Oktober 27, 2006

TV: Fernsehtipps 28.10. - 03.11.06

Samstag, 28.10.

22:15 Uhr – „Dracula 2000“ (Pro7)

Inhaltlich mau und unoriginell, aber wenigstens überaus hübsch verpackt. Ich fand es in Ordnung.

0:00 Uhr – „Friedhof der Kuscheltiere“ (Pro7)

In Bezug auf seine Vorlage zwiespältiges Vergnügen, unabhängig von Kings Roman betrachtet allerdings einer der besten Genrefilme der 80er, atmosphärisch unheimlich dicht.

2:40 Uhr – „Poltergeist 3“ (ARD)

Verdammt gruselig in Szene gesetztes, sehr stimmiges Sequel, das zwar in keiner Hinsicht an das großartige Original anknüpfen, mit vielen Spielereien (Spiegeltricks!) aber sehr wohl unterhalten kann.

Sonntag, 29.10.

20:40 Uhr – „One,. Two, Three“ (Arte)

Zählt wohl zu den 10 besten Komödien, die je gedreht wurden. Hier stimmt einfach alles, absolutes Pflichtprogramm! Wenn doch nur heute noch jemand so wunderbare Drehbücher schreiben würde…

22:20 Uhr „Echoes“ (K1)

Frech zusammengeklauter, aber deshalb nicht minder gruseliger Horrorthriller, der lediglich durch seine Auflösung enttäuscht.

1:15 Uhr – „The Purchase Price“ (ARD)

Liebeskomödie aus dem Jahre 1932 - Allein Barbara Stanwyck ist Grund genug, einen Blick zu riskieren!

1:20 Uhr – „King Kong“ (ZDF)

Fesselndes Relikt einer Filmära, wie es sie so produktiv nie wieder gab.

Montag, 30.10.

23:05 Uhr – „Der Pianist“ (MDR)

Individualisiertes Holocaustdrama, das einen emotionalen Effekt nach dem anderen sucht. Diskussionswürdig.

Dienstag, 31.10.

2:25 Uhr – „Halloween“ (Pro7)

Carpenters gelungene Schlitzermär, die ihren latent reaktionären Grundtenor mit suggestiven Mitteln überspielen kann. Dennoch lange nicht so gut, wie jeder 08/15-Filmkenner zu wissen scheint.

22:45 Uhr – „Suspiria“ (Arte)

Und noch ein Film von einem ähnlich überbewerteten Regisseur. „Suspiria“ allerdings ist eine große Leistung, mit visueller Brillanz lädt Argento zu einem okkulten Alptraum aus Gewalt und Terror, ein Muss! Läuft im Rahmen eines interessant anmutenden Themenabends, die Fassung könnte aber stark geschnitten sein.

Mittwoch, 01.11.

10:55 Uhr – „Jason und die Argonauten“ (K1)

Diese Spezialeffekte erstaunen mich noch heute, wen interessieren da narrative Engpässe!?

22:20 Uhr – „Final Destination“ (Pro7)

Einer der wenigen guten Vertreter aus dem großen Strudel der Post-„Scream“-Ableger. Spielt gekonnt mit den Erwartungen, kann das anfänglich geäußerte Interesse an seinen Figuren aber leider nicht einhalten.

Donnerstag, 02.11.

22:25 Uhr – „Tod in Venedig“ (3SAT)

Adaption der Mann-Novelle von Visconti. Bislang eine Lücke bei mir, die geschlossen gehört!

Freitag, 03.11.

23:10 Uhr – „Roter Drache: Blutmond“ (Pro7)

Hannibal Lecters erster Leinwandauftritt. Leider aber verhunzt Michael Mann seine Bebilderung der großartigen Vorlage mit stilloser Ausstattung und gelangweilter Regie. Nur William Peterson kann überzeugen. Insgesamt dennoch besser als die zweite Verfilmung des Stoffes 2002.

Kino: BORAT

„Jagshemash!“ grüßt Borat Sagdiyev, ein Dokumentarfilmer aus dem idyllischen Kasachstan, wo Frauen verkauft, Schwule gehängt und Juden verfolgt werden. „Mein Beruf: Fernsehreporter. Ich zweit meist erfolgreich in ganz Kasachstan. Ich auch habe Arbeit in Vergangenheit als Zigeunerfänger, Eismacher und in Computerwartung. Ich strich die Außenseiten und entfernte tote Vögel aus den Röhren.“ – In seiner Heimat ein gefeierter TV-Star, möchte Borat deshalb nun durch die USA, nein, die US of A, reisen, um ein wenig die amerikanische Kultur, die Lebensart, die Einwohner kennen zu lernen. Die von Rassismus, Antisemitismus und Misogynie bestimmten Ansichten des Moderators stoßen bei den US-Landsleuten, denen er auf seiner Reise begegnet, allerdings auf weniger Widerstand als erwartet: Auf Anfragen, welche Waffen besonders geeignet seien, um Juden zu erschießen, oder wo es Autos zu erwerben gäbe, mit denen man am besten unbeschadet Zigeuner überfahren könne, erhält er ebenso hilfreiche wie ehrlich gemeinte Antworten. Sein Ziel ist jedoch ein ganz anderes: Borat hat sich in Pamela Anderson verguckt – und diese soll in Kalifornien seine Frau werden.

Mittlerweile ist Sascha Baron Cohen kein Geheimtipp mehr. Als englische Comedy-Galionsfigur Ali G. feierte er seinen Durchbruch, bewies als Schauspieler zunächst im Madonna-Clip "Music" und später in Box Office-Hits wie "Talladega Nights: The Ballad of Ricky Bobby" sowie als Moderator verschiedener Awards sein vielseitiges, stets berstend komisches Talent. Die "Ali G. Show" war es auch, in der die Figur Borat regelmäßig auftauchte: Ein kasachischer Journalist, der auszog, um die westliche Welt zu erforschen. Gemeinsam mit dem "Seinfeld" und "Curb Your Enthusiasm"-Produzenten Larry Charles und Jay Roach ("Meet the Parents") bringt Cohen das Konzept unter dem Namen "Borat - Kulturelle Lehrung von Amerika um Benefiz zu machen für glorreiche Nation von Kasachstan" nun unverändert auf die große Leinwand – in einer Real-Satire, die weit über den komödiantischen Duktus, nichts ahnende Passanten zu verschaukeln, hinaus geht: Die Kameras sind hier unter dem Deckmantel einer vermeintlichen Dokumentation sichtbar, dokumentieren als Ironie des Prinzips das Geschehen aber dennoch. Ein durch und durch subversives Unterfangen, das nicht nur blankes Entblößen bereithält, sondern dem bei allem Humor als Zeugnis von Zwischenmenschlichkeit der tiefe Wille nach dem kulturellen Dialog inhärent ist.

Denn zumeist tut Borat nichts anderes als reden. Er ist hyperkommunikativ, exaltiert, zappelig. Wie er da als unbeholfener, lang gewachsener und schnurrbärtiger Moderator durch das Geschehen hüpft, bescheiden, aber auch neugierig, das allein ist schon mindestens so urkomisch wie liebenswert zugleich. Die zynischen Fragen, die er Waffenhändlern, Studenten oder auch Politikern stellt, sind überraschenderweise nichts gegen die Antworten, die er bekommt. Hier ist freilich nicht alles ernst gemeint. Und doch einiges, das hat wohl schon einen gewissen Hintergrund: Wenn Borat als Zeichen freundschaftlicher Begrüßung gegenüber einem texanischen Rodeoreiter zum Wangenkuss ausholt, dann wird ihm mit überzeugter Mine entgegnet, dass ohnehin alle Schwulen an den Galgen gehörten. Diesem Abschnitt folgt auch der bissigste Teil des Films, der Cohen auch ernsthaft in Gefahr brachte: Vor dem Rodeo-Publikum verunglimpft Borat die US-Nationalhymne und singt von Kasachstan, dem schönsten Land der Welt, und George W. Bush, der das Blut der Kinder und Frauen im Irak trinke. Die anfänglichen Jubelschreie wandeln sich zu heftigen Buh-Rufen – diese Sequenz ist exemplarisch für die forcierte und doch unerwartete Reaktion der Beteiligten. Hier stellt sich nur das bloß, was auch bloßgestellt gehört.

