Dezember 08, 2008

Retro: MARQUIS (1989)

Nach zahllosen filmischen Annäherungsversuchen vor allem europäischer Regisseure, entwarfen Regisseur Henri Xhonneux und mit ihm Grafiker und Autor Roland Topor die eigentümlichen Umstände der pornographisch-philosophischen Knastschriften des Marquis de Sade 1989 schließlich als surreale Fabel neu. Die mit Tiermasken und anderweitigen Körper-Props ausgestatteten Darsteller staksen und tapsen dabei in Studio-Dekors herum und stellen die mutmaßlich konspirative Leidensgeschichte des Autors de Sade als absurdes Bauerntheater nach. In hohen Mauern eingekeckert, versucht dieser seinen gedanklichen Widerspruch zwischen Gier und Gepflogenheit auszutragen, derweil außerhalb revolutionäre Strömungen den Sturz der Bastille vorbereiten.

"Marquis" ist satirisches, bissiges, manchmal gar böswilliges Puppenspiel für Erwachsene, ein obskurer Misch aus "Animal Farm" und intellektuellem Exploitationfilm. De Sade, der Hund, erscheint bei Xhonneux und Topor als einsamer lüsterner Philosoph, der im ständigen verbalen Austausch mit seinem erigierten XL-Schwanz sinniert und im Lustwahn auch mal in die Löcher seines Zimmergemäuers fickt, was seinem Kameraden unterhalb der Gürtellinie allerdings diverse Blessuren einbringt. Als besonders treffend erweist sich das künstlerische Konzept der beiden Autoren dann, wenn sich die eloquenten Tiere im Gefängnis ihren sodomitischen Sex- und Folterfantasien hingeben. Solch komisch gemeinte und tricktechnisch noch komischer umgesetzte Momente sind, besonders in Form der mit Knetfiguren animierten Zwischen- sequenzen, jedoch leider ein wenig rar gesät. Der Film zielt eher auf die manierierten Bequemlichkeiten des Adels und der Kirche (der König ist hier ein intriganter geiler Gockel, der Priester ein verlogenes Kamel) und deren tüchtiger Doppelmoral ab, über die er sich – mehr oder weniger gesellschaftskritisch – genüsslich amüsiert. "Marquis" ist dabei manches Mal nicht allzu weit entfernt von den barocken Sinnesrauschen Fellinis, wirkt bei aller amüsanten Leichtigkeit aber auch nicht selten unnötig verkopft.


60% - (als DVD-Review) erschienen bei: DAS MANIFEST