Drei Männer erreichen 1941 Indien, nachdem sie aus einem sibirischen Arbeitslager für Kriegsgefangene entkommen konnten. Mehr als 4000 Meilen zu Fuß, der Verlust treuer Gefährten und extreme körperliche Grenzerfahrungen lagen hinter ihnen. Peters Weirs fünfzehnter Spielfilm dramatisiert ihren Weg zurück in die Freiheit als existenzialistischen Todesmarsch vor zeitgeschichtlichem Hintergrund. Schweres und im besten Sinne altmodisches Erzählkino, das den australischen Regisseur nach jahrelanger Kinoabstinenz wieder zur Höchstform motiviert.
In einem sowjetischen Arbeitslager des stalinistischen Regimes beschließen sieben Gefangene den lebensgefährlichen Ausbruch. Angeführt vom Polen Janusz (Jim Sturgess) gelingt den Männern kurzerhand die Flucht aus dem Gulag. Das ist jedoch erst der Anfang. Mr. Smith (Ed Harris), Valka (Colin Farrell), Zoran (Dragos Bucur), Voss (Gustaf Skarsgård), Tomasz (Alexandru Potocean), Kazik (Sebastian Urzendowsky) und Janusz treten einen endlosen Marsch an, der sie durch die Mongolei, Tibet und schließlich über den Himalaya nach Indien führen soll.
"The Way Back" beginnt als konventionelles Gefängnisdrama im Zweiten Weltkrieg, doch Weir stellt nach der zunächst vergleichsweise problemlosen Flucht zügig klar, dass für seine Helden der Weg das Ziel ist. Der Film konzentriert sich ausschließlich auf die Route der Flüchtlinge, auf die Hindernisse, die es zu überwinden gilt, und auf die allmählich schwindende Lebenskraft der Männer. Diese müssen Wälder, Gebirge und Wüsten durchqueren, sich ohne Vorräte durch monatelange Strapazen quälen. Nur drei von ihnen überleben den langen Weg.
Als Zuschauer ist man über zwei Stunden lang an diese Gruppe gebunden. Die zunächst holzschnittartigen Figuren, die entlang funktionaler dramaturgischer Linien gezeichnet scheinen (gutmütiger Naivling, unberechenbarer Bösewicht, der weise Alte etc.), erhalten nach und nach konkretere Züge. Weir ist erfreulicherweise kein Regisseur, der alles auserzählen muss. Seine Charaktere bewahren sich eine gewisse Unnahbarkeit, was auch ihrer Situation entspricht, in der sie trotz eines lebenswichtigen Zusammenhalts vor allem auf sich allein gestellt sind ("Kindness. That will kill you here."). Und er arbeitet mit subtilen Andeutungen, Umrissen und Auslassungen.
Überhaupt ist "The Way Back" ein eindrucksvoller Regiefilm. Er lebt von feinen Zwischentönen, wohl überlegten Entschei- dungen in der Verdichtung des langen Marschs und einer starken Dynamisierung der Figuren, ohne ihnen viele Worte in den Mund zu legen. Als sich den Männern auf ihrem Weg ein Mädchen anschließt (Saoirse Ronan), erhält die Gruppe ein soziales Verbindungsglied. Durch sie erfährt das Publikum zumindest ansatzweise, wer diese wortkargen Ausbrecher eigentlich sind, was unnötiges Drehbuchrascheln – trotz einer eher ereignisorientierten Handlung – wirkungsvoll vermeidet.
Über seine gesamte Laufzeit hinweg hält der Film eine enorme Spannung, ohne die Geschehnisse mit (dramaturgischen) Stolpersteinen anzuheizen. Allein der Überlebenskampf der Männer ist so intensiv, dass es keiner weiteren Konstruktion bedarf. Die Gruppe muss keine zusätzlichen Hindernisse überwinden, und es kommt auch nicht zu künstlichen Konfrontationen. Stattdessen verkürzt Weir die lange inhaltliche Zeitspanne mit harten Sprüngen und bricht alle Zusätze auf die einfache Prämisse eines fast aussichtslosen Überlebenskampfes herunter.
Neben der logistisch komplexen und schnörkellosen Inszenierung beeindruckt "The Way Back" vor allem durch seine Besetzung. Der Film ist durchweg großartig, absolut präzise und ohne Show-Off-Momente gespielt. Andere Regisseure hätten sich hier gewiss zu publikumswirksamem Kitsch und Melodramatik hinreißen lassen. Weir nimmt den Zuschauer zwar an die Hand, (mit)laufen aber muss er schon noch allein. Zum wundervollen Umgang mit den Schauspielern sei unbedingt hinzugefügr, dass diese durch ein in jeder Hinsicht außergewöhnliches Make-Up unterstützt werden, das den körperlichen Verfall der Figuren stark akzentuiert.
Leider wird der ausnahmslos exzellente Gesamteindruck des Films auf den letzten Metern erheblich getrübt. Die Konzentration aufs Wesentliche schloss glücklicherweise auch einen Verzicht auf politische Stellungnahmen ein, weil das Überleben der Gruppe im Vordergrund stand. Am Ende aber möchte sich "The Way Back" plötzlich zur großen Geschichtspolitik aufschwingen, indem er mit abschließenden Texttafeln den Werdegang des Kommunismus beziffert (inklusive Mauerbau, Glasnost und Perestroika!). Diese Verlagerung von individuellen Schicksalen hin zum großen politischen Kontext verleiht dem Film ein abschweifendes Framing und hinterlässt einen unnötigen, etwas befremdlichen Nachgeschmack.
