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Wertung: 5/10 - Kinostart: 12.10.2006
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Reitman inszeniert seinen Film unheimlich kurzweilig und verliert nie das hohe Tempo des Beginns. Er erzählt straff und präzise ohne Oberflächlichkeiten, verlässt sich zielsicher auf das großartige Ensemble. Und „Thank you for Smoking“ ist bis in die kleinsten Nebenrollen prominent besetzt und hinreizend gespielt, sowie treffsicher und wirklich komisch. Vielleicht ist er aber auch deshalb so überzeugend geraten, weil die große Ironie des Films die nüchterne Erkenntnis ist, dass bei all der politischen Inkorrektheit, überzeichneten Darstellung und sarkastischen Konsequenz die Wirklichkeit der Politik eben doch selten so korrekt eingefangen wurde. Und dafür musste in diesem Film nicht einmal geraucht werden.
Lucas’ Idee von "Star Wars" war so umfangreich, dass er die Geschichte schnell in drei Teile zerlegen musste. "A New Hope" würde demnach das erste Kapitel bilden, während die beiden weiteren Folgen den intergalaktischen Kampf der Rebellen gegen das faschistische Imperium unter der Führung des Imperators Dark Sidious und seines Gehilfen Darth Vader, einem einstigen Jedi-Ritter namens Anakin Skywalker, der der dunklen Seite der Macht verfallen ist, schildern sollten. Nach eigenen Angaben hatte Lucas die Serie sogar von vornherein als sechs- bzw. neunteilige Saga angelegt. Eine Prequel- Trilogie sollte der Regisseur allerdings erst viele Jahre später inszenieren und den naiven Stoff zu einer ambitionierten Oper in drei Akten umdichten, die mit dem Fall der Republik und Erhebung eines Imperiums die Vorgeschichte als simplifizierte Quasi-Metapher nationalsozialistischer Machtergreifung markieren würde (die Prequel-Episoden vermengen historische Verweise mit Sci-Fi-Unterhaltung zu einer verfremdeten, ehrgeizigen Weltraumparabel). Gleichzeitig ließ Lucas mit dem Beginn der Arbeit zu "Episode I: The Phantom Menace" verlauten, dass es keine inhaltlich an "Episode VI: The Return of the Jedi" anschließenden Folgen geben werde, da der entscheidende Schlag gegen das diktatorische Imperium in diesem letzten Film bereits erfolgt sei, und es kaum lohnte, über drei weitere Episoden lediglich den ausgedehnten Krieg zu schildern, an dessen Ende ohnehin der Sieg der Rebellen stünde. Zudem seien die Geschichten in Literatur, Comics und Hörspielen bereits weitergesponnen, so wie "Star Wars" in einem eigens geschaffenen Universum der Popkultur ein munteres Eigenleben entwickelt hat.
Da Lucas davon ausging, dass er mit seinem Film neue Maßstäbe setzen müsse, um die eigenen Vorstellungen von spektakulären Raumschlachten und halsbrecherischen Flugmanövern im Weltall entsprechend umsetzen zu können, kalkulierte er "Star Wars" mit einem 10-Millionen-Dollar- Budget Um die Produktion des Films zu ermöglichen, unterzeichnete er einen bis dato einmaligen Vertrag mit 20th Century Fox, nachdem er bei Universal vor die Tür gesetzt wurde. Er erhielt eine vergleichsweise geringe Gage für sein Drehbuch und die Regie, sicherte sich hingegen die Kontrolle über seinen Film, die Rechte für die Soundtrackverwertung und Fortsetzungen, sowie für das Merchandising, was von Studioverantwortlichen seinerzeit noch als unerhebliche Zusatzkomponente bereitwillig freigegeben wurde. Später sollte der Regisseur damit zum bestverdienenden unabhängigen Filmemacher aller Zeiten werden, Hollywood den Rücken kehren und ein eigenes Lucasfilm-Imperium erschaffen. Das weltweite Einspiel des Films beträgt heute 775 Mio. Dollar: Es ist, selbst nach inflationsbereinigter Rechnung, der zweiterfolgreichste Film aller Zeiten.
Als seltsames Mantel-und-Degen-Abenteuer im Weltraum, das mit visionären Zukunftsbildern kokettiert, während es gleichzeitig auch als aufgeblasene Retro-Hommage klassischer camp serials erscheint, folgt "Star Wars" einer Vielzahl an Vorbildern. In erster Linie ist der Film eine Art beweisführende Kinoadaption des Buches "The Hero With a Thousand Faces" von Joseph Campbell, das alle Mythen und Sagen auf einen gemeinsamen Nenner zusammenfasste und so deren Reduplikationspotential offen legte. Dramaturgisch und konzeptionell wurde Lucas dann im Konkreten von Akira Kurosawas "The Hidden Fortress" beeinflusst, sogar hinsichtlich der Figurenkonstellation, während die kruden, fantasievollen, eigenbrötlerischen Elemente in der Tradition von "Flash Gordon" stehen. Da Lucas den Film nach eigenen Gutdünken spielerisch aus zahllosen Bausteinen zusammen- setzt, sich bei so verschiedenen archetypischen Filmen wie "Satyricon", "The Sea Hawk" oder "The Wizard of Oz" ebenso wie literarischer Vorbilder von "The Lord of the Rings" bis hin zu "Dune" bedient, kann "Star Wars" problemlos als Mischform aus Science Fiction-Spektakel und Gründungsmythos (1), sowie prägnantes Beispiel für ironisches, sich seiner Bezugnahme augenzwinkernd bewusstes, postmodernes Filmemachen angesehen werden – und trotz seiner Autorenqualität abseitiger New Hollywood-Film.
