In die lange reichhaltige Regiekarriere von Clint Eastwood hat sich immer mal wieder der ein oder andere Totalausfall verirrt. Auch in seiner Spätphase, die seit "Unforgiven", "Perfect World" oder "The Bridges of Madison County" in einem revisionistischen Charakter zwischen Ver- und Aufklärung nahezu eine Großtat nach der anderen hervorzubringen schien, langte er mit Geschichten von moralischer Erhabenheit oder historischem Sentiment hin und wieder deutlich daneben. Doch selbst in ihren gelegentlich zwiespältigen Verhältnissen laden Eastwoods Filme noch immer zum Entdecken ein.
Nach "Invictus", seiner Kuschelversion des südafrikanischen Rugby-Sommertraums um Nelson Mandela, ist das Mystery-Drama "Hereafter" nun die zweite Zusammenarbeit des Regisseurs mit Matt Damon – und damit leider auch der zweite misslungene Eastwood-Film in Folge. Das liegt weniger an seinem Hauptdarsteller, der jetzt im so genannten Charakterfach angekommen und seinen Babyspeckrollen glücklicherweise entwachsen ist, als vielmehr an Eastwood, mit dem hier offenbar die Kitschkühe durchgegangen sind. Und an der unglücklich erzählten Geschichte, die ihre Rührseligkeiten rationiert auf gleich drei Handlungsstränge aufteilt.
Der erste handelt von einer französischen TV-Journalistin (Cécile De France), die nur knapp eine Flutkatastrophe überlebt und durch ihre Nahtoderfahrung von Visionen aus dem Jenseits heimgesucht wird. In einem weiteren Handlungssegment geht es um die Leidensgeschichte eines kleinen Jungen aus London, der sich nach dem tragischen Unfalltod seines Zwillingsbruders nichts sehnlicher wünscht, als noch einmal mit ihm in Kontakt zu treten. Der dritte Erzählstrang schließlich führt nach San Francisco und damit zur zentralen Figur des Films, dem Medium George (Matt Damon). Er besitzt die Fähigkeit, verstorbene Menschen sehen und mit ihnen sprechen zu können, versteht seine Gabe jedoch als Fluch, von dem es sich freizumachen gilt.
Was folgt ist das gedankliche Warten darauf, wann und wie die drei unabhängigen Teile der Geschichte sich kreuzen und zu einem großen Ganzen fügen werden. Abgesehen davon, dass die drei Figuren, die wohl nicht zufällig eine gute Kernfamilie abgeben würden, bis auf ihre besondere, aber unterschiedliche Beziehung zu Sterblichkeit und der Frage nach einem Leben nach dem Tod nicht unbedingt miteinander verbunden sind, trennen sie auch noch diverse Landesgrenzen voneinander. Wie Eastwood letztlich mit freundlicher Unterstützung von Vater Zufall die Handlungsstränge zusammenführt, setzt den generellen Albernheiten des Films die Krone auf.
"Hereafter" ist, ein wenig zugespitzt formuliert, die Eastwood-Ausgabe von "The Lovely Bones". Zwar ohne Prunk, ohne Fabulieren, ohne den letzten Schritt zum Mega-Trash, aber quasi die intellektuelle, heruntergefahrene Version der Jenseitssause von Peter Jackson. Eastwood hat natürlich andere Vorstellungen vom Glauben an das Übernatürliche, er beschränkt sich auf kurze verfremdete Einblicke ins Totenreich, erzählt die Geschichte nicht ausladend esoterisch, sondern dafür im Gegenteil in sich gekehrt, schwerfällig und gediegen bis zur formalen Schmerzgrenze, und benötigt eine halbe Ewigkeit, um seine parallel angeordneten Handlungsstränge in einen gefühligen Zusammenhang zu bringen.
