November 03, 2006

Kino: IDLEWILD

Der amerikanische Süden zur Prohibitionszeit: Nachdem sein Vorgänger brutal ermordet wurde, nimmt Rooster (Antwan „Big Boi“ Patton), zwar verheiratet, aber trotzdem stets von Frauen umgarnt, den Platz des Besitzers eines lebendigen Nachtclubs ein. Doch auch er muss sich mit den Gangstern der Unterwelt umher schlagen, ebenso unfreiwillig wie sein Pianospieler Percival (André „3000“ Benjamin), der eigentlich in einem Bestattungsinstitut arbeitet. Der schüchterne Musiker verliebt sich unerwartet in die Sängerin Angel (Paula Patton), als sich die Lage zuspitzt.

Die Idee ist spätestens seit Baz Luhrmanns „Moulin Rouge“ oder Rob Marshalls „Chicago“ nicht mehr neu, kann aber durchaus immer wieder nett aufbereitet sein. Nach dem einfallsreichen Vorspann kommt die Ernüchterung jedoch schneller als gedacht. Das Hip-Hop-Duo Outkast hat sich mit „Idlewild“ ein mehr als unzulängliches Denkmal setzen wollen, doch zumindest in die Annalen der Filmgeschichte werden die Grammy-Preisträger mit diesem unausgegorenen Experiment, das alles andere als einem Musical gleichkommt, nicht eingehen. Der Film ist bis in sein Mark konzept- wie orientierungslos, schwach besetzt, lustlos inszeniert, und ihm fehlt all das, was einen schwungvollen Musikfilm auszeichnen sollte – Drive, Stil, Eleganz, eine wenigstens versucht ausstaffierte Geschichte. Und vor allem: Musik. Denn ausgerechnet letzteres ist Mangelware in diesem Genrekomplott!

Das Geschehen orientiert sich fleißig am Look und Gestus des Gangsterfilms, ohne jedoch tiefere Erkenntnisse gewinnen zu wollen: Da stellen sich Männer, den Hut tief ins Gesicht gezogen, in düstere Ecken auf, lungern Prostituierte auf den kalten, nassen Straßen der Nacht umher – und schon sind sie fertig, die postmodernen Noir-Bilder, ergänzt durch Posen, deren Ursprung wohl im Habitus des Hip Hops zu liegen scheint, und einige kurze Momente voller Schwung und Leben. Denn wenn der Nachtclub seine Pforten spärlich auch dem Publikum zu öffnen bereit ist, dann tritt auch das Potential des Films zum Vorschein – hier wird in Bullet-Time getanzt, dass die Bretter knarren. Mitreißen können die verhältnismäßig starren Kamerabewegungen den Zuschauer aber dennoch nicht.

In einem Musikfilm muss offenbar mehr geschossen und gestorben, denn fleißig musiziert werden. Originellerweise gibt es im letzten Drittel der Geschichte, die bis dato nicht mehr als eine verklemmte Variante der ewig unmöglichen Liebe sein kann, zahlreiche Shoot Out-Sequenzen in Bullet-Time, wilde Verfolgungsjagden und tatsächlich auch ein wenig Musik – zumindest in dem Geschehen unterlegter Form. Regisseur Bryan Barber steuert hierbei einen großen Haufen an Figuren, der ebenso unübersichtlich wie interesselos in die Szenerie gestanzt scheint. Weder Percival noch Rooster nähern sich dem Zuschauer, jeder bleibt auf Distanz in diesem zweistündigen Rätsel, das ungefähr so attraktiv wie eine zusammengeschusterte Produktion mit Gütesiegel „Directed by Alan Smithee“ daherkommt.

So wirkt „Idlewild“ wie ein großer Fremdkörper, der sich selbst nicht wohl zu fühlen scheint, und dennoch konsequent auf seiner elegischen wie langatmigen Erzählweise beharrt. Selbst der etwaige Vorwurf, nur einem überlangen Videoclip beizuwohnen, scheint haltlos – weder die fehlende musikalische Dichte, noch die mangelnde Präsenz der Künstler ließe das zu. Hinter dem Film steckt das gut gemeinte Vorhaben, einen atmosphärisch in längst vergangene Zeiten transferierten Film über das Leben – und Musik als Leben selbst – zu gestalten, doch am wahren Kontext der 30er-Jahre ist das alles ebenso wenig interessiert wie an den Menschen, die ihn ausfüllen. Erst im Abspann kommt sie plötzlich, die lebendig visualisierte Musik. Zu spät.

4/10 - erschienen bei ofdb.de