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Kino: BRÜNO
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Januar 26, 2008
Kino: SWEENEY TODD...

Der Barbier ist keine neue Figur im Oeuvre von Tim Burton: Bereits in "Edward Scissorhands" ließ der Regisseur Johnny Depp frisieren, rasieren und anderweitige Schnippelarbeit verrichten. Sweeney Todd fügt sich hier nahtlos ein in die Reihe tragischer Antihelden, missverstandener Gestalten und rastloser Einzelgänger, mit denen Burton seit jeher den traditionellen Universal-Horrorfilm beschwört. Dass der Mann fürs Morbide geradezu auserkoren ist, um Stephen Sondheims düsteres, schwarzromantisches Musical für die große Kinoleinwand zu übersetzen, schien auch dem Komponisten klar: Nach einigen Fernsehverfilmungen, die sich des Stoffes nie adäquat annahmen, war es Sondheim selbst, der seinen Bühnenhit nach fast 30 Jahren angemessen adaptiert wissen wollte und der Verpflichtung Burtons ohne Bedenken zustimmte. Dafür genügt bereits der Blick auf dessen bisheriges Werk – sowohl der stets düstere Ton, als auch der irgendwo zwischen Hammer-Films und Gotik-Ambiente, zwischen Grand-Guignol und klassischem Monster-Horror festgemachte visuelle Stil Burtons ist geradezu prädestiniert für den schmierig-kargen, tristen Straßenlook Londons im mittleren 19. Jahrhundert.
Einst führten hier der junge Benjamin Barker (Johnny Depp) und seine Frau Lucy (Laura Michelle Kelly) ein friedliches Familienleben. Doch der korrupte Richter Turpin (Alan Rickman) hat ein Auge auf die schöne Frau des Barbiers geworfen und bringt Barker mithilfe seines Handlangers Bamford (Timothy Spall) unschuldig ins Gefängnis, um Lucy und deren kleine Tochter Johanna zu missbrauchen. Das geschah vor 15 Jahren. Nun kehrt Barker zurück nach London – als Sweeney Todd schwört er Rache für die einstige Ungerechtigkeit an ihm und seiner Familie. Gemeinsam mit der Bäckerin Mrs. Lovett (Helena Bonham Carter), die ihm vom Selbstmord seiner geliebten Lucy berichtet, schmiedet er einen teuflischen Plan: Jeder, der um eine Glattrasur bittet, wird fortan zu Fleischpastete verarbeitet.
Wer die Figur Sweeney Todd wirklich war, weiß niemand genau. In England ist die Geschichte eine Art Gegenstück zum Jack the Ripper-Mythos, eine urbane Legende, der mal wahre Wurzeln, mal reine Fantasie unterstellt werden. Als Film- und Theaterstoff vielmals aufbereitet und erweitert, war es schließlich Sondheim, der "Sweeney Todd" 1979 zu einem bluttriefenden, aber auch schwarzhumorigem Bühnenmusical verarbeitete, das heute zu den meistgeschätzten und komplexesten Werken der Musikgeschichte zählt. Selbst gestandenen Sängern und ausgebildeten Musikern bereitet die Partitur Probleme, die dissonante, im Tempo immer wieder unerwartet variierende Musik auf der einen; überbrausende, unglaublich verdichtete und schwer vorzutragende Texte auf der anderen Seite – Sondheims Komposition gilt als heilige Kuh, an die sich bislang zurecht noch kein Regisseur in vollem Umfang gewagt hat.
Umso erstaunlicher, dass Burton den Film (abgesehen von wenigen Ausnahmen in Nebenrollen) mit unprofessionellen Sängern besetzt hat. Weder Depp, noch Bonham Carter oder Rickman verfügen über ausreichend Erfahrung in Gesang und Musicalperformance, doch gerade dieser filmische Ansatz scheint der einzig mögliche: Dies ist eine Kinointerpretation des Stoffes, kein verfilmtes Broadway-Stück. Es ist ein Experiment, ein Versuch, nicht geschulte Schauspieler singen zu lassen. Und obwohl insbesondere Bonham Carter trotz des verlangsamten Tempos hörbar Probleme mit ihren Parts hat, funktioniert dieses Konzept: Denn "Sweeney Todd" ist gesungenes Schauspiel und kein gespielter Dauergesang, was dem zweistündigen und fast durchgängig gesungenen Film jene bühnenhafte Theatralik nimmt, die ein derart operettenhafter Stoff als Filmversion schnell annehmen kann. Dies ist kein Kompromiss, sondern eine künstlerische Entscheidung, die den Film auch einem Publikum näher bringen dürfte, das Musicals ablehnend gegenübersteht. Ein wenig schade zwar, dass das übernatürliche Element bei Burton deshalb nun gar keine Rolle mehr spielt – der Geisterchor der Vorlage, eine ans Publikum gerichtete, im filmischen Kontext hingegen nur schwer umsetzbare Instanz, fehlt gänzlich –, würde jedoch genau diesem eher gesetztem Konzept zu stark widersprechen.
