In "300" geht es um nicht weniger - allerdings auch nicht viel mehr - als den aussichtlosen, für die weitere griechische Kriegsgeschichte jedoch maßgeblichen Kampf einer spartanischen Minderheit unter Führung König Leonidas' (Gerard Butler) gegen die von Xerxes I (Rodrigo Santoro) befehligte Übermacht der Perser. Das hat sich 480 vor Christus bei den Thermopylen so oder wohl eher so ähnlich tatsächlich ereignet, bildet aber nur die sehr grobe Grundlage für ein kunterbuntes Kriegsspektakel. Regisseur Zack Snyder zeigte sich deshalb bereits bei den Internationalen Filmfestspielen in Berlin, wo der Film seine Weltpremiere feierte, zornig über die Presse entrüstet, seine Comicadaption würde unnötig intellektualisiert.
Worum es dem Mann primär ginge sei nämlich ganz einfach. Entweder es werde ordentlich gemetzelt. Oder eben so richtig schön gefickt (am besten natürlich beides). Und siehe da, in "300" kommt der Snyder-Fan auch ganz auf seine Kosten: Schöne Frauen mit prallen Titten, vollbärtige Muskelmänner in engen Schlüpfern und ein besonders hohes Maß roter Suppe dürfen erwartet werden. Für den Job empfohlen hat sich der Regisseur übrigens durch seine Neuinterpretation von George A. Romeros "Dawn of the Dead", bei der sich nunmehr Yuppies und Mittelstandsbonzen eine zynisch-banale Action-Hatz mit unkontrollierten LSD- Zombies lieferten - das Remake für ADS-kranke MTV-Kids war laut und schnell und ganz besonders schwer angesagt. Deshalb gleich zum Mitschreiben: Das Snydersche Kasperltheater geht in die zweite Runde.
Denn viel gelernt hat der Bubi nicht. "300" ist ebenso langweilig wie auch infantil inszeniert. Zwar gefällt manch einfallsreich choreographierter Kampf, wenn die Ge- schwindigkeit jeweils verringert oder erhöht wird (besonders originell: zur Abwechslung gibt es mal wieder ein wenig Bullet Time-Gedöns), doch insgesamt fällt der Film visuell trotz übersättigter Sepiafarben konventionell aus und lässt comicartige Überzeichnungen vermissen. Nicht selten fühlt man sich deshalb an die CGI-geschwängerten Epen von "Gladiator" bis "Troja" erinnert, was durch den grässlich nervtötenden Ethno-Soundtrack von Tyler Bates noch verstärkt wird: Wann nur endlich haben die Hans Zimmer-Klagegesänge ein Ende?
Doch der Film überrascht in anderer Hinsicht umso mehr. Ein Hauch sanfter Melodramatik durchzieht seine Bilder: 300 Männer stehen im sonnigen Felde, kurz vor ihrem Aufbruch in eine unerbittliche Schlacht. Die Frauen werden liebevoll verabschiedet, die Greise vermitteln prophetische Weisheiten. Dann ziehen die stählernen Kämpfer von dannen und dürfen einmal ganz unter sich sein, um sich mit ihren langen spitzen Speeren zu vergnügen. Was folgt ist eine orgiastische Rammelei ohnegleichen - so derart farbenfroh, ausgefeilt, majestätisch und effektvoll durfte bislang noch kein Gayporno aussehen. Und mit rund 60 Millionen US-Dollar ist diese ölig-geile Männerschau auch noch äußerst großzügig in Szene gesetzt: Schwulitäten im digital-backlot-Verfahren, das gibt es nicht alle Tage zu sehen!
Verständlich, dass dem Film das unfreiwillige Coming-Out reichlich schwer fällt. Deshalb begegnet "300" seiner sublimierten Sexualität ganz offensiv mit hartnäckiger Homophobie. Die persischen Krieger nämlich erscheinen ungleich weniger maskulin als ihre spartanischen Gegner. Im Grunde sind sie entweder durch Verstümmelungen und Behinderungen, oder aber durch übersteigerte Tunten- merkmale gekennzeichnet: Der Feind ist schwarz, barbarisch, unzivilisiert. Und er trägt Piercings, Ketten und Fummel. Ungewollt oder nicht: "300" schildert mit seinem Kampf vom spartanischen gegen das persische Heer auch den Krieg des Westens gegen den rückständigen Osten, um die Grundsteine für die künftige athenische Demokratie zu legen. Als politischer Kommentar liest sich Snyders Film unabhängig jedweder intendierten Stellung oder Nichtstellung ganz einfach reichlich reaktionär. Und wenn dieser Hampelmann sich demnächst an den legendären "Watchmen" versuchen wird, dann sind alle Zweifel mehr als berechtigt.