September 30, 2009

Zuletzt gesehen: FINDING NEVERLAND

Ein hübsche kleinteilige Rekonstruktion der Entstehungs- geschichte Peter Pans, die mehr mutmaßt als hinterfragt und Johnny Depp als zurückhaltenden, sensiblen, schnulzigen Autoren zum Helden eines magischen und unkonventionellen Liebesmärchens erklärt. Inszenatorisch die dichteste, rundeste und schlüssigste Regiearbeit Marc Forsters, formuliert der Film sein Verständnis von der Macht der Fantasie als in den Alltag und die allgemeine Vorstellungskraft eingreifendes Gut jedoch derart naiv, offensichtlich und mitunter platt gefühlsduselig, dass er nie standhalten kann beispielsweise mit den originellen und Erzählstrategien reflektierenden Imaginationsentwürfen Tim Burtons im vergleichbaren "Big Fish".


50%

September 28, 2009

News: A NIGHTMARE ON ELM STREET - Trailer


Prequel, Sequel, Remake - da finden sich nachgestellte Momente aus diversen Fortsetzungen und ganz viel 1:1-Material aus Cravens großem, großem Original. Schlimm mit ansehen zu müssen, wie ein weiterer Lieblingsfilm verschnitten, überstylt und herzlos imitiert wird. Mir graut schlimmes, und ohne Englund habe ich auch gar keine Lust auf Michael Bays Platinum-Dunes-Dünnschiss. Übel.

September 18, 2009

Kino: THE TIME TRAVELER'S WIFE

Manche Filme entziehen sich ihrer Erzähllogik sehr klug, indem sie etwas per se Unlogisches als so selbstverständlich voraus- und ins Bild setzen, dass man sich nur zu gern von den heilsam eskapistischen Fäden einer großen Geschichte einspinnen lässt – für den Genrefilm ist das schließlich auch ein apodiktisches Prinzip. Die Rezeption findet dann bestmöglich irgendwo auf einer irrationalen Gefühlsebene statt, allerhöchstens stolpert man aufmerksam über die Unlogik innerhalb der eigenen Unlogik und stellt doch das große Behauptungskonstrukt nicht in Frage. "The Time Traveler’s Wife" bricht diese Erwartungshaltung noch stärker herunter, er möchte schlicht ein Film sein, den man spüren und ertasten muss. Es ist eine wattebauschig-gediegene Kitschanhäufung voller definierter Emotionen und zielgruppenorientierter Appelle: Ein Film für Frauen, die Monogamie und ewige Liebe nicht für eine Erfindung der Kirche halten.

Henry DeTamble steht im Mittelpunkt einer Handlung, die ebenso unvermittelt wie unmotiviert ihren Anfang nimmt: Er ist das Opfer eines genetischen Defekts (in jeder Hinsicht allzu adäquat: Eric Bana), der ihn willkürlich und unkontrolliert durch die Zeit reisen lässt. Meist führt ihn der plötzliche Raumentzug in die Vergangenheit, an Orte, die wahrscheinlich von seinem Unterbewusststein gesteuert werden. Diese unkonventionelle Eigenschaft könnte ein großer Spaß sein, würde Henry sein Schicksal nicht als quälende Stigmatisation begreifen, die die Beziehung zu seiner stets im Hier und Jetzt zurückgelassenen Frau Clare (Rachel McAdams) auf eine repetitive Probe stellt. Immerhin ist Henry seiner treudoofen Liebsten auf Zeitreisen nicht untreu, im Gegenteil – er landet sogar einmal im Gebüsch neben einer Wiese, auf der Clare gerade ein Picknick veranstaltet. Da ist sie zwar noch ein kleines Kind und er dank Zeitkontinuumsregel splitterfaser- nackt, aber der Grundstein für ihre immerwährende Liebe ist mit diesem Pädo-Sinnbild zweifelsfrei gelegt.