Stilistisch einem Meisterwerk gleich, hat Burton dem Bild jede Farbe genommen. Die ausgewaschene, graue Optik, in der das altertümliche, viktorianische London inszeniert ist, bildet die perfekte Grundlage für ein unheimliches Sittengemälde, das nahezu alle Motive des Regisseurs aufgreift. Der despotische Richter Turpin wird bei Burton zu einer Art Max Shrek ("Batman Returns") des Mittelalters, während dessen quasi-inzestuöses Verhältnis zur vereinnahmten Barker- Tochter einem ähnlich bizarren Familienverständnis entspricht, wie es auch die rachsüchtigen und um Geschlechtergrenzen rangierenden Konflikte in "Sleepy Hollow" zum Ausdruck bringen. Dass Depps Kostümierung mehrmals an seine Rolle in "Edward Scissorhands" erinnert, ist ebenso offensichtlich wie dessen Inszenierung als innerlich zerrissener, selbst zerstörerischer Außenseiter, der Prototypfigur eines jeden Tim Burton-Films.
Barbier Sweeney Todd erweitert die Konstanz an Charakteren im Burton-Werk jedoch um einige Noten. Er ist wesentlich ambivalenter gestaltet als die bisherigen Abtrünnigen in Burtons Filmen und entspricht weniger der Verkörperung eines Identifikationsangebotes, als vielmehr einem maniac on the loose, der seines fragwürdigen Rachefeldzuges wegen auch keine sentimentale, melancholisch verklärte Darstellung erfährt (für ein wunderbares "La Strada"-Zitat ist sich Fellini-Freund Burton aber dennoch nicht zu schade). Todd ist so sehr von seinem blinden Racheplan erfüllt, dass er darüber sogar den Grund für die Vergeltung zu vergessen scheint: An seiner befreiten Tochter scheint er schließlich gar kein Interesse mehr zu haben. Dem Film fehlt deshalb auch ein wenig die emotionale Hingabe, seinem Antihelden gehört nicht uneingeschränkt jede Sympathie, wie er zumindest keine eindeutige Ode an die Außenseiter stimmt. Das wiederum ist ebenfalls angesichts der tragischen, aber auch unaufhaltsam dem bitteren Ende entgegenblickenden Geschichte die richtige Entscheidung.
In "Sweeney Todd" geht es doch schließlich vor allem um unerfüllte Liebe. Um die Liebe zwischen Todd und seiner Frau ("And my Lucy lies in ashes, and I'll never see my girl again"), zwischen dem jungen Anthony (Jamie Campbell Bower) und der von Turpin aufgezogenen und eingesperrten Barker-Tochter Johanna (Jayne Wisener), und auch um die seltsame Liebe der Mrs. Lovett zum wahnsinnigen Todd. Burton kontrastiert jede Romantik mit expressionistischen Settings, frei in alle Richtungen spritzendem Kunstblut und ebenso zynischen (die Erarbeitung eines Speiseplans im großartigen Song "Little Priest") wie sarkastischen Regieeinfällen (die Nummer "By the Sea", in der es um ein Leben jenseits des tristen Molochs geht, wird als kunterbunte Farce inszeniert). Welch Gespür der Mann grundsätzlich für Musicals besitzt, war bislang zwar mehrfach zu erahnen – man denke an die Busby Berkeley-Anleihen in "Charlie and the Chocolate Factory" –, doch handwerklich ist "Sweeney Todd" nicht nur eine Weiterentwicklung Burtons, sondern auch eine nahezu perfekte Übertragung des Stoffes ins filmische Medium. Bei den rhythmischen, wohl bedacht und überaus ideenreich mit Bewegungen, Soundeffekten und vor allem einem ungemein raffinierten Schnitt in Szene gesetzten Gesangseinlagen sind Bild und Ton wirklich einmal eins, eine funktionale Einheit, bei der beinahe jede Nuance stimmt. Das ist in letzter Konsequenz nicht weniger als reinstes, purstes Kino – oder womöglich sogar die absolute Form von Kino überhaupt.
