August 18, 2010

Kino: SALT

Alles schon mal da gewesen in diesem beispiellosen Retro-Kinosommer, der sich nur aus Remakes, Sequels und Adaptionen speisen möchte. Und falls ein einziger Film unter ihnen eine originäre Idee selbstverwirklicht (die so originär nicht ist), dann wird er alsgleich zum Meisterwerk und Christopher Nolan zum King of the World auserkoren. Wenn das US-Mainstreamkino in seinem beklagenswerten Verzicht auf Erneuerung nunmehr sogar die Feindbilder von anno dunnemals rekrutieren muss, um frischen Wind durch seinen Ideenfriedhof zu blasen, gleicht das einer Verzweiflungstat: Der Spionagethriller "Salt" feiert ausgelassen die Rückkehr der Wodka süffelnden Russen-Bösewichter, als sei der Eiserne Vorhang nie gefallen. Inoffizieller Kinostart: Sommer 1990.

Evelyn Salt (Angelina Jolie) ist CIA-Agentin mit Leib und Seele. Sie hat ihrem Vaterland große Dienste erwiesen, und dafür wurde sie sogar schon von oberster Stelle aus nordkoreanischer Gefangenschaft befreit. So einer vorbildlich loyalen Agentin würde man demnach nicht zutrauen, eine russische Spionin zu sein, die an der Durchführung geheimer Pläne zur Auslöschung der USA beteiligt ist. Doch genau das behauptet eines Tages ein Überläufer, der Salt als potentielle Attentäterin beschuldigt. Von einem Moment zum nächsten gerät die Agentin in eine Verschwörung, in deren Verlauf sie sich gegen russische Terroristen und ihre eigenen Kollegen von der CIA zur Wehr setzen muss.

Ein solider alter Hut, die Geschichte. Ein funktionaler Plot, angereichert mit vielen scheinbar komplizierten Details. Natürlich lässt er sich aber ganz einfach herunter brechen auf die klassische Genreformel vom unschuldig Gejagten, und natürlich ist das alles nicht annähernd so kompliziert, wie es sich gern vorkommt. Weil man diesen Film in der einen oder anderen Form schon unzählige Male gesehen hat, stets irgendwie variiert und am Ende doch ziemlich gleich, gewinnt man hier wohl schneller Durchblick, als es dem Drehbuch genehm sein dürfte (Mutmaßung!). Der finale Twist, den es selbstverständlich geben muss und der auch recht deutlich als solcher inszeniert ist, hat zumindest einen besonders langen Bart in diesem auch sonst sehr langbärtigen Film.

Angelia Jolie spielt Evelyn Salt als weibliche Ausgabe von Jason Bourne. Ständig auf der Flucht, ein Hindernis nach dem anderen überquerend, völlig auf sich allein gestellt. Einzig mit dem Publikum auf ihrer Seite muss sie ihre Unschuld beweisen. In den "Bourne"-Filmen allerdings ging es um die persönliche Identität des Helden, in "Salt" werden direkt große Fragen nach nationaler Sicherheit mit dem Glauben an Loyalität und Vertrauen gekoppelt. Dass hier mal eine Frau zur Staatsfeindin Nummer 1 erklärt wird, inspiriert den Film allerdings nicht zu neuen Genrepfaden, was wohl daran liegen mag, dass ursprünglich Tom Cruise die eigentlich männliche Titelrolle ("Edwin A. Salt") spielen sollte.

Regisseur Phillip Noyce ist ein erfahrener Regisseur, der das liefert, was man von ihm erwartet. Seine Tom-Clancy-Adaptionen "Die Stunde der Patrioten" und "Das Kartell" dürften ihn für die Auftragsarbeit "Salt" empfohlen haben, alle drei Filme wurden im gleichen Topf gekocht. Entsprechend gediegen ist Jolies permanente Flucht inszeniert. Zwar lässt der Film nichts anbrennen und legt ein enorm hohes Tempo vor, doch sind die Actionszenen eher unauffällig, wenig spektakulär und ohne besondere Höhepunkte choreographiert. Schön sicherlich, dass Noyce das alles demnach ohne übermäßigen CGI-Nonsens und verschnittenes Gewackel gereicht, aber der Film fühlt sich somit nicht nur inhaltlich wie ein Retortenthriller der frühen 90er an. Inklusive etwas trashigem Bösewichtfinale: Einmal Knopfdrücken und Amerika ist Geschichte.

Und dann ist "Salt", den man soweit ja durchaus gut weggucken kann (kein Qualitätskriterium), ganz plötzlich in dem Moment zu Ende, als man gerade anfangen möchte der Geschichte zu folgen. Es bleiben nach 100 raschen Minuten mehr Fragen als Antworten über, so als hätte man nur einen langen Teaser zum eigentlichen Film gesehen. Schön und gut, wenn das hier der Startschuss zu einer neuen Franchiseserie sein soll, aber zunächst einmal wäre es ganz nett, wenn "Salt" auch als eigenständiger Film funktionieren würde. Denn noch sind die Fortsetzungen, die die vielen losen Fäden des Films geradezu einfordern, noch reine Zukunftsmusik.


40% - erschienen bei: gamona