März 30, 2011

Kino: SUCKER PUNCH

Zack Snyder ist ein faszinierender Regisseur. Binnen weniger Jahre hat er sich ein filmisches Œuvre erarbeitet, dessen Sujets, Motive und Visuals sich mit Konsequenz und Geschlossenheit zu einem stimmigen Gesamtentwurf fügen. Kaum ein anderer Filmemacher bricht die Möglichkeiten der nahezu vollständig digitalen Inszenierung so vehement auf ihre eigene Redundanz herunter. Kaum jemand nutzt Bilder aus dem Computer so nachdrücklich, um sich an eigenen Obsessionen und Fetischen abzuarbeiten. Snyders Filme folgen einer so persönlichen ästhetischen Logik, einer bei aller ideologischen Willkürlichkeit erstaunlichen Homogenität des Wahllosen und unverkennbaren Handschrift, dass er zu den wenigen wirklichen Autoren des gegenwärtigen amerikanischen Mainstream-Kinos zählen dürfte.

Jede seiner bisherigen Arbeiten ist auf ihre Art unerträglich und beeindruckend zugleich. Sein zynisches Remake-Missverständnis "Dawn of the Dead", das sich in jenem hedonistischen Wertesystem eingerichtet hat, welches George Romero einst noch besorgt karikierte. Seine Comicadaptionen "300" und "Watchmen", in denen er frame by frame vorbildliche Nachstellungsarbeit geleistet und doch überhaupt nichts verstanden hat. Und schließlich sein endgültiger Wechsel ins Animationsfach mit der Buchverfilmung "Legend of the Guardians", einem Tier- Fantasy-Trickfilm, mit dem Snyder seiner Vorliebe für die faschistische Form einen Dank des Formats noch hüllenloseren Ausdruck geben durfte. Nazi-Façon-Eulen, die in Riefenstahl-Anordnung zum Kampf ausrücken, besitzen wohl tatsächlich ein Alleinstellungsmerkmal.

Mit "Sucker Punch" feiert der Regisseur vorerst am Eindrücklichsten die Übernahme des Blockbuster-Kinos durch das schier Primitive. In diesem surrealen Lolitabilderrausch ist ihm nunmehr alles erlaubt. Alles heißt bei Snyder die totale Entfaltungsfreiheit von vorzugsweise fetischisierten Macht- fantasien in scheinbar grenzenlosen digitalen Bilderwelten. Die Möglichkeit, mit dem Computer alles generieren zu können, geht bei ihm jedoch nicht zwangsläufig mit erzählerischer Freiheit einher. Stattdessen folgt der Film dem nochmals reduzierten Prinzip seines Vorreiters George Lucas: Je mehr Arbeit und Kreativität in Prozessoren umgesetzt wird, desto weniger inhaltliche Komplexität ist erlaubt. Daraus ergibt sich letztlich die einfache Formel, ohne jede über den reinen visuellen Eindruck hinausgehende Sinnstiftung Spektakel im Überwältigungsmodus programmieren zu können.

Was aber nützt eine annähernd unbegrenzte visuelle Vielfalt, die computergenerierte Images ermöglichen, wenn sie doch nur Bilder produziert, die wie in "Sucker Punch" an Zeitgeschichte (Grabenkämpfe im Ersten Weltkrieg), literarische Vorbilder ("Alice in Wonderland") oder haufenweise andere Filme ("Lord of the Rings", "Brazil", "I, Robot") erinnern. Was nützt die Fähigkeit der digitalen Inszenierung, mit der neue synästhetische Bereiche erforscht und ungeahnte filmemacherische Energien freigesetzt werden können, wenn sie wie bei Zack Snyder, Michael Bay und leider auch jüngst James Cameron letztlich keinerlei Komplexität mehr zuzulassen scheint. Wenn sie letztlich nur passive Erlebnisse schafft, die wie Computerspiele aussehen, aber durch ihre fehlende Interaktivität nicht einmal mit diesen konkurrieren können. Vielleicht ist die sukzessive Reduktion jedweder Intelligenz in Snyders Filmen eine Antwort auf genau diesen Widerspruch. To be continued.


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