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April 22, 2013
Kino: SIDE EFFECTS

Dezember 03, 2012
Kino: ANNA KARENINA
Januar 30, 2010
Kino: SHERLOCK HOLMES
Wie schön also, dass der Ex-Stecher von Madonna sich nun mit großem Budget an Arthur Conan Doyles legendärer Figur Sherlock Holmes zu schaffen macht, der es als meistverfilmte literarische Persönlichkeit nur noch an einer Blockbuster-Testosteronvariation mangelte – Dank dieser neuerlichen Verwurstung des hochbegabten Meisterdetektivs ist das Holmes-Œuvre aber gewiss um einige verzichtbare Banalitäten reicher.
In "Sherlock Holmes" geht es, worum es in allen Ritchie-Filmen geht: Um lustige Späße mit lustigen Kerlen. Dieses Mal in einem vergangenen Jahrhundert, aber immer noch in England und immer noch mit viel unverständlichem Gebrabbel. Der Film pflegt, selbstverständlich und erwartungsgemäß und auch leider, mit der eigentlichen Holmes-Figur nur noch eine Namensverwandtschaft, die eigentlichen Wesenszüge des analytischen Ermittlersnobs, der, wenn ihm die Kultiviertheit zu Kopfe zu steigen droht, gern zur Geige greift, werden massenkompatibel und drastisch reduziert. Auf, natürlich, ordentlich Gekloppe (Ritchie ist ein verlässlicher Regisseur), und dem Nachstehlen einer schönen Frau (die ihm in der Vorlage nicht einmal ein müdes Lächeln entlockt hätte). Holmes, der Womanizer.
Ausgerechnet der nun hat sich zurückgezogen in sein stilles Kämmerlein, ist aufgedunsen und süffig, nicht mehr bereit seinen ermittlerischen Dienst zu leisten. Dr. John Watson gelingt es schließlich seinen treuen Kumpanen zu reaktivieren, damit dem tot geglaubten Magier Lord Blackwood endgültig das Handwerk gelegt werden kann. Dabei lässt Holmes dann meist die Fäuste sprechen, sein – trotz Dauerverwahrlosung!? – mächtig durchtrainierter Körper hat mehr Wirkung als jeglicher Spürsinn:
So interpretiert Ritchie den erhabenen Analytikergeist seiner Holmes-Figur in erster Linie als physische Slow-Motion-Taktik, bei der im Voraus berechnet wird, wo und wann dem Gegner nun welche Weichteile zertrümmert werden. Das ist nicht nur meilenweit entfernt von Doyle, das ist nicht einmal mehr dasselbe Universum. Ritchie hat aus Holmes, das ist legitim, einen Comichelden gezimmert, und, das ist weniger legitim, einen postmodern-abgedroschen coolen noch dazu.
Mal angenommen also, "Sherlock Holmes" habe mit Sherlock Holmes nichts zu tun, so bliebe vielleicht zumindest ein sehenswerter Blockbuster über. Zugegeben, zwei bis drei hübsche Actioneinlagen bekommt Ritchie in seiner hohle Geschichte integriert, von einer gewissen Oberfläche aus betrachtet machen auch die launigen Buddy-Elemente was her – freilich ohne den Hauch von Mut, hierin etwas Homoerotisches vermuten zu wollen.
Doch spätestens beim großen Green-Screen-Finale verpufft der Unterhaltungswert dieser verschenkten Popcornadaption glorreich zum pseudofolkloristischen Gedudel Hans Zimmers, während die Ankündigung eines bekannten Holmes-Gegenspielers schon fleißig mit einer Fortsetzung droht.
