Vor einiger Zeit noch stand der Nerd-Begriff für fachidiotische Außenseiter, die sich so sehr einer bestimmten Vorliebe verschrieben haben, dass ihre soziale Inkompatibilität zum wandelnden Klischee wurde. Heute scheint die tendenzielle Abschätzigkeit gegenüber Nerds der Glorifizierung eines charmanten Stereotyps gewichen. Längst schon feiern sie ein sich selbst behandelndes Kino, das mit Geschichten von Nerds und für Nerds die eigene Zielgruppe gleichzeitig repräsentiert und bedient. Zitierwütige Comic- und Filmfans sind zu Helden gereift, sie vergöttern nicht länger nur fachkundig Science-Fiction-Filme, sondern spielen nunmehr selbst die Hauptrolle in ihnen.
Die Alien-Komödie "Paul" ist reinstes Nerd-Kino. Sie wurde geschrieben von Simon Pegg und Nick Frost, die ihre nimmermüde Leidenschaft für Popkultur seit ihrer längst nicht mehr als Geheimtipp geltenden Britcom „Spaced“ fröhlich ausstellen, und inszeniert von Greg Mottola, der sich zumindest mit dem artverwandten Geek-Phänomen in seinen großartigen Filmen "Superbad" und "Adventureland" beschäftigte. Die geballte Fanboy-Kompetenz hinter "Paul – Ein Alien auf der Flucht" (Universal Germany – kein Verleih spinnt originellere Zusatztitel) gibt also schon mal eine gewisse Richtung vor: Ein Querverweis auf zwei Beinen, Film als reine Zitatensammlung und dazu ganz viel Extraterrestrisches.
Die britischen Sci-Fi-Freaks Graeme (Pegg) und Clive (Frost) reisen mit ihrem Wohnmobil quer durch die USA, von der Comic-Con in San Diego bis zur berühmten Area 51 in Nevada. Bei einem nächtlichen Unfall auf der Landstraße stoßen sie plötzlich mit dem Außerirdischen Paul zusammen (im Original gesprochen von Seth Rogen, in der deutschen Fassung leiht Bela B. dem kleinen grünen Männchen seine Stimme). Der Alien-Knirps sucht auf der Flucht vor dem FBI die Landebasis seines Mutterschiffs, um nach jahrzehntelangem Aufenthalt auf der Erde die Rückreise zum Heimatplaneten antreten zu können.
Graeme und Clive helfen dem altklugen Außerirdischen mit der Cargo-Hose auf Anhieb und erleben dabei einige halsbrecherische Abenteuer. Paul zeigt gern seinen Arsch, raucht am Lagerfeuer extrastarkes Gras und verdrückt mit seinen beiden neuen Freunden Bratwürste und Bier, während ihm eine skrupellose Alien-Sondereinheit auf den Fersen ist. Jene wird von einer mysteriösen Frau angeführt, die im Film lange Zeit nur als Stimme in Erscheinung tritt. Es gibt wahrscheinlich nur eine einzige Schauspielerin, deren finaler Star-Cameo in einer Alien-Komödie Sinn ergeben würde. Originell ist das nicht, überraschend noch weniger. Der irrwitzige Gastauftritt von Bill Murray in "Zombieland" bleibt wohl noch eine ganze Weile unberührt.
Als launiges Nerd-Ereignis mag "Paul" gut funktionieren, als Film ist er eine eher lahme Angelegenheit. Die Witze bewegen sich selten über pubertärem Gaga-Niveau, meist geht es um Titten, Pimmel und Polöcher. Brüche mit den klischeehaften Gags des Nerd-Kinos werden bestenfalls vage angedeutet, lediglich einige treffsichere Schwulenwitzchen können als sanfte Parodie auf die verklemmte Sexualmoral vergleichbarer Buddy-Komödien gelesen werden. Das aber gelang den beiden Hauptdarstellern unter der Regie von Edgar Wright in "Shaun of the Dead" und "Hot Fuzz" um einiges pointierter, ganz zu schweigen von den klugen Zerlegungsideen in den Filmen Greg Mottolas.
