Juli 06, 2006

Kino: PIRATES OF THE CARIBBEAN 2

Die Fortsetzung des auf alle Altersgruppen zugeschnittenen, vom Hollywoodgiganten Jerry Bruckheimer produzierten und mit weltweit über 650 Mio. US-Dollar Einspiel naturgemäß unheimlich erfolgreichen Kinohits "Fluch der Karibik" ("Pirates of the Caribbean: The Curse of the Black Pearl") aus dem Jahre 2003 knüpft inhaltlich nahtlos an diesen an, begeht allerdings auch viele ähnliche Fehler und ist letztlich sogar noch einmal deutlich schwächer als sein Vorgänger, getreu dem Motto „never change a winning team“ back-to-back mit einem dritten Teil für 2007 abgedreht.

Regisseur Gore Verbinski ("The Mexican", "The Ring") zauberte mit seinem überaus unterhaltsamen ersten Film der Trilogie eine wenig originelle, aber dennoch spaßige Adaption der bekannten Disneyparkattraktion, eine nette Wiederbelebung des Piraten- mit den Zutaten des Fantasyfilms, wo Säbel rasselnde Haudegen auf verfluchte Seezombies trafen und schöne Frauen in den armen ebenso schöner Männer landeten. "Fluch der Karibik" wurde dabei zweifellos von Johnny Depp ("Edward Scissorhands") getragen, dessen völlig skurrile Figur Jack, Pardon, Captain Jack Sparrow, ein tuntiger Pirat nämlich, für den essentiellen Humor sorgte und dem außergewöhnlich vielseitigen Depp nebenbei eine Oscarnominierung als bester Hauptdarsteller einbrachte. Doch krankte die Verfilmung dennoch an einer hanebüchenen Dramaturgie, sowie einer genau genommen völlig unspektakulären Geschichte, die sich dazu beständig im Kreis drehte: Gegen Mitte des Films waren alle Protagonisten bereits auf der Schatzinsel versammelt, das Geschehen löste sich jedoch arg konstruiert wieder auf, um nahezu unverändert eine weitere Filmstunde später erneut auf besagter Insel das Finale einzuläuten. Die Überlänge von knapp zweieinhalb Stunden war die unbestreitbare Schwäche von Verbinskis Film.

Und es ist auch die des Sequels. Dafür müssen abermals die beiden Drehbuchautoren Ted Elliott und Terry Rossio ("Godzilla", "Shrek") verantwortlich gemacht werden, verstehen sie es doch erneut nicht, ihren Film straff zu erzählen, sondern fügen ein Ereignis an das nächste, unklar, wo das ganze denn nun beginnt und viel wichtiger, wo es überhaupt hin möchte. Die Autoren lassen die Parallelstränge mitunter völlig ungeordnet verlaufen, stets unentschlossen, wo denn das dramatische Potential der Geschichte nun liegen soll. Dabei geht es ähnlich wie im Vorgänger vom Schiff aufs Land, zurück aufs Schiff und wieder auf die Insel, dann muss dieser und jener Schlüssel entdeckt werden, um wiederum diese und jene Kreatur zu bezwingen - kurz: Ein zielloses hin- und her, aufgeblasen auf gefühlte dreieinhalb Stunden.

Die Fortsetzung hat darüber hinaus auch mit dem Problem zu kämpfen, dem Zuschauer wirklich neue Ideen zu präsentieren. Nicht nur ist der ungewöhnliche Mix und damit Aha-Effekt des Vorgängers nun bestens bekannt, die hier aufgefahrenen Bösewichte, Davy Jones und die ruhelosen Seemänner der „Flying Dutchman“, sind nichts anderes als eine Variation der Zombiepiraten um Captain Barbossa (Geoffrey Rush) aus dem ersten Film, dabei allerdings ohne den nötigen Biss und relativ lustlos ersonnen. Zudem ist Bill Nighy ("Shaun of the Dead") zwar ein göttlicher Schauspieler, seine Tintenfischfigur, so atemberaubend ihr optisches Erscheinen auch ist, besitzt allerdings ungleich weniger Profil als die von Rushs dargestelltem Barbarossa. Der Einsatz der beiden trotteligen Piraten, die abermals für den Dick und Doof-Humor sorgen (sollen), wirkt da vielmehr wie ein Festhalten an den eben besser ausgearbeiteten Charakteren des Vorgängers. Besonders störend ist außerdem der Subplot um Will Turner (Orlando Bloom) und dessen Vater Bootstrap Bill (der tolle Stellan Skarsgård), fehlt hier einfach die nötige emotionale Tiefe, die aufgrund der Andeutungen im zuvorigen Film vonnöten gewesen wäre, und behindert er letztlich als ein weiterer Faktor die flüssige Erzählung.

Ist "Pirates of the Caribbean - Fluch der Karibik 2", so der wenig konsequente deutsche Titel, mit detailgetreuen Sets und einer beachtlichen Ausstattung visuell weitgehend überzeugend geraten, so muss man dennoch Kritik an den Special Effects um ILM-Guru John Knoll üben, enttäuschen doch insbesondere die Szenen mit dem Riesenkraken erheblich und wirken letztlich nicht wirklich besser als beispielsweise jene in "Deep Rising" (1998). Animiert wurden auch die überwiegenden Mitglieder der „Flying Dutchman“, die jedoch ebenfalls nicht zu den gelungeneren CGI-Kreaturen der letzten Zeit gehören, hat der um die 60 Mio. Dollar günstigere Vorgänger somit auch diesbezüglich die Nase vorn. Unterlegt ist all jenes Actiongetümmel mit dem üblichen Hans Zimmer-Einheitsbrei, der das wenig Piratenfilm artige Klaus Badelt-Gedudel, das zudem lediglich eine Aufwärmung der Themen aus "The Rock" darstellte, des ersten Teils nahezu unerweitert fortsetzt.

Bei all dem Mangel an Dramaturgie und einer fehlenden Stringenz in der Regie lebt die Fortsetzung nichtsdestotrotz immer noch von der wunderbaren Cast, allen voran Johnny Depp, der erneut die wirklich witzigen Momente ausfüllt und hier mehr noch als zuvor auf Slapstickeinlagen setzt, die er absolut großartig beherrscht und dabei wie so oft an komödiantische Stummfilmvorbilder erinnert. Seine Soloauftritte, unter anderem als wild umherirrendes Opfer auf der Flucht vor hungrigen Inselkannibalen, gehören schlicht und ergreifend zu den besten One-Man-Nummern seit geraumer Zeit und isolieren dessen Darstellung qualitativ deutlich von seinen Kollegen. Denn Keira Knightley ("The Jacket") und Orlando Bloom ("The Lord of the Rings") sind mit weitaus weniger Talent gesegnet, absolvieren hier allerdings eine grundsolide Leistung, die im gesunden Verhältnis zu ihren vergleichsweise blassen Figuren steht. Die bereits erwähnten Neuzugänge Bill Nighy und Stellan Skarsgård runden das überdurchschnittliche Ensemble ab und werten den zweiten "Fluch der Karibik" somit zumindest ein klein wenig auf.

55% - erschienen bei Wicked-Vision.de