„Ich hoffe ihr Amerikaner seht meine Film, aber bitte sein gewarnt, da es enthält schmutzige Flüche, sinnlose Gewalt und eine Nahaufnahme des Bishkek von einem Mann, es hat bekommen sehr strenge Beschränkung in Kasachstan, heißt niemand unter 3 Jahre wird es sehen können.“


Das alles schreit natürlich förmlich nach Skandal. Die Regierung des Staates Kasachstan fühlt sich diskriminiert, das Europäische Antiziganismuszentrum hat bereits rechtliche Schritte eingeleitet. Die Aufregung ist unnötig, Cohen bedient zwar jedes nur erdenkliche Klischee, er lässt diese aber auch konsequent als solche erkennbar. Da ist es auch eher unwesentlich, dass der Brite selbst jüdisch ist, denn "Borat" macht Gesetz seiner satirischeren Equilibristik weder Halt vor überzogenen Verunglimpfungen von Sinti, Roma oder Juden, noch vor Kasachen, Russen oder Amerikanern. Tatsächlich beruht ein Großteil der aberwitzigen Wirkung des Films auf den Reaktionen der konfrontierten Interviewpartner – und diese gehen nur sekundär auf Cohens Konto. Letztlich sorgt nicht der naive Hinterwäldler Borat für den Kulturschock beim Zuschauer, sondern vielmehr Bilder wie die einer ferngesteuerten Menge, die im Zuge eines zur Event-Show umfunktionierten Gottesdienstes wild gestikulierend ihren Superstar Jesus feiert. Borat kann da nur noch entsetzt dreinschauen, hier wird wohl selbst sein Brachialhumor keine Abhilfe mehr schaffen können: Ein Umfeld, das sich selbst denunziert.

Und so ist "Borat" zwar unglaublich komisch (in der Originalfassung!), aber doch auch ein bisschen ernst. Die Geschmacklosigkeiten, in die sich Cohen gern einmal verliert, können nicht den Dienst dieses Films mildern. Seine Figur ist erschreckend liebenswürdig und hilflos auf der Suche nach Verständnis, nach zwischenmenschlichem Austausch. Dass Borat seinem Gegenüber mitunter so unverhüllt die Masken abnimmt, das hat nicht nur etwas von Michael Moore – dessen Dokumentationsstil bekanntlich ähnlich diskutiert wird – das hat vor allem etwas Dankenswertes. Bei all dem Zweifel eifriger Kulturverfechter ist es genau diese Form der vermeintlichen Polemik, die die Filmlandschaft benötigt. Vielleicht muss einem da auch erst das Lachen im Halse stecken bleiben.

80%


Review erschienen bei: Wicked-Vision.de

Oktober 24, 2006

News: DAY OF THE DEAD Trailer

Der erste Trailer zur Neuverfilmung des Genreklassikers „Day of the Dead“ (hierzulande unsinnigerweise auch bekannt unter „Zombie 2: Das letzte Kapitel“) ist erschienen. Mir fehlen eigentlich die Worte angesichts dieser Augenkrebs verursachenden DTV-Bilder, der Film wird wohl sicher eine noch größere Frechheit als das „Dawn of the Dead“-Remake. Aber ruhig bleiben, George. Früher oder später kommen die Toten auf die Erde zurück und werden diesen Stümpern den Garaus machen. Und den Remake- Kiddies gleich mit.

Oktober 23, 2006

News: HOT FUZZ Teaser

Es wird mit Sicherheit der witzigste Film des nächsten Jahres. Das bewährte Team – bestehend aus Regisseur Edgar Wright, Darsteller Simon Pegg und Nick Frost – widmet sich nach „Shaun of the Dead“ nun dem Polizeifilmgenre. Als großer „Spaced“-Fan kann ich es kaum erwarten, die beiden Teaser sind zum Brüllen!

Oktober 22, 2006

TV: Fernsehtipps 21.10. - 27.10.06

Sonntag, 22.10.06

17:10 Uhr – „Die Unendliche Geschichte“ (K1)

Der einzige gute Film, den Wolfgang Peterson je inszeniert hat. Nostalgie aus Kindestagen ist da angesagt!

1:05 – „The Blair Witch Project“ (Pro7)

Brauch man wohl nicht viel zu sagen, ein ebenso einfacher wie wirkungsvoller Geniestreich, der die Mittel der Suggestion bis aufs Äußerste ausreizt. Meilenstein!

Montag, 23.10.

20:15 Uhr – „Eine schrecklich nette Familie“ (K1)

Top10 Zuschauerwahl-Folgen, na ja. Soll ja Fans von der Serie geben (jetzt habe ich mir Feinde gemacht).

Mittwoch, 25.10.

22:15 Uhr – „Harry und Sally“ (HR)

Ein Film über die vermeintlichen Klischees von Frau und Mann, der selbst zum Klischee wurde.

Donnerstag, 26.10.

3:35 Uhr – „Ich liebe Dick“ (Vox)

Sehr amüsant-charmante Satire mit einer bezaubernden Michelle Williams. Geheimtipp!

Freitag, 27.10.

22:15 Uhr – „Psycho“ (Das 4.)

Falsches Bildformat sollte vom Einschalten abraten, aber wer ihn denn wirklich noch nicht kennt (gibt es da jemanden?), der kann dieses Defizit jetzt ausmerzen: Ohne Zweifel einer der 10 besten Filme aller Zeiten.

23:40 Uhr – „Die Unzertrennlichen“ (Tele 5)

Läuft wohl leicht gekürzt und im falschen Format, dennoch sollte erwähnt sein, dass Cronenbergs Film zu den subversivsten filmischen Essays gehört, die jemals das Licht der Leinwand erblickten. Ich halte große Stücke auf den Film, der allerdings nur im Kontext der anderen Werke des Regisseurs funktioniert.

0:20 Uhr – „Breakdown“ (Pro7)

Der Film propagiert Selbstjustiz, aber das immerhin auf sehr hohem Niveau. Beklemmend und sehr spannend.

Fazit: Was ist das eigentlich für eine langweilige Fernseh- woche?

Oktober 21, 2006

DVD: FEAST

Immer wenn Figurenentwicklung und narrativer Aufbau so dürftig ausfallen, dass sich die Unfähigkeit, den Protagonisten zumindest ein klein wenig Leben einzuhauchen, schon in den ersten 10 Minuten regelrecht aufdrängt, dann setzt man für gewöhnlich einerseits auf verkürzte Schrifttafeln im cool durchstilisierten Freeze, um Charakterisierungsdefizite des Drehbuchs durch lakonische One-Liner einzutauschen, andererseits auf hektische Schnitte, wildes Kameragewackel im Kaminski-Stil und wummernden wie beliebigen Metal-Soundtrack. Ungünstig nur, dass „Feast“, produziert u.a. von Matt Damon, Ben Affleck und Wes Craven, bereits zu Beginn mächtig kaschieren muss, wo für gewöhnlich erst dann auf technisches Gezappel zurückgegriffen wird, wenn sich alles etwas verfangen haben sollte. So will dieser postmoderne Splatterhappen leider keinen rechten Rhythmus finden und krankt besonders anfänglich und in der Mitte an langatmigen Hängern.

Es liegt wohl an Regieneuling John Gulager (Sohn des beinahe legendären Clu Gulager, „Return of the Living Dead“), dass dieser eindeutig retrospektiv orientierte Low-Budget-Horror einigermaßen Spaß bereitet, etwas naiv und auch verspielt versucht er der einfallslosen Geschichte – eine weitere einfältige Wiederholung der Hitchcockschen Grundprämisse aus „The Birds“ – durch einige Klischeebrüche und verhältnismäßig überraschend eingestreute Einfälle hier und da frischen Wind entgegen zu blasen. Die Bemühungen sind ersichtlich, über die vermutlich kurzweilig veranschlagten, aber doch ziemlich zähen 85 Minuten Spielzeit retten sie indes kaum, dafür bedient man sich zu deutlich beim 08/15-Genretopoi und verschenkt spannend variierbare Konflikt- und potentielle Ausbruchssituationen durch die leider merklich schnöde Dramatis personae.

Unnötig zu erwähnen, dass der Gorehound mit schnell montierten, aber drastisch-blutigen Bildern verwöhnt wird, die in ihrer ausnahmsweise nicht komisch überzogenen Darstellung an die Matschorgien vieler Vorbilder von Scotts „Alien“ bis zu Carpenters „The Thing“ erinnern, mit unübersichtlicher Rasanz durch die eindeutig künstliche Inszenierung aber entschärft werden. Da auch die Action, mit Western-Elementen und trockenem Humor angereichert, betont im Vordergrund steht, ist „Feast“ ordentlich heruntergekurbeltes Videofutter, das von Connaisseurs wohl dankbar aufgenommen wird. Immerhin ruft das Ganze zeitweise Erinnerungen an vergangene Genretage hervor, das ist ja schon mal was.

