Dezember 23, 2006

DVD: CRASH (2004)

"Million Dollar Baby"-Autor Paul Haggis unternimmt in seinem Spielfilmdebüt den Versuch, den mal latenten, mal offensichtlichen Rassismus in Alltags- und Stresssituationen fragmentartig zu verweben, in mehreren Einzelepisoden porträtiert er Menschen in der Metropole Los Angeles, Menschen schwarzer und weißer Hautfarbe, Mexikaner, Chinesen, Puertoricaner, und lässt ihre Schicksale einander tangieren. Korrupte weiße Polizisten, die ihrer rassistischen Gesinnung tagtäglich Luft machen, irakische Ladenbesitzer, die mexikanische Schlosser beschuldigen und angreifen, farbige Regisseure, die sich diskriminieren und beschneiden lassen, Staatsanwälte, Ermittler, Straßenjungs - Haggis beleuchtet all diese Figuren in ihrem ganz persönlichen Lebenselend, um sie am Ende der Erlösung zu übergeben.

Der Ansatz mag ambitionierter Natur sein, den immer wiederkehrenden, Titel gebenden Autocrash betrachtet der Film als Metapher für den Crash der Kulturen, wie Menschen verschiedenster ethnischer Herkunft aneinander stoßen, sich verspotten, beschimpfen, mit Vorurteilen begegnen. Autounfälle- oder Überfälle sind bei Haggis ein beständiges Symbol für die entlarvende Äußerung von Rassismus in all seinen Ausprägungen, als Scheingrund für den Hass, als Exempel für dessen unmaskierte Darstellung. Die scheinbar fatalen Differenzen zwischen den Kulturen und Rassen, die sind in "Crash" also eine Anhäufung von Unfällen, doch ohne Polemik möchte der Film seine These nicht formulieren. Tatsächlich betreibt Haggis eine folgenschwere Ursachenforschung, an deren Ende er sich mit belehrenden, überambitionierten Lösungsvorschlägen leider grandios verzettelt.

Denn bei aller Mühe, die sorgfältig entwickelten Stränge in einen Zusammenhang zu bringen, krankt der Film an seinen plump aufbereiteten Ansprachen, die er vor dem Zuschauer hält und ihn dabei einer aufdringlich moralinen Lehrstunde aussetzt. Auf die anfänglich abschreckenden, den automatischen Antirassismus des Publikums herauf- beschwörenden Sequenzen voller Gewalt in Wort und Tat folgen alsbald Zufälle und überkonstruierte Begegnungen der Figuren, die ausschließlich Läuterung und Selbsterkenntnis mit aussöhnender Vergebung koppeln und floskelartige Weisheiten predigen, anstatt den ungemütlichen Weg differenzierter Konfrontation zu gehen. Nicht Ohnmacht, nicht Unlösbarkeit finden hier Erwähnung, sondern vielmehr die bemüht unbemühte Erforschung der Ursachen des Rassismusproblems, die in verkalkuliertem Populismus mündet.

Haggis unterstützt seine Zuschauer eifrig dabei, sich entweder gewissenstark bestätigt zu sehen, oder andernfalls einer lauten Anklage beizuwohnen – ohne seine Gedanken einer tiefgründigen Analyse zu unterziehen. Fraglicherweise ist Rassismus in "Crash" letztlich nur ein Konstrukt aus individuell zusammengesetztem Lebensunmut, sowohl die wohlhabende Anwaltsfrau, die ihre Haushälterin demütigt, als auch der Streifenpolizist, der eine junge Frau sexuell belästigt, enttarnen sich als Opfer ihrer Frustration, ihre privaten Probleme und Unglückszustände machen aus ihnen offenbar die Monster des Alltags, als die sie gezeichnet werden. Diese massiv verkürzte wie simple These scheitert schon an ihrer Blindheit gegenüber der Realität, in dem sie das Problem verharmlost und als vereinfacht lösbar darstellt – schließlich müssen alle Rassisten offenbar nur ein wenig Selbstreflexion durchleben, um ihren Hass als ungerechtfertigt zu erkennen.

Der Crash ist dabei nicht nur Auslöser für dieses ungehemmte Deutlichmachen von blankem Rassismus, sondern Beginn einer Ereigniskette, die gleichsam auch wieder zur befreienden Versöhnung führt (Matt Dillon rettet die zuvor missbrauchte Frau aus den Flammen ihres Autowracks). Die dafür entwickelte Bild- und Motivwahl fällt ähnlich grob aus, erdrückende Ethno-Gesänge stören die sensiblen Momente des Drehbuchs, während die Kamera das Geschehen allzu majestätisch ablichtet. Die emotional überkandidelte Schlussmontage ist mit süßlichen Popsongs unterlegt und verzichtet auch nicht auf visuelle kathartische Effekte, wenn wallendes Feuer und flockiger Schnee als verschmelzende Elemente die Reinigung der Figuren bebildern. Die profane Offensichtlichkeit in Haggis’ Inszenierung ist bedauerlich vor allem für die durchweg brillanten Leistungen seines Ensembles, deren talentierte Schauspieler sich jedoch auf verlorenem Posten befinden.


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- erschienen bei: filmzentrale