Und so durchzieht diesen Film ein ständiger Hauch von Wehmut, Sehnsucht, unerfüllter Liebe. Das ist formal in einer beachtlich lethargischen Schönbilder-Ästhetik gehalten, die faltenfrei und farbenbunt chronologisch Jahre und Zeiten durchläuft bis zum unaufhaltbaren dramaturgischen Brücken- schlag. Wie ein Geist stolpern Eric Bana und seine von Drehbuch und Regie zur totalen Konturenlosigkeit verdammte Figur durch diesen penetrant schwermütigen Taschentuch- heuler, der seinem Titel noch nicht einmal gerecht wird: Die in die völlige Passivität verdrängte "Frau des Zeitreisenden" bleibt eine Schattengestalt, deren Probleme vom hilflosen Zurückbleiben und ständigen Alleinsein der Film keine einzige Minute thematisiert. Stets folgt er vielmehr Henrys irrelevanten, uninteressanten, einschläfernden und letztlich keinerlei schlüssigen Logik folgenden Quickies in der Zeit, ohne bedeutende Teile der Handlung seiner Frau zu widmen. Man möchte nicht glauben, dass Oscargewinner Joel Rubin mit diesem Wohlfühlpamphlet nach Audrey Niffenegger sein eigenes großartiges "Ghost"-Drehbuch plündert.

Das alles erinnert nicht selten an den seltsamen Fall des "Benjamin Button", und witzigerweise hat Brad Pitt diese Adaption des Bestsellerschmachtfetzens auch noch produziert. Hier wie dort wird über Vergänglichkeit und eine alle Zeiten und Hindernisse überdauernde Romanze sinniert, hier wie dort geschieht das ebenso schleppend wie fremdartig. Der Exil-Schwabe Robert Schwentke verliert sich dabei in seinem zweiten Hollywoodfilm nach "Flightplan" in präzis gelackten Bildern, die keinen Raum für Emotionen und wirkliche Konflikte lassen. Das hätte ein spannender Film über die Unmöglichkeit von Liebe oder auch eine schöne Vanitas-Metapher werden können, stattdessen lässt uns "The Time Traveler’s Wife" zwei gepflegt langweilige Stunden in die gequält leidigen Gesichter seiner Hauptdarsteller blicken: Unendliche Leere.


20% - erschienen bei den: 5 Filmfreunden

September 11, 2009

Kino: DISTRICT 9

Ein bemerkenswert frisch erscheinender Science-Fiction-Film im schicken Politkorsett, dessen sozialkritische Töne sich zunehmend einer sehr konventionellen Actiondramaturgie angleichen. Atmosphärisch offensichtlich stark von Paul Verhoevens "RoboCop" inspiriert, ist der verhältnismäßig günstig produzierte Dritte-Welt-Alien-Film vor allem großzügiges Zitatkino, das seine Vorbilder mal mehr, mal weniger klug und subtil für einen eigenständigen Ansatz – eine Invasion durch Außerirdische als Apartheidmetapher – bemüht.

Leider vernachlässigt Neill Blomkamp die semi-dokumen- tarische Inszenierung ab der Hälfte und bricht das formale Konzept unmotiviert auf, um sich in herkömmlichen ästhetischen Bahnen zu bewegen. Irritierend dabei vor allem, dass der Film auch dann noch an seinem Wackel- kamerakonzept festhält, als der Reportagestil sich längst nicht mehr mit der eigentlichen Handlung deckt – die anfängliche Form eines hautnahen Fernsehberichts wird für eine schließlich recht vorhersehbare Geschichte aufgegeben. "District 9" empfand ich deshalb als überaus ambitionierten, aber schlicht zu indifferenten Versuch eines zeitgemäßen Science-Fiction-Films, der sich seines originären Ansatzes zum Trotz letztlich nur in konventionelle Genremuster und nervigen Ethno-Kitsch flüchtet.


50% - ergänzend für: DIE 5 FILMFREUNDE

September 04, 2009

Kino: TAKING WOODSTOCK

Im Sommer 1969 verhalf die Mutter aller Popmusikfestivals einem amerikanischen Mythos zu seiner Form. Es war der Höhepunkt der Hippiebewegung und zugleich ihr triumph- ierender Schlussakkord: Das Woodstock-Festival sollte historisches Zeugnis eines friedvollen Kollektivs werden, und es ist bis heute das Symbol einer Bewegung des Aufbruchs, die ihren subversiven Geist mit einfachen Botschaften vermittelte. 32 Bands und Künstler, mehr als 400 000 Zuschauer – "drei Tage Liebe, Frieden und Musik".

Ang Lee nähert sich dem Mythos mit "Taking Woodstock" nun aus einer ungewöhnlichen Perspektive: Er hat den Stoff unerwartet zu einem nostalgisch-seichten, amüsanten und lakonischen Feel-Good-Movie verarbeitet, mit einem nahezu unüberschaubaren Ensemble, viel Witz und noch mehr Musik. Der taiwanesische Regisseur erwies sich in seinen jegliche Genres durchkreuzenden Arbeiten bislang immer wieder als stiller Beobachter, als präziser Student menschlicher Verhaltensweisen und gesellschaftlicher Zwischenräume – und wird spätestens seit seiner melodramatischen Western- dekonstruktion "Brokeback Mountain" als einer der besten Autorenfilmer der Gegenwart gehandelt.