Hätte ein anderer Regisseur als Eastwood einen so banalen Film über Glauben und Schicksal und Verlust und Trauer und Sehnsucht inszeniert, beispielsweise M. Night Shyamalan, trotzdem er solche Themen viel ausgestellter, bedeutungsschwangerer und natürlich phantastischer verhandeln würde, könnte man nach kollektiven Verrissen der Filmkritik wahrscheinlich die Uhr stellen. Aber Eastwood ist ein Label, und unter diesem Label kann man auch den größten Jahrmarktsquatsch halbwegs seriös verkaufen. Gegen den Mut des Regisseurs zum überlegten Kitsch ist grundsätzlich gar nichts einzuwenden, bei "Million Dollar Baby" hat das in einem moralischen, ethischen und auch religiösen Bezugssystem hervorragend funktioniert – doch hier, als schwermütiges Mystery-Drama, hat es den Anschein eines halbverdauten Genremahls. Von sich selbst gesättigt.
Vielleicht sollte Eastwood, der sich ja im stolzen Alter von 80 Jahren immer noch an logistisch komplizierte Großprojekte wagt, nahezu ununterbrochen arbeitet und die unterschiedlichsten Geschichten zu erzählen hat, doch stilistisch noch einmal ein wenig umorientieren. Seine ihm eigenen, aber allmählich redundanten Gestaltungsmittel – die typischen Halbschatten, die schwach ausgeleuchteten Sets, die minutiösen Pianoklimpereien, das betont Bedrückende eben – verkommen langsam unweigerlich zur Masche. Der Eastwood-typisch überlegt erscheinende, bedächtige Tonfall gerinnt zumindest im übernatürlichen Kontext dieses Films hier zum unfreiwillig Komischen.
Das große Trost spendende Drama, um das es in "Hereafter" eigentlich geht, wird mit vermeintlich subtilen Nuancen angestimmt, die sich nur als – kein Widerspruch – lautstark mit gedämpfter Stimme vorgetragene Allerweltsweisheiten erweisen. Und angesichts des zwiespältigen Fantasy-Einschlags, mit dem Eastwood die Heilsbringergeschichte über verknüpfte menschliche Schicksale erzählt, wirken dann auch vor allem die Verweise auf realpolitische Terrorakte wie den Londoner U-Bahnanschlag oder auf Naturkatastrophen wie den Tsunami in Thailand mehr oder weniger geschmacklos – insbesondere durch eine seltsam als Blockbuster-Spektakel inszenierte erste halbe Stunde, die in Relation zum Rest des Films mehr als befremdlich stimmt.
30% - erschienen bei: gamona
Nach "Invictus", seiner Kuschelversion des südafrikanischen Rugby-Sommertraums um Nelson Mandela, ist das Mystery-Drama "Hereafter" nun die zweite Zusammenarbeit des Regisseurs mit Matt Damon – und damit leider auch der zweite misslungene Eastwood-Film in Folge. Das liegt weniger an seinem Hauptdarsteller, der jetzt im so genannten Charakterfach angekommen und seinen Babyspeckrollen glücklicherweise entwachsen ist, als vielmehr an Eastwood, mit dem hier offenbar die Kitschkühe durchgegangen sind. Und an der unglücklich erzählten Geschichte, die ihre Rührseligkeiten rationiert auf gleich drei Handlungsstränge aufteilt.
Der erste handelt von einer französischen TV-Journalistin (Cécile De France), die nur knapp eine Flutkatastrophe überlebt und durch ihre Nahtoderfahrung von Visionen aus dem Jenseits heimgesucht wird. In einem weiteren Handlungssegment geht es um die Leidensgeschichte eines kleinen Jungen aus London, der sich nach dem tragischen Unfalltod seines Zwillingsbruders nichts sehnlicher wünscht, als noch einmal mit ihm in Kontakt zu treten. Der dritte Erzählstrang schließlich führt nach San Francisco und damit zur zentralen Figur des Films, dem Medium George (Matt Damon). Er besitzt die Fähigkeit, verstorbene Menschen sehen und mit ihnen sprechen zu können, versteht seine Gabe jedoch als Fluch, von dem es sich freizumachen gilt.