40% - erschienen bei den: 5 FILMFREUNDEN
Mai 22, 2008
ARTIFICIAL INTELLIGENCE: AI (2001)
Das ist nicht etwa ein Handlungsabriss des futuristisch-philosophischen Films "Artificial Intelligence: AI" von Steven Spielberg, eines lange Zeit geplanten, aber immer wieder verworfenen Projekts seines Freundes Stanley Kubrick, der es nicht selbst umsetzen und vollenden konnte. Es ist dies vielmehr die Geschichte von "Astro Boy", dem Helden eines populären 50er-Jahre-Mangas und später einer Anime-Serie nach Osamu Tezuka, die Pate stand für Spielbergs Film über den Mecha-Jungen David, der von seinen Eltern verstoßen wird und sich auf die Suche nach Menschlichkeit begibt. Die Parallelen zu "Astro Boy" sind ebenso offensichtlich wie dreist, finden sich im gesamten Konstrukt der Handlung wieder und werden konsequent verschwiegen. Obwohl "AI" auf einer Kurzgeschichte von Brian Aldiss basiert, ist diese stille Referenz Kubrick und Spielberg zuzuschreiben, die gleichermaßen an der Geschichte und deren Leinwandumsetzung arbeiteten. Der starke "Pinocchio"-Impetus ist bereits der Vorlage bzw. dem grundsätzlichen Stoff inbegriffen, wird von Spielberg jedoch stark betont und zum zweiten wesentlichen Bezugspunkt des Films (und das im Gegensatz zu "Astro Boy" ausgesprochen offenkundig und konkret). "AI" ist hingegen nicht viel mehr als die moderne und ambitionierte Version von der Geschichte der Holzpuppe, die ein ganz normaler Junge sein möchte.
"An Amblin / Stanley Kubrick Production" steht es da in großen Lettern zu Beginn geschrieben. Und es werden keine drei Minuten vergehen, ehe man diesen Film ausschließlich als eine Amblin-, also Spielberg-Produktion identifizieren kann, wenn William Hurt als Erfinder jenes Mechas, den er nach seinem Sohn fertigen wird, eine Roboterfrau auffordert, sich auszuziehen. Was bei Kubrick zweifellos ein entwürdigender, unmenschlicher Moment des Anblicks einer starren nackten Frau hätte sein müssen, genügt Spielberg nur zur vagen Vorsicht: Das Entblößen wird elegant angedeutet und ist so geschnitten, als würde es fehlen. Dennoch arbeitet Spielberg in "AI" unentwegt seinem Freund und/oder Vorbild hinterher, wenn er mit betont langen Einstellungen und Steadycam-Fahrten inszeniert, wenn er die Geschichte prägnant in mehrere Akte gliedert oder seinen Stammkomponisten John Williams anweist, Kubricks Vorliebe für klassische Walzer als Element der Kontrapunktisierung entgegenzukommen. So sehr sich Spielbergs Stil mit all seinen Kartenspielertricks, seiner visuellen Schön- und selten Doppelbödigkeit mit den hinterlassenen Ambitionen eines Regisseurs wie Kubrick auch beißt, gerinnt die eigenwillige Kombination erst im letzten Drittel zur unerträglichen Imitation: Wenn Spielberg in klinischem Ambiente einen neuen Humanitätsbegriff zu formulieren versucht, heben sich die Unterhaltung des einen und Prätention des anderen gegenseitig auf.
Der Film verhandelt ähnlich wie "Close Encounters of the Third Kind" und "E.T.: The Extra-Terrestrial" Spielbergs bevorzugtes Thema Menschlichkeit. Doch eine Auseinandersetzung findet dabei meist nicht statt, in "AI" noch am wenigsten, sondern prinzipiell geht es nur darum, sich seines Menschseins zu versichern, zu einer vermeintlich neuen Humanität zu finden und jede Unzufriedenheit in einem kollektiven (zur Bewahrung des Identifikationsangebotes innerhalb des Films nur individuellem) Menscheln, einer allumfassenden Harmonie aufzulösen. Das ist in seiner Regressivität ziemlich weit entfernt, wenn nicht sogar das Gegenteil von dem, was Kubrick in "2001" behandelte, und die grundsätzliche Inkonsistenz von "AI", seine Unentschlossenheit und sein schwankender Stil resultieren ganz deutlich aus den unterschiedlichen Inspirationsquellen, Zielen und Methoden seiner beiden Schöpfer.
