"28 Days Later" nämlich verstand sich vor allem als Hommage an jenes Genre, das niemand so eindrucksvoll und nachhaltig geprägt hat wie der Pittsburgher Regisseur George A. Romero mit seiner dem Undergroundkino entwichenen "Dead"-Trilogie. Dass abgesehen von zeitgemäßen Bewegungsabläufen infizierter Untoter auch Boyle nur wenig Neues aus dem Sujet herauszupressen vermochte, war und ist dem Umstand geschuldet, dass an Romeros „Vorarbeit“ in Umfang und Komplexität ohnehin nicht angeknüpft werden kann – drum besser gut stibitzt als schlecht neu erdacht. Was im Übrigen auch Initialidee der Fortsetzung zu sein scheint. "28 Weeks Later" hält sich dabei fast noch enger an die Vorbilder, insbesondere Romeros eher unterschätzten, "Dead"-externen "The Crazies": Mit atmosphärischen Endzeitbildern, schicker Politsubtextpose und einem hoch- geschraubten Einsatz matschiger Unappetitlichkeiten ist er sicher einer der besseren Vertreter seiner Art, wenngleich auch dieser zweite Film nicht die erhoffte qualitative Erneuerung des Zombiefilms bedeutet.
Noch bevor man so richtig im Kinosessel Platz genommen hat, konfrontiert der Film den Zuschauer mit Bildern zurückgezogener, in verdunkelten Bauernhütten (über)- lebender Menschen, die schon nach wenigen Minuten Opfer einer wütenden Meute werden. Wie auch bei Romeros "Dawn of the Dead" und dessen berühmter Eingangsmontage beginnt "28 Weeks Later" mit einem Strudel aus verselbstständigter Gewalt und Terror, hier wird nicht nur der Ton eines ernsthaften und geradlinigen Zombiefilms gestimmt, sondern mit einfachen Mitteln – schnelle, undeutliche Kamerabewegungen und ein simpler, aber effektiver Rock-Score – die sicherlich eindrucksvollste Pre-Title- Sequenz des Genres seit einer halben Ewigkeit aus der Taufe gehoben. Und es wird sich bewahrheiten, was man hier schon zu ahnen glaubt: Was auch immer auf diesen Einstieg folgen wird, es kann unmöglich an die beklemmende Intensität, an die rigorose Unmittelbarkeit und inszenatorische Dichte dieses Anfangsszenarios anknüpfen.
Das liegt erst einmal daran, dass der plötzliche Wechsel von ländlichen zu urbanen Handlungsorten der Atmosphäre schadet. Metropolbilder leerer Straßen und Touristendomizile kennt man aus Boyles Vorgänger zu Genüge, hier wiederholt sich das Sequel meist unnötig und siedelt seine Geschichte im hermetisch abgeriegelten innerstädtischem London an. Ein wenig seltsam wirkt es in diesem Zusammenhang, dass die Stadt bereits innerhalb weniger Wochen infrastrukturell wieder hergerichtet und besiedelt scheint, zumindest jedoch keine über die reine Militärpräsenz hinausgehende Hierarchie besteht, die deutliche Spuren einer offenbar nur knapp verhinderten Apokalypse aufweist. So funktional und wiederhergestellt Londons Innenstadt anmutet, so verwahrlost sind die Randgebiete, in denen sich mitunter sogar noch Menschen tummeln. Dass ausgerechnet die Mutter der beiden kindlichen Helden noch im ehemaligen Wohnhaus verweilt – als Trägerin eines neuartigen Virus’ – und damit letztlich die erneute Infektion auslösen wird, erweckt den Eindruck mühsamer Konstruktion und widerspricht der Logik, dass entsprechende Einheiten jene Gebiete ausreichend durchsucht haben müssten, vor allem sofern sie sich aus dem sicheren Arial heraus derart leicht erreichen lassen.
Warum der Film aber letztlich jegliche Hoffnung, die sein herausragender Prolog evozierte, im Keim erstickt, liegt ähnlich wie auch schon bei Boyles Versuch an der etwas bitteren Erkenntnis, dass das Subgenre scheinbar endgültig jeglicher Bedeutung verloren hat. Jenseits von Doppelkodierungen und Subtextkonstrukten scheinen die modernen Zombiefilme – ausgenommen freilich Romeros augenzwinkernde 9/11-Metapher "Land of the Dead" – sich weder in den Dienst ihrer Genretraditionen stellen zu wollen, was ein konnotative Einbindung der Figur des lebenden Toten als abtrünniges Abziehbild des Menschen erforderte, noch zu eigenen oder neuartigen Thesen bereit scheinen. Das ist auch nur deshalb besonders problematisch, da sich die vielen neuen Vertreter des Genres ansonsten überaus großzügig auf ihre Vorbilder beziehen. "28 Weeks Later" ist genau wie sein Vorgänger stark von "The Crazies" inspiriert, der sich ebenfalls eher infizierten Menschen, denn wirklichen Zombies widmete und dieses apokalyptische Ausgangsszenario für scharfe und dennoch keinesfalls aufdringliche Kritik an militärischer Überlegenheit und politischem Irrsinn zu nutzen verstand. Insofern ist Juan Carlos Fresnadillos Film wie viele andere seiner Art hier inkonsequent, da er lediglich Oberflächen imitiert und davor zurückschreckt, eigene Positionen zu bekleiden.
Unabhängig davon überzeugt "28 Weeks Later" immer dann, wenn er sich ganz seiner gradlinigen Geschichte, die in der zweiten Hälfte etwas zu starken Road Movie-Charakter erhält, verpflichtet. Auch wenn im Mittelpunkt zwei Kinder stehen, was fürs Zombiefilmgenre eher untypisch und auch nicht besonders sinnvoll ist, da sie den Handlungsfluss durch unsouveränes Verhalten blockieren, bleibt der Film spannend. Völlig daneben ging allerdings die Idee, den infizierten Vater der beiden als eine Art Motiv durch den Film wandern zu lassen: Dieser taucht immer wieder an den verschiedensten Plätzen auf, ohne dass dies irgendeine nachvollziehbare Bedeutung haben würde. Störend und nicht grundlos werden nicht wenige den inflationären Einsatz verwackelter Digitalbilder empfinden, da der Film dem Irrglauben untersteht, Dynamik durch möglichst undeutliche und schnell geschnittene Bildkompositionen zu erzeugen. Diesen Umstand weiß lediglich die teilweise elektrisierende Mischung aus extremer Gewalt und der bereits erwähnten, treibenden und sehr wirkungsvollen Musik von John Murphy zu kaschieren. Ansonsten bleibt "28 Weeks Later" irgendwo stecken zwischen Retro-Hommage und stilistischer Neujustierung, kein schlechter Film, aber das Warten auf den neuen Romero kann auch er nicht verkürzen.