"Mein Untergang begann an einem märchenhaften Tag", heißt es zu Beginn von "Liebe und andere Kleinigkeiten" mit einem Voice-Over, der in seiner Sanftheit ganz gezielt falsche Wohlfühlkinofährten legt. Wenn im Leben etwas gehörig schief laufe, so der Gynäkologe Jeff Lang (Idealbesetzung: Tobey Maguire), müsse man den kleinen Dingen Beachtung schenken. Jenen winzigen Details, die die Katastrophe erst heraufbeschwört hätten. Genau ihnen nämlich hat Jeff, und dessen wird er sich bald schmerzhaft bewusst, nicht die nötige Aufmerksamkeit zukommen lassen. [...]
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Juni 30, 2014
TV: FARGO - SEASON 1
Statt Stoffe selbst zu entwickeln, setzen immer mehr TV-Serien erfolgreiche Kinofilme fort. Das kann man bedauerlich finden, weil Fernsehen sich mit spannenden Erzählungen und thematischen Experimenten zuletzt eben auch als eine Alternative zum Kino empfohlen hat. Oder man macht es, wie etwa die Produzenten von "Fargo", einfach ganz anders – und vor allem ganz richtig. Ihre Serie ist die vielleicht größte Überraschung des TV-Jahres. [...]
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DVD/BD: ALMOST HUMAN
Im amerikanischen Mainstream- wie auch Independent-Bereich ist das Genrekino der 80er wieder reaktiviert. Allmählich profitieren offensichtlich selbst Amateurfilmemacher von einem Hype, dessen Rückbesinnung nerdig, niedlich, vor allem aber nostalgisch ist. Ganz plötzlich fühlt sich da jedes Kind der Eighties zu einer eigenen Hommage befähigt, selbst wenn diese nicht über ein sinnbefreites Best-Of schlecht nachgeahmter Lieblingsfilme hinausreicht. [...]
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Juni 26, 2014
Nicht im Kino: I AM DIVINE
Aber dafür auf DVD: eine mühsam finanzierte Doku über die "filthiest person alive", internationale Drag-Ikone und natürlich Muse von John Waters. Mehr als nur eine Alternative zum WM-Loch, diese Hommage an Divine.
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Juni 25, 2014
Kommt es (auch) beim Film auf die Länge an?
Im Kino erfordern Filme mit sogenannter Überlänge einen Zuschlag, daheim nehmen sie zumindest mehr Zeit in Anspruch. Wirkt sich die Dauer eines Films auf unser Sehverhalten aus? Oder kommt es gar nicht auf die Länge an? Ein paar lose Gedanken.
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Juni 19, 2014
Zuletzt gesehen: HANSEL AND GRETEL (1982)
Obgleich unlängst auf einigen Filmseiten das Gegenteil behauptet steht, galt Tim
Burtons Disney-TV-Special Hansel and Gretel nie als verschollen,
sondern wurde lediglich vom Regisseur selbst unter Verschluss gehalten. Erst
für dessen populäre Ausstellungen im MOMA bzw. der Cinémathèque Française gab er
jenes kuriose Frühwerk frei, das nach seiner einzigen Ausstrahlung an Halloween
1983 ausschließlich in filmwissenschaftlichen Kontexten (und damit so gut wie
gar nicht) verfügbar war. Eine kleine Sensation ist die nun in Umlauf
gebrachte VHS-Aufnahme der selbstverständlich sehr sonderbaren Grimm-Adaption
aber dennoch – und mich hat die Nachricht auch regelrecht vom Stuhl gehauen, so
ich damals einzig für diese 35 Minuten gar einen Trip nach Paris in Erwägung
zog (ja ja, ein wahrer Fan hätte das wohl getan, usw.usf.). Die Sichtung habe
ich jetzt tatsächlich mehrere Tage lang vor mir her geschoben, einerseits aus
Ehrfurcht, andererseits dem wohligen Gefühl, sich einen Burton-Film einfach auch
aufheben zu können – wenn man ihn braucht, ist er nun da. Und geht nicht mehr
weg.
