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April 22, 2010

Kino: KICK-ASS

Ein Nerd kommt selten allein. Und deshalb fachsimpelt Dave Lizewski (Aaron Johnson) in und nach der Schule am Liebsten mit seinen beiden Kumpels über Comics, Superhelden und die unerreichbaren Brüste der Mitschülerinnen. Als der Teenager eines Nachmittags von zwei Vorstadtgangstern ausgeraubt wird, beschließt er das machtlose Nischenleben als unbemerkter Loser schlagartig zu beenden: Mit einem günstig erstandenen Ganzkörperkostüm zieht er als Kick-Ass in (s)einen Kampf gegen das Verbrechen – der mit zahlreichen Knochenbrüchen freilich rasch im Krankenhaus endet.

Doch der selbsternannte Superheld ist fest entschlossen, dem Unrecht weiterhin die Stirn zu bieten. Eher zufällig gelingt ihm die Rettung eines Mannes auf der Flucht vor Schlägern, die ihn schlagartig bekannt macht – MySpace, YouTube und der Macht des Handyvideos sei Dank. Der mediale Achtungserfolg ersetzt das Fehlen von Superkräften, ruft jedoch auch die wirklichen Bösewichte dieser Welt auf den Plan: Comic-Weisheiten helfen Kick-Ass bei der Verteidigung schwer bewaffneter Mafiosi nicht mehr weiter. Praktisch also, dass dem unbeholfenen Quasi-Superhelden eine 11-Jährige (Chloë Moretz) zur Hilfe eilt, die gemeinsam mit ihrem Vater (Nicolas Cage) ebenfalls beschlossen hat, das Recht in die Hand zu nehmen.

Vom töricht-sympathischen Möchtegern-Comicfilm mausert sich "Kick-Ass" schließlich doch noch irgendwie zum spektakulären Popcornhappening und lässt seine glanzlosen Stinos über Umwege zu Superhelden reifen. Dass der Film dabei schlussendlich selbst abzuheben droht, wenn er gänzlich seiner überdrehten Gewalt und auf Coolness geeichten Karikaturen erliegt, lässt sich nur mit Regisseur Matthew Vaughns unbedingtem (Stil)Willen erklären, stets auf Augenhöhe seiner Figuren bleiben zu wollen. Denn die wachsen in diesem Film weit über sich hinaus – sie müssen sich selbstredend nicht nur gegen zahlreiche Bösewichte, sondern auch die Klischees eines Genres behaupten, das seine Strahlehelden immer schon auserkoren und gefunden hat. "Kick-Ass" feiert den Aufstand der Verlierer, irgendwo zwischen Pickeln und Adoleszenz. Und er kürt sie zu Helden.

Die Adaption des noch sehr jungen Comics von Mark Millar ("Wanted") erinnert im Umgang mit seinen jugendlichen Protagonisten an Greg Mottolas feingeistigen und liebevollen "Superbad", der den Teenagerfilm wie einst John Hughes endlich wieder überraschend ernst nahm, ohne auf Comedy oder Skurrilität zu verzichten. "Kick Ass" holt hingegen das Superheldensujet im Comicfilm erfrischend leichtfüßig und geradezu selbstverständlich auf den Boden der Tatsachen zurück, in dem er klassische Außenseiter – Nerds, Geeks oder rotzfreche Mädchen – aus ihrer Verdrängung befreit. Dave Lizewskis Entscheidung, Superheld und nicht länger Schulidiot sein zu wollen, ist hier auch als Befreiungsschlag im Genrekontext zu verstehen: Deshalb ist dieser Film, trotz seiner etwas ausgestellten Indie-Attitüde, so charmant und liebenswürdig in seinem fast orgiastischen Zelebrieren von Comicästhetik.

Innerhalb dieses Konzepts ist es nur logisch, dass Vaughn die genussvoll ausgespielten Actionszenen und absurden Comiceinlagen immer wieder mit seiner Filmrealität konfrontiert: Die Schmerzen auf seinem Feldzug gegen das Böse empfindet der schließlich ganz normale Teenager Dave als sehr real, und hinter dem verbissenen Kampf des Vater-Tochter-Gespanns verbirgt sich eine leidvolle Familiengeschichte voller Verluste. "Kick-Ass" ist sich bewusst, es letztlich immer noch mit Antihelden zu tun zu haben, die bei all der spaßigen Inszenierung von pointierter Gewalt stets verletzlich und im Grunde zutiefst unsicher bleiben. Es ist ein wunderbarer Film mit viel Gespür für Zwischentöne und das Herz am rechten Fleck.


70% - erschienen bei den: 5 FILMFREUNDEN

März 14, 2010

Zuletzt gesehen: CABIN FEVER 2 - SPRING FEVER

Unmittelbare Fortsetzung des vergnüglichen Eli-Roth-Films über ein Haut zersetzendes Virus, das ahnungslose Teenager befällt. Regisseur Ti West verarbeitet eine Menge erkennbares Potenzial zu einer Hommage an den 80er-Jahre B-Horrorfilm in der Tradition von "The Night of the Creeps", bei der insbesondere der Einsatz stilechter Musik und weite Teile des Setups sein Können durchschimmern lassen. Leider verliert der Film spätestens nach der ersten Hälfte den Fokus und schwankt im Tonfall zwischen augenzwinkerndem Horror, übertriebenem Troma-Splatter und pubertärer College-Comedy, die ihre Figuren in einem Moment ernst nimmt, nur um sie im nächsten an sinnfreie Gags zu verkaufen. Die indifferente Inszenierung ist dabei spürbar auf zahlreiche Umschnitte zurückzuführen, die dem Film eine so ganz sicher nicht beabsichtigte Inkonsistenz geben und spätestens im grauenhaft getimten Epilog völlig ins Leere führen. Letztlich ein Kraut-und-Rüben-Film, von dem sich West wohl schweren Herzens, aber völlig zu Recht distanziert.


45%

Januar 30, 2010

Kino: SHERLOCK HOLMES

In Filmen von Guy Ritchie geh es meist ums Wesentliche. Um markige Typen, kernige Männerallüren und heftige Fausthiebe, um skurrile Marotten, absurde Situationen und schrullige Zufälle. Das Ritchie-Kino ist ein Jungs-Kino, das von männlichen Irrtümern und deren Vereinbahrung (oder bestenfalls Versöhnung) mit Geschlechterklischees träumt, das Naivlinge zu Männern reifen und intellektuellen Ballast weit hinter sich lässt.

Wie schön also, dass der Ex-Stecher von Madonna sich nun mit großem Budget an Arthur Conan Doyles legendärer Figur Sherlock Holmes zu schaffen macht, der es als meistverfilmte literarische Persönlichkeit nur noch an einer Blockbuster-Testosteronvariation mangelte – Dank dieser neuerlichen Verwurstung des hochbegabten Meisterdetektivs ist das Holmes-Œuvre aber gewiss um einige verzichtbare Banalitäten reicher.

In "Sherlock Holmes" geht es, worum es in allen Ritchie-Filmen geht: Um lustige Späße mit lustigen Kerlen. Dieses Mal in einem vergangenen Jahrhundert, aber immer noch in England und immer noch mit viel unverständlichem Gebrabbel. Der Film pflegt, selbstverständlich und erwartungsgemäß und auch leider, mit der eigentlichen Holmes-Figur nur noch eine Namensverwandtschaft, die eigentlichen Wesenszüge des analytischen Ermittlersnobs, der, wenn ihm die Kultiviertheit zu Kopfe zu steigen droht, gern zur Geige greift, werden massenkompatibel und drastisch reduziert. Auf, natürlich, ordentlich Gekloppe (Ritchie ist ein verlässlicher Regisseur), und dem Nachstehlen einer schönen Frau (die ihm in der Vorlage nicht einmal ein müdes Lächeln entlockt hätte). Holmes, der Womanizer.

Ausgerechnet der nun hat sich zurückgezogen in sein stilles Kämmerlein, ist aufgedunsen und süffig, nicht mehr bereit seinen ermittlerischen Dienst zu leisten. Dr. John Watson gelingt es schließlich seinen treuen Kumpanen zu reaktivieren, damit dem tot geglaubten Magier Lord Blackwood endgültig das Handwerk gelegt werden kann. Dabei lässt Holmes dann meist die Fäuste sprechen, sein – trotz Dauerverwahrlosung!? – mächtig durchtrainierter Körper hat mehr Wirkung als jeglicher Spürsinn:

So interpretiert Ritchie den erhabenen Analytikergeist seiner Holmes-Figur in erster Linie als physische Slow-Motion-Taktik, bei der im Voraus berechnet wird, wo und wann dem Gegner nun welche Weichteile zertrümmert werden. Das ist nicht nur meilenweit entfernt von Doyle, das ist nicht einmal mehr dasselbe Universum. Ritchie hat aus Holmes, das ist legitim, einen Comichelden gezimmert, und, das ist weniger legitim, einen postmodern-abgedroschen coolen noch dazu.

Mal angenommen also, "Sherlock Holmes" habe mit Sherlock Holmes nichts zu tun, so bliebe vielleicht zumindest ein sehenswerter Blockbuster über. Zugegeben, zwei bis drei hübsche Actioneinlagen bekommt Ritchie in seiner hohle Geschichte integriert, von einer gewissen Oberfläche aus betrachtet machen auch die launigen Buddy-Elemente was her – freilich ohne den Hauch von Mut, hierin etwas Homoerotisches vermuten zu wollen.

Doch spätestens beim großen Green-Screen-Finale verpufft der Unterhaltungswert dieser verschenkten Popcornadaption glorreich zum pseudofolkloristischen Gedudel Hans Zimmers, während die Ankündigung eines bekannten Holmes-Gegenspielers schon fleißig mit einer Fortsetzung droht.


40% - erschienen bei den: 5 FILMFREUNDEN