Was folgt ist das gedankliche Warten darauf, wann und wie die drei unabhängigen Teile der Geschichte sich kreuzen und zu einem großen Ganzen fügen werden. Abgesehen davon, dass die drei Figuren, die wohl nicht zufällig eine gute Kernfamilie abgeben würden, bis auf ihre besondere, aber unterschiedliche Beziehung zu Sterblichkeit und der Frage nach einem Leben nach dem Tod nicht unbedingt miteinander verbunden sind, trennen sie auch noch diverse Landesgrenzen voneinander. Wie Eastwood letztlich mit freundlicher Unterstützung von Vater Zufall die Handlungsstränge zusammenführt, setzt den generellen Albernheiten des Films die Krone auf.
"Hereafter" ist, ein wenig zugespitzt formuliert, die Eastwood-Ausgabe von "The Lovely Bones". Zwar ohne Prunk, ohne Fabulieren, ohne den letzten Schritt zum Mega-Trash, aber quasi die intellektuelle, heruntergefahrene Version der Jenseitssause von Peter Jackson. Eastwood hat natürlich andere Vorstellungen vom Glauben an das Übernatürliche, er beschränkt sich auf kurze verfremdete Einblicke ins Totenreich, erzählt die Geschichte nicht ausladend esoterisch, sondern dafür im Gegenteil in sich gekehrt, schwerfällig und gediegen bis zur formalen Schmerzgrenze, und benötigt eine halbe Ewigkeit, um seine parallel angeordneten Handlungsstränge in einen gefühligen Zusammenhang zu bringen.
Hätte ein anderer Regisseur als Eastwood einen so banalen Film über Glauben und Schicksal und Verlust und Trauer und Sehnsucht inszeniert, beispielsweise M. Night Shyamalan, trotzdem er solche Themen viel ausgestellter, bedeutungsschwangerer und natürlich phantastischer verhandeln würde, könnte man nach kollektiven Verrissen der Filmkritik wahrscheinlich die Uhr stellen. Aber Eastwood ist ein Label, und unter diesem Label kann man auch den größten Jahrmarktsquatsch halbwegs seriös verkaufen. Gegen den Mut des Regisseurs zum überlegten Kitsch ist grundsätzlich gar nichts einzuwenden, bei "Million Dollar Baby" hat das in einem moralischen, ethischen und auch religiösen Bezugssystem hervorragend funktioniert – doch hier, als schwermütiges Mystery-Drama, hat es den Anschein eines halbverdauten Genremahls. Von sich selbst gesättigt.
Vielleicht sollte Eastwood, der sich ja im stolzen Alter von 80 Jahren immer noch an logistisch komplizierte Großprojekte wagt, nahezu ununterbrochen arbeitet und die unterschiedlichsten Geschichten zu erzählen hat, doch stilistisch noch einmal ein wenig umorientieren. Seine ihm eigenen, aber allmählich redundanten Gestaltungsmittel – die typischen Halbschatten, die schwach ausgeleuchteten Sets, die minutiösen Pianoklimpereien, das betont Bedrückende eben – verkommen langsam unweigerlich zur Masche. Der Eastwood-typisch überlegt erscheinende, bedächtige Tonfall gerinnt zumindest im übernatürlichen Kontext dieses Films hier zum unfreiwillig Komischen.
Das große Trost spendende Drama, um das es in "Hereafter" eigentlich geht, wird mit vermeintlich subtilen Nuancen angestimmt, die sich nur als – kein Widerspruch – lautstark mit gedämpfter Stimme vorgetragene Allerweltsweisheiten erweisen. Und angesichts des zwiespältigen Fantasy-Einschlags, mit dem Eastwood die Heilsbringergeschichte über verknüpfte menschliche Schicksale erzählt, wirken dann auch vor allem die Verweise auf realpolitische Terrorakte wie den Londoner U-Bahnanschlag oder auf Naturkatastrophen wie den Tsunami in Thailand mehr oder weniger geschmacklos – insbesondere durch eine seltsam als Blockbuster-Spektakel inszenierte erste halbe Stunde, die in Relation zum Rest des Films mehr als befremdlich stimmt.
30% - erschienen bei: gamona