Den neuerlichen, geupdateten Zweifeln an der alten Welt nun hat zuletzt niemand so anschaulich Ausdruck verliehen wie Eli Roth in seiner Osteuropa-Folter-Orgie "Hostel", die man ja angeblich auch als satirische Komödie hätte verstehen können. Seitdem ist zu beobachten, dass sich das, lange hat es gebraucht, harmonisch sanfte Russland-Bild im US-Kino ganz heimlich erneuert hat – zumindest schien mir die Skepsis gegen den einstigen Feind seit Ende des Kalten Krieges nicht mehr so auffällig wie in vielen Filmen der letzten Jahre. Zuletzt erst hat sogar David Cronenberg in "Eastern Promises" eine vor Genreklischees strotzende Thriller- geschichte erzählt, in der sich russische Mafiastrukturen bis ins urbane London ausgebreitet haben. Und auch Brad Andersons jüngste Regiearbeit "Transsiberian" behauptet jetzt, dass sich im kargen und brüchigen Land der ehemaligen Sowjetunion noch immer – oder: wieder – die Barbaren tummeln: Woody Harrelson und Emily Mortimer geraten hier als amerikanisches Vorzeigepärchen auf der Durchfahrt mit der Transsibirischen Eisenbahn in die Fänge korrupter russischer Polizisten und Drogenhändler, ehe sie gar in einem Gulag landen!
Doch der Film ist konzeptionell eher als Reaktion auf diesen, wenn man ihn als solchen begreifen möchte, jüngeren Trend im US-Kino zu verstehen. Er entwirft zunächst eine scheinbar konventionelle Thrillerhandlung, die fast penetrant die her- kömmlichen Ängste vorm fremden Land und seiner Menschen ausspielt, bürstet dann jedoch alle Erwartungen gegen den Strich. Er nimmt schlagartig Richtungswechsel in der Handlung vor, löst Identifikationsfiguren auf und führt den Zuschauer rigoros aufs Glatteis. So schleppend und vorhersehbar die erste Hälfte erschien, so spannend und mitreißend entwickelt sich der Film, wenn der "Transsiberian" erst einmal Fahrt aufgenommen hat. Konsequent kehrt Anderson Motive um, statt nur die hinlänglichen Klischees des amerikanischen Thriller-Kinos zu variieren. Und das immer zu Ungunsten der Logik, die bei derlei filmischer Metaarbeit jenseits von "Strangers On A Train" und "Narrow Margin" wohl kaum noch berücksichtigt werden kann.
Zuletzt führt jedoch genau das den Film zum Widerspruch zwischen Erzählkino und konzentrierter Genrereflexion, den Anderson – anders als beispielsweise Hitchcock – nicht elegant aufzulösen versteht, ja nicht einmal anzudeuten vermag, dass dieser zu verhandelnde Zwiespalt gar keiner sein muss. Deshalb kommt es auch nicht zur erhofften Entgleisung, sondern schaltet "Transsiberian" zum Schluss wieder einen Gang zurück, ehe er eine vorsichtige Bremsung hinlegt. Auf den letzten Metern erliegt der Film dann leider all jenen Klischees, die er doch eigentlich bewusst brechen und ad absurdum führen wollte, nur um die Geschichte einigermaßen schlüssig zum Abschluss bringen zu können – was allerdings erst recht nicht funktionieren möchte, da das plötzliche Abwenden von der Wendung schlussendlich natürlich keiner narrativen Glaubwürdigkeit mehr untersteht. So lässt sich der Rückfall ins Klischee noch als unmoralisches Wildern erklären, also als berechtigte Absicht, gesell- schaftliche Vorurteile und Ängste zu spiegeln und gegebenenfalls auch zu bestätigen. Die Konsistenz eines wirklich guten Thrillers, der "Transsiberian" hätte werden können, lässt sich dadurch jedoch nicht wiederherstellen.