50%

Oktober 19, 2006

Kino: JACKASS NUMBER TWO

Da sind sie wieder, die üblichen Verdächtigen - Johnny Knoxville (Chef und Rekordhalter im Ohnmächtigwerden bei den Dreharbeiten), Steve-O (der, der immer kotzt), Bam Margera (der, der immer seine Eltern quält), Ryan Dunn (der mit dem Bart), Chris Pontius (der, der sich bei pulsierenden Technobeats gern auszieht), Dave England (der, der ziemlich gewagte Skateboardakrobatik vollführt), Jason "Wee Man" Acuña (kleiner Mann ganz groß), Preston Lacy (die Kampfwurst) und Ehren McGhehey (der mit den angeklebten Schamhaaren im Gesicht). Und mit ihnen kommen die neusten Ergüsse sadomasochistischer Selbstmalträtierung, als da wären: Angelhaken durchs Wangenfleisch bohren („I can't believe I'm fishing with Steve-o as my bait!“), Pferdesperma trinken, Pferdekot kauen, Stierkampf mit blindem Matador, Bier in den Analbereich einflößen, sich als freizügige, will heißen mit herauspurzelndem Hodensack präsentierende Rentner verkleiden und die Hip-Hop-Voroorte unsicher machen, und viele, viele irrsinnige Stunts, Experimente und anarchistische Selbstversuche, ganz nach dem Motto: "Because it was funny."!

Da gibt es nichts zu diskutieren. "Jackass", das ist für manch einen der bebilderte Untergang abendländischer Kultur, ein grauenvolles Exempel menschlicher Fehlentwicklung und eine fragwürdige Aushebelung von Wert und Sitte, die alle in den Verfall treiben wird. Nicht umsonst entspringt 'Party-Boy' Chris Pontius im Luziferkostüm einer zur sinnbildlichen Hölle umfunktionierten Baustelle und wedelt vor den Augen entsetzter Passanten groß mit der Aufforderung: "Keep God out of California!", hier gibt es höchstens Platz für blasphemische Chaosexzesse. Normal sein ist schon lange uncool. Sich normal verhalten erst recht. Und was überhaupt ist schon normal? Etwa in Anbetracht all dessen, was die Jungs dort zu unserem vermeintlichen Entsetzen fabrizieren, den Blick abzuwenden? Dann sind Millionen Menschen streng genommen unnormal. Wobei das ja nun eigentlich auch wieder kein Geheimnis ist.

Es lässt sich lange drehen und wenden, am Ende gibt es die, die das Kino stürmen, und die, die es vorzeitig wieder verlassen oder gar nicht betreten, und in jedem Falle werden Zugehörige erster Kategorie mit abermals die Grenzen der Grenzen durchbrechenden Nonstopattacken auf die Lachmuskeln belohnt, Zeuge einer so radikal wie konsequent unfilmischen Kinofassung (in nunmehr zweiter Runde) all der bereits in der MTV-Serie von 1999 etablierten Beispiele eigentlich beispielloser Destruktion am eigenen Leibe. So abstoßend, so unanständig das auch sein mag, es ist pure Transparenz, eine ungeformte Abbildung von Chaos und street behaviour, von Jungenstreichen und postpubertärem Unfug, wie ihn ein jeder in uns kribbeln spürt, wie man ihn in der ein oder anderen Form auch schon herausgelassen hat, und wie man es eben deshalb so urkomisch findet, was die Jungs da ob der Geschmacklosigkeit treiben.

Dabei ergäbe großes Rätseln, wie diese bizarre Form von Sadismus zu erklären sei, weniger Sinn als die Frage, warum es angesichts des überwältigenden Erfolges der Serie und Filme so legitim scheint. Mutmaßungen führen schnell zur allgemeinen Lust am – im Kontext alberner Späße und der eigenen Freiwilligkeit der Betreffenden – Leid anderer, der Schadenfreude, dem hemmungslosen Voyeurismus, den wir da bedienen. Aber wesentlich ausschlaggebender für die Wirkung dieser mehr oder weniger wahllos montierten Stunts, die sich zumeist aus einem nicht unterdrückbaren Drang der gedanklichen Partizipation am Gezeigten äußert, ist das Gemeinschaftsgefühl, das dieses mit Videokamera festgehaltene Blödelgebräu hervorruft. Nicht nur lacht der Zuschauer über diese gegenseitige Penetration, er lacht vor allem auch mit den Jungs, die sie betreiben. Und dass diese zwar offenbar nur relativ wenig respektvoll miteinander umgehen, ist dabei kein Widerspruch: In genau den Momenten, in denen sie sich alle auf dem Boden biegen vor Lachen, da sind sie so eng und gemeinsam, wie wahre Freunde vermutlich überhaupt nur sein können.

Denn diese ganzen Sauereien erwecken nicht zufällig immer auch ein wenig den Anschein von versuchten Selbstfindungsexperimenten, die Malträtierung des eigenen Körpers, um sich selbst - und um anderen - näher zu kommen. Jegliche sich aufdrängende sexuelle Konnotationen werden zumindest nicht dadurch entkräftigt, dass Trash- und Schwulenikone John Waters als Lehrmeister mit Dirigierstab auftritt. Und nicht zuletzt steht "Jackass" mit seiner Geschmacklosigkeit und bewussten Provokation überdeutlich in genau dieser Tradition des Tacky Cinema, und setzt die feierlichen Orgien der Grenzüberschreitung aus Waters' "Pink Flamingos" (1972) fort: Wo Drag Queen Divine einst frischen Hundekot verspeiste, da wird derweil eben Pferdesperma verzehrt - so lange es dem Initiationsritus dienlich ist, sei es den Probanden doch vergönnt. Diese Bilder mögen abstoßend sein, in ihrer unbefleckten Reinheit sind sie dennoch umso ehrlicher. Von wie vielen Filmen kann man das denn schon noch behaupten?

70%
Review erschienen bei: Wicked-Vision.de

News: THE GOOD GERMAN Trailer

Der neue Film von Steven Soderbergh macht den Eindruck eines Noir-angehauchten Kriegsdramas, das Plakat ("Casablanca" lässt grüßen) ist schön anzuschauen und auch der Trailer regt durchaus Interesse. Es wäre zudem nicht das erste Mal, dass das Gespann Soderbergh/Clooney etwas Überzeugendes zusammenbastelt.

Oktober 15, 2006

Retro: POPCORN (1991)

Ziemlich behäbig beginnt der Film, mit einer höllisch schlecht inszenierten Traumsequenz, viel wirrem Gedöns und banalen Dialogen, präsentiert in äußerst unstimmiger Serienoptik, und zusammengewürfelt mit vielen als Schauspieler getarnten Knallchargen und Konventionen, um dem auch 1991 offenbar immer noch nicht gänzlich aus den Kinos verbannten Teenieslasher zu huldigen. Dass sich hinter dieser wenig einladenden Erscheinung tatsächlich eine amüsante und mit Referenzen geradezu voll gepumpte Hommage an das Trash- und B-Movie-Genre verbirgt, dafür brauch „Popcorn“ – so der gegenüber „Skinner… lebend gehäutet“ ungleich treffendere Originaltitel – leider eine gute halbe Stunde, weiß dann jedoch abgesehen von einigen Hängern und groben Schwächen im Drehbuch weitestgehend zu gefallen.

Die pannenreichen Produktionsumstände sind dabei merklich spürbar, so wurde Regisseur Alan Ormsby („Deranged“) bereits nach Drehbeginn durch den unerfahrenen Mark Herrier ersetzt, ebenso wie auch Jill Schoelen („The Stepfather“) erst nach einigen Wochen in die Hauptrolle schlüpfte. Bei aller Liebe fürs Sujet ist „Popcorn“ leider ziemlich schludrig in Szene gesetzt, so richtig weiß Herrier offenbar nicht, ob er eine liebenswerte Genreparodie oder eigentlich doch einen ernsten, etwas okkulten Thriller abliefern möchte. Erst das Finale lässt vermuten, dass er einer eher augenzwinkernden Intention folgt, wenn die Verquickung von Film-im-Film-Elementen und das Spiel mit den Grenzen von Kino und Realität den gelungenen Abschluss markieren.

