Februar 26, 2007

Kino: THE GOOD GERMAN

Für seinen neuen Film verschlägt es Steven Soderbergh in das Nachkriegsdeutschland unter den Alliierten kurz vor der Potsdamer Konferenz. Es geht um Liebe, Korruption und Macht im besetzten Berlin, wo der US-Kriegskorrespondent Jake Geismer (George Clooney) seine verflossene Anvertraute Lena Brandt (Cate Blanchett) wieder trifft. Im zwielichtigen Strudel aus Schuld und Unschuld, Wahrheit und Lüge müssen sich beide nicht nur gegen erpresserische Schwarzmarkt- schieber behaupten. Soderbergh möchte nun sicher gern, dass man seinen stilistischen Genreexkurs entsprechend benennt, damit auch jeder gleich weiß, dass sich der um seine Selbstsicherheit zu beneidende Regisseur hier am Film Noir versucht. Ja richtig, die Blanchett als Femme Fatale und der Clooney als Lonesome Rider im undurchsichtigen Verbrechenskabinett, in kontrastreiche S/W-Tristesse getaucht und mit opulentem Sinfonieorchester unterlegt, als würde Max Steiner persönlich zu den Bildern eines Michael Curtiz dirigieren.

An der Oberfläche geht die Rechnung auf. So oder so ähnlich schauen sie aus, die Filme aus den 40er-Jahren, mit den dunklen Gassen, kahlen Wänden und Spuren des Krieges, mit den verwegenen Überbleibseln aus der Zeit der großen Hoffnung irgendwo am Straßenrand, und der entfremdeten Kühle, die eine bittere Distanz zwischen den Menschen schafft. Die Kinozeitreise fällt aber schon aufgrund der Hauptdarsteller schwer. Wer verbindet mit ihnen nicht die aktuellen Kassenerfolge der Saison, die Bilder roter Teppiche, Preisverleihungen und Filmpremieren? Nein, "The Good German" ist kein Relikt aus der glanzvollen Studiofilmära Hollywoods, da nützt jede Anstrengung nichts. Soderberghs Film ist der kokette Versuch an die Magie der großen Vorbilder anzuknüpfen. Diese heißen "Casablanca" und insbesondere "The Third Man". Und natürlich: Dieser Versuch scheitert ganz grandios.

Grundsätzlich ist Soderbergh versessen darauf, seinen Film möglichst stilecht in Szene zu setzen. Die Beleuchtung ist fein abgestimmt darauf, alles und nichts zu zeigen. Die Figuren werden je nach Charakterisierung aus bedrohlichen oder weniger bedrohlichen Winkeln gezeigt, ihre Gesichter meist in Schatten gehüllt, mit Großaufnahmen gearbeitet. Doch geschulte Augen erkennen manche Schlampigkeit darin: Der Film schwankt in seinem Stil. Stimmen werden laut, Soderbergh bewege sich vielmehr in den 60er-Jahren. Doch auch jenseits derartiger Feinheiten schlägt "The Good German" nicht selten schmerzhaft laut daneben. Was dem Regisseur bei aller Ambition entging ist die Entwicklung eines Eigen- oder zumindest Innenlebens seiner Figuren. Die bittere Tragik im Handeln eines Robert Mitchum, die Verzweiflung einer Mary Astor oder das zerrissene Herz der Ingrid Bergman führen doch die ruhmvollen Noir-Klassiker erst zu den existentialistischen Dramen im großen Stil. Soderberghs Film ist seltsam gefühllos, auch und besonders an der Unterfläche.

Wer Cate Blanchett schon immer geschlagen, hoffnungslos verzweifelt und gedemütigt sehen wollte, der sollte sich "The Good German" nicht entgehen lassen. Doch ihre Figur könnte profilloser nicht sein, obwohl Blanchett sich alle Mühe dabei gibt, diesen Eindruck zu verwässern: Mit abgeklärtem Realitätssinn und totaler Desillusion, ganz wie im epischen Brecht-Theater, erinnert vieles in ihrem Spiel an das offensichtliche Vorbild Hildegard Knef im Meistwerk "Die Mörder sind unter uns". Noch schwieriger verhält es sich mit George Clooney. Die Eindimensionalität seiner Figur ist allerdings ungleich weniger problematisch als seine generelle Besetzung. In der vergnüglichen Screwball- Hommage "Intolerable Cruelty" hat er neben Catherine Zeta-Jones bewiesen, dass er eher den liebreizenden Charmeur denn einsamen Detektiv abgibt. Oder anders gesagt: Clooney kann ein wenig wie Cary Grant sein, aber er wird nie an Humphrey Bogart erinnern. Das versuchen Sie vergeblich, Mr. Soderbergh.

Man könnte jetzt höchstens noch versuchen den filmanalytischen Kleingeist im Zaum zu halten (obwohl das ganz sicher nicht der Intention des Regisseurs entspräche!) und sich ganz von der Geschichte mitreißen lassen – läge hier nicht vielleicht sogar die größte Schwäche von "The Good German". Das Drehbuch nimmt zu keiner Sekunde Fahrt auf, die wirren Ereignisse werden ohne jeglichen Spannungsbogen serviert, dramaturgische Entwicklungen gibt es nahezu keine. Die öde Lethargie des Films ist wahrhaft schrecklich, Langeweile in neuen Ausmaßen. Da graut es mir, wenn ich daran denke, dass manch einer im Kino sitzen und sich entsetzt fragen wird, ob denn nun alle großen Hollywoodfilme der 40er derart uninspiriert erzählt seien. Soderbergh gibt hier ein Bild vor, das so einfach nicht stimmt. Der vitale Schleier, mit dem der Film Noir sämtliche Genres durchzog, muss "The Good German" absichtlich verfehlt haben, selbst als „beschwingter“ Nostalgietrip hat er keine Qualitäten. Aber Hochmut kommt leider vor dem Fall.


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