Das nur für die wenigen, die nicht ohnehin schon wissen, worum es im fünften Film der Serie gehen wird. Zumal ein Großteil des Publikums weniger mit der Aufgabe beschäftigt sein dürfte, herauszufinden, was in "Harry Potter and the Order of the Phoenix" passiert, als vielmehr damit, was im Gegensatz zur Buchvorlage eben nicht passiert. Diese ist den Vorgängern in ihrem Umfang weit überlegen, während die dazugehörige Verfilmung ausgerechnet wesentlich kürzer als die anderen Episoden ausfällt. Und selbstredend: Nicht nur auf ein weiteres Quidditch-Turnier müssen die Potter-Fans verzichten, auch sonst strafft der Film die Vorlage nach Belieben. Das allerdings erscheint lediglich auf den ersten Blick widersprüchlich. Denn Rowlings Tendenz zu ausschweifenden Dehnungen in der Handlung und wenig zurückhaltenden Detailbeschreibungen im fünften Potter-Band haben ihm den Ruf des bislang schwächsten und langatmigsten Buches eingebracht – was einer filmisch verdichteten Zusammenfassung des Stoffes nur zugute kommen kann.
Tatsächlich wirkt der vom englischen Fernsehregisseur David Yates inszenierte neue Film runder und geschlossener als seine beiden Vorgänger, die neben dramaturgischen Straffungen vor allem damit zu kämpfen hatten, einen eigenen Ton zu entwickeln. Während Alfonso Cuarón im dritten Potter einen ungemein düsteren, plastischen Kontrapunkt zu den verspielten Playhouse-Bildern der ersten beiden Filme setzte, hatte dessen Nachfolger Mike Newell sichtlich Probleme damit, einen visuellen Mittelweg zu finden – "Harry Potter and the Goblet of Fire" war entweder zu bunt, um der dramatischen und wegweisenden Handlung entsprechen zu können, oder aber zu düster, wenn es darum ging, den naiven Optimismus der kindlichen Helden zu bewahren. Da hat es Yates etwas leichter, er sucht sich von allem ein wenig zusammen, mischt es kräftig durcheinander und trifft damit exakt jenen Ton, auf den man bislang vergeblich wartete: Der neue Potter ist in seiner Stimmung mal sentimental, gutmütig und liebenswert, mal ernsthaft, kompromisslos und sogar verbittert.
Da drängen sich erstmals nicht die koketten Effekte in den Vordergrund, droht jede Szene im süßlichen Score zu ersticken oder wird krampfhaft versucht, jedes gruselige Element mit einem pubertierenden Witz Ron Weasleys auszugleichen. Ohne dennoch gänzlich auf kindgerechten Humor verzichten zu müssen, schafft es der Film besser als sein Vorgänger, die inneren Konflikte seines Titelhelden abzubilden. Zwar mag die Vorlage Harrys Einsamkeit und Isolierung noch wesentlich ausgewalzter dargestellt haben, doch welch Hürden er überwinden und welch Kämpfe er mit sich selbst ausfechten muss, das vermittelt auch die Verfilmung recht eindrucksvoll. Zumal nicht nur Daniel Radcliffe als Schauspieler sichtlich gereift ist: Das gesamte Ensemble harmoniert im fünften Film spürbar besser, nicht zuletzt durch die Neuzugänge Imelda Staunton und – wenngleich sie auch ein wenig zu kurz kommt – Helena Bonham Carter. Höhepunkt ist dabei zweifellos die Okklumentikszene, in der Alan Rickman abermals zwischen den Facetten eines schmierigen Intriganten und charmanten Helfers chargieren und die Schwächen seiner Figur offen legen darf.
"Harry Potter and the Order of the Phoenix" also ist überraschend ansehnliches Fantasykino, das eine clever gestrickte Geschichte ohne visuelle Mätzchen erzählt. Hier versammelt sich alles, was im britischen Kino und Theater Rang und Namen hat, um die Abenteuer des populärsten Zauberers der Gegenwartsliteratur in ein ernsthaftes Leinwandspektakel zu verwandeln. Eben nicht nur für die ganze Familie.