November 10, 2008

Retro: BATMAN (1989)

"It's like with Warner Bros., because that's where my history has mainly been. I'm always amazed – movies that they fight tooth and nail and are always the weirdest, those are the ones that end up making them all the money. All they have to do is look at their fucking slate of movies!", so ein resignierter Tim Burton im Interview 1992, nachdem er für Warner bereits vier Kinofilme als Regisseur inszeniert hat. Genervt von den endlosen Diskussionen nach Testvor- führungen und Änderungswünschen, die die Post-Produktion von "Beetlejuice" begleiteten, ermüdet vom Kampf darum, den Film getreu seinen Vorstellungen in die Kinos bringen zu können, gab dem jungen Regisseur schließlich nur der Erfolg Recht: Immerhin spielte die Geisterkomödie weltweit mehr als 100 Millionen US-Dollar ein und erwies sich als Überraschungshit. Dennoch sollten seine Schwierigkeiten, in Hollywood einen Film nach eigenem künstlerischem Duktus durchbringen zu können, mit Burtons folgendem Projekt noch zunehmen: Nachdem sich bereits verschiedene Regisseure und Drehbuchautoren viele Jahre an einer Entwicklung des Stoffes versucht hatten, beauftragte Warner letztlich Burton, die aufwendige Kinoadaption von "Batman" zu inszenieren, pünktlich zum 50. Jubiläum des DC-Comichelden 1989.

Das Projekt wurde von einer bis dato beispiellosen Medienkampagne begleitet und mithilfe eines ausgeklügelten Marketingkonzepts von Beginn der Produktion an im Bewusstsein der Öffentlichkeit installiert. Ein schon vorzeitig lanciertes Teaser-Plakat bildete lediglich das Batman-Logo ab, ohne den eigentlichen Titel oder andere Filmdetails zu präsentieren, und unzählige Merchandising-Produkte gingen vorab in den Verkauf. Der Trailer wurde auf kopierten Videokassetten umhergetauscht und gezielt vor andere Kinofilme platziert, während Fernseh- und Zeitungsberichte unaufhörlich für die kostenintensive und gewaltige Produktion warben. Nicht zuletzt die Verpflichtung von Jack Nicholson für die Rolle des Batman-Antagonisten Joker erschien als wahrer Casting-Coup, hatte dieser sich doch viele Jahre gegen die kommerzielle Ausbeutung des Kinos mit zahlreichen abgewiesenen Angeboten zur Wehr gesetzt, nun aber hingegen sogar Gewinnbeteiligungen ausgehandelt (die ihm später schätzungsweise 60 Millionen US-Dollar einbrachten). Ebenso folgerichtig wie dennoch kurios erschien in der Vermarktung Nicholsons Name noch vor dem des Batman-Darstellers Michael Keaton, sogar selbst in der Titelsequenz des Films, die den Warencharakter mit einer aufwendig gestalteten Etablierung des Titellogos noch selbstbewusst ausstellt. Der somit besonders in den USA entfachte Batman-Hype garantierte dem Film schon weit vor Kinostart die nötige Aufmerksamkeit, sodass sein Einspiel kaum noch zu überraschen vermochte. Mit Rekordeinnahmen von weltweit über 400 Millionen Dollar allein an den Kinokassen erwies sich "Batman" als einer der erfolgreichsten Filme aller Zeiten und erfüllte alle Erwartungen des Studioriesen.

"Patton" Reloaded: Der Joker und seine Scherzartikel

Der Leidtragende einer solchen Prestigeproduktion war Burton selbst: Der Regisseur drohte an der Adaption des Comic-Stoffes zu verzweifeln. Denn "Batman" erwies sich für Warner jenseits herkömmlicher Erfolgsaussichten auch deshalb als besonders ehrgeizige Angelegenheit, weil das Studio mit dem Film großzügiges Kapital für die Fusion mit dem Time-Konzern erwirtschaften wollte. Das hatte zur Folge, dass Warner die Dreharbeiten strengstens überwachte: Täglich wurde das Drehbuch noch am Set umgeschrieben, mehrfach Wechsel und Änderungen angesetzt, und galt es immer wieder neue Anweisungen aus den Chefetagen zu befolgen. Wie Burton im Audiokommentar der DVD anklingen lässt, habe er zeitweilig gar nicht mehr gewusst, was er während des Drehs eigentlich wie und warum genau getan hätte. Der Film, den er so sorgfältig mitkonzipierte und vorbereitete, entglitt ihm völlig. Im Interview mit David Breskin resümiert Burton die Folgen der Studio-Interventionen daher nüchtern: "It went from being the greatest script in the world to completely unraveling. And once it unravels, it unravels. You're there, you do it. I remember Jack Nicholson going, "Why am I going up the stairs?’. I was like: ‘I don't know, Jack, I'll tell you when you get up there.’".

