Mai 30, 2006

Kino: SILENT HILL

Das Konami-Spiel „Silent Hill“ sorgte mit einer verhältnismäßig sauber durchdachten Geschichte 1999 weltweit für gruseligen und intensiven Spielgenuss, dem bislang drei Sequels folgten (der fünfte Teil befindet sich in Vorbereitung). Es war tatsächlich nur eine Frage der Zeit, bis man dieses Game auf Zelluloid bannen würde – nicht zuletzt deshalb, weil vielen Fans schon beim Gedanken an eine Umsetzung die Mäuler feucht anlaufen. Nun waren Videospielverfilmungen schon immer eine Sache für sich: Von den kindgerechten „Super Mario Bros.“ (1993), über die reichlich platten „Mortal Kombat“-Teile (1995 und 1997) bis hin zu den wahrlich abenteuerlich drögen „Tomb Raider“-Filmen (2001 und 2003) – sie alle dürften wohl selbst bei hart gesottenen Fans einen etwas faden Geschmack hinterlassen haben. Neben dem Adventure-Genre sind mit „Resident Evil“ (2002 und 2004), Uwe Bolls „House of the Dead“ (2003) und „Alone in the Dark“ (2005) sowie „Doom - Der Film“ (2005) auch berühmte Survivalhorrorgames bzw. Shooter verfilmt worden, die jedoch ebenfalls letztlich alle daran scheitern, dass ein Videospiel nun einmal schlichtweg nahezu unmöglich adäquat umzusetzen ist. „Silent Hill“ bildet da keine Ausnahme, sondern unter den Major-Verfilmungen sogar einen gewissen Tiefpunkt.

Der französische Regisseur Christophe Gans ist dabei keine allzu schlechte Wahl, ist er durch seine ästhetisch glanzvollen, aber inhaltlich eher mauen Werke wie „Crying Freeman“ (1995) oder „Der Pakt der Wölfe“ (2001) doch bereits prädestiniert für optisch betonte Unterhaltung, über deren tiefere Bedeutung man lieber den Mantel des Schweigens hüllen sollte. Niemand erwartet von einer Videogameverfilmung, dass sie ihren Schwerpunkt inhaltlich ausrichtet und mit einer komplexen und ausgereiften Dramaturgie aufwartet. Roger Avary („Killing Zoe“), der an so meisterlichen Scripts wie „Pulp Fiction“ mitwerkelte, präsentiert mit „Silent Hill“ jedoch ein so grauenhaftes Drehbuch, dass selbst oder gerade eingefleischte Fans darüber aufschrecken werden, wie unoriginell hier die Elemente eines Spiels adaptiert wurden. Avary änderte Vater Harry Mason für den Film zu einer Frau ab, die auf der Suche nach ihrer Tochter nach und nach hinter das Geheimnis der Kleinstadt kommt, während bekannte Figuren wie die Polizistin Cybil Bennett oder Dhalia unangetastet blieben. Gans dazu: „Wenn man eine so verstörende und Furcht einflößende Geschichte erzählt, muss man eine Art friedlichen Rettungsanker, einen ruhenden Pol mit einbauen. Ich habe mich dazu entschieden, dies dadurch zu erzielen, indem ich viele Frauencharaktere in die Handlung einbaue. Auf diese Weise wird die Geschichte komplexer und zur gleichen Zeit auch zweideutiger.“ Im ersten Drittel kann der Film dabei nicht viel falsch machen: Zwar reichlich seltsam, aber zuweilen ganz nett photographiert werden uns ziemlich hektisch Papa Christopher (Sean Bean, der hier seine Rolle aus „The Dark“ ähnlich blass fortsetzt), Mama Rose (routiniert: Radha „Man on Fire“ Mitchell) und Kindchen Sharon (überzeugend von Jodelle Ferland verkörpert) vorgestellt, um sich dann rasch dem Wesentlichen zu widmen: So befinden wir uns schon nach gut 15 Minuten im verlassenen Städtchen Silent Hill, in dem sich allerhand Kreaturen tummeln und nach dem Leben von Rose trachten. Das Problem: Der Film wird noch knapp zwei Stunden dauern.

