ist der Hauch einer Geschichte, der "One from the Heart" 1982 mit allen persönlichen Erwartungen seines Regisseurs Francis Ford Coppola auflud. Es war das persönlichste Projekt des American-Zoetrope-Mitbegründers, eine Herzensange- legenheit, und jener Film, der ihm neue künstlerische und produktionstechnische Möglichkeiten eröffnen sollte. Als eine Art Gegenentwurf zum on-location-Alptraum "Apocalypse Now" ausschließlich auf den Bühnen seines Studios gedreht, war dies Coppolas Vision vom reinen Filmemachen, sein Traum vom absoluten Kino der Illusionen, einem lang gehegten Wunsch entsprechend, dem Musicalfilm endlich eine adäquate Präsentationsgrundlage zu verschaffen. Doch die Selbstständigkeit und Produktionskapazität, die das Projekt für Coppola erwirken sollte, endete im größten Fiasko seiner Karriere: "One from the Heart" sorgte zunächst durch ständige Budgetüberlastungen für Negativpresse, wurde schließlich von der Kritik verrissen und war ein gigantischer kommerzieller Misserfolg, der bei Kosten von rund 26 Millionen nicht einmal 640 000 US-Dollar einspielte. Noch heute muss sich der Regisseur mit den finanziellen Auswirkungen des Films herumschlagen.

Gerne würde man der filmgeschichtlichen Rezeption deshalb ein Schnippchen schlagen und den Film als vergessenes, übersehenes Juwel wiederentdecken. Aber "One from the Heart" mag auch aus heutiger Sicht nicht zu Unrecht gescheitert sein. Der gesamte Film ist überambitioniert konzipiert, aufgeblasen, verschwenderisch, zu imposant. Er ist um technische Ideen und Errungenschaften bemüht, um großartige Setdekors und markante Lichtsetzung, um Stilisierung jedweder Details und ausladende visuelle Effekte – aber ihm fehlt dabei jegliches Gefühl. Coppolas Wunschprojekt, in das er so viel Arbeit, Kreativität und Hoffnung investiert hat, besitzt über seinen Technizismus und seine Hingabe zur großen Form hinaus keinerlei Herz und Seele. Die Figuren sind austauschbar und blass, sie dienen nur als Vorwand für eine orientierungslose Reise durch visuelle Eindrücke und bleiben reine Staffage. Die Geschichte eines Paares in Beziehungsproblemen ist nichts sagend und wird ohne Elan erzählt, Coppola ist an ihr ungleich weniger interessiert als an beeindruckenden Studiokulissen und ausgeklügelten Kamerasequenzen.

Die beiden Protagonisten Hank und Frannie sind richtiggehend unsympathisch und ihr Schicksal von äußerst geringfügigem Interesse, ganz so als würde ihr Regisseur nicht einmal versuchen, das Publikum für sie zu begeistern (gleichzeitig verrät das Ende, das ihm danach hingegen durchaus der Sinn stand). Bezeichnenderweise erscheinen die mysteriösen Randfiguren Leila und Ray, die zu den jeweiligen Nacht- bekanntschaften der beiden werden, um einiges spannender hinsichtlich ihres Hintergrunds und ihrer Motive. Man möchte viel lieber ihrem Weg folgen, als sich mit den uninspiriert dargestellten, austauschbaren und letztlich banalen Beziehungsproblemen von Hank und Frannie auseinander- setzen zu müssen. Hier verfehlt Coppola jeden Bezugspunkt und versäumt es, den Zuschauer an die Geschichte zu binden, während er nur damit beschäftigt ist, im Hintergrund ein Hollywood vergangener Tage zu beschwören. Die Regieanweisungen kamen dabei über Lautsprecher, der Regisseur selbst beobachtete das Geschehen abseits des Sets über Monitore in einem Wohnwagen, was die distanzierte Art des Films sicherlich erklären dürfte.

Zweifellos liegen im Ausstattungskonzept die Reize des Films, der ein betörend schönes visuelles Konglomerat aus bunten Fassaden und greller Neonbeleuchtung auffährt, der wunder- bare Studiobilder entwirft vom Las Vegas Strip und der umschließenden Wüste. Die Kamera schwebt förmlich durch diese Designs, während die einzelnen Szenen immer wieder ineinander übergehen. "One from the Heart" stellt seinen Stil ganz in den Mittelpunkt, er erinnert offenkundig an die prachtvollen Bühnen der MGM-Musicals, auf die er sich verschiedentlich direkt bezieht. Coppola heuerte neben Choreograph Kenny Ortega (der später mit "Dirty Dancing" und als Regisseur der "High School Musical"-Filme Erfolge feiern sollte) auch Musicallegende Gene Kelly als Berater an, doch dessen Einfluss macht sich beim Endergebnis leider nicht besonders bemerkbar: Zwar schwelgt der Film in romantischen Fantasien aus Studiodekor im 1,33:1-Format, wirkliche Tanz- und Gesangseinlagen gibt es indes nicht einmal eine Handvoll. "One from the Heart" definiert sich eher über sein Äußeres als Musical, er versucht sich deren klassischer Magie zu bedienen, ohne dass seine steife Inszenierung Platz für gefühlvollen Kitsch zuließe. Dazu tragen auch die trockenen, gelangweilten Songs von Tom Waits bei, die immer wieder unters Geschehen gelegt werden. Sie wirken wie störende Fremdkörper, die das dynamische Eigenleben der prachtvollen Kulissen ausbremsen.

Wie soll man nun (überspitzt ausgedrückt) mit Coppolas Versuch, in die Fußstapfen von Louis B. Mayer oder Arthur Freed zu treten, umgehen? "One from the Heart" ist ein schwer in feste Kategorien einzuordnender Liebesfilm mit Musik, eine märchenhafte Odyssee durch die Stadt der Glücksspiele, voller Fantasie und Prunk, aber letztlich nur ein Körper ohne Inhalt, eine starre Hülle, die schön aussieht, sich aber leer anfühlt. Coppola hat sich hinsichtlich des Genres wie schon bei "Finian’s Rainbow" nur auf Oberflächlichkeiten gestürzt, und sich ansonsten gründlich überworfen. Ein visionärer Film vom klassischen Geschichtenerzähler – vielleicht wird es doch noch seine Zeit brauchen, bis man dies gebührend anerkennen kann.


50%