Insofern spricht es wohl für die bereits ausgeprägte Handschrift des Regisseurs, dass "Batman" trotz seiner chaotischen Produktionsverhältnisse größtenteils deutlich als Tim Burton-Film zu erkennen ist. Der Dark Knight erinnert stark an die Outcast-Figurenentwürfe der vorherigen Burton-Arbeiten und erscheint mehr als einsamer schizoider Rächer, denn strahlender Superheld. Ausgehend von der Neuinterpretation des Comicmythos’ durch Frank Miller und Alan Moore Mitte der 80er Jahre, in der sich die Abkehr ehemals propagandistischer und später forcierter Camp- Elemente in Form einer Umjustierung Batmans widerspiegelte, der nunmehr als deutlich gealterter Held nicht länger Hab und Gut der Privateigentümer verteidigte, sondern innerhalb eines neuen sozialen Realismus gegen die Korruption des Establishments zu Felde zog, betont der Film – den Erwartungen des Mainstreams an einen Titelhelden zuwiderlaufend – die Dualität der Figur, das Widersprüchliche, das sich aus der Flucht hinter die Maske ergibt. Als Mitternachtsdetektiv Gotham Citys bekämpft Bruce Wayne Verbrecher und Freaks, obwohl er selbst nur eine Kreatur und sogar das Produkt seines Gegners ist: Anders als in der Comic-Vorlage erschaffen sich Batman und der Joker gegenseitig. Zwar gelingt es Burton nicht, dieses Motiv durchzuhalten, weil der Film immer wieder in narrative Nebensächlichkeiten zu zerfallen droht, die Fortsetzung "Batman Returns" jedoch wird sich fast ausschließlich mit der Frage nach der Wechselbeziehung von Gut und Böse beschäftigen und die Genreelemente ebenso hinten anstellen wie die Logik eines stringenten Plots.

Großstadt-Moloch: Tim Burtons Gotham City

Obwohl "Batman" letztlich keine homogene Adaption darstellt, weil er unentschlossen zwischen einer visuell prägnanten und vorrangig auf die Abgründe und Ambivalenzen der Comic- Figuren abzielenden künstlerischen Vision Burtons und massenkulturellem Studio-Eventfilm mit bemüht konven- tioneller Dramaturgie schwankt, besetzt er im Œuvre seines Regisseurs eine wichtige Stelle: Das markante Produktions- design ist hier stärker in die gesamte Struktur und Erscheinung des Films eingebunden als in den bisherigen Burton-Filmen, es repräsentiert in gewisser Hinsicht allein schon auf Ebene des Setdesigns die Autorenqualitäten Burtons, der seine Geschichten mit mehrschichtigen Bildern erzählt. So ist es vor allem die (oscarprämierte) Ausstattung, die noch am ehesten seinem eigentlichen Konzept entspricht, den Film in einem nicht zu verortenden zeitlichen Rahmen spielen zu lassen. Das sich aus zahlreichen architektonischen Stilen und Einflüssen speisende Gotham City Burtons ist tristes Moderne-Abbild und postmodern zusammengesetzter Design-Mix zugleich, erscheint mal als "Noir-Hexenkessel" (Rauscher) aus einer vergangenen Epoche, mal als dystopischer Futurismus-Entwurf.

Ebenso wie das Design des Films bildet hingegen auch die Musik einen eigenständigen Charakter. Die dritte gemeinsame Zusammenarbeit zwischen Burton und Danny Elfman nach "Pee-wee's Big Adventure" und "Beetlejuice" brachte dem ehemaligen Rockmusiker und Mitglied der populären Band Oingo Boingo den Durchbruch als Filmkomponist. Sein Konzept für das Scoring zu "Batman" unterstreicht ähnlich wie auch die Arbeit der Ausstatter und Kostümbildner die angestrebte Zeitlosigkeit des Films (sofern die Prince-Songs mit ihrem 80’s-Flair diesen Ansatz nicht zunichte machen würden), indem er sich stilistisch bei klassischen sinfonischen Filmmusiken von Max Steiner oder Erich Wolfgang Korngold, aber auch John Williams und seinem wohl prägnantesten Vorbild, Federico Fellinis langjährigem Stammkomponisten Nino Rota, bedient. Der konstante Bezug auf letzteren – "Pee-wee's Big Adventure" erschien bereits wie eine einzige große Rota-Hommage – erlaubt auch Rückschlüsse auf die Ähnlichkeiten der Beziehungen zwischen Elfman/Burton und Rota/Fellini, die eine intensive Arbeitsbeziehung über zahlreiche Filme hinweg pflegten und sich als eigenständige, aber identisch denkende Autoren ergänzten. Schließlich haben die Filme von Fellini, in ihrer bedingungslosen Hingabe zu Außenseiterfiguren in Verbindung mit surrealen Bilderwelten, einen offenkundigen Einfluss auf den Regisseur Burton, der diese künstlerische Verbundenheit mehrfach durch filmische Zitate bestätigt hat, etwa in "Big Fish" oder "Sweeney Todd". Es scheint deshalb nicht von ungefähr, wenn Burtons gesamte Karriere vom Einwand begleitet wird, Geschichten zu stark zu visualisieren, statt sie traditionell zu erzählen.


65% - erscheint bei: Wicked-Vision


Literatur:

  • Breskin, David (1992): Tim Burton. In: Inner Views. Filmmakers in Conversation, New York: Da Capo Press 1997, S. 321-364
  • Merschmann, Helmut (2000): Tim Burton, Berlin: Bertz
  • Merschmann, Helmut (2000): Von Fledermäusen und Muskelmännern. Postmoderne im amerikanischen Mainstream-Kino: Arnold Schwarzenegger und Tim Burton, Berlin: Spiess
  • Rauscher, Andreas (2000): Die dunkle Seite von Disneyland. Die Filme von Tim Burton. In: Stiglegger, Marcus (Hrsg.): Splitter im Gewebe. Filmemacher zwischen Autorenfilm und Mainstreamkino, Mainz: Bender 2000, S. 264-285