So wird eine zumindest anfangs nett konzipierte Spannung schnell von gähnender Langweile abgelöst, die bis zum Finale noch ungeahnte Ausmaße annehmen wird. Immer und immer wieder entkommt die junge Mutter den seltsamen Wesen, die mit diesem durchschaubaren Prinzip vorgestellt und krampfhaft in den Film integriert werden sollen. Wie so oft bei Videospielverfilmungen hangelt sich die Story quasi im wahrsten Sinne des Wortes von Level zu Level und versucht dies dramaturgisch einigermaßen aufzupeppen, um die fehlende Interaktivität eines Films im vergleich zum Game zu ersetzen. Leider ist das ganze gleichermaßen unspektakulär wie zäh, wenn Bughorden schlechter als im 7 Jahre zuvor inszenierten „Die Mumie“ über eine maskuline Polizistin und unfreiwillig toughe Mutter herfallen und der im Game vielleicht bedrohliche Red Pyramid ebenso wie der Janitor zur illustren CGI-Schau verkommen, die weder gruselig, noch brutal anzuschauen ist, auch wenn die Make-Up-Effekte um die Grey Children, Cockroaches und Dark Nurses dabei teilweise noch recht ansehnlich sind. Aus dem 50 Mio. Dollar Budget hätten die VFX-Künstler um Patrick Tatopoulos („Underworld“) aber sicherlich noch wesentlich mehr herausholen können, auch wenn der durchgehend ungeschickte Einsatz der Monster natürlich dem schlechten Script zuzuschreiben ist. „Wir hielten uns sehr eng an die Vorlagen aus dem Spiel, aber ich wollte, was die Proportionen und die Eleganz der Figuren betrifft, etwas variieren“, erklärt Tatopoulos in diesem Zusammenhang. „Es ist ganz einfach: Schön ist nicht gleich hübsch. Wenn das Design die Eleganz der Kreatur widerspiegelt, aber auch zu einem gewissen Grad menschenähnlich wirkt, ist die Wirkung dieses Wesens wirklich hypnotisierend.“

„Silent Hill“ demonstriert auch abermals, dass es keineswegs ein leichtes ist, ein Videospiel fürs Kino zu adaptieren und darüber hinaus ein fundamentaler Unterschied zwischen einer Vorlage wie Buch oder Bühnenstück und eben einem Game besteht. Denn wo man beispielsweise im Literaturbereich im Laufe des Entstehungsprozesses kürzen und verdichten muss, gilt es hier kinogerechte Elemente hinzuzufügen, um in erster Linie ein einigermaßen stabiles Storygerüst zu entwerfen. Wie schon erwähnt liegt dabei aber das Problem: Ein Videospiel bezieht seinen Reiz nicht nur daraus, in eine Welt eintauchen zu können, sondern eben diese auch weitestgehend zu beeinflussen. Ein vorgefertigter Film kann da im Gegenzug nur berieseln – und dafür genügt das meist sehr dünne Potential vieler Games, wenn man den Spielcharakter subtrahiert, nicht, basiert doch die überwiegende Mehrheit aller Videospiele schon (mehr oder weniger) auf Filmstoffen. Gerade die Serien „Resident Evil“ oder „Silent Hill“ sind primär von den Romeroesken Zombiefilmen beeinflusst, garniert mit diversen Science-Fiction und Western-Zutaten - somit sind die Kinoadaptionen quasi inspiriert vom bereits Inspirierten. Dieser Tatsache sind oder werden sich die Verantwortlichen des Films sicherlich bewusst und versuchen diese Diskrepanz krampfhaft zu umschiffen: So wechselt Avary nach gut zwei Dritteln ähnlich hastig und unnuanciert wie zu Beginn die Erzählweise und baut auf Flashbacks, die eine Storywende in Richtung mystische Inquisitions- und Hexenkultthematik herbeiführen sollen. Das alles gerät derart konfus und produziert, vor allem aber so langatmig und dahinsiechend, dass sich ein richtig gehend ärgerliches Gefühl breit macht: Wo man einfach nur gut unterhalten werden möchte, wollen Gans/Avary komplexen Horror mit Fantasy und Dramatik mischen.

„Ist es ein Beziehungsdrama? Ist es Science Fiction? Ist es spannungsgeladener Horror? Ist es eine Endzeitsaga? Was Christophe da geschaffen hat, ist eine absolute Neuheit auf der Leinwand. ‚Silent Hill’ kann nicht in irgendeine Genre-Schublade gesteckt werden, der Film hat seine eigene Kategorie geschaffen.“, erklärt Autor Avary. Dass hier jedoch Einfallslosigkeit zu Vielfalt erklärt werden möchte, ist allzu offensichtlich, denn „Silent Hill“ ist nicht mehr als ein unausgegorenes Switchen der Genreelemente, die kein stimmiges Ganzes ergeben wollen, sondern nur für reichlich Wirrwarr sorgen und in einem wirklich superb schlechten Finale kulminieren. „Die Idee, dass wir mit diesem Film viele verschiedene zeitliche, räumliche und manchmal sogar metaphysische Dimensionen erforschen konnten, gefiel mir besonders gut“, so Gans – Am wahrscheinlichsten ist angesichts solcher Statements eher, dass die Beteiligten einfach auch selbst in einer dieser Dimensionen verloren gegangen sind. Da hilft es auch nicht, dass der Film atmosphärisch stellenweise an die Spielvorlage erinnert und sich in seinen Kamerabewegungen daran orientiert: Optischer Firlefanz ist das eine, ein belangloser und völlig spannungsfreier Inhalt das andere. Schlecht geschrieben, schlecht inszeniert und eigentlich schon wieder vergessen.

3/10