"Gefühlt Mitte Zwanzig" hat der deutsche Verleih Noah Baumbachs neuen Film "While We're Young" betitelt. Die Hauptfigur heißt Josh (Ben Stiller) und ist 44, gefühlt Mitte Vierzig. Seit acht Jahren arbeitet Josh an einer Dokumentation, die "zugleich materialistisch und intellektuell" von Amerikas Selbstverständnis im Wandel der Zeit handeln soll. Mit großen theoretischen, allerdings auch eingeprobt und darin merklich klein wirkenden Worten erklärt Josh sein noch unfertiges Projekt dem jungen Regisseur Jamie (Adam Driver) und dessen Frau Darby (Amanda Seyfried). Jamie gibt sich als Bewunderer des einst aussichtsreichen Dokumentarfilmers zu erkennen, nennt ihn Vorbild und Inspirationsquelle, stellt ihm vor der ersten Begegnung sogar nach. Schmeicheleien vom knapp halb so alten Nachwuchs: Erbaulich für den in Lebenskrisenstimmung verfallenen Josh und seine Ehefrau Cornelia (Naomi Watts). Auf Anhieb verbringen die beiden viel Zeit mit dem jungen Pärchen, über dessen Unbedarftheit Josh nur staunen kann: "They're all making things", meint er ein wenig neidvoll.
Noah Baumbach geht es darum, die ungleichen Paare so ausdifferenziert wie möglich agieren zu lassen, mit Blick vor allem auf alltägliche Gegensätze. Die Twentysomethings Jamie und Derby schauen Filme auf VHS, Josh und Cornelia richten ihre Abendunterhaltung am Netflix-Programm aus. Das eine Pärchen liest wieder Bücher und tippt mit alten Schreibmaschinen, das andere nutzt E-Reader und Smartphones. In der albernsten Parallelmontage des Films zocken die kinderlosen Mittvierziger einsam Tablet-Games, während sich ihre neuen Freunde mit Brettspielen vergnügen - als habe Baumbach die demonstrativ herausgepulten und dennoch bloß behaupteten Generationsunterschiede bis dahin noch nicht deutlich genug eskalieren lassen: Junge Hipster sind hip, alte Langweiler langweilig und die Anbiederungsversuche des sich mit Vintage-Kleidung verjüngenden Josh fürchterlich verzweifelt ("You are so in the moment", scharwenzelt der sich offenbar außerhalb irgendwelcher Momente bewegende Josh um seinen Günstling herum).
Das ist ziemlich unangenehm - und noch nicht einmal auf eine interessante Art. Baumbach stellt mit diesen Menschen nämlich nichts an, er spielt sie nur immer wieder gegeneinander aus. Nach etwa der Hälfte des Films hat er alle Klischees restlos abgefrühstückt, weshalb er das figurale Ungleichgewicht einfach kräftig in die andere Richtung verlagert: Josh wendet sich vom draufgängerischen Jamie ab, weil dessen ironische Gekünsteltheit auch keine lebenstaugliche Alternative zur eigenen Midlife-Crisis darstellt, und in einem großspurig inszenierten, aber denkbar absurden Twist wird auch noch der Dokumentarfilm des Nachwuchsregisseurs als methodisch fragwürdig überführt. Anders als Josh, der nach der Wahrheit im Leben und in seinem das Leben abbildenden Film sucht, hat es der selbstsüchtige Jamie lediglich auf schnelle Karriereerfolge im Kinobusiness abgesehen - eine Erkenntnis, die Josh zu Selbstoptimierung inspiriert und die Baumbach dazu bringt, umso abschätziger auf seine anderen Figuren zu blicken.
Zwar gelingen dem versierten Drehbuchautor, der Baumbach zweifellos ist, hin und wieder schöne Einzelszenen voller auf Fremdscham abzielenden Situationswitz, in denen Ben Stiller allerhand absonderliche, hochnotpeinliche Momente regungslos und also hochkomisch aussitzen darf. Doch das in den vorherigen Filmen des Regisseurs stets evidente Interesse an Menschen, die nicht anders können, als sich gegenseitig im Weg zu stehen (wie etwa die rührige Francis in der Post-Adoleszenz-Eloge "Frances Ha" oder der ebenfalls von Stiller gespielte Verlierertyp Roger in "Greenberg") ist einem seltsamen Altherrenzynismus gewichen. Wo frühere Baumbach-Protagonisten ihre Befindlichkeiten gerade deshalb geradezu brachial kommunizierten, weil sie auf eine gemeinsame Klärung der Verhältnisse auf Augenhöhe hoffen durften, erweist sich "Gefühlt Mitte Zwanzig" als geradewegs diskursfeindlich darin, wie die einmal gezogenen Trennlinien wieder und wieder bestätigt werden. Intergenerationelle Annäherung (oder auch Klassenwiderstände, die Josh in seiner Dokumentation zu thematisieren versucht) bekommt der Film lediglich über strikte Thesen und Gegenthesen zu fassen, mit dem ebenso unverhandelbaren wie trostlosen Ergebnis, dass es wohl allen besser ginge, wenn sie nur immer schön unter sich blieben.
erschienen im perlentaucher