So kann mit viel gutem Willen geflissentlich übersehen werden, dass das ganze technisch überaus einfältig dahin schreitet. Besonders der schwache Schnitt verhindert Drive und Kontinuität, und verträgt sich auch wenig mit der vom Drehbuch implizierten, inneren Geschlossenheit. Bei all der doppelbödigen Verspieltheit, die „Popcorn“ auszeichnet, gefallen insbesondere die stilecht arrangierten B-Movie-Ausschnitte, denen man die Liebe fürs Detail mitunter deutlicher anmerkt, als letztlich dem Film selbst. Gehuldigt wird da natürlich den Größen des Genres, seien es Jack Arnold („Tarantula“) oder William Castle („Macabre“), dem auch Elektroschocks auf Knopfdruck oder die durch den Kinosaal fliegenden Riesenattrappen entlehnt sind. Hier werden im Übrigen Erinnerungen an den zwei Jahre später entstandenen Joe Dante-Höhenflug „Matinee“ wach, genauso wie das altkluge Studentengeschwafel und der für Fiktion gehaltene Mord vor grölendem Publikum stellenweise an Wes Cravens „Scream 2“ (1997) erinnern. Herrier selbst orientiert sich strukturell wohl ein wenig an Lamberto Bavas „Demoni“, ohne allerdings an dessen drastische Make-Up-Eskapaden anzuknüpfen.

Das alles ist also gut gemeint, scheitert aber doch an seiner formalen Divergenz, offenbar wollte hier in kreativer Hinsicht jeder etwas anderes, mal Slasher, mal Gruselkomödie – und im nächsten Moment wird schon wieder mit selbstreferentiellen Zutaten um sich geschmissen, während die Produzenten wohl nach dem sicheren R-Rating schielten. Ein waschechter Flop wurde „Popcorn“ dennoch, angesichts seiner sperrigen Art nicht verwunderlich. So etwas lässt sich schwer verkaufen, die Unausgegorenheit des Films ist schon im Trailer zu erahnen. Und doch, die charmante Naivität, die bemühte Unbeschwertheit, die Herrier hier aufbringt, ist immer noch wesentlich angenehmer als so vieles, was der seelenlose Genremarkt sonst zu bieten hat.

5/10

Oktober 14, 2006

Vergleich: BROKEBACK MOUNTAIN

Wie zu erwarten keine allzu großen Unterschiede zwischen der englischen und deutschen Veröffentlichung (Single und 2-Disc-Edition identisch). Etwas unterschiedliches Rauschen und ein minimal größerer Bildausschnitt der UK sind auszumachen. Wer einen Vergleich der RC1 beisteuern kann, bitte melden.

TV: Fernsehtipps 14.10. - 20.10.06

Samstag, 14.09.

0:55 Uhr – „Stephen Kings Quicksilver Highway” (K1)

Fand ich eigentlich überaus gelungen. Besonders die zweite Geschichte dieses Episodenfilms kann mit tollen Tricks aufwarten.

Sonntag, 15.10.

20:15 Uhr – „Fluch der Karibik“ (Pro7)

Hat seine Stärken und ist auch durch die Verquickung von Piraten- und Horrorfilmelementen relativ reizvoll, krankt aber an einem Drehbuch, das sich ungefähr 10mal so oft im Kreis dreht, wie Jack Sparrows Black Pearl.

23:25 Uhr – „Die Nacht des Jägers“ (3SAT)

Eine brillante Stil-Studie, an der kein Filmfan vorbei kommt.

Dienstag, 17.10.

23:15 Uhr – „Mein liebster Feind“ (BR)

Eine großartige Doku, die viel zum Verständnis des eigentlich unverständlichen Gespanns Kinski-Herzog beiträgt.

Mittwoch, 18.10.

14:00 Uhr – „Fluchtweg unbekannt“ (3SAT)

Im Tagesprogramm verstecken sich oft kleine Screwball-Perlen, ich werde mir diesen Film mit der bezaubernden Rosalind Russell vormerken.

Donnerstag, 19.10.

1:20 Uhr – „Alexis Sorbas“ (ZDF)

Freitag, 20.10.

23:15 – „Der Hexenclub“ (Pro7)

Der Film ging immer etwas unter, dabei finde ich ihn durchaus in Ordnung. Hier ergeht es den Teens zumindest etwas glaubwürdiger im Umgang mit ihren Kräften als in ähnlichen Produktionen wie „Charmed“.

2:35 Uhr – „Im Zeichen des Vampirs“ (ARD)

Genreklassiker, etwas angestaubt, aber mit einem wunderbar überraschenden Ende.

Oktober 13, 2006

News: GRIND HOUSE Trailer

Der erste Trailer zu „Grind House“, der neuen Zu- sammenarbeit von Tarantino und Rodriguez, wurde veröffentlicht. Darin zu sehen: Ausschnitte aus der Episode „Planet Terror“ (directed by Rodriguez) und dem Fake-Trailer. Das sorgt natürlich bereits jetzt für überlaufende Web-Euphorie. Viel schief gehen da eigentlich nicht, deshalb: Ansehen und vorfreuen.

Oktober 10, 2006

Kino: THE WICKER MAN

Die negative Eigenschaft, einen Filmstoff nicht nur zu wiederholen, sondern ihn vor allem zu amerikanisieren, weist auch "The Wicker Man" auf, das Remake des zu einem Kultfilm avancierten, englischen Mysterythrillers von Robin Hardy aus dem Jahre 1973. Weniger geringe Einzelheiten, denn grundlegende Änderungen forcieren in Neil LaButes Version den Blick auf einen interessant gestalteten, geschlechterspezifischen Text, der eine weiter variierte Fortsetzung des Mann-Frau-Themenkomplexes ist, den man bereits aus früheren Werken des Filmregisseurs und Theaterautors - darunter "Your Friends & Neighbors" - kennt. Trotz seiner dramaturgischen Übereinstimmungen und mitunter direkt dem Original entlehnter Sequenzen ist das Update des "Weidenmannes" eine angenehm unaufgeregte Angelegenheit und zählt zu den besseren Genreneuauflagen der letzten Jahre.

In Großbritannien einer der beliebtesten Horrorfilme aller Zeiten, fristet "The Wicker Man" hierzulande (und auch in den USA) ein eher unbekanntes Dasein und wurde auch nie offiziell veröffentlicht, obwohl das damalige Kinoplakat mit der übergroßen Strohpuppe zu den bekanntesten Motiven des Genres zählt und Altstar Christopher Lee immer wieder betonte, wie sehr er den Film und seine Rolle darin schätzen würde. Entsprechend verwirrt äußerte dieser sich zu der Veränderung gegenüber der Vorlage, den Anführer der mysteriösen heidnischen Sekte nun zu einer Frau umzuschreiben, die als Matriarchin über Recht und Unrecht von Summersisle waltet. Darüber hinaus wurde die Handlung ungünstigerweise von Schottland in die Vereinigten Staaten transferiert und die offenherzige Darstellung der Sekteninteressen des Originals – hemmungsloser Sex, wo und wann immer man den Willen danach verspürt – somit gleich ausradiert.

LaButes Film ist ungleich zahmer geraten, da er den antipuritanischen Geist der Vorlage geflissentlich ignoriert. Edward Malus war darin ein erzkonservativer Polizist, der auf der seltsamen Insel mit all dem konfrontiert wird, was gegen seinen Glauben, seine Weltanschauung, seine Prinzipien verstößt. Letztlich wird die fromme Konformität des Mannes ihn nicht schützend isolieren, sondern in einem der konsequentesten wie überraschendsten Filmenden des Genres bildgewaltig in den Abgrund stürzen.


Nicolas Cage interpretiert die Figur anders: Zwar ist auch er ein gehemmter, unsicherer Mann, doch resultiert dies aus einem persönlichen Unfalltrauma, wie das Drehbuch eigenständig dem Stoff hinzudichtend am Anfang demonstriert, als bei einem Unfall eine Mutter und ihre kleine Tochter ums Leben kommen, ohne dass Malus Hilfe leisten kann. Im Gegensatz zum Original ist er somit ein von Flashbacks geplagter Suchender, der nur noch wenig mit der adult virgin aus dem Jahre 1973 gemein hat. Die berühmt-berüchtigte Antiklimax wiederholt LaBute allerdings dennoch, obwohl er deren Intention aus dem Subtext löst – in seiner Version ist Malus sogar Vater einer Tochter.

Zwar verliert der Stoff durch die verharmlosenden Änderungen an Essenz und Aussagekraft, dem Regisseur gelingt es aber trotzdem, verhältnismäßig reizvoll, die strukturellen Ähnlichkeiten in den Dienst einer selbst formulierten Richtung zu stellen. Der einstige Kampf zwischen einer neuen, vermeintlich aufgeklärten und einer traditionellen Welt, deren Bewohner es mittels der Eliminierung selbst auferlegter Dogmen in ihrer unmodernen Erscheinung letztlich weitaus progressiver zu leben pflegten, wird nun zu einer Gegenüberstellung der Geschlechter erklärt, bei der Männer einen rein funktionellen Zweck erfüllen und über ihre Aufgabe als Samenspender und Ritualopfer nicht hinauskommen. Man mag dieser etwas plakativen Umformulierung LaButes kritisch gegenüber stehen, doch er setzt sie entsprechend kompromisslos in Szene, ohne dabei zu vergessen, den Widerspruch einer der Natur verpflichteten Gruppierung, die diese für ihre soziale Ungleichheitsstruktur längst zu missbrauchen scheint, aufzuzeigen.