Unter Spielbergs Federführung – dies ist einer der wenigen Filme, zu denen er auch das Drehbuch schrieb – wird der gesamte Mensch-Maschine-Komplex in "AI" aufs Einfachste reduziert. Angefangen bei plumpen Verweisen auf "Pinocchio", dessen Bezugnahme sich in bloßer Erwähnung der Geschichte ("Mommy, if Pinocchio became real and I become real, can I come home?") oder Figurensurrogate (Davids Teddy = Jimmy Grille) erschöpft, bis hin zu geschmacklosen, kurzsichtigen und sogar dümmlichen Szenen, steuert Spielberg auf ein Finale zu, dessen Botschaft er mehr oder weniger sorgfältig vorbereitet hat. Bis dahin gibt es zwar zahlreiche visuelle Bonbons, großartige Effekte und mechanische Tricks, aber auch allerlei völlig danebengegangene Momente zu bestaunen. So landet David, den Haley Joel Osment bemüht und ohne ein einziges Augenblinzeln spielt, wie Astro Boy in einer großen zirkusähnlichen Spielshow, wo die Mechas als Opfer einer pervertierten inhumanen Unterhaltung enden. Spielberg spielt in dieser bedrohlichen Episode mit einem Querverweis auf die holocaustähnliche Passion der Roboter, die er zu Quasi-Juden erklärt. "Why ist his happening? ", fragt David einen der unfreiwilligen Showkandidaten, bevor er zerschrotet wird. "History repeats itself. It’s the rite of blood and electricity.", engegnet dieser. Es ist einer der besonders unangenehmen Ausfälle des Films, ganz typisch Spielberg und in seiner Peinlichkeit nicht weit entfernt vom Hitler-Auftritt in "Indiana Jones and the Last Crusade".
Die Auseinandersetzung mit dem Titelthema erfolgt in der gleichen platten Genügsamkeit, obwohl der Film ununterbrochen damit beschäftigt ist, Vieldeutigkeit vorzutäuschen und Bedeutsames auszustellen. Schon das Drehbuch scheint fast sklavisch jede tiefere Auseinandersetzung mit der ethischen Frage zu vermeiden. Das erste Drittel arbeitet mit einer simplen emotionalen Dramaturgie, die die Frage zuspitzt, ob der Roboter David bei seiner Familie bleiben und ihre Anerkennung gewinnen wird. Der Film versäumt es, Fragen nach der Legitimität eines künstlichen Ersatzkindes zu stellen, sucht keinen wirklichen Konflikt und denkt auch nicht daran, die Gefahren und Folgen der Mensch-Maschine-Hybris zu erforschen. Die ganze Spannung dieses ersten Aktes wird ausschließlich über die Frage vermittelt, ob David bei seiner Familie glücklich werden kann, und als Zuschauer wird man rasch in die Position gedrängt, den Roboter gegen das Umfeld zu verteidigen. Spätestens wenn das leibliche Kind der Familie aus dem Koma erwacht und David somit an Nutzen verliert, sind die Sympathien an die Maschine gekoppelt, weil der echte Junge natürlich ein eifersüchtiges, böswilliges Kind und damit eine Gefahr für David ist (der Herausforderung, den Bruder nicht als Arschloch darzustellen, weicht der Film leichtfertig aus). Dass aber genau er, David, die Gefahr bildet, dass er nie altern wird, dass er sich gewaltsam gegen den Schöpfer auflehnen oder Systemfehler produzieren könnte, das kaschiert "AI", um keinerlei Zweifel daran zu lassen, dass ein Roboter eben auch ein Mensch ist, so lange er nur menschlich fühlt. Spielberg gibt also rund zwei Stunden vor, eine Frage zu stellen, deren Antwort schon mit den Anfangstiteln feststeht.