Hansel and Gretel markiert in vielerlei Hinsicht einen Meilenstein in Tim Burtons Karriere. Es war seine bis dato längste Produktion ebenso wie der erste Film, für den der einstmalige Disney-Zeichner und Animationsregisseur mit Schauspielern arbeitete. Vielleicht im Wissen, mit ebendiesen ohnehin nicht konventionell umgehen zu können, zumindest aber dergestalt zu verfahren, wie es das Disney-Network wohl von ihm erwartet haben mag, entschied er sich für eine merklich bizarre Yarō-Kabuki-Interpretation des Märchens: Die bekannte Geschichte "nach verschiedenen Erzählungen aus Hessen" besetzte er ausschließlich mit japanischen Darstellern, von denen Michael Yama sowohl Hänsels und Gretels Stiefmutter als auch die böse Hexe (mit Zuckerstangen als Nase und Krückstock!) mimte. Es ist erstaunlich zu sehen, wie Burton schon anno dazumal queere Konzepte an manierliche Familienunterhaltung zu binden verstand, und auch Gepflogenheiten eines Konzerns (hier: Disney) zu unterwandern, ohne sie dabei zwangsläufig radikal zu destabilisieren – was ja eben bereits auf die viel zitierte "Subversion im Mainstream" verweist, die Burton später als eine Art auteuresken Schlüssel zum Erfolg nutzen wird.
Das TV-Special selbst verbleibt als ulkige Persiflage klassischer Kindergeschichten natürlich als das, was es ist: eine Fingerübung, eine Aneignung visueller Gestaltungswerkzeuge (Stop-Motion im Realfilm, On-Set-Tricks, Dekorverfremdung), eine erste Probe aufs Exempel, mit bereits allen ästhetischen Erkennungszeichen, von eigensinnigen Spiral- und Schachmustern bis zu langen Schatten, die hier von hageren Studiobäumen ohne Ast und Laub geworfen werden. Im orgiastischen Finale, das mit richtungslos umher geschmissenen Farbbeuteln, einer Kung-Fu-Einlage (die Hexe wirft essbare Ninja-Sterne und kämpft mit einem Nunchaku) sowie Unmengen an Glibberschleim herrlichsten Nonsens auffährt, scheint Tim Burton, der seinerzeit so unzufriedene Disney-Zeichner, erstmals ganz zu sich selbst zu finden. Und dass das nun endlich auch für jedermann einseh- und nachvollziehbar ist, stimmt mich höchst zufrieden.
Hansel and Gretel markiert in vielerlei Hinsicht einen Meilenstein in Tim Burtons Karriere. Es war seine bis dato längste Produktion ebenso wie der erste Film, für den der einstmalige Disney-Zeichner und Animationsregisseur mit Schauspielern arbeitete. Vielleicht im Wissen, mit ebendiesen ohnehin nicht konventionell umgehen zu können, zumindest aber dergestalt zu verfahren, wie es das Disney-Network wohl von ihm erwartet haben mag, entschied er sich für eine merklich bizarre Yarō-Kabuki-Interpretation des Märchens: Die bekannte Geschichte "nach verschiedenen Erzählungen aus Hessen" besetzte er ausschließlich mit japanischen Darstellern, von denen Michael Yama sowohl Hänsels und Gretels Stiefmutter als auch die böse Hexe (mit Zuckerstangen als Nase und Krückstock!) mimte. Es ist erstaunlich zu sehen, wie Burton schon anno dazumal queere Konzepte an manierliche Familienunterhaltung zu binden verstand, und auch Gepflogenheiten eines Konzerns (hier: Disney) zu unterwandern, ohne sie dabei zwangsläufig radikal zu destabilisieren – was ja eben bereits auf die viel zitierte "Subversion im Mainstream" verweist, die Burton später als eine Art auteuresken Schlüssel zum Erfolg nutzen wird.
Das TV-Special selbst verbleibt als ulkige Persiflage klassischer Kindergeschichten natürlich als das, was es ist: eine Fingerübung, eine Aneignung visueller Gestaltungswerkzeuge (Stop-Motion im Realfilm, On-Set-Tricks, Dekorverfremdung), eine erste Probe aufs Exempel, mit bereits allen ästhetischen Erkennungszeichen, von eigensinnigen Spiral- und Schachmustern bis zu langen Schatten, die hier von hageren Studiobäumen ohne Ast und Laub geworfen werden. Im orgiastischen Finale, das mit richtungslos umher geschmissenen Farbbeuteln, einer Kung-Fu-Einlage (die Hexe wirft essbare Ninja-Sterne und kämpft mit einem Nunchaku) sowie Unmengen an Glibberschleim herrlichsten Nonsens auffährt, scheint Tim Burton, der seinerzeit so unzufriedene Disney-Zeichner, erstmals ganz zu sich selbst zu finden. Und dass das nun endlich auch für jedermann einseh- und nachvollziehbar ist, stimmt mich höchst zufrieden.
