November 02, 2006

Kino: A GOOD YEAR

Für den Genuss eines guten Weins reist man in die französische Provence, das wissen nicht nur Kenner und Liebhaber der Vitis vinifera, sondern auch der Londoner Finanzhai Max Skinner. Dieser verfolgt allerdings andere Interessen, als er in das sonnige Südfrankreich reist: Sein Onkel, zu dem er viele Jahre keinen Kontakt mehr hatte, ist verstorben – und als einziger noch lebender Blutsverwandter erbt Max das gesamte Anwesen des alten Mannes. Doch der Charme des brüchigen Hauses kann Max ebenso wenig begeistern wie der große Weinberg im Garten, obwohl er als Kind eine beträchtliche Zeit an diesem Platz verbrachte. Mit dem Verkauf des Grundstücks kann es dem Investment-Banker also nicht schnell genug gehen, käme da nicht die bezaubernde Cafébesitzerin Fanny des Weges, um dem selbst verliebten Reibeisen allmählich die wahren Dinge des Lebens zu offenbaren.

In der Tat, dieses Gefühl, das schon der grobe Inhalt von Ridley Scotts Literaturadaption "A Good Year" verrät, das hat seine Berechtigung: Es ist eine dieser leichten Geschichten vom Leben, die hier erzählt wird, ein wenig komisch, ein wenig tragisch, und möglichst alle zufrieden stellend. Mit 68 Jahren wird Regisseur Scott seine mittlere Lebenskrise wohl lange hinter sich haben, es ist also anzunehmen, dass er auf seine alten Tage nun einfach ein wenig bedächtigere, nachdenklicher stimmende Filmbilder entwirft. Da Scott selbst Besitzer eines französischen Weinguts ist, wird die Geschichte wohl oder übel persönliche Züge tragen, nicht zuletzt da er mit Peter Mayle, dem Autor der Vorlage "Ein guter Jahrgang" (der weitaus treffendere Titel), befreundet sein soll. Die Zielgruppe dieses Films scheint damit auch schon einigermaßen ausgemacht.

Natürlich wird hier nicht Halt gewährt vor den großen Themen des Lebens, "A Good Year" erzählt von Liebe und Hass, Sehnsucht und Schmerz, Selbstfindung und Ich-Gewinn, vor allem aber handelt er von der Leichtigkeit der Dinge. Max Skinner, das ist ein abgebrühter Geldmacher, wie man sich abgebrühte Geldmacher auch vorstellt: Dunkel gekleidet, leger, eben gut aussehend, aber mit zynischen Weisheiten um sich werfend, abgeklärt und realistisch. Manch einer würde sagen: verbittert. So jemand kann wohlhabend sein, aber sich kaum an einfachen Dingen erfreuen. Deshalb erscheint die Meldung des verstorbenen Onkels wie eine Fügung des Schicksals – Max weiß noch nicht, dass der Aufenthalt in der Provence sein Leben verändern wird. Der Zuschauer hingegen vermutet da schon eher, dass das von Scott düster und regnerisch inszenierte London keine Alternative zur Pastellfarbenen Schönheit Südfrankreichs sein kann.

Nein, er weiß es sogar. Der Zuschauer würde doch vermutlich verrückt, wenn es der charmanten Marion Cottilard ("Mathilde – Eine große Liebe") nicht gelänge, das Herz des pragmatischen Russel Crowe ("A Beautiful Mind") zu erobern. An Überraschungen fehlt es diesem ambivalenzlosen Film also ein wenig, was offenbar noch immer kein Grund sein muss, diese Lebensfabel in weniger als 120 Minuten zu erzählen. Und so nimmt sich Scott die Zeit, die er für nötig hält, um Max Skinner durch die Provence zu führen. Hier wird nicht mit Eindrücken gegeizt: Strahlend schöne Bilder erblicken das Licht der Leinwand, raffinierte Einstellungen charakterisieren diese Orte von Wärme und Herzhaftigkeit. Und das ist es auch schon wieder, dieses Gefühl. Max weiß noch nicht, dass dieser Schauplatz Erinnerungen an seine Kindheit zurückbringen wird, unweigerlich Szenen der Vergangenheit reproduziert. Der Zuschauer ist ihm dagegen erneut voraus, wenn Kameraführung und sorgfältige Details der Ausstattung auf die Verbindungen von Gegenwart und Vergangenem verweisen.

Um die Erwartungen, die bei so viel Fatalismus schnell gedämpft werden, dennoch beständig zu halten, spart Scott keineswegs mit weiteren Kontrastierungen. Die böse Welt (London) besteht aus anrüchigen Sekretärinnen, halsabschneiderischen Kollegen, tristem Design. Die gute Welt (Provence) ist dagegen eine ganz und gar lebendige, hier dominieren warme Eindrücke, französische Gelassenheit – und natürlich hübsche Frauen. Wenn ein Ort überhaupt geeignet ist, um seine Tugenden zu entdecken, dann ist es wohl dieser. Nicht nur Max, sondern auch seine Verkörperung Russell Crowe fühlt sich sichtbar wohl in diesem Ambiente, in dem man sein Bad-Boy-Image ablegen und sich als gesetzter Schauspieler präsentieren kann. "Dafür möchte ich aber mindestens den zweiten Oscar haben", denkt sich der Australier vielleicht, ungeachtet seiner formlosen Darstellung. Crowe hat den Hundeblick zwar abgelegt, doch er scheint ernster als jemals zuvor – und hat seine Figur augenscheinlich nicht begriffen.

Die inhaltliche Trivialität rückt dabei in den Hintergrund, wenn die Stimmung dieses Films eben doch eine wunderbar sentimentale sein kann. Das allerdings scheint Vor- und Nachteil zugleich: "A Good Year" adelt die Einfachheit von Glück, die Selbsterkenntnis, ein besserer Mensch zu werden. Er betont die Schönheit des Natürlichen. Und so leicht diese Altherrenromantik auch sein mag, sie kokettiert mit einem Luxus, der für viele nicht greifbar ist.


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