Das eigentliche Festival mit seiner Fülle an Musikern streift Lee jedoch nur am Rande. Er erzählt getreu die weitgehend unbekannte, aber wahre Geschichte des schüchternen Elliot Teichberg. Der Sohn russisch-jüdischer Einwanderereltern hilft seiner Familie während der Sommermonate dabei, deren leicht marode Pension in Bethel, einem abgelegenen Örtchen im Bundesstaat New York, in Stand zu halten. Frustriert ob der ausbleibenden Kundschaft und aussichtlosen Überschuldung der Familie stößt Elliot auf eine Zeitungsmeldung über ein groß angekündigtes Musikevent, das kurzfristig abgesagt wurde und nun auf einen neuen Veranstaltungsort hofft.

Diese Chance begreift der Junge natürlich als Wink des Schicksals und beordert seinen alten Schulfreund und Organisator des Festivals Michael Lang in das beschauliche Kaff, um das Konzert schließlich dort veranstalten zu lassen. Familie Teichberg hat jedoch keinen Schimmer, welch logistische und nervliche Belastung sie auf sich nehmen müssen: Bald strömen Hunderttausende Hippie-Pilger in das Provinznest, besetzen Betten, Wiesen und Seen, um die größte Friedensparty aller Zeiten einzustimmen. Inmitten der Love-and-Peace-Atmosphäre lernt Elliot dabei neue Freunde, seine eigene Sexualität und schließlich auch die rigiden Eltern von einer ganz anderen Seite kennen.

Dass Lee eine Geschichte erzählt, die zwar eng mit dem Woodstock-Festival verknüpft ist, sich jedoch weitab vom eigentlichen Zentrum abspielt, gibt ihm die Möglichkeit, den Mythos mit einem anderen Blick einzufangen. Der auf die Organisation statt Durchführung gesetzte Handlungsfokus ermöglicht dem Regisseur zunächst abermals das behutsame Herantasten an ein fremdartiges Phänomen, das er sich gemeinsam mit dem Publikum durch unterschiedlichste liebevolle Figuren und irrwitzige Momentaufnahmen erschließt. Nicht einen einzigen Live-Auftritt rekonstruiert er, nur wenige Minuten spielen gar auf dem eigentlichen Festivalgelände – und doch meint man, dem gigantischen Friedenshappening ganz nah zu sein.

Dadurch betont der Film ebenso clever wie einfühlsam, dass Woodstock nicht nur ein ausgedehntes Musikereignis voller bekiffter Hippies war, sondern mehr als das, eine große Zusammenkunft verschiedener, gegensätzlicher, ulkiger Persönlichkeiten voller bizarrer Situationen, denkwürdiger Momente und ungewöhnlicher Erfahrungen. "Taking Woodstock" ist Coming-of-Age- ebenso wie Coming-Out-Geschichte, Emanzipationskomödie und Initiationsfilm, Familienmelodram und Musikhommage zugleich. Und dennoch inszeniert Lee diese Zeitgeistepisode mit unbeschwerter Hand und von beachtlichem Unterhaltungswert.

Formal orientiert sich der Film dabei mit zahlreichen Bildformatswechseln und Split-Screens an der oscarprämierten Dokumentation von Michael Wadleigh, die Ang Lee mit seiner dramatisierten Version bestens ergänzt. "Taking Woodstock" wird sich bei alledem unterm Strich gewiss den Vorwurf gefallen lassen müssen, der romantischen Faszination des Flower-Power-Spektakels durch seinen leichten Wohlfühlton eher zu erliegen, statt dem Mythos genauer auf den Grund gehen und hinterfragen zu wollen. Lee jedoch hat sich an der Post-Hippie-Generation und ihrer hilflosen Starre bereits abgearbeitet: Sein "Eissturm" thematisierte 1997 eindrucksvoll den Morgen danach.


70% - erschienen bei: gamona

September 02, 2009

Kino: THE FINAL DESTINATION

Nach Flugzeugabsturz, spektakulärem Highway-Crash und perfidem Achterbahnmassaker eröffnet die neueste der obligatorischen "Final Destination"-Eingangsvisionen mit einem NASCAR-Rennen, das in einem munteren Happening aus herumfliegenden Motorhauben und die Köpfe der Zuschauer absäbelnden Autoreifen einen hübsch-matschigen Höhepunkt findet. Als besonders unbesonderes Gimmick donnern die Karosserie- und Körperteile dabei direkt vor die Augen des Kinopublikums – "Final Destination 4" nämlich ist, natürlich, ein 3D-Film.