Stattdessen konzentriert sich "Paul" auf eine Aneinanderreihung von Referenzen, Zitaten und so vielen Insider-Jokes wie nur möglich. Berühmte Dialoge aus "Star Wars" ("Boring conversation, anyway.") oder "Aliens" ("Get away from her, you bitch!"), eine Nachstellung der (angeblich) schlechtesten Kampfszene aller Zeiten aus "Star Trek" – die hinreichend bekannten Vorbilder werden ausgiebig bemüht. Gerade in Verbindung mit der temporeichen Road-Movie-Geschichte erinnert das Rezitierpuzzle inklusive prominenter Gastauftritte an die Loser-Comedy "Fanboys", zu der sich "Paul" insgesamt wie ein unnötiger Nachklapp verhält.
Bei aller Sympathie für Filmfreaks im Allgemeinen und Pegg/Frost im Besonderen: Dieses ständige Drehen um die eigene Nerd-Achse verkommt in "Paul" mitunter zur reinen Masche, die weniger einen charmanten, als vielmehr ermüdend selbstgefälligen Eindruck macht. Das redundante Wildern in Film- und Serienzitaten gerinnt spätestens dann zur Belastungsprobe, wenn das Zitat als solches nur noch zur ungebrochenen Nachahmung führt: Die inflationären Spielberg-Verweise des Films beispielsweise gehen letztlich so weit, dass "Paul" seine Geschichte mit einer fast einstellungsgenauen Übernahme des "E.T."-Finales abschließt. Wenn das Zitat also für eigene erzählerische Defizite herhalten muss, entwertet es sich schlicht selbst.
Während ihrer Zusammenarbeit mit Regisseur Edgar Wright haben Pegg und Frost mehrmals bewiesen, dass nerdiges Popkulturwissen nicht nur selbstgenügsamen Slacker-Humor produzieren, sondern auch formale Komplexität, Intelligenz im Umgang mit den Vorbildern und letztlich auch herzhaften Charme zulassen kann. Nicht zuletzt das unterschied die Arbeiten der beiden Autoren und ihres Freundes Wright von den einfältigen Pillepalle-Komödien des Nerd-Urgesteins Kevin Smith, der ja ungepflegte Langweiler überhaupt erst zum salonfähigen Kult erklärt und damit im Kino weitere nicht enden wollende Ergüsse postmodernen Bescheidwissens in Gang gesetzt hat. "Paul" jedoch ist davon leider nicht mehr allzu weit entfernt.
40% - erschienen bei: gamona
Die Alien-Komödie "Paul" ist reinstes Nerd-Kino. Sie wurde geschrieben von Simon Pegg und Nick Frost, die ihre nimmermüde Leidenschaft für Popkultur seit ihrer längst nicht mehr als Geheimtipp geltenden Britcom „Spaced“ fröhlich ausstellen, und inszeniert von Greg Mottola, der sich zumindest mit dem artverwandten Geek-Phänomen in seinen großartigen Filmen "Superbad" und "Adventureland" beschäftigte. Die geballte Fanboy-Kompetenz hinter "Paul – Ein Alien auf der Flucht" (Universal Germany – kein Verleih spinnt originellere Zusatztitel) gibt also schon mal eine gewisse Richtung vor: Ein Querverweis auf zwei Beinen, Film als reine Zitatensammlung und dazu ganz viel Extraterrestrisches.
Die britischen Sci-Fi-Freaks Graeme (Pegg) und Clive (Frost) reisen mit ihrem Wohnmobil quer durch die USA, von der Comic-Con in San Diego bis zur berühmten Area 51 in Nevada. Bei einem nächtlichen Unfall auf der Landstraße stoßen sie plötzlich mit dem Außerirdischen Paul zusammen (im Original gesprochen von Seth Rogen, in der deutschen Fassung leiht Bela B. dem kleinen grünen Männchen seine Stimme). Der Alien-Knirps sucht auf der Flucht vor dem FBI die Landebasis seines Mutterschiffs, um nach jahrzehntelangem Aufenthalt auf der Erde die Rückreise zum Heimatplaneten antreten zu können.