(Randnotiz: Catherine Hardwicke, Regisseurin des ersten Twilight,
kreierte für den Film einige Modelle und erhielt dafür die allererste Abspannnennung
ihrer Karriere)
(Randnotiz 2: Vincent Price wird in der IMDb als Erzähler geführt,
doch zumindest in der jetzt einzig verfügbaren Fassung fehlt diese Rahmung
bedauerlicherweise vollständig)
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Juni 18, 2014
News-Terror im Tentpole-Zeitalter
Die großzügige Berichterstattung über "Star Wars: Episode VII" ist vor allem eine der Mutmaßungen und Fragezeichen. So wenig Einblicke sie dabei in den Film gibt, so sehr legt sie allerdings die Marketing-Rituale gegenwärtiger Blockbuster frei.
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Juni 16, 2014
TV: GAME OF THRONES - SEASON 4
Selbst als Serienmuffel dürfte es schwer sein, sich dem Phänomen "Game of Thrones" noch irgendwie zu entziehen. Mit durchschnittlich 18,4 Millionen Zuschauern pro Folge ist es die offiziell erfolgreichste HBO-Show seit Bestehen des US-Programmanbieters, die am meisten heruntergeladene sowieso. Weltweit diskutieren Fans die Ereignisse einer jeweiligen Episode, nach deren Ausstrahlung das Internet regelmäßig Kopf steht. [...]
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Juni 12, 2014
DVD/BD: LESSON OF THE EVIL
Wer Regisseur Takashi Miike schon an milden Mainstream verloren glaubte, den straft Japans unvergleichliche Skandalnudel mit "Lesson of the Evil" gehörig Lügen. Sein irrsinniger High-School-Splatterfilm räumt vorerst alle Bedenken aus, nach denen Miike nun im sanftmütigen Alterswerk angekommen sei. So erbarmungslos wie hier mussten unschuldige Schüler seit "Battle Royale" nicht mehr um ihre Leben fürchten! [...]
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Juni 11, 2014
Die WM und das Kinoloch - viel Fußball, wenig Film
Je voller die Public-Viewing-Plätze, desto leerer die Kinos? Filmverleiher zumindest scheuen die Fußball-WM und lassen gleich vier Wochen lang keine Blockbuster starten. Für Studios bedeutet das Chaos, für Fußballmuffel ein dürftiges Kinoangebot.
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Juni 10, 2014
Zuletzt gesehen: FAST COMPANY (1979)
Wenn es nicht so langweilig wäre, könnte man Fast Company, diesen seltsamen Störenfried in David Cronenbergs ja doch sehr einheitlichem Schaffenswerk, gleich mehrfach in die Bestandteile seines Entstehungskontexts zerlegen. Könnte also auf frisch errichtete Steueroasen verweisen, die im Kanada der ausgehenden 70er Jahre kunstfremde Investoren zur Filmproduktion inspirierten. Könnte argumentieren, das Action-Drama sei lediglich als Rekrutierungsoperation künftiger Cronenberg-Weggefährten wie Ronald Sanders oder Carol Spier zu verstehen. Oder auch einfach nur den ziemlich simplen Umstand benennen, dass der nach Shivers und Rabid vorerst arbeitslose "King of Body Horror" (wie ich dieses Label hasse!) eine noch recht junge Familie zu ernähren hatte.
