Juli 26, 2006

Kino: MIAMI VICE

„Miami Vice“ war schnöde, vielmals dick aufgetragene Fernsehunterhaltung, ästhetisch aber nichtsdestotrotz ein stilbildendes, von der Ambivalenz kühler Optik im Sonnen durchtränkten Florida gekennzeichnetes Phänomen der 80er, das den cool lakonischen Typus des modernen Ermittlers entscheidend festigte. Michael Mann („Manhunter“, „The Insider“) packt sein Baby über 20 Jahre später erneut an, projiziert auf die große Leinwand, adaptiert für um die 125 Mio. US-Dollar. Ein schweres Wagnis in der Tat. Und leider hat er sich dabei ordentlich verhoben.

Die Filme des Regisseurs ähnlichen Sujets, „Heat“ (1995) und „Collateral“ (2004), sind meisterlich inszenierte, handwerklich auf äußerst hohem Niveau angesiedelte, vor allem aber episch kombinierte Abgesänge vom archaischen Bild des Mannes, erstaunlich tiefgründige Dekonstruktionen gängiger Genreklischees und eindrucksvolle, behutsame Studien über die Statisten einer dunklen Welt, wo Werteordnungen keine Bedeutung kennen und wo Liebe als ein hoffnungsvoller Rettungsanker aus den Tiefen der Nacht fungiert. Insbesondere in seinem letzten Werk gestaltete Mann eine Odyssee der Suggestionen, eine menschliche Ballade der Gewalt, die nie einem selbst zerstörerischen Selbstzweck unterworfen war, sondern eben jene Umkehr geläuterter Archetypen aus „Heat“ fortsetzte.

Das Kino-Remake „Miami Vice“ tauscht Don Johnson als James “Sonny” Crockett gegen Colin Farrell und Philip Michael Thomas als Ricardo „Rico“ Tubbs gegen Oscarpreisträger Jamie Foxx. Es distanziert sich auf der inhaltlichen Ebene wenig vom Original, setzt optisch jedoch den digitalen Videolook aus „Collateral“ fort. Geblieben ist allerdings die Banalität der Serie, die hier ein Feld erobert, das einer sinnlichen Fortsetzung der in den bisherigen Genrewerken Manns formulierten letal-vitalen Philosophie gehört hätte. Der Film ist letztlich in vielerlei Hinsicht das, was eben die anderen genannten glücklicherweise nicht waren: Eine von ernst gemeintem, unwidersprochen ästhetisierten Machogepose dominierte, latent misogyne Testosteronschau, die mit ihrer zwar nicht fragwürdigen, aber unnötigen Gewalt eine Wirkungskraft zu forcieren sucht, die in der Tradition der zu vorigen Mann-Filme vielmehr reflektierend entschlüsselt gehört hätte.

War die Figur der Frau in „Heat“ der Schlüssel zum Verständnis der männlichen Protagonisten, sorgte sie für Kraft und den Willen nach einem „normalen“ Leben der gebrochenen Reibeisen, so ist „Miami Vice“ reaktionäres Futter für all jene, die den bislang nicht immer gerechtfertigten Chauvinismus Michael Manns rügten. Frauen sind hier funktionsloses Beiwerk, die scheinheilig lediglich der Charakterisierung ihrer männlichen Kollegen dienen und nur der ärgerlich oberflächlichen Dramaturgie des Films wegen zum Einsatz kommen. Im starken Kontrast zu den früheren Figuren seiner Filme durchleben Farrell und Foxx jedoch nahezu keinerlei Entwicklung, sie verkörpern zu Beginn das abgeklärte Machoduo – und sie tun es eben auch am Ende, ganz in der Tradition der herkömmlichen, unbeweglichen Actiondogmatik der 80er Jahre.

Dabei ist „Miami Vice“ überraschend spannungsarm, die Geschichte ist ähnlich wie die uninteressante und bemühte Darstellung amerikanisch-kontinentaler Drogenverstrickung kaum der Rede wert, die Dialoge zwar gewohnt reduziert, aber erstmals merklich inhaltsleer. Colin Farrell hat zwar das gewisse Etwas für die Darstellung des ichbezogenen Cholerikers, ist aber sichtlich überfordert, den grimmig grübelnden Blick durchzuhalten, wohingegen Jamie Foxx eher an ein gesetztes Abziehbild der „Bad Boys“ erinnert, kurz und schmerzlos also als Fehlbesetzung bezeichnet werden kann. Besonders schmerzlich vermisst man angesichts des durchweg blassen Ensembles aber ein subtiles Stadtportrait, wie es Michael Mann so elegant in seinen anderen Werken zeichnete. Nicht zuletzt dadurch bleiben dem Film, trotz wohl situierten Musikeinsatzes, Gänsehautmomente verwehrt.

Wo der Regisseur dann allerdings auftrumpft, man zeitweise eben doch merkt, in welchem Film man eigentlich sitzt, knallt und donnert es im eindrucksvoll kadrierten Kugelgewitter. An die präzise choreographierten Shoot-Outs aus „Heat“ kann zwar nicht angeknüpft werden, über dem Niveau vergleichbarer Produktionen liegt der Streifen in diesen Szenen aber dennoch mit seinem hyperrealistischen, perfekt gemixten Ton, sowie ausgeklügelt arrangierten Einstellungen, intensiviert durch eine scheinbar entfesselte Kamera, die nichtsdestotrotz – zumindest in diesen Momenten - der Perfektion Manns untersteht.

Die Kinoversion von „Miami Vice“ fühlt sich spürbar wohl in der Tradition der Serie, die formale über inhaltliche Notwendigkeit stellte. Nach dem Meisterwerk „Collateral“, einer Art thematischen Fortsetzung zu „Heat“, kommt dieser Film jedoch zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt, ist er leider nicht die erhoffte Sukzession. Nicht, dass es wenig legitim wäre, ein Serienprinzip zum Kinoformat zu machen, über das Niveau von „Miami Vice“ war Michael Mann aber eben einfach bereits hinausgewachsen. Schade.

Wertung: 4/10 - Kinostart: 24.08.2006