Juli 16, 2006

Retro: THE FORTUNE COOKIE (1966)

Vielleicht schreibt niemand bessere Drehbücher für die Komödie. Und vielleicht dreht auch niemand überhaupt bessere Komödien als Billy Wilder („Love in the Afternoon“), einer der größten Geschichtenerzähler des Genres, der Mann mit dem unverwechselbaren Gespür fürs Timing und der charmanten Berliner Schnauze. Zehn feste Gebote hat er sich auf die Stirn geschrieben: „Du sollst nicht langweilen.“ lauten die ersten neun. „Du sollst das Recht haben auf den Endschnitt." das letzte. Wenn sich auch nur eine Handvoll Regisseure daran hielten – es wäre um einiges besser um die Komödie bestellt.

„The Fortune Cookie“ spielt weniger in der Liga eines „Some like it Hot“, „One, Two, Three” oder „The Apartment”, und doch enthält er alle Elemente und Motive, die Wilders Filme so unverwechselbar erscheinen lassen. Es ist eine schön erzählte Geschichte, eine auf das Notwendige reduzierte, um genügend Raum für umso komplexere Entwicklungen zu schaffen. Abermals spielt Jack Lemmon („Mister Roberts“), hier erstmals an der Seite von Walter Matthau („The Sunshine Boys“), der zu einem Freund und langjährigen Kollegen werden sollte, den liebenswerten Verlierer zwischen Glück und Unglück, Ehrlichkeit und konstruierter Unwahrheit. Die enorme physische Präsenz, die unkontrollierte Bewegung des Ausnahmetalents sorgt erwartungsgemäß für zahlreiche Sequenzen wahnwitziger Situationskomik.

Wilder beweist dabei erneut sein unheimliches Gespür für die Chemie zwischen seinen Schauspielern, es stimmt beinahe jede Nuance im Zusammenspiel Lemmon/Matthau, wirkt unverkrampft, leicht und doch auf den Punkt genau. Dieser Eindruck ist das Ergebnis eines bis ins letzte Detail ausgearbeiteten comedy filmmaking ohne jegliche Improvisation. Bei Wilder benötigt es keiner spontanen Zudichtung, der Raum für Ausstaffierungen ist bei seinen Dialogen nicht existent:

„You can fool all of the people some of the time, you can even fool some of the people all of the time, but you can't fool all of the people all of the time!” (Jack Lemmon)

Wer diese Dialoge in den Mund gelegt bekommt, so scheint es, der dürfte keine Notwendigkeit zur Improvisation sehen. Dabei sollte zunächst nicht Matthau, sondern Jackie Gleason bzw. Frank Sinatra die Rolle des gewieften Anwalts Willie Gingrich spielen. Aus heutiger Sicht nur schwer vorstellbar, formte Matthau mit seiner lakonisch-trockenen Darstellung doch einen kauzigen Typus, den er selbst viele weitere Male bediente, und landete damit den großen Durchbruch, nicht zuletzt abgesegnet durch den verdienten Oscar für die beste Nebenrolle.

Es ist aber auch eine gewohnt sarkastische Komödie. Ernsthafte, bittere Themen – Prostitution („Irma la Douce“), Arbeitslosigkeit („The Apartment“) oder die Auswirkungen des Kalten Krieges („One, Two, Three“) – sind einleitende Mittel Wilderscher Geschichten. In „The Fortune Cookie“ steht Versicherungsbetrug auf der Tagesordnung, eine Straftat natürlich, die hier zu einem heiteren Hobby verklärt wird: Zynisch und zuweilen auch sehr makaber sind die Gags, absurd die Situationen, aber stets witzig, nie plump und getragen von bitterbösen, verkürzten Dialogen. Wilder erlaubt sich zahlreiche Spitzfindigkeiten aus seinen Topoi. Am deutlichsten tritt wohl die Karikierung der besonders in der amerikanischen Gesellschaft verbreiteten Lust am Verklagen hervor, die aus jeder Kleinigkeit heraus legitimiert und hier filmisch entsprechend überspitzt wird.

Stilistisch hält sich der Regisseur an die Zutaten seines Oeuvres. Hohes Tempo, Anthropomorphismen, schnelle antagonistische Wortfetzen, sowie zahlreiche One-Liner kennzeichnen die Inszenierung. Der Dramaturgie zuliebe schraubt Wilder den Humor in der zweiten Hälfte des Films allerdings ein wenig drastisch zurück und verliert sich ansatzweise auch in etwas deplazierter, schwerfälliger Rührseligkeit. Zwar bestimmt bei all dem niveauvollen Klamauk immer auch ein gewisser Ernst das Geschehen, das allzu versöhnliche Ende ist hier allerdings mehr ein Tausch gegen konsequente Schärfe, die dem schwarzhumorigen „The Fortune Cookie“ nicht geschadet hätte und ein wenig auch den frechen Biss seiner älteren Filme vermissen lässt.

8/10