Wenn er in einem besonders artifiziellen letzten Drittel eine existenzielle Stimmung erzeugt, ist das freilich dieselbe Form des Kokettierens mit Ambiguität, obwohl es nur noch darum geht, David – dem kleinen menschlichen Jungen – 2000 Jahre in der Zukunft etwas von seinem Menschsein, das er nicht unter Beweis stellen durfte, zurückzugeben. Die alien-artigen Wesen, die gemäß der Titellogik eine Verkörperung höher ausgebildeter, künstlicher Intelligenz in der Zukunft bilden, ermöglichen es David per DNA-Reproduktion, noch einmal einen Tag mit seiner Mutter verbringen zu können. Den Unsinn einmal außer Acht gelassen, dass die Künstliche Intelligenz offenbar nach ihren Erzeugern strebt, was sie naturgemäß nicht nötig hätte, weil sie eine höhere Form repräsentiert, die sich nicht auf menschliche Primitivität zu berufen braucht (aber Menschsein und damit die Fähigkeit zu lieben bedeutet für Spielberg selbstredend das höchste Gut), ist der Schlussakt von "AI" die fürchterliche Zuspitzung einer Ideologie der Mutter als immerwährendes Schutzorgan. Die Suche nach Menschlichkeit erweist sich als Suche nach der Mutter, für die sich David bedingungs- und selbstlos geopfert hätte. Eine Geschichte über Künstliche Intelligenz ist bei Spielberg also dann zu Ende erzählt, wenn warmes Licht und sanfte Soundtrackklänge uns auf eine sorgsame Mami vorbereiten, die sich liebevoll um ihr Kind kümmert. Die unerträgliche Süßlichkeit dieser letzten Szenen mag noch das Ärgernis, wie sich dieser möchtegernkomplexe Film aus allem Wesentlichen herausmogelt, verschleiern können. Dass Spielberg dem Zuschauer hier jedoch einen Ödipuskomplex für die Ewigkeit als Happy End verkaufen will, ist auch nicht mehr mit dessen Naivität zu entschuldigen.
März 19, 2008
Zuletzt gesehen: CLOSER

60%
Mai 30, 2007
Retro: THE TALENTED MR. RIPLEY (1999)

Diese Frage wurde einhellig beantwortet – trotz vieler Oscarnominierungen und anderem Getöse ist dies nicht einmal mehr 10 Jahre nach seiner Veröffentlichung ein vergessener Film, ein multipler Thriller unter vielen eben, den man eigentlich nicht wirklich braucht, wenn man "Plein soleil" hat. Das kann nur zwei Gründe haben: Entweder wurde Minghellas nach dem Oscarreigen heiß erwartete und dadurch zum Prestigeobjekt verklärte Arbeit so stark unterschätzt, das sie im schnelllebigen Festivalstrudel seinerzeit schlicht übersehen blieb. Oder aber die prädestinierte Kritik und mit ihr die Mehrheit des Publikums haben diesen Film gar nicht sehen wollen – weil genau das, was da in ihm schlummert, was ihn zu einem der meistverstörenden und -aufwühlenden Meisterwerke der jüngeren Vergangenheit macht, auch schlicht zu unerwartet scheint vom Mann, der gerade eben noch Juliette Binoche in triefend-selbstgefällige Püppchen- bilder hüllte.
Es ist dies eine Einladung zu sich selbst. "The Talented Mr. Ripley" nimmt den Zuschauer weder an die Hand, noch umgarnt er ihn mit konventionellen Erzählkonstruktionen und simplen Figurenmustern. Vielmehr zwingt er ihn mit nahezu symbiotischer Gier hinein in ein tiefenpsychologisches Paradigma dafür, wie stark die reflexive Wirkung eines Films sein kann. Das meint eine Auseinandersetzung nicht nur mit dem rein narrativ formulierten Gestus um Spannungsverlauf zwischen Hitchcockschem Identity-Thrill und Liebesdrama, sondern mit der unheimlich dichten und beängstigend direkten Metaebene, auf der Minghella die komplexen Abgründe seiner Figuren ausbreitet. Matt Damon verkörpert einen Tom Ripley, der nicht einfach nur an schizophrenen Mustern erkrankt, von Eifersucht, Selbsthass und gefährlichem Kontrollwahn getrie- ben ist ("I always thought it would be better, to be a fake somebody... than a real nobody. "). Er ist weder aus- schließlich die Inkarnation des subtilen Bösen, noch der bemitleidenswerte Unschuldsengel. Tom Ripley ist ein filmisches Chiffre, das eine Vielzahl existentialistischer Fragen in sich vereint – und vom Zuschauer den Willen zur Auseinandersetzung mit eben diesen einfordert.