Zurückhaltender wird der Regisseur eher, wenn es um die unkonventionelle Inszenierung der 73er-Version geht. Tatsächlich unternahm Hardy in der Vorlage offenbar alles, um seinen Film nicht kategorisierbar zu gestalten, da trafen okkulte auf rein der Thrillernarrative verpflichtete Elemente, wurde gesungen und getanzt, sodass ganze Passagen den Charakter eines schrägen Musicals besaßen, und nicht mit Freizügigkeit gegeizt. Schräge Ethnoklänge und der zu heftigem overacting neigende Christopher Lee als Inselprophet unterstrichen dabei nur die Merkwürdigkeit des Ganzen, was im Remake, trotz einer bemüht unheimlichen Musikuntermalung durch Angelo Badalamenti ("Blue Velvet") und malerischen wie gleichzeitig unheimlichen Bildern, in ihrer Eigenwilligkeit nicht wiederholt werden kann.

Und dennoch ist auch der neue "The Wicker Man" ein mitunter faszinierend seltsames Erlebnis. Zwar kann LaBute Zugeständnisse an das moderne Publikum nicht vermeiden, indem er einige selbstzweckhafte Schockszenerien und einen überaus ärgerlichen Epilog entwirft, doch hält er sich deutlicher an die ruhige Erzählweise Hardys, als vorher anzunehmen war. Kenner des brillant aufgebauten Originals werden kaum überrascht, unvorbereitete Zuschauer indes dürfte die durch und durch eigenwillige Handlung ähnlich verunsichern, wie einst auch die Vorlage, die geschickt mit den Erwartungen spielte und beinahe jede Minute mit neuen Plottwists aufwarten konnte. Zudem gelingt es Cage, mit der Darstellung des zweifelnden Polizisten, nach vielen gesichtslosen Rollen, die er zuletzt verkörperte, eine erstaunliche Präsenz und Glaubwürdigkeit an den Tag zu legen, wenn seine Performance dem Vergleich mit jener von Edward Woodward auch nicht standhalten kann.

Es ist also wie so oft bei Neuverfilmungen alles eine Frage des Blickwinkels. Das Original "The Wicker Man" hat viele Anhänger, die es nicht zuletzt für seine zynische Auseinandersetzung mit dem Konservatismus schätzen und wenig begeistert über den neuen Ton des Stoffes sein dürften. Überraschenderweise konnte auch das Remake das unvorbereitete Publikum nicht begeistern und blieb in den USA weit hinter den Einspielerwartungen zurück. Gemessen am Original wäre das zumindest ein Segen – Jahre später wurde es vielerorts überhaupt erst aufgeführt und entsprechend gewürdigt.


60% - erschienen in der: filmzentrale

Oktober 09, 2006

Retro: BRINGING UP BABY (1938)

Kein Film hat es so sehr auf einen Nenner gebracht, so anschaulich und unchiffriert bebildert, worum es bei der Screwball Comedy geht wie "Bringing Up Baby", einem zeitlosen, unübertroffen dynamischen Film von Howard Hawks ("His Girl Friday"), der eines der umwerfenden Leinwandpaare etablierte, die Hollywood je gesehen hatte - den charmant exaltierten Cary Grant und die ebenso emanzipiert wie liebevoll auftretende Katharine Hepburn, die sich einen permanenten verbalen Schlagabtausch liefern, wie es ihn in so exakt auf den Punkt gebrachten Dialogen nie zuvor - und vielleicht auch danach nicht mehr - zu sehen gab.

Mit "It Happened One Night" hat es Frank Capra vorgemacht, sein Lustspiel furioser Gegensätzlichkeit von Frau und Mann, eine amüsante Überspitzung der Geschlechterunterschiede legte den Grundstein des Subgenres, lieferte das Handwerk, mit dem Hawks diese Komödienspielart erst verfeinerte und schließlich auch perfektionieren sollte, in dem er Handlung und Dialoge zuspitzte, um Erosionen zu forcieren, die sich in turbulenten wie furiosen Bewegungen und einer bis dato nicht gekannten Sprachakrobatik äußerten. Hepburn als elegant mondäner Blaustrumpf, als eine typisierte sophisticated, trifft dabei ausgerechnet beim Golfen auf Grant, dem unbeholfenen Noch-Junggesellen, wo die Bälle im übertragenen Sinne ähnlich hart und schwungvoll fliegen, wie auch die Wortfetzen den spitzzüngigen beiden regelrecht zu entfliehen scheinen.

"You've just had a bad day, that's all." – (Susan)
"That's a masterpiece of understatement." – (David)


'Was sich neckt, das liebt sich' heißt es bekanntlich, und es besteht kein Zweifel darüber, dass die Funken zwischen dem ungleichen Paar nur so sprühen. Bürgerliche Ordnung trifft auf spontanes Chaos – immer dort wo Hepburn auf Grant stößt, findet sich der Zuschauer in völlig unwahrscheinlich anmutenden, aberwitzigen Situationen wieder, stolpert förmlich von einem überdrehten Moment zum nächsten. Dabei gehen Kleider, Autos und zuletzt sogar das gigantische Knochengerüst eines Brontosauriers zu schaden, befördert es die Protagonisten von feierlichen Anlässen direkt ins Gefängnis, von wilden Verfolgungen unmittelbar in einen Zirkus, und letztlich in die eigenen Arme, das ahnt man, das hofft man, das will man einfach. Zu unwiderstehlich und bezaubernd setzt Hawks die beiden in Szene.

Doch warum neigen Hepburn und Grant zu derart überschwänglichem Verhalten, werfen sich die Bälle im Stakkatorhythmus entgegen, wo sie doch Mitglieder einer geordneten Bourgeoisie sind? Hawks lässt darüber keinen Zweifel, das biedere Halten an Regeln und Formen, das unfreiwillige Orientieren an puritanischen Maßstäben gleicht in "Bringing Up Baby" einer regelrechten Unterdrückung, bei der es nur eine Frage der Zeit ist, bis völlig unmittelbar – beispielsweise beim alltäglichen Golfen – der beinahe cholerische Ausbruch unaufhaltbar scheint und klassenunrühmliche Seiten durch Konventionen verformter Geschlechter zum Vorschein bringt. Ihre nicht zu bremsende Schlagfertigkeit, ihre ungebündelte Energie wird Hepburn im Film selbst nicht überraschen, sie merkt es womöglich nicht einmal.

Hawks determiniert all das in Situationen, die zu Standards im Genre werden sollten, das Weglaufen, gegenseitige Verfolgen seiner beiden Helden ist nicht von ungefähr Ausdruck eines Willens, sich frei zu machen, und nicht zufällig bringt es wenig Erfolg, die Turtelnden im Gefängnis zusammenzusperren, da sie nur auf Basis eines natürlichen Miteinanders, im Wald bei Nacht endlich einmal die Ruhe für den Moment finden werden, eine der schönsten Szenen des Films. Synonym dafür lässt Hawks den gezähmten Leoparden Baby ausbrechen, der später mit einem versehentlich – bezeichnenderweise durch Hepburn – freigelassenen wilden Exemplar verwechselt wird, nur um zu erkennen, dass ein bloßes Befreien aus dem Käfig die Welt nicht gleich ins große Chaos stürzen wird. Der Originaltitel verweist treffend auf diese Analogie: "Baby" benötigt eben nicht zwangsläufig eine Zähmung, wenn der natürliche Willen ungebrochen scheint.

Um genau deshalb nie sein Sujet und die schrulligen Figuren im Mittelpunkt aus den Augen zu verlieren, inszeniert Hawks "Bringing Up Baby" gewohnt transparent, mit einer unauffälligen Kameraführung, nahezu ohne Musikuntermalung und ausschließlich der Handlung verpflichtet (lediglich die Split-Screen-Sequenzen sind technisch außerordentlich). Dass er nur ein sehr guter Handwerker sei, damit kokettierte Hawks selbst des Öfteren, aber genau diese Fokussierung auf das Wesentliche bringt den Drive, der den Film auszeichnet - bei so viel Bewegungstempo und Interaktion bleibt kein Platz für unnötige Spielereien. Das schöne und immer währende an dieser Komödie ist der Bruch mit alt gedienten Geschlechtervorstellungen, denn bei all der scheinbaren Gegensätzlichkeit zwischen Frau und Mann ist es die Gleichwertigkeit beider, das gegenseitige Bedingen, das zwar viel ungeordneten Trubel, letztlich vor allem aber ehrliches Miteinander bereithält.


90%

DVD: THE DARK

Die Kernfamilie steht nicht selten im Mittelpunkt des Genres, wird dabei meist ebenso rigoros traktiert, wie später auch wieder vereint – und ist letztlich noch gestärkter, noch mehr zu einer Einheit zusammengewachsen als zuvor. Das hat beispielsweise Tobe Hooper mit seinem „Poltergeist“ demonstriert - im starken Gegensatz zu den beinahe anarchistischen Familienbildern seines Kollegen Wes Craven („The Last House On The Left“) – und entschärfte das Grauen in seiner letzten Konsequenz erheblich. In „The Dark“ vom Regisseur des leicht überschätzten „Ginger Snaps“, John Fawcett, muss eine bereits getrennt lebende Familie erst wieder zusammengeführt, um einer letzten großen Prüfung unterzogen zu werden: Die Tochter von Adèle (Maria Bello, „A History of Violence“) und James (Sean Bean, „Silent Hill“) verschwindet eines Tages spurlos am Ufer einer walisischen Inselküste.

Über die drei Protagonisten dieses Films bricht das Grauen von außen herein, nur leider wird zu schnell ersichtlich, welche Wirklichkeit gewordene Sage dahinter steckt. Die keltische Mythologie, so erfährt man über die Figur, die in keinem Horrorfilm fehlen darf, dem warnenden und wissenden Alten, besagt, dass ein Lebender an die Stelle eines Verstorbenen aus dem Reich Annwn treten kann. Und so erscheint kurz nach dem Verschwinden der Tochter ein kleines Mädchen, das in bekannter Gruselästhetik zwischen dunklen Ecken hin- und herhuscht – und somit für einige unheimlich beklemmende, wenn auch nur auf das Äußere reduzierte Momente im ersten Drittel sorgt.

Der Film verbindet dabei intertextuelle Verweise (Konfliktsituationen, die in den Kontext des späteren Verlusts gesetzt werden) mit einer klassischen, sehr stark an japanische Vorbilder wie „The Ring“ angelehnten Spannungsdramaturgie, in der eine Mutter verzweifelt gegen die inneren Geister ihrer Vergangenheit ankämpft, um die eigene Tochter aus einem unerklärlichen Zwischenreich zu befreien. Leider entfernt sich Regisseur Fawcett zunehmend von seiner Vorlage („Opferlamm“) und zerstört seine psychologische Dichte mit einigen Ungereimtheiten, sowie einer zu starren Beharrtheit auf Schockeffekte und Genreklischees. Die Überbetonung der Fantasyelemente treibt „The Dark“ in der zweiten Hälfte zu einem zunehmend unglaubwürdigen Horrorthriller, dessen anfänglich akzeptable Assoziationen mit ähnlichen Filmen („Orphée“, „The Others“ oder angesichts der Spielorte und mythologischen Erzählgrundlage auch „The Wicker Man“) der eigenen Geschichte immer mehr im Wege stehen.

Und so verschenkt das (mehrfach umgeschriebene) Drehbuch das Potential seiner Elternfiguren, die insgesamt zu blass bleiben, um der emotionalen Vorlage Rechnung tragen zu können. Die großartige Maria Bello erinnert dann leider nur noch an ein Abziehbild von Naomi Watts, die in „The Ring 2“ ähnliche Torturen auf sich nehmen musste, um ihr Kind zurück zu gewinnen, während Sean Bean mitunter lediglich im Hintergrund agiert (ähnlich wie auch kurze Zeit später im inhaltlich identischen „Silent Hill“). Zwar gelingt es dem Film in seinem optisch gelungenen Umfeld auch bis zum erfreulich ambivalenten Ende weitestgehend die Aufmerksamkeit des Zuschauers zu erzielen, doch den pittoresken Bildern liegt ein an moderne Konventionen verschenktes, unschlüssiges Drama zugrunde.

"The Dark" bleibt somit zwiespältiger, bemüht erzählter Mysterygrusel, dessen ambitionierte Idee kaum eine Chance gegen die Zugeständnisse an ein Effekt verwöhntes Publikum hat. Der Film treibt letztendlich nur neben vielen anderen Gruselschockern seiner Zeit in den peitschenden Wellen des Meeres, der Schneide von Leben und Tod, umher - dort wo er seine Geschichte beginnt, und dort, wo er sie auch wieder schließt. Schade.

55%

Oktober 08, 2006

Retro: THE HILLS HAVE EYES II (1985)

Viel und heftig geschunden wurde das Sequel zu "The Hills Have Eyes", dem Schmuddelklassiker der hiesigen 70er-Jahre-Exploitation, und selbst Regisseur Wes Craven gesteht sich heute ein, dass er den Film besser nicht hätte machen sollen. Dabei ist der 1985 erst drei Jahre nach seiner Entstehung veröffentlichte Nachzügler im Kontext des Schaffens Cravens ein interessantes Kind seiner Zeit, dessen Produktionsrahmen einige reizvolle Betrachtungen und Rückschlüsse auf den Regisseur und seine Arbeitsweise zulässt, und nicht zuletzt ein anschauliches Resultat hanebüchener Drehumstände darstellt, das abermals Zeugnis ablegt, wie gehemmt und dürftig Craven unter unzufriedenen Bedingungen arbeitet (weitere Beispiele wären "Invitation to Hell" oder "Cursed").

"The Hills Have Eyes Part II"
ist vor allem das Ergebnis von viel Frust und Ärger Cravens, der den Film aus einer finanziellen Flaute heraus inszenieren musste, nachdem er bei nahezu jedem Independentstudio hausieren ging, um das Script für ein Projekt, an das er fest glaubte, und in dem es um einen dämonischen Kindermörder ging, der Teenagern in den Träumen das Fürchten lehrte, an den Mann zu bringen und entsprechendes Interesse dafür zu wecken. Kurze Zeit später – einige Produzenten bekundeten Interesse, hielten Craven aber hin – wurde ein Film mit dem bezeichnenden Namen "Dreamscape" angekündigt. Darin geht es um die Fähigkeit, mittels moderner Forschungsmittel in die Träume von Menschen einzusteigen, um diese dort zu manipulieren und – wenn nötig – auch zu töten. Die Autoren dieses Films waren nicht zufällig in eines der vielen Studiogespräche Cravens involviert gewesen: Die Grundidee wurde dreist dem Script zu "A Nightmare On Elm Street" entnommen. Der Regisseur konnte das nie erfolgreich beweisen, obwohl das Thema in entsprechenden Stellen einst zu hitzigen Diskussionen führte und Craven den ohnehin nur beschränkten Glauben an das Studiosystem der Traumfabrik beinahe verlor. Da der Film von Joseph Ruben zudem ein Flop wurde, verschwand auch jegliches Interesse am "Nightmare"-Stoff.

Unbefriedigt, da er sein Wunschprojekt nicht realisieren konnte, tat sich Craven 1982/83 deshalb mit seinem alten Freund Peter Locke, Produzent des ersten "Hills"-Films und ebenfalls einige berufliche Niederlagen erleidend, zusammen, um dem Angebot von Castle Hill entgegenzukommen, eine Fortsetzung zu ihrem 77er Erfolg zu inszenieren. Das Drehbuch schrieb er schnell herunter, es erfüllte seinen Zweck, die kannibalische Sippe erneut auf die Jagd nach unschuldigen Vorstadtamerikanern zu schicken, und konnte trotzdem die Figuren des Vorgängers weiter entwickeln. Das knappe Budget von nicht einmal 1 Mio. US-Dollar machte dem ganzen allerdings einen Strich durch die Rechnung: Das Geld kam nur etappenweise, der Dreh wurde mehrfach verschoben, einige Crewmitglieder sprangen ab, das Script musste aus finanziellen Gründen immer wieder umgeschrieben werden, sodass letztlich ein wahllos zusammen gewürfeltes Team unter katastrophalen Bedingungen die Produktion einfach nur schnell beenden wollte. Schließlich verabschiedete sich selbst Craven noch von dem Projekt, das unfertig in die Archive des Studios wanderte.

Erst mit dem unerwarteten Erfolg von "A Nightmare On Elm Street", der für klingelnde Kassen bei New Line Cinema sorgte, wurde der Name Wes Craven schlagartig lukrativ für diverse Vermarktungsstrategien und "The Hills Have Eyes Part II" erblickte doch noch das Licht der weltweiten Kinosäle, notdürftig vom Studio selbst fertig gestellt und mit vielen hübschen Rückblenden des ersten Films versehen, um die Laufzeit auf die erforderlichen 90 Minuten zu strecken (sogar der Schäferhund Beast leidet unter Flashbacks!). Dazu beauftragte man noch schnell Harry Manfredini, der offenbar wahllos diverse Klänge und Soundfetzen seiner hinlänglich bekannten wie mitunter auch ziemlich stumpfen Musik aus den "Friday the 13th"-Filmen über das Geschehen legte. Die Rufschädigung hielt sich in Grenzen, auch wenn das ungeschulte Publikum reichlich verdutzt ob der fundamentalen Qualitätsunterschiede beider Werke reagiert haben dürfte, dass der mit seinem Film vom massentauglichen Elm Street-Schlitzer Freddy Krueger auf den Horrorolymp gehievte Craven einen derart einfältigen Backwoodslasher zu verantworten hat.

Der Film ist streng genommen all das, was sein Vorgänger "The Hills Have Eyes" nicht war - ein rein auf seine Effektdramaturgie hin produziertes B-Movie, das nur auf oberflächliche Spannung abzielt und sich wenig um seine Figuren oder die Auseinandersetzung mit den Themen des vorherigen Films schert. Zu unglaubwürdig ist bereits die ganze Konstruktion der Geschichte, dass die offenbar problemlos sozialisierte, einst verwildert lebende Ruby (Janus Blythe, "Eaten Alive"), deren Passageritus dem Zuschauer ein Rätsel bleibt, mit diversen „dezent“ anstrengenden Teenagern einen Ausflug in die Wüste – jenem Ort ihrer schrecklichen (?) Vergangenheit – unternimmt, um die Konfrontation mit ihren alten Familienmitgliedern, allen voran Pluto, erneut vom großartigen Michael Berryman ("The Devil’s Rejects") verkörpert, geradezu herauszufordern. Dass der überaus gelungene Einstieg, in dem Bobby (Robert Houston) von den traumatischen Erinnerungen der Vorfälle aus dem ersten Film geplagt wird, jeglichen Zusammenhang zum eigentlichen Plot vermissen lässt, ist schade, höchstwahrscheinlich aber auch nur der klägliche Rest eines prinzipiell anders ersonnenen Drehbuchs, das unter anderen Umständen wohl wesentlich tiefgründiger die Psychologie der Figuren zu erforschen versucht hätte. Der Charakter Bobby verschwindet leider sang- und klanglos (interessanterweise die letzte Rolle des heute u.a. als Regisseur tätigem Houston), ebenso wie dessen Beziehung zu Ruby nicht weiter beleuchtet wird, ist sie immerhin einst Teil genau der Familie gewesen, die für den Verlust von seinen Eltern verantwortlich zeichnet.

Und so steht hier Cravens Name über einem Film, der so stark nach den Lehrbuchregeln des reinen Slashers gestrickt ist, wie ihn der Regisseur in der Form ohne weiteres nie inszeniert hätte. Die unkonventionelle Machart, rigorose Abrechnung mit bürgerlichen Werten, die Aufbruchstimmung, beinahe revolutionär dreckige Ungeschminktheit, die "The Hills Have Eyes" zu einem Kultfilm werden ließen, zu einem Aushängeschild einer Generation von Filmemachern, die es sich groß auf die Fahnen geschrieben hat, eine so ganz und gar andere Seite ihres strahlenden Heimatlandes abzubilden, ist kaum mehr spürbar in diesem Sequel, das brav nach den gängigen Mustern des Genres einen daherplappernden Teenie nach dem anderen ins Jenseits befördert, freilich nachdem sie vorehelichen Sex hatten. Inmitten dem Getümmel finden sich auch farbige und blinde Protagonisten zurecht, politisch korrekte Zugeständnisse, wie sie Craven nie und nimmer freiwillig abgesegnet haben kann, demonstriert doch gerade er für gewöhnlich, wie man auf Klischees zu verzichten hat. Und so weicht die kompromisslose Grundtendenz des Vorgängers einer mit 3-4 selbst zweckhaft eingestreuten Splattermetzchen versehenen, ungleich harmloseren Stimmung, die mit solide eingefädelten Slasherszenen im Antlitz wunderbarer Settings zwar noch unterhalten, an das Original und Vorbild aber nicht heranreichen kann.

Der fehlende Drive, die schwachen darstellerischen Leistungen und ein Mangel an stilistischen Eigenheiten in der Inszenierung führten somit schnell dazu, dass der hierzulande zusammenhangslos zum Vorgänger vermarktete "The Hills Have Eyes Part II" ebenso unbemerkt wieder in der Versenkung verschwand, wie er einst plötzlich auftauchte. Als Relikt im Cravenschen Werk betrachtet ist er dennoch eine amüsante Fußnote, ein Beispiel der Sorte "So nicht", und ein hübscher Mitternachtskinofilm, der eigentlich so schlecht ist, dass manch einer ihn längst tief in sein Herz geschlossen haben dürfte.


40%

Oktober 06, 2006

DVD: CURSED (2005)

Ein Fluch lastet auf dem Geschwisterpaar Ellie (Christina Ricci) und Jimmy (Jesse Eisenberg), seit ihrer unfreiwilligen Bekanntschaft mit einem Werwolf. Gleich in den ersten Minuten lässt Regisseur Wes Craven ("The Hills Have Eyes") sein haariges Monster zubeißen, ehe man sich versieht, liegen am künstlich ausgeleuchteten Straßenrand des Mullholland Drive die blutigen Überreste von Shannon Elizabeth ("Scary Movie"), deren Kurzauftritt ein ähnlich rigoroses Ende nimmt, wie die nicht gerade zimperliche Ausweidung der niedlichen Drew Barrymore nach nur wenigen Minuten in „Scream“. Zehn Jahre zuvor war es, als Craven gemeinsam mit Kevin Williamson ("Dawson’s Creek") den Slasherfilm sezierte, als sie ihn auf seine Anatomie hin untersuchten, die Regeln zusammentrugen und im gleichen Moment wieder dekonstruierten, sich all die Klischees eines Genres zu eigen machten, um sie selbstreflexiv zu durchbrechen und in einen genrehistorischen Kontext zu stellen, der durch die Film-im-Film-Ebenen in den Fortsetzungen noch weiter ausgebaut wurde.

"Scream"
war eine große ironische Verbeugung vor dem Horrorfilm, und bei all der dreisten Entlarvung des Genres war es auch ein Film, der sich nicht nur mit den Regeln und Mechanismen des Stalk’n’Slashers auseinandersetzte, sondern sie völlig aus ihrem Rahmen löste, sie in die vermeintliche Realität einer Filmwelt überführte. Die Jugendlichen im Williamson-Zeitalter sind aufgeklärte Teens, die sich vom Kino schon lange nichts mehr erzählen, geschweige denn beein- drucken lassen, sondern die das Leben selbst zu einem Film machen: Sie wissen um die Berechenbarkeit ihrer selbst, und trotzdem wird sie das nicht vor dem sicheren Tod bewahren.

Für das Werwolfsgenre ist "Cursed" leider nicht das, was "Scream" für das Teenanger-in-Angst-Kino bedeutete, dafür fehlt ihm der doppelte Boden, das korrelative Element. Zwar dreht sich auch hier alles um die bekannten Themen des Williamsonschen High-School-Kosmos’, unsichere Jugendliche, den Verlust der Eltern, Beziehungsprobleme, die Frage nach der eigenen Schuld, doch er scheint sich gar nicht die Mühe machen zu wollen, diese zu einem tiefgründigen Komplex zu verflechten, sondern greift sie lediglich an der Oberfläche auf, würfelt alles einmal durch und schleudert es hinein in eine übergestylte MTV-Welt, wo coole Sounds und hippe Outfits alles bedeuten. Heraus kommt ein Neo-Heuler, dem der intelligente Umgang mit Genrekonventionen nicht gänzlich fehlt, der aber kaum am Substanziellen seiner Figuren und deren Umwelt interessiert ist.

Dabei hätte das Drehbuch so viel mehr aus diesem Stoff machen können. Richtete sich "Scream" besonders an John Carpenters "Halloween", dessen Bedeutung er im selben Moment verabsolutiert, in dem er ihn auch demaskiert und zur trivialen Popunterhaltung erklärt, so hätte sich "Cursed" als mit Referenzen gespickter Teenhorror wesentlich deutlicher auf Gene Fowlers "I Was a Teenage Werewolf" (1957) beziehen müssen. Dieser war seinerzeit nicht nur der erste wirkliche Genrevertreter, der Jugendliche ins Zentrum seiner Erzählung presste, sondern kam an genau den Punkten einer Darstellung der mittelstandsgesellschaftlichen US-Suburbs so bissig und direkt daher, wo auch Craven für gewöhnlich ansetzt, um seine selbst zerstörerischen Familienbilder zu entwerfen. In Fowlers Film sind es die Teenager, für die es keinen Platz in dieser kleinbürgerlichen Welt zu geben scheint, die Unsicherheit der Figur Tony Rivers kulminierte hier in einer graphischen Metamorphose, als Ausdruck eines elterlichen Unverständnisses für die individuelle Entwicklung ihrer Kinder. Die Erwachsenen machen sie zu schuldigen Monstren - das ist eigentlich ein prädestinierter Craven-Stoff, der in "Cursed" nur sehr unzureichend angeschnitten (Ellie und Jimmy überwinden nach dem Biss allmählich ihre Ängste) und nicht weiter verfolgt wird.

Es stellt sich dennoch die Frage, ob das von der klugen Doppelbödigkeit eines "Scream" entfernte Yuppiefilmchen deshalb nicht trotzdem überdurchschnittlich selbstironisch zu Tage tritt. In vielen Momenten erreicht "Cursed" eine verspielte Dichte, bei der zahlreiche Seitenhiebe auf TV- und Modebranche besonders im Zusammenhang mit einem künstlichen Schickimicki-Ambiente amüsanten Genre- reflexionen dienen. Die Motivation der Werwölfe im – wenig überraschenden – Finale ist so ganz und gar anderer Natur, als es bei den unfreiwilligen Mutationen eines Lon Chaney der Fall war. Wo einst die große Tragik der missverstanden Monster in den Mittelpunkt rückte, strebt man derweil regelrecht nach den haarigen Verwandlungen im Vollmond: Das kann einem in der Hollywood-High Society des 21. Jahrhunderts durchaus den Karrierekick geben. Es ist geil, ein Werwolf zu sein. Oder: "There's no such thing as safe sex with a werewolf.".

Und so schummelt sich da eben doch ein wenig der augenzwinkernde Williamson hervor, der sich nicht einfach mit dem Herunterspulen formelhafter Genreware zufrieden gibt, so unambitioniert der Film für Craven-Verhältnisse auch sein mag. Zur Ehrenrettung sei mindestens erwähnt, dass "Cursed" von Seiten des Miramax-Studios mehrfach umgeschnitten wurde, Szenen nachgedreht werden mussten (B-Mimen wie Corey Feldman oder Robert Forster hatten ihre Parts bereits absolviert, wurden jedoch ersetzt) und das ganze obendrein noch auf jugendfrei gestutzt wurde, sodass sich der Altmeister vom fertigen Schnippelprodukt mehr oder weniger distanzierte. Übrig geblieben ist ein hübscher, vergnüglicher Film, mit seichtem Grusel und selbstironischen Biss. Mehr aber auch nicht.


70%

Oktober 04, 2006

DVD: BLOODRAYNE (2005)

Es ist bestimmt gar nicht so leicht, Uwe Boll zu sein. Wer kann schon von sich behaupten, auf allen Kontinenten dieser Erde gleichermaßen verdammt zu werden, wirklich durchgehend schlechte Kritiken zu ernten und konsequent, unbeirrt wieder und wieder denselben Murks zu fabrizieren, wie eben jener Wermelskirchener Regisseur?!

Nach "House of the Dead" und "Alone in the Dark" ist dies nun bereits die dritte Verfilmung eines Computerspiels, in diesem Metier fühlt sich der Mann also offenbar ganz wohl. Nun sind Game-Adaptionen in der Regel leider sowieso ziemlich bescheiden, selbst der von eifrigen Fans als gelungen propagierte "Silent Hill" war nicht mehr als ein primitiv inszenierter „No Brainer“, eine ohnehin reichlich seltsame Titulierung, die sich da so in den letzten Jahren in den allgemeinen Filmjargon eingeschlichen hat, und bei der man wohl durchaus auch Rückschlüsse auf das jeweilige Publikum ziehen darf.

Ob da nun Simon West, Paul Anderson oder eben Christophe Gans daherkommen, letztlich scheitern sie alle an der Herausforderung, ein filmisches Konzept zu entwickeln. Entweder wird krampfhaft versucht, die Essenz eines Spiels zu einer konventionellen Filmdramaturgie umzupolen, oder man verfilmt streng genommen nur diverse Levels der Vorlage und verbinde sie lose, um möglichst den Run & Hide-Charakter zu erhalten – der freilich nur im interaktiven Kontext zur Geltung kommt. Im Gegensatz dazu möchte man meinen, macht Uwe Boll zumindest keinen Hehl aus seinem Unvermögen. Oder wie ist es sonst zu erklären, dass die Filme innerhalb seines Oeuvres keine erkennbaren Qualitätsunterschiede aufweisen?

Folgerichtig dürfte ohnehin jeder, der zu dieser Perle greift, erahnen, was ihn bei "BloodRayne" erwartet, dass dies nur ein weiterer schnell heruntergekurbelter Haufen Mist ist, der sich nicht wirklich ernst nimmt, der sich durchaus auch selbst Freude bereitet und der vor allem dem Zuschauer unheimlich Spaß macht. Das ist nun einmal so, da gibt es nichts dran zu rütteln, dieser Film ist auf einer sehr abstrakten Ebene ein Highlight, eine schlechte Trash-Produktion – und jeder weiß das, ja ob nun vor der Kamera, hinter der Kamera, ob Schauspieler oder Kabelträger, Produzent oder Drehbuchautor, niemand macht sich etwas vor, niemand kann sich auch wirklich etwas vor machen. Und Uwe Boll weiß es sowieso.

Angesichts dieser Tatsachen hinkt der vielmals hervorgebrachte Vergleich mit Ed Wood ("Glen or Glenda?") doch gewaltig. "BloodRayne" ist nicht naiv, er mag gewollt sein, aber er ist nicht naiv. Niemand, schon gar nicht sein Regisseur, dürfte ernsthaft daran geglaubt haben, dass er was taugen wird. Er bringt Geld. Nicht im Kino vielleicht. Aber langfristig gesehen schon. Der Film ist Teil eines Unternehmens, reine Pragmatik, nichts anderes. Deshalb ist er leicht goutierbar, gut einzuschätzen. Man weiß, woran man ist, sieht dort einige nette Bekannte auf der Leinwand, darf viel schmuddeligem Splatter beiwohnen, und mit jeder Szene erneut vergnügt feststellen, was hier nicht stimmt, was da nicht korrekt ist, eben ein wenig den altklugen Rezensenten raushängen lassen. Allein das kann schon sehr vergnüglich sein.

Und so ist es müßig zu erwähnen, dass Uwe Boll nicht einmal die elementarsten syntaktischen Mittel beherrscht, dass seine filmischen Zeichen nicht als eine Einheit, sondern unfreiwillig gegensätzlich erscheinen. Dass seine wesentlich zu stark ausgeleuchteten Sets keinerlei Atmosphäre entstehen lassen, die billigen Kamerabewegungen aus der Einfallslosigkeit der Positionierung eben jener resultieren, oder dass seine Einstellungen inkonsequent gewählt sind, er die gleichen Figuren nur sporadisch formt, indem er nicht zwischen den Perspektiven differenziert. Und dass vor allem der Schnitt dieses Films einer mittleren Katastrophe gleichkommt.

Die prominente Besetzung versucht gar nicht erst, gegen diese formalen Fehler anzukämpfen, zu chancenlos ist Oscarpreisträger Ben Kingsley ("Schindler’s List"), wenn er durch die Gegenschnitte innerhalb einer einzigen Szene fünf verschiedene Gesichtsausdrücke besitzt, während sein gegenüber lediglich einen Satz von sich gibt, und zu machtlos ist die gestelzt in Szene gesetzte Kristanna Loken ("Terminator 3"), bei der sich der Film nicht recht entscheiden mag, ob sie nun ein Vampir im Konflikt mit ihrer Vergangenheit oder einfach nur eine üppig dekolletierte Amazone darstellen soll. Für Höhepunkte, will heißen innere Lachsalven, sorgt auch Michael Madsen, der zuweilen während seiner eigenen Dialoge einzuschlafen scheint – und damit seine Performance aus "Species II" noch unterbietet.

Spätestens dann, wenn Loken mit starrem Blick in die Kamera grübelt, noch einmal alle gorigen Blutspritzer des Films montiert und in Zeitlupe abgespult werden (seht her, so haben wir das gemacht!), kommt man zu der Erkenntnis, dass an diesem Film wohl kein Weg vorbei führen wird. Nein, irgendwie ist "BloodRayne" schon Pflichtprogramm. So viel ehrlichen Schund bekommt man nicht alle Tage zu sehen.


30%