70% - erschienen bei: gamona
In einem sowjetischen Arbeitslager des stalinistischen Regimes beschließen sieben Gefangene den lebensgefährlichen Ausbruch. Angeführt vom Polen Janusz (Jim Sturgess) gelingt den Männern kurzerhand die Flucht aus dem Gulag. Das ist jedoch erst der Anfang. Mr. Smith (Ed Harris), Valka (Colin Farrell), Zoran (Dragos Bucur), Voss (Gustaf Skarsgård), Tomasz (Alexandru Potocean), Kazik (Sebastian Urzendowsky) und Janusz treten einen endlosen Marsch an, der sie durch die Mongolei, Tibet und schließlich über den Himalaya nach Indien führen soll.
"The Way Back" beginnt als konventionelles Gefängnisdrama im Zweiten Weltkrieg, doch Weir stellt nach der zunächst vergleichsweise problemlosen Flucht zügig klar, dass für seine Helden der Weg das Ziel ist. Der Film konzentriert sich ausschließlich auf die Route der Flüchtlinge, auf die Hindernisse, die es zu überwinden gilt, und auf die allmählich schwindende Lebenskraft der Männer. Diese müssen Wälder, Gebirge und Wüsten durchqueren, sich ohne Vorräte durch monatelange Strapazen quälen. Nur drei von ihnen überleben den langen Weg.
Als Zuschauer ist man über zwei Stunden lang an diese Gruppe gebunden. Die zunächst holzschnittartigen Figuren, die entlang funktionaler dramaturgischer Linien gezeichnet scheinen (gutmütiger Naivling, unberechenbarer Bösewicht, der weise Alte etc.), erhalten nach und nach konkretere Züge. Weir ist erfreulicherweise kein Regisseur, der alles auserzählen muss. Seine Charaktere bewahren sich eine gewisse Unnahbarkeit, was auch ihrer Situation entspricht, in der sie trotz eines lebenswichtigen Zusammenhalts vor allem auf sich allein gestellt sind ("Kindness. That will kill you here."). Und er arbeitet mit subtilen Andeutungen, Umrissen und Auslassungen.
Überhaupt ist "The Way Back" ein eindrucksvoller Regiefilm. Er lebt von feinen Zwischentönen, wohl überlegten Entschei- dungen in der Verdichtung des langen Marschs und einer starken Dynamisierung der Figuren, ohne ihnen viele Worte in den Mund zu legen. Als sich den Männern auf ihrem Weg ein Mädchen anschließt (Saoirse Ronan), erhält die Gruppe ein soziales Verbindungsglied. Durch sie erfährt das Publikum zumindest ansatzweise, wer diese wortkargen Ausbrecher eigentlich sind, was unnötiges Drehbuchrascheln – trotz einer eher ereignisorientierten Handlung – wirkungsvoll vermeidet.
Über seine gesamte Laufzeit hinweg hält der Film eine enorme Spannung, ohne die Geschehnisse mit (dramaturgischen) Stolpersteinen anzuheizen. Allein der Überlebenskampf der Männer ist so intensiv, dass es keiner weiteren Konstruktion bedarf. Die Gruppe muss keine zusätzlichen Hindernisse überwinden, und es kommt auch nicht zu künstlichen Konfrontationen. Stattdessen verkürzt Weir die lange inhaltliche Zeitspanne mit harten Sprüngen und bricht alle Zusätze auf die einfache Prämisse eines fast aussichtslosen Überlebenskampfes herunter.
Neben der logistisch komplexen und schnörkellosen Inszenierung beeindruckt "The Way Back" vor allem durch seine Besetzung. Der Film ist durchweg großartig, absolut präzise und ohne Show-Off-Momente gespielt. Andere Regisseure hätten sich hier gewiss zu publikumswirksamem Kitsch und Melodramatik hinreißen lassen. Weir nimmt den Zuschauer zwar an die Hand, (mit)laufen aber muss er schon noch allein. Zum wundervollen Umgang mit den Schauspielern sei unbedingt hinzugefügr, dass diese durch ein in jeder Hinsicht außergewöhnliches Make-Up unterstützt werden, das den körperlichen Verfall der Figuren stark akzentuiert.
Leider wird der ausnahmslos exzellente Gesamteindruck des Films auf den letzten Metern erheblich getrübt. Die Konzentration aufs Wesentliche schloss glücklicherweise auch einen Verzicht auf politische Stellungnahmen ein, weil das Überleben der Gruppe im Vordergrund stand. Am Ende aber möchte sich "The Way Back" plötzlich zur großen Geschichtspolitik aufschwingen, indem er mit abschließenden Texttafeln den Werdegang des Kommunismus beziffert (inklusive Mauerbau, Glasnost und Perestroika!). Diese Verlagerung von individuellen Schicksalen hin zum großen politischen Kontext verleiht dem Film ein abschweifendes Framing und hinterlässt einen unnötigen, etwas befremdlichen Nachgeschmack.
70% - erschienen bei: gamona