"The Talented Mr. Ripley" ist genau deshalb so erschreckend vielschichtig wie auch zersetzend, denn er vereint in sich geschlossen einige der grundsätzlichsten und ungemütlichsten Themen des menschlichen Daseins. Natürlich geht es um die Suche nach sich selbst, dem Willen zu einer integren Persönlichkeit, dem Wunsch nach Liebe, Bedeutung, Existenz. Und es geht darum, sich seines Menschseins zu versichern ebenso wie zu einem Konsens vom Lebenssinn zu finden. Das sind die üblichen Denkanstöße, die manch Genrefilm mehr oder weniger evoziert, mit ihnen spielt, sie ankratzt oder im günstigen Fall auch auslotet. Minghella jedoch geht noch einige Schritte weiter. Sein Ansatz der Figur und deren filmisches Umfeld behandelt nicht nur die Suche nach einer sexuellen Identität, sondern setzt sich vor allem damit auseinander, wie ungleich schwieriger der Kampf gegen sich selbst auch dann sein kann, wenn man diese erlangt hat.
Tom Ripley weiß, dass er homosexuell ist, und obwohl er seine schwulen Bedürfnisse selbst im zugeknöpften Italien der 50er-Jahre mehr oder weniger auszuleben versucht, möchte er nicht so sein, weil er so auch nicht sein darf. So anders, so speziell. Das ist anfangs erst einmal höchstens noch ganz interessant und abwechslungsreich (die erste Zeit zwischen Ripley und Greenleaf erscheint aufregend), doch es verliert schnell seinen Reiz, wenn das gewöhnliche die Oberhand zurückgewinnt. So ist es weniger Ripleys sexuelle Orien- tierung als der relative Umstand, dass sein Anderssein ihn nicht die gesellschaftlich determinierten, die üblich vorgegebenen, eben "normalen" Bahnen einschlagen lassen kann, wegen dessen sich der junge Mann zunehmend in sich selbst zu verlieren scheint und einer tiefen psychischen wie auch physischen Krise verfällt. "The Talented Mr. Ripley" arbeitet leitmotivisch mit schwulen Konnotationen, das durchzieht Ausstattung, Kostüme und Make-Up, Bewegungen, Blicke und vor allem Dialoge, die kaum stärker einer Ambiguität unterstehen könnten. Doch es ist fortlaufend nicht die reine Benennung homosexueller Sujets, die einfache Feststellung, dass Ripley (Matt Damon), Greenleaf (Jude Law) oder Miles (Philip Seymour Hoffman) eindeutig sexuellen Spannungen ausgesetzt oder eben ganz einfach schwule Figuren sind. Der Film widmet sich stärker dem Umgang mit Homosexualität, dem fehlenden und sich entwickelnden Bewusstsein dafür, ihrer isolierenden Bedeu- tung und ihrer Folgen.
Und Ripley als literarische, in Minghellas Version allerdings wesentlich vertiefte und mit der Leidenschaft nicht für Malerei, sondern Musik ("To me, jazz is noise. Insolent noise.") auch veränderte Figur hat mit ihrem Schwulsein insoweit zu kämpfen, als sie sich unverstanden, halt- und als ganzes auch sinnlos fühlt. Ihre totale Assimilation ist deshalb ein Zwang, der aus einer selbstzweiflerischen und hasserfüllten Eigenaversion resultiert. Das Doppelgängermotiv verlässt somit vollends die übliche Thrillertradition, nach der Neid und Habgier die Motivation der Figuren antreiben und wird in einen psychosexuellen Kontext eingebunden. Die Tragik dieser verzweifelten und zerstörerischen Figur liegt darin, dass sie sich ihrer sexuellen Identität (naturgemäß) trotz Flucht und Anpassung nicht entziehen kann. Matt Damon dabei zuzusehen, wie er sowohl das tötet, was er liebt, als auch alles Immaterielle seines eigenen Ichs auszulöschen versucht, gehört zu den beunruhigendsten Filmmomenten des letzten Jahrzehnts. Und wenn sich in der Schlusseinstellung symbolisch die Türen (des Closets) schließen, dann droht Ripley nicht nur auf ewig ein Opfer seiner selbst zu bleiben, sondern wird auch der Zuschauer endgültig dem finstren Raum überlassen.