Februar 16, 2007

Kino: BRIDGE TO TERABITHIA

Der kleine Jess (Josh Hutcherson) gilt als flinkster Läufer an seiner Schule, wenn er ansonsten auch eher ein Außenseiter ist. Da ergeht es der neuen Nachbarin und Mitschülerin Leslie (AnnaSophia Robb) nicht anders – mit ihr teilt Jess nicht nur die Liebe fürs Rennen, sondern die beiden verstehen auch auf Anhieb ihre gegenseitigen Probleme und Ängste von Verantwortung, Schule und Eltern. Nach anfänglichen Bekundungen entwickelt sich schnell eine tiefe Freundschaft. An einem abgelegenen Bach richten sich die beiden ein Baumhaus ein und erschaffen ihre eigenes Fantasiereich – Terabithia. Dort müssen sie sich als König und Königin gegen riesige Trolls und wundersame Feen behaupten. Bis zu dem Tag, als die Realität sie plötzlich aus ihren Träumen reißt.

’Die Brücke nach Terabithia’ ist so etwas wie die Quintessenz eines Walden-Media-Films.“, wird Vorstands- mitglied Cary Granat im Presseheft zitiert. Da sind berechtigte Zweifel wohl erlaubt, immerhin gilt die Produktionsfirma – im Selbstverständnis mit dem göttlichen Auftrag versehen, durch familienfreundliche Filme der vermeintlichen Hollywood- blasphemie Einhalt zu gewähren – als konservatives und überaus aktives Unternehmen, das weder Kosten noch Mühen scheut, um die amerikanische Filmlandschaft vor dem prophezeiten Untergang zu bewahren. Jüngste Kassen- und Kritikererfolge wie "Brokeback Mountain" sind den selbst erklärten Bibelhütern besonders scharfe Dornen im Auge, diese würden nicht nur amoralische Sünden feiern, sondern auch traditionelle Familienwerte zersetzen. Den Boy- kottaufrufen folgen nicht wenige; fundamentalistische Christenverbände erleben in den letzten Jahren einen regelrechten Aufschwung, der besonders an der Traumfabrik nicht vorbeizieht.

Ausgehend von Mel Gibsons unabhängig produziertem "The Passion of the Christ", jenem pornographisch angehauchten S/M-Spektakel, das sich als erfolgreichster R-Rated-Film aller Zeiten erwies, wird der umtriebigen MTV-Generation zunehmend in ansprechender Genreverpackung der Wert der Bibel vermittelt. Ob Opfertod und Auferstehung im mit penetranter Aufdringlichkeit kreationistisch geschwängerten "The Chronicles of Narnia: The Lion, the Witch and the Wardrobe", einem der sicherlich perfidesten und fragwürdigsten Kinderfilme dieser Zeit, oder aber in Form einer Ode ans männliche Patriachart im Kitsch erfüllten "The Nativity Story" – am neu entfachten Christus-Run möchten sich alle eine Scheibe abschneiden. Das größte Stück ist dabei zweifellos für Walden-Media reserviert, die gemeinsam mit Marketing-Gigant Walt Disney Pictures nun einen weiteren wertvollen, an Kinder adressierten Bibel-Film in die Kinos bringen.

Doch "Bridge to Terabithia", die Verfilmung des 1977er-Jugendromans „Die Brücke in ein anderes Land“ von Katherine Paterson, möchte mit den indoktrinierten Phrasen des Vereins spürbar wenig zu tun haben. Der grundehrliche Kinderstoff über eine Freundschaft zweier Außenseiter wurde mit einigen mehr oder weniger störenden Bibel-Dialogen und rührseliger Familiensüße überzogen, obwohl er an derartigen Belehrungen eigentlich gar nicht interessiert ist. Die aufdringlichen Passagen, in denen die sonst so cleveren und aufgeklärten Kids plötzlich darüber zu schwadronieren beginnen, wie cool doch Kirche und Gott eigentlich seien, wirken wie Fremdkörper und behindern die ansonsten ebenso fantasie- wie gefühlvolle Geschichte erheblich. Und wenn gegen Waldelfen und Feen mit Handgranaten (!) in den Kampf gezogen wird, ruft das unschöne Erinnerungen an "The Chronicles of Narnia" hervor, wo der Weihnachtsmann den lieben Kindern nichts weniger als Waffen in die Hände drückte – was witziger klingt, als es wirklich ist.

Als "Pan’s Labyrinth" für die jüngeren Zuschauer könnte man "Bridge to Terabithia" schon ein wenig bezeichnen, auch wenn letzterer seine phantastischen Elemente weniger dafür nutzt, das Seelenleben seiner kindlichen Helden widerzuspiegeln, sondern sogar gerade in den Effektmomenten schwächelt (was nicht an der Arbeit der neuseeländischen WETA-Schmiede liegt). Über jene verfügt der Film allerdings ohnehin kaum, die imaginäre Parallelwelt ist als Zufluchtsort deutlich erkennbar und hat keine über ihren reinen Zustand hinausgehende Funktion – mit der (heilenden) Kraft der Fantasie setzt sich zumindest die Filmadaption nicht wirklich auseinander. Diesbezüglich wird sie indes auch irreführend vermarktet: Das Spielfilmdebüt von Gabor Csupo ist trotz seines Fantasy-Anstrichs ein überwiegend menschliches Drama, das seine Figuren und Themen von Freundschaft, Außenseitertum und Verlustangst erstaunlich ernst nimmt.

Sensibel erzählt gefällt der Film vor allem mit seinem Blick durch Kinderaugen. Die Abenteuer der beiden Helden Joss und Leslie werden aus einer entdeckerischen, kindlichen Perspektive beleuchtet, ohne dass die Inszenierung eine übergeordnete Position einnimmt. Entsprechend zurück- haltend sind die filmischen Mittel – zwar dient der musikalische Einsatz als emotionaler Führer, ansonsten dominiert jedoch eine Kamera auf Augenhöhe, die das unbefangene Spiel der Darsteller so einfängt, dass ein jüngeres Publikum keine Probleme haben dürfte, sich den Figuren zu nähern. Als schlicht herausragend muss deshalb auch die Leistung des 14jährigen Josh Hutcherson ("R.V.") bezeichnet werden, seinen cleveren, aber auch unsicheren Charakter interpretiert er mit natürlicher Zerbrechlichkeit und beeindruckender Ausdruckskraft. Nicht weniger überzeugt seine Filmfreundin, die von der ebenso talentierten AnnaSophia Robb gespielt wird – Aufmerksamkeit erlangte sie erstmals als Kaugummi kauende Göre in Tim Burtons "Charlie and the Chocolate Factory".

"Bridge to Terabithia" ist also durchaus ein einfühlsamer Film, dessen belehrende Entgleisungen und eingeschobene Moralgüsse manchem allerdings zu Recht aufstoßen dürften. Der moraline Unterton geht dabei zweifellos aufs Konto der Walden-Media, kann mit etwas gutem Willen aber sicher ausradiert werden, sofern man das darin vermittelte Weltbild nicht als verabsolutiert betrachtet. Dass der Trend liberal maskierter Kinderhaltung mit übersteigertem christlichen Erziehungsauftrag grundsätzlich höchst fragwürdig ist, sollte man jedoch nicht außer Acht lassen – so schön und anrührend dieser Film hier auch erscheinen mag.

65%

Review erschienen bei: Wicked-Vision.de