Hunderttausend heulende Höllenhunde! Bereits 1983 sicherte sich Steven Spielberg die Filmrechte an "Tim und Struppi", doch erst jetzt schickt das ewige Hollywood-Wunderkind den wissbegierigen Reporter und dessen cleveren Foxterrier auf ihre erste große Kinoreise. Produziert von Peter Jackson und geschrieben unter anderem von
"Scott Pilgrim"-Regisseur Edgar Wright, versammelt
"Die Abenteuer von Tim und Struppi" ein internationales Team, das die berühmte Comicserie des Belgiers Hergé vorlagengetreu und mit beispiellosem Aufwand für die Kinoleinwand adaptiert.
"Das Geheimnis der Einhorn" ist der erste von vorerst zwei animierten Tintin-Kinofilmen, den noch unbetitelten zweiten Teil wird dann nicht mehr Spielberg, sondern Peter Jackson – voraussichtlich während seiner Arbeit an "The Hobbit" – drehen und fertig stellen (lassen). Zwar wurden Hergés weltweit gelesene und bereits 1929 erstmals veröffentlichte Abenteuergeschichten schon mehrfach in bewegte Bilder umgesetzt, aber sowohl die wenig bekannten Realfilme als auch die unterschiedlichen Zeichentrickversionen des Stoffes konnte man trotz ihres Charmes oder ihrer Beliebtheit bei Fans kaum als adäquate Verfilmungen der Vorlage bezeichnen.
Erst als Spielberg vor mittlerweile 30 Jahren von europäischen Filmkritikern auf die Verwandtschaft seines ersten Indiana-Jones-Films mit den rätselhaften Schatzsuchen der "Tim und Struppi"-Bände hingewiesen wurde, soll er die Comics kennen und lieben gelernt haben. Auf angeblich ausdrücklichen Wunsch Hergés übertrug man ihm nach dessen Tod die Filmrechte, doch eine anspruchsvolle Kinoadaption sollte auf sich warten lassen. Gerüchten zufolge plante Spielberg zwischenzeitlich eine Realfilmversion mit der androgynen Gwyneth Paltrow als Tim (?!), die jüngere (und nach wie vor zwiespältige) Motion-Capture-Technik jedoch inspirierte ihn nun zur Umsetzung des Stoffes als 3D-CGI-Animations- abenteuer.
Die Bände "Das Geheimnis der Einhorn" und "Der Schatz Rackhams des Roten" bilden die Grundlage des ersten Films, aber auch Elemente aus "Die Krabbe mit den goldenen Scheren" wurden vom Autorenteam in die Handlung eingeflochten. Tim (Jamie Bell) stößt darin auf ein altes Schiffsmodell, in dem sich Hinweise auf einen geheimnisvollen Schatz verbergen. Hinter diesem ist allerdings auch der skrupellose Sakharin (Daniel Craig) her, gegen den sich Tim, sein loyaler Hund Struppi und der stets volltrunkene Kapitän Haddock (Andy Serkis, der bisher womöglich einzige Performance-Capture-Star) auf alle erdenklichen Arten zur Wehr setzen müssen.
Der gelegentlich ein wenig höhepunktlose Einhorn-Zweiteiler erweist sich nicht unbedingt als idealer Einstieg für eine neue Tintin-Kinofilmserie. Zweifellos gehört Haddock (wie später auch Professor Bienlein) zu den beliebtesten Figuren und eigentlichen Stars der Comicserie, für einen ersten Film hätten sich Spielberg und Jackson jedoch vielleicht besser auf die ersten Bände konzentrieren sollen, um Tim und Struppi zunächst allein auf Abenteuerreise schicken und sie damit einem neuen Publikum vorstellen zu können. Gerade das umwerfend schöne erste Drittel des Films zeigt, dass man sich die Einführung weiterer fester Hauptfiguren und ein besonders großes Abenteuer auch bis zum zweiten Teil hätte aufsparen können.
Denn die ersten Minuten warten nicht nur mit einer sensationellen Titelsequenz, zahlreichen Anspielungen und Hinweisen auf die Vorlage und einem Quasi-Cameo von Hergé auf, sondern führen mit heimeligen Schauplätzen und ulkigen Sidekicks wie Schulze und Schultze (Simon Pegg und Nick Frost) geradezu wundersam in die Welt von Tim und Struppi ein. Die Detailverliebtheit in der Animation ist beeindruckend, und bei der Darstellung des Helden bleibt Spielberg den Comics erstaunlich treu: Tim ist ein Junge ohne Eigenschaften und Hintergrund, er wird erst durch sein Umfeld und bestimmte Handlungen annähernd charakterisiert.
Zur gewohnten Höchstform läuft Spielberg wieder einmal dann auf, wenn er Actionszenen geradezu kunstvoll arrangiert und durchspielt. In seinen Verfolgungsjagden und Duellen stecken mehr Ideen und Kniffe, als in jedem anderen computeranimierten Film, die teils sogar in digitale Plansequenzen gehüllten Actionstücke sind nichts außer beeindruckend – und dabei stets übersichtlich, nachvollziehbar und mitreißend choreographiert (in zudem sehr plastischem 3D). Das ist nicht selbstverständlich für einen klassischen Handwerker wie Spielberg, der bisher nicht nur völlig ungeübt war im digitalen Schnitt, sondern mit "Die Abenteuer von Tim und Struppi" schließlich überhaupt das allererste Mal einen vollständigen Trickfilm inszeniert.
60% - (vollständige Version) erschienen bei: gamona