Die Mischung, vermutlich das Erfolgsrezept von "Star Wars", ist hingegen weniger willkürlich und weitaus mehr einer eigenen Struktur, Vorstellung und Konzeption unterstellt, als man vermuten könnte. Lucas schiebt die Referenzvorbilder nicht vor sich her, um sie der Reihe nach zu zerstreuen, sondern sortiert sie zu einer eigenen Anordnung. Im Prinzip fügen sich die Verweise Lucas’ Faszination fürs Geschichtenerzählen: Dramaturgisch vom moralischen Kampf um Gut und Böse, Spiritualität und Religion, Freiheit und Unterwerfung motivisch angeführt – Robert Kolker nennt es dezent verächtlich schlicht eine "große Colage aus einer Vielzahl von Genres, mit ausreichenden New-Age-Albernheiten über Intuition und Selbstgenügsamkeit gefärbt" (2) –, wirken die Referenzvorbilder letztlich wie Teilstücke eines Leitfadens, werden also weitestgehend sinngemäß integriert und nicht auf wahllose Objekte einer Rückbezugnahme innerhalb der Popkultur wie im Kino Quentin Tarantinos reduziert (wenn- gleich "Star Wars" diesbezüglich als Wegbereiter fungieren mag).
Die verspielte Ausgelassenheit, mit der Lucas sein "Star Wars"-Universum zum Leben erweckt, enttarnt ihn letztlich auch als jungen Regisseur mit kindlichem Gestus, der jeden Wert aufs Spektakel setzt: Die vielseitigen, oben benannten Einflüsse dienen schließlich einer großen Vision vom Kino der Reize und Emotionen, bei dem alle ästhetischen Konstruk- tionen einem Effekt des Erlebbaren und des Staunens untergeordnet werden. Die Naivität, mit der Lucas auf einen unerschöpflichen Bildervorrat zurückgreift, um sein Spektakel so mitreißend und fühlbar wie nur eben möglich zu erschaffen, erinnert nicht von ungefähr an seinen Freund und Weggefährten Steven Spielberg. Am Stärksten zeigt sich der fast fahrlässig unbeschwerte Ideenreichtum des jungen Regisseurs im Finale, das Set-Up und Einstellungen des Leni-Riefenstahl-Films "Triumph des Willens" imitiert, kopiert oder auch zitiert: Vermutlich überwältigt von der filmischen Erhabenheit und Technik, mit der Lucas (wie viele seiner Kollegen) auf der Filmuniversität in Berührung kam, lässt er die Rebellen der Galaxis im großen Thronraum der Allianz im Nazi-Stil auflaufen. Sich des Irrsinns, die faschistische Ästhetik Riefenstahls nicht problemlos von deren auch faschistischer Ideologie abtrennen zu können, sichtlich unbewusst, besteht für Lucas nicht einmal ein Widerspruch darin, die revolutionären, in rot gekleideten Rebellen des Imperiums im fascho-chic zu präsentieren. Auch jenseits jedweder Ironie, die man dort vermuten möchte.
Weltraumhelden im Nazi-Chic: "Triumph des Willens" und "Star Wars"
Das Element, welches jedoch am Stärksten Kontinuität stiftet, das eigenständige Zusammenhänge in einem Groß an Referenzen schafft und dem bunten Treiben eine höhergestellte Verbindung impliziert, ist zweifellos John Williams Musik. Die facettenreiche Partitur verweist innerhalb des Films auf Handlungsabschnitte und Figuren, bindet die Struktur, die Ereignisse und Action, sie deutet an und ergänzt, unterstreicht und führt fort, schafft Bezüge und Charaktere, ja erscheint mitunter gar als eigentlicher Leiter des Films, als sein Regisseur. Die Musik arbeitet oft, gerade in einem verhältnismäßig dialogarmen Film wie "Star Wars", als zwischentextliches Element, das meist erst jene Bedeutung ausbildet, die die Bilder unterschwellig, aber unbeholfen auszudrücken versuchen (beispielsweise in der Sequenz, als Luke Skywalker in die Doppelsonne blickt, und ein bewegendes, episches Motiv auf Schicksal und Hoffnung des noch etwas befremdlichen Helden verweist). Als Rückkehr zur sinfonischen Hollywoodmusik gefeiert, zählt Williams Arbeit heute zu den bedeutsamsten Filmmusiken aller Zeiten. Und George Lucas als erfolgreichster Independent-Regisseur Hollywoods – jenseits von Hollywood.
Literatur:
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