Graeme und Clive helfen dem altklugen Außerirdischen mit der Cargo-Hose auf Anhieb und erleben dabei einige halsbrecherische Abenteuer. Paul zeigt gern seinen Arsch, raucht am Lagerfeuer extrastarkes Gras und verdrückt mit seinen beiden neuen Freunden Bratwürste und Bier, während ihm eine skrupellose Alien-Sondereinheit auf den Fersen ist. Jene wird von einer mysteriösen Frau angeführt, die im Film lange Zeit nur als Stimme in Erscheinung tritt. Es gibt wahrscheinlich nur eine einzige Schauspielerin, deren finaler Star-Cameo in einer Alien-Komödie Sinn ergeben würde. Originell ist das nicht, überraschend noch weniger. Der irrwitzige Gastauftritt von Bill Murray in "Zombieland" bleibt wohl noch eine ganze Weile unberührt.
Als launiges Nerd-Ereignis mag "Paul" gut funktionieren, als Film ist er eine eher lahme Angelegenheit. Die Witze bewegen sich selten über pubertärem Gaga-Niveau, meist geht es um Titten, Pimmel und Polöcher. Brüche mit den klischeehaften Gags des Nerd-Kinos werden bestenfalls vage angedeutet, lediglich einige treffsichere Schwulenwitzchen können als sanfte Parodie auf die verklemmte Sexualmoral vergleichbarer Buddy-Komödien gelesen werden. Das aber gelang den beiden Hauptdarstellern unter der Regie von Edgar Wright in "Shaun of the Dead" und "Hot Fuzz" um einiges pointierter, ganz zu schweigen von den klugen Zerlegungsideen in den Filmen Greg Mottolas.
Stattdessen konzentriert sich "Paul" auf eine Aneinanderreihung von Referenzen, Zitaten und so vielen Insider-Jokes wie nur möglich. Berühmte Dialoge aus "Star Wars" ("Boring conversation, anyway.") oder "Aliens" ("Get away from her, you bitch!"), eine Nachstellung der (angeblich) schlechtesten Kampfszene aller Zeiten aus "Star Trek" – die hinreichend bekannten Vorbilder werden ausgiebig bemüht. Gerade in Verbindung mit der temporeichen Road-Movie-Geschichte erinnert das Rezitierpuzzle inklusive prominenter Gastauftritte an die Loser-Comedy "Fanboys", zu der sich "Paul" insgesamt wie ein unnötiger Nachklapp verhält.
Bei aller Sympathie für Filmfreaks im Allgemeinen und Pegg/Frost im Besonderen: Dieses ständige Drehen um die eigene Nerd-Achse verkommt in "Paul" mitunter zur reinen Masche, die weniger einen charmanten, als vielmehr ermüdend selbstgefälligen Eindruck macht. Das redundante Wildern in Film- und Serienzitaten gerinnt spätestens dann zur Belastungsprobe, wenn das Zitat als solches nur noch zur ungebrochenen Nachahmung führt: Die inflationären Spielberg-Verweise des Films beispielsweise gehen letztlich so weit, dass "Paul" seine Geschichte mit einer fast einstellungsgenauen Übernahme des "E.T."-Finales abschließt. Wenn das Zitat also für eigene erzählerische Defizite herhalten muss, entwertet es sich schlicht selbst.
Während ihrer Zusammenarbeit mit Regisseur Edgar Wright haben Pegg und Frost mehrmals bewiesen, dass nerdiges Popkulturwissen nicht nur selbstgenügsamen Slacker-Humor produzieren, sondern auch formale Komplexität, Intelligenz im Umgang mit den Vorbildern und letztlich auch herzhaften Charme zulassen kann. Nicht zuletzt das unterschied die Arbeiten der beiden Autoren und ihres Freundes Wright von den einfältigen Pillepalle-Komödien des Nerd-Urgesteins Kevin Smith, der ja ungepflegte Langweiler überhaupt erst zum salonfähigen Kult erklärt und damit im Kino weitere nicht enden wollende Ergüsse postmodernen Bescheidwissens in Gang gesetzt hat. "Paul" jedoch ist davon leider nicht mehr allzu weit entfernt.
40% - erschienen bei: gamona