Und weil dieser alte Hut ja neuerdings als Rettung des Kinos verhandelt – oder vielmehr: nicht verhandelt – wird, darf man sich allmählich (wieder) an die um ihre dreidimensionalen Effekte herum konzipierte Genreware gewöhnen. Nach "My Bloody Valentine 3D", bei dem der inflationäre Einsatz ausgestellter 3D-Kills selbst noch als reiner Gag ein wenig unbegründet schien, kann das Format der "Final Destination"-Serie hingegen nur dienlich sein.

Immerhin reifte die Reihe seit dem ersten, noch recht ernsthaften und Mystery-betonten Film von "Akte X"-Autor James Wong kontinuierlich zu einem Gemisch aus Teen-Slasher und Fun-Splatter, das sich zunehmend als jahrmarktsähnliche Nummernrevue von möglichst hohem Attraktionswert verstand. Die RollerCoaster-Exposition der zweiten Fortsetzung – bezeichnenderweise vom Regisseur des Originals inszeniert – war da nur ein konsequenter Ausdruck des eigenen Selbstverständnisses: Am Effektivsten ist ein "Final Destination"-Film schließlich, wenn er als rasantes Achterbahnkino funktioniert.

Da sich die Serie also in eine Richtung bewegt hat, die ihre ursprüngliche und freilich etwas abstruse Idee – den Tod überlisten, seinen "Plan" durchkreuzen, ihm ein Schnippchen schlagen zu können – nicht weiter ausbaut (indem sie beispielsweise einmal erklärt, warum denn die anfänglichen Schreckensvisionen nun stets irgendeinen Teenie ereilen), sondern ambitioniert auf die Inszenierung von Todessequenzen herunter bricht, ist der Einsatz von 3D-Effekten nur allzu konsequent: Wenn schon kreatives Dahinsiechen am laufenden Band, dann zumindest entsprechend räumlich, fühlbar, mitreißend.

Folglich betont der vierte Film der Serie noch stärker die verspielten und originell konstruierten Kettenreaktionen und Dominoeffekte, die seine Knallchargenfiguren in den sicheren Tod befördern. Als Variation des klassischen Slasherfilms werden die hier nervtötender und konturenloser denn je entworfenen Teenies mit großer Sorgfalt ins Jenseits geschickt und sprichwörtlich an das große Spektakel verfüttert: "Final Destination 4" ist nunmehr ein einziger langer Bodycount, der sich kaum mehr mit einer Handlungsstruktur aufhält, die die kreativen Tötungsmomente einigermaßen schlüssig verbindet.

Der Regisseur des zweiten Teils, Ex-Stuntman David R. Ellis, konzentriert sich in knappen 80 Minuten demnach ausschließlich auf sein Teasing-Konzept: Wo läuft der nächste Benzinkanister aus, welche Schraube dreht sich nun aus der Fassung, wer ist als nächstes einen Kopf kürzer. Entsprechend dürftig fällt bei all dem Storyverzicht das notwendige Aufspüren des so genannten Todesplans aus: Es wirkt, als hätten die Teenies die vorherigen Filme der Serie genauestens studiert, so klar und logisch wie es ihnen hier erscheint, dass sie den Sensenmann irgendwie austricksen müssen. Die Dialoge sind dabei nicht selten grotesk komisch, wenn nicht schon fast aufrichtig blödsinnig.

Wenn man den möglichst einfallsreichen Einsatz illustrer Goreeinlagen als die Essenz der Reihe begreifen möchte, ist "Final Destination 4" zweifellos veritables Genrehandwerk: Man bekommt, was man will. Und was man erwartet. Da sich der Film mehr Freiheiten als die Vorgänger erlaubt, was die Konsistenz oder Nachvollziehbarkeit seiner Handlung angeht, darf er in ausgedehnten Visionen und gar Film-im-Film-Momenten noch spielfreudiger Mordszenarien spinnen. Dass das Budget bei all der Inszenierungslust des Regisseurs – und letztlich auch des kostspieligen 3D-Verfahrens – nicht ganz mitspielen mag, verbucht man wohl besser unter Kollateralschaden: CG-Images müssen ja nicht zwangsläufig überzeugend sein, so lange sie einem nur dauerhaft ins Gesicht fliegen. Irgendwie.


50% - erschienen bei: gamona