Viel interessanter ist doch aber, wie Cronenberg mit dieser Auftragsproduktion umgeht: Da ist zum einen solch kursorisches B-Movie-Material, geschult an AIP-Exploitation Cormanscher Prägung, das es sich nicht anzueignen, sondern nur passend zu verkaufen galt, so Cronenberg dieses für ihn freilich rare Beispiel konventionellen Filmemachens gleich noch mit seiner persönlichen Leidenschaft für Motorsport zu verknüpfen wusste. Und da ist zum anderen die Geschichte eines lädierten Drag-Race-Profis (tiefenentspannt: William Smith), der nicht nur seinen Vorgesetzten (niederträchtig: John Saxon) erledigen, sondern auch Freundin, Kollegen, eine ganze Profession und, ach was, eigentlich das Land of the Free per se retten muss. Fast Company ist, wie später auch A History of Violence, ein Western ganz ohne Colts und Cowboys. Ein bisschen eigen- und blödsinnig, aber voller Herzblut. Und Nicholas Campbell, der Mann mit den wohl schönsten Augen des Kinos, ist als Billy the Kid eine Entdeckung, auf die Cronenberg heute zu Recht stolz sein darf.
Viel interessanter ist doch aber, wie Cronenberg mit dieser Auftragsproduktion umgeht: Da ist zum einen solch kursorisches B-Movie-Material, geschult an AIP-Exploitation Cormanscher Prägung, das es sich nicht anzueignen, sondern nur passend zu verkaufen galt, so Cronenberg dieses für ihn freilich rare Beispiel konventionellen Filmemachens gleich noch mit seiner persönlichen Leidenschaft für Motorsport zu verknüpfen wusste. Und da ist zum anderen die Geschichte eines lädierten Drag-Race-Profis (tiefenentspannt: William Smith), der nicht nur seinen Vorgesetzten (niederträchtig: John Saxon) erledigen, sondern auch Freundin, Kollegen, eine ganze Profession und, ach was, eigentlich das Land of the Free per se retten muss. Fast Company ist, wie später auch A History of Violence, ein Western ganz ohne Colts und Cowboys. Ein bisschen eigen- und blödsinnig, aber voller Herzblut. Und Nicholas Campbell, der Mann mit den wohl schönsten Augen des Kinos, ist als Billy the Kid eine Entdeckung, auf die Cronenberg heute zu Recht stolz sein darf.
Juni 06, 2014
Jetzt erhältlich: sissy - Magazin für den nicht-heterosexuellen Film #22
Ab sofort ist die 22. Ausgabe der sissy kostenfrei an den bekannten Auslegestellen oder als praktische Issuu-Version erhältlich. Die gedruckte sissy kann sogar gratis (!) abonniert werden (abo[ät]sissymag.de), um sich schöne Texte über (auch) schöne Filme praktisch nach Hause liefern zu lassen. Ich habe in der aktuellen Ausgabe noch einmal über den "Dallas Buyers Club" geschrieben, mit Schwerpunkt auf dessen Diskursfähigkeit im queeren Kino.
Juni 04, 2014
Wie der Jugendschutz Filmliebhaber bevormundet
Obwohl eine staatliche Zensur laut Grundgesetz nicht stattfindet, werden in Deutschland jeden Monat zahlreiche Filme indiziert oder gleich ganz verboten. Die Folge ist nicht etwa besserer Jugendschutz, sondern eine Bevormundung erwachsener Menschen.
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Juni 02, 2014
TV: HANNIBAL - SEASON 2
Es war ein verheißungsvolles Schlussbild, mit dem die erste Staffel "Hannibal" den Status quo ihrer beiden Protagonisten aufhob. Nicht der verführerische Serienkiller, sondern sein gegnerischer FBI-Ermittler wird hinter Schloss und Riegel verbannt. Diesen Rollenwechsel, der auch allen bisherigen Hannibal-Erzählungen im Kino zuwiderläuft, nutzt Season 2 für ein so geschicktes wie bluttriefendes Psychoduell. [...]
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Kino: MAMAN UND ICH [aka. LES GARCONS ET GUILLAUME, Á TABLE!]
Über die Sexualität von Guillaume Gallienne scheint jeder besser Bescheid zu wissen als er selbst. Weil er sich nicht wie seine Brüder für Sport interessiert, muss er wohl anders sein als andere. Und weil er als Kind eine unschuldige Vorliebe für Frauenkleider hat, ist das Verhältnis zum Vater gleich völlig dahin. Unter Mitschülern gilt Guillaume eindeutig als schwul, sogar seine Mutter ruft allabendlich "Jungs und Guillaume, kommt zu Tisch!". [...]
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