95% - gekürzte Fassung erschienen in: Deadline #08/08
Oktober 27, 2006
Kino: BORAT

Mittlerweile ist Sascha Baron Cohen kein Geheimtipp mehr. Als englische Comedy-Galionsfigur Ali G. feierte er seinen Durchbruch, bewies als Schauspieler zunächst im Madonna-Clip "Music" und später in Box Office-Hits wie "Talladega Nights: The Ballad of Ricky Bobby" sowie als Moderator verschiedener Awards sein vielseitiges, stets berstend komisches Talent. Die "Ali G. Show" war es auch, in der die Figur Borat regelmäßig auftauchte: Ein kasachischer Journalist, der auszog, um die westliche Welt zu erforschen. Gemeinsam mit dem "Seinfeld" und "Curb Your Enthusiasm"-Produzenten Larry Charles und Jay Roach ("Meet the Parents") bringt Cohen das Konzept unter dem Namen "Borat - Kulturelle Lehrung von Amerika um Benefiz zu machen für glorreiche Nation von Kasachstan" nun unverändert auf die große Leinwand – in einer Real-Satire, die weit über den komödiantischen Duktus, nichts ahnende Passanten zu verschaukeln, hinaus geht: Die Kameras sind hier unter dem Deckmantel einer vermeintlichen Dokumentation sichtbar, dokumentieren als Ironie des Prinzips das Geschehen aber dennoch. Ein durch und durch subversives Unterfangen, das nicht nur blankes Entblößen bereithält, sondern dem bei allem Humor als Zeugnis von Zwischenmenschlichkeit der tiefe Wille nach dem kulturellen Dialog inhärent ist.
Denn zumeist tut Borat nichts anderes als reden. Er ist hyperkommunikativ, exaltiert, zappelig. Wie er da als unbeholfener, lang gewachsener und schnurrbärtiger Moderator durch das Geschehen hüpft, bescheiden, aber auch neugierig, das allein ist schon mindestens so urkomisch wie liebenswert zugleich. Die zynischen Fragen, die er Waffenhändlern, Studenten oder auch Politikern stellt, sind überraschenderweise nichts gegen die Antworten, die er bekommt. Hier ist freilich nicht alles ernst gemeint. Und doch einiges, das hat wohl schon einen gewissen Hintergrund: Wenn Borat als Zeichen freundschaftlicher Begrüßung gegenüber einem texanischen Rodeoreiter zum Wangenkuss ausholt, dann wird ihm mit überzeugter Mine entgegnet, dass ohnehin alle Schwulen an den Galgen gehörten. Diesem Abschnitt folgt auch der bissigste Teil des Films, der Cohen auch ernsthaft in Gefahr brachte: Vor dem Rodeo-Publikum verunglimpft Borat die US-Nationalhymne und singt von Kasachstan, dem schönsten Land der Welt, und George W. Bush, der das Blut der Kinder und Frauen im Irak trinke. Die anfänglichen Jubelschreie wandeln sich zu heftigen Buh-Rufen – diese Sequenz ist exemplarisch für die forcierte und doch unerwartete Reaktion der Beteiligten. Hier stellt sich nur das bloß, was auch bloßgestellt gehört.
