
Hinter dicken Make-Up-Schichten verborgen kündigte sich dann ganz plötzlich ein kleines Comeback mit Robert Rodriguez’ "Sin City" an, doch erst Regisseur Darren Aronofsky ermöglicht es dem heruntergewirtschafteten Schauspieler nun zu zeigen, was wirklich in ihm steckt: So physisch präsent, eindringlich und zutiefst bewegend wie in der Rolle eines gefallenen Wrestling-Stars hat man Mickey Rourke noch nie gesehen!
Randy ‚The Ram’ Robinson hustet, schnauft, ringt nach Luft. Wie ein Häufchen Elend sitzt er in der hintersten Ecke seiner Kabine, die Show ist aus, der Kampf vorbei. Jetzt bekommt er noch seine mickrige Gage – und dann geht’s nach Hause, zum Wohn-Trailer, der mal wieder versperrt ist, weil Randy sich nicht einmal ihn mehr leisten kann.

Man ist von Beginn an ganz bei diesem großen markigen Kerl. Man will seine Geschichte erfahren, wer dieser gebrochene Kämpfer mit der blonden Mähne ist, woher seine vielen Narben kommen und was diese tiefen verquollenen Augen zu erzählen haben. Mickey Rourke verleiht der Figur schon in der ersten Einstellung so viel spürbare Energie und so viel Zeichnung, dass es nur zu verständlich scheint, wenn die Kamera unentwegt seinen großen Schultern folgt, und sich Aronofskys Inszenierung sonst völlig zurück- und dafür umso öko- nomischer verhält.
Es überrascht dennoch, dass der Regisseur gänzlich auf die visuellen Sperenzien und pseudo-tiefsinnigen Gedankenirrwege seiner vorherigen Filme – insbesondere der esoterischen Kitschkeule "The Fountain" – verzichtet und mit "The Wrestler" stattdessen eine schmucklose Underdog-Geschichte erzählt, die ganz auf ihren Hauptdarsteller setzt. Und auf Marisa Tomei: Im Film spielt sie eine Nachtclub-Stripperin, ist so etwas wie die gute Seele der Geschichte und der einzige wirkliche Freund in Randys Leben. Ihre sensible, zerbrechliche Darstellung steht der ihres Kollegen Rourke in nichts nach.

Stattdessen gelingen ihm jenseits des Fight-Ringes großartige Momentaufnahmen einer gealterten Ikone: Wenn ‚The Ram’ sich für seinen Kampf noch einmal staksig die Haare blondiert, oder sich ungelenk unter die Sonnenbank quetscht zum Beispiel. Oder er seiner Tochter unter Tränen die eigenen Fehler eingesteht. Und es gibt – ohne die Erklärungswut eines Drehbuchs – so viele kleine Hinweise auf das Leben dieses Mannes, sei es in Ausstattungsdetails oder der Musikauswahl, dass hier wahrhaft ein genuiner filmischer Charakter erschaffen wird.
Insofern ist es auch verschmerzbar, dass Aronofsky dramaturgisch weitgehend den Konventionen des Sportfilms folgt, also ein wenig absehbar die Handlung durch Höhen und Tiefen führt, bis die Dämonen der Vergangenheit natürlich doch noch ein letztes Mal heraufbeschwört werden müssen. Doch die Einblicke in das soziale Milieu und natürlich die Eigenheiten des Wrestlings sind so faszinierend, glaubwürdig und vereinnahmend, dass das überhaupt keine Rolle spielt. Nicht zuletzt ist "The Wrestler" eher unpathetisch in seiner Beschwörung einer Subkultur – und damit auch weit entfernt von der "It ain't over 'til it's over"-Mentