März 26, 2019
Kino: DUMBO (2019)
Einem schnell Feuer fangenden Publikum macht es seine Dumbo-Neuauflage somit leicht. Die Wiedervereinigung von Michael Keaton und Danny DeVito ist reine Bestechung, genauso wie Alan Arkins Besetzung (in Edward Scissorhands spielte er den treudoofen, geistig und räumlich immer leicht abwesenden Mittelklassevater), und bestechliche Fans der neuen Burton-Muse Eva Green gibt es wahrscheinlich ebenfalls reichlich (ich bin mir noch unsicher, ob aus der Zusammenarbeit eine Seelenverwandtschaft oder Altmännerromantik spricht). Die Figuren, vor allem DeVito als Anführer der liebenswerten Überlebenskünstler im Zirkus, bereiten großes Vergnügen, von der Meerjungfrau bis zum riesigen Gewichtheber lassen sie erahnen, dass Burton ein Herz fürs rastlose Milieu hat, wenn auch nicht unbedingt für den Zirkus an sich, sondern eine mit ihm verknüpfte Idee von Zweckgemeinschaft, die Ausgestoßenen eine Ersatzfamilie ermöglicht.
Gestört, nämlich ins erzählerische Gleichgewicht gebracht, wird das Burton-Revival dann von seiner Titelfigur. Mit Dumbo bzw. der Dumbowerdung des fliegenden Elefanten kommen Plot und Dringlichkeit, akzelerierte Handlung und ausagierte Emotionen, An- wie Aussprachen und die alles überzuckernde Disney-Sahne in den Film. Ab der zweiten, neu gesponnenen Hälfte der Geschichte (die das lediglich 60 Minuten dauernde Original um einen Schauplatzwechsel und menschliche Antagonisten erweitert) scheint Burton dem Tempo machenden Script von Ehren Kruger hinterher zu inszenieren; sein eigentlich gut begründetes Desinteresse an Gradlinigkeit gibt er für die nicht sehr spannende Frage auf, ob Dumbo dem sinistren Besitzer eines Vergnügungsparks entkommen und seine ausrangierte Mutter finden wird (die in der Gruselattraktion des Parks haust, wo Burtons schauerromantische Prägung nur noch ein ästhetisch perpetuiertes Überbleibsel ist).
Zum Disney-Konzern pflegte Burton bisher ein sympathisch ambivalentes Verhältnis. Jahrelang arbeitete er als Zeichner niedlicher Tiere in der Kunstschule CalArts, bevor das Studio die Kurzfilme Vincent und Frankenweenie produzieren und im Archiv verstauen ließ (der heute als Disney-Film beworbene Nightmare Before Christmas erschien 1993 über den Umweg von Tochtergesellschaft Touchstone). Für Alice im Wunderland, seiner Rückkehr ins Maushaus, stellte sich Burton 2010 wider besseres Wissen als Erfüllungsgehilfe zur Verfügung. Der Erfolg des Films zementierte einen wesentlichen Geschäftszweig der aktuellen Disney-Firmenpolitik, die das Studio durch Verengung seines allein mit Neuauflagen hauseigener Katalogtitel, Animationsfortsetzungen sowie Produkten der eingekauften Marken Star Wars und Marvel bestückten Programms zum einträglichsten Hollywoodunternehmen ohne ernstzunehmende Konkurrenz macht.
Allenfalls oberflächlich hält Dumbo, der sich wie Alice im Wunderland als Realfilmversion eines Disney-Zeichentrickklassikers begreift, jener vorteilhaft-biographischen Lesart stand, die seine Erzählung vom kommerziell ausgebeuteten Elefanten mit Burtons eigenen Studioerfahrungen zusammenbringt. Tatsächlich reflektieren in der zweiten Hälfte des Films nicht die rigorose Vermarktung und der über Leichen gehende Erfolgsdruck eine dem Unternehmen ähnliche Kompromisslosigkeit, sondern verkörpert der Schlappohrenprotagonist selbst die zweifelsfrei affirmative Idee vom Disney-Branding. Als vermeintlicher Sonderling, der einen Nach- zum Vorteil wendet, bewegt sich Dumbo nur so lange auf Burton-Linie, wie er im Disney-Sinne anpassungs- und also marktfähig bleibt. Beschwippst von Rosaelefanten träumen darf der kleine Held 2019 deshalb nicht mehr. Burton musste die tollste Sequenz des Originalfilms gegen schnell verpuffende Seifenblasen eintauschen.

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- Breskin, David (1992): Tim Burton. In: Inner Views. Filmmakers in Conversation, New York: Da Capo Press 1997, S. 321-364
- Merschmann, Helmut (2000): Tim Burton, Berlin: Bertz
- Rauscher, Andreas (2000): Die dunkle Seite von Disneyland. Die Filme von Tim Burton. In: Stiglegger, Marcus (Hrsg.): Splitter im Gewebe. Filmemacher zwischen Autorenfilm und Mainstreamkino, Mainz: Bender 2000, S. 264-285
April 09, 2008
DVD: THE GOOD NIGHT

Eine einzige (Selbst-)Gefälligkeit von Film. Regisseur Jake Paltrow, Familie und Freunde kommen hier zusammen, um lustigen Kollektivunfug zu treiben. Das heißt im Falle von "The Good Night" eine Loser-Komödie, die in halbernsten Duselig- keiten schwelgt und sich womöglich als leichtfüßig- sympathische Großstadtgeschichte versteht. Doch dieser gähnend langweilige Fantasy-Liebesfilm ist vor allem eins: unglaublich trist. Wie man so viele nette Gesichter zu derartigem Nichtstun verdammen kann, ist wahrlich erstaunlich. Sogar der per se urkomische Simon Pegg muss eine derart doofe Arschloch-Type mimen, dass selbst er der unangenehmen Figur nur wenige Momente abgewinnen kann, ganz zu schweigen von Martin Freeman, der hier als Sympathieträger fungieren soll, aber eine widerlich aufgeblasene und selbstgerechte Figur spielt. Dieser Film besteht ausschließlich aus nichts sagendem Gelaber, schrecklich öden Heteroattitüden und unausgearbeiteten Charaktermodellen. Diese umgibt ein Hauch von nichts als Drehbuch, dem eine uninspirierte Regie hinterher jagt. "The Good Night" langweilt sich dabei so sehr, dass er während seiner eigenen Spielzeit einschläft und sich selbst versäumt. Und da hat er nix verpasst – bitte unbedingt meiden, trotz Starbesetzung.
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