„Ich hoffe ihr Amerikaner seht meine Film, aber bitte sein gewarnt, da es enthält schmutzige Flüche, sinnlose Gewalt und eine Nahaufnahme des Bishkek von einem Mann, es hat bekommen sehr strenge Beschränkung in Kasachstan, heißt niemand unter 3 Jahre wird es sehen können.“
Das alles schreit natürlich förmlich nach Skandal. Die Regierung des Staates Kasachstan fühlt sich diskriminiert, das Europäische Antiziganismuszentrum hat bereits rechtliche Schritte eingeleitet. Die Aufregung ist unnötig, Cohen bedient zwar jedes nur erdenkliche Klischee, er lässt diese aber auch konsequent als solche erkennbar. Da ist es auch eher unwesentlich, dass der Brite selbst jüdisch ist, denn "Borat" macht Gesetz seiner satirischeren Equilibristik weder Halt vor überzogenen Verunglimpfungen von Sinti, Roma oder Juden, noch vor Kasachen, Russen oder Amerikanern. Tatsächlich beruht ein Großteil der aberwitzigen Wirkung des Films auf den Reaktionen der konfrontierten Interviewpartner – und diese gehen nur sekundär auf Cohens Konto. Letztlich sorgt nicht der naive Hinterwäldler Borat für den Kulturschock beim Zuschauer, sondern vielmehr Bilder wie die einer ferngesteuerten Menge, die im Zuge eines zur Event-Show umfunktionierten Gottesdienstes wild gestikulierend ihren Superstar Jesus feiert. Borat kann da nur noch entsetzt dreinschauen, hier wird wohl selbst sein Brachialhumor keine Abhilfe mehr schaffen können: Ein Umfeld, das sich selbst denunziert.
Und so ist "Borat" zwar unglaublich komisch (in der Originalfassung!), aber doch auch ein bisschen ernst. Die Geschmacklosigkeiten, in die sich Cohen gern einmal verliert, können nicht den Dienst dieses Films mildern. Seine Figur ist erschreckend liebenswürdig und hilflos auf der Suche nach Verständnis, nach zwischenmenschlichem Austausch. Dass Borat seinem Gegenüber mitunter so unverhüllt die Masken abnimmt, das hat nicht nur etwas von Michael Moore – dessen Dokumentationsstil bekanntlich ähnlich diskutiert wird – das hat vor allem etwas Dankenswertes. Bei all dem Zweifel eifriger Kulturverfechter ist es genau diese Form der vermeintlichen Polemik, die die Filmlandschaft benötigt. Vielleicht muss einem da auch erst das Lachen im Halse stecken bleiben.
80%
September 11, 2006
Kino: THE BALLAD OF RICKY BOBBY

Adam McCay legt hier mit seinem langjährigen "Saturday Night Live"-Freund Ferrell einen reichlich seltsamen Film vor, insofern zumindest, als die zunächst gewohnt niveaulos daherkommende Blödelei sich mehr und mehr wie eben keine der dümmlichen US-Komödien anfühlt, dafür aber absolut frei von jeder Spannung und mit merkwürdiger Gefühlsduselei eine vorhersehbare Win or Lose-Geschichte erzählt. Das alles ist eigentlich ziemlich idiotisch geraten, und doch schwingt bei den üblichen Klischeewitzchen eine gewisse Ironie mit, ganz als ob McCay diese platten Gags gegen ihre eigentliche, fragwürdige Funktion gerichtet anwendet. So richtig deutlich wird das aber keinesfalls, es bleibt also ein gewisses Rätsel, ob "Talladega Nights: The Ballad of Ricky Bobby" uns diesbezüglich auch wirklich mehr mitteilen will. Ferrells Gags auf Kosten von Randgruppen und Ausländer haben aber – in einer etwas abstrakten Form zwar - auch immer etwas von einer gewissen Lust daran, sich selbst mehr als einen Seitenhieb zu verpassen.
Merkwürdig ist der Humor dieses Films also, sehr speziell um genau zu sein. Denn zeitweise plätschert das Drehbuch regelrecht vor sich hin, ohne den Anflug eines leisen Witzes, dann wiederum jagt eine Splapsticknummer stakkatoartig die nächste, wohl gemerkt aber ohne dass es wirklich witzig ist. Auch in Bezug auf die konventionelle Sportfilmdramaturgie ist es nicht unbedingt ein leichtes, zwischen bierernster Heldengeschichte und vielleicht doch nur parodistisch gemeinter Verballhornung eben jener Genreklischees zu unterschieden. Schwer zu sagen also, ob McCay hier bewusst mit dem Publikum spielt, oder ob man in seiner albernen Nummernrevue nicht mehr sehen sollte, als eigentlich vorhanden ist.
Beim amerikanischen Publikum scheint so etwas anzukommen, dort spielte die Crash Challenge-Komödie fast 150 Mio. Dollar ein. Mit debilem Humor, schnellen Autos, hübschen Frauen und den guten alten Themen um Freundschaft und Familie nicht gerade ein Geheimrezept für kommerziellen Erfolg, wäre da eben nicht die vage Vermutung, dass man hier eigentlich schwer aufs Korn genommen wird.
50%