Die Kernfamilie steht nicht selten im Mittelpunkt des Genres, wird dabei meist ebenso rigoros traktiert, wie später auch wieder vereint – und ist letztlich noch gestärkter, noch mehr zu einer Einheit zusammengewachsen als zuvor. Das hat beispielsweise Tobe Hooper mit seinem „Poltergeist“ demonstriert - im starken Gegensatz zu den beinahe anarchistischen Familienbildern seines Kollegen Wes Craven („The Last House On The Left“) – und entschärfte das Grauen in seiner letzten Konsequenz erheblich. In „The Dark“ vom Regisseur des leicht überschätzten „Ginger Snaps“, John Fawcett, muss eine bereits getrennt lebende Familie erst wieder zusammengeführt, um einer letzten großen Prüfung unterzogen zu werden: Die Tochter von Adèle (Maria Bello, „A History of Violence“) und James (Sean Bean, „Silent Hill“) verschwindet eines Tages spurlos am Ufer einer walisischen Inselküste. Über die drei Protagonisten dieses Films bricht das Grauen von außen herein, nur leider wird zu schnell ersichtlich, welche Wirklichkeit gewordene Sage dahinter steckt. Die keltische Mythologie, so erfährt man über die Figur, die in keinem Horrorfilm fehlen darf, dem warnenden und wissenden Alten, besagt, dass ein Lebender an die Stelle eines Verstorbenen aus dem Reich Annwn treten kann. Und so erscheint kurz nach dem Verschwinden der Tochter ein kleines Mädchen, das in bekannter Gruselästhetik zwischen dunklen Ecken hin- und herhuscht – und somit für einige unheimlich beklemmende, wenn auch nur auf das Äußere reduzierte Momente im ersten Drittel sorgt.
Der Film verbindet dabei intertextuelle Verweise (Konfliktsituationen, die in den Kontext des späteren Verlusts gesetzt werden) mit einer klassischen, sehr stark an japanische Vorbilder wie „The Ring“ angelehnten Spannungsdramaturgie, in der eine Mutter verzweifelt gegen die inneren Geister ihrer Vergangenheit ankämpft, um die eigene Tochter aus einem unerklärlichen Zwischenreich zu befreien. Leider entfernt sich Regisseur Fawcett zunehmend von seiner Vorlage („Opferlamm“) und zerstört seine psychologische Dichte mit einigen Ungereimtheiten, sowie einer zu starren Beharrtheit auf Schockeffekte und Genreklischees. Die Überbetonung der Fantasyelemente treibt „The Dark“ in der zweiten Hälfte zu einem zunehmend unglaubwürdigen Horrorthriller, dessen anfänglich akzeptable Assoziationen mit ähnlichen Filmen („Orphée“, „The Others“ oder angesichts der Spielorte und mythologischen Erzählgrundlage auch „The Wicker Man“) der eigenen Geschichte immer mehr im Wege stehen.
Und so verschenkt das (mehrfach umgeschriebene) Drehbuch das Potential seiner Elternfiguren, die insgesamt zu blass bleiben, um der emotionalen Vorlage Rechnung tragen zu können. Die großartige Maria Bello erinnert dann leider nur noch an ein Abziehbild von Naomi Watts, die in „The Ring 2“ ähnliche Torturen auf sich nehmen musste, um ihr Kind zurück zu gewinnen, während Sean Bean mitunter lediglich im Hintergrund agiert (ähnlich wie auch kurze Zeit später im inhaltlich identischen „Silent Hill“). Zwar gelingt es dem Film in seinem optisch gelungenen Umfeld auch bis zum erfreulich ambivalenten Ende weitestgehend die Aufmerksamkeit des Zuschauers zu erzielen, doch den pittoresken Bildern liegt ein an moderne Konventionen verschenktes, unschlüssiges Drama zugrunde.
"The Dark" bleibt somit zwiespältiger, bemüht erzählter Mysterygrusel, dessen ambitionierte Idee kaum eine Chance gegen die Zugeständnisse an ein Effekt verwöhntes Publikum hat. Der Film treibt letztendlich nur neben vielen anderen Gruselschockern seiner Zeit in den peitschenden Wellen des Meeres, der Schneide von Leben und Tod, umher - dort wo er seine Geschichte beginnt, und dort, wo er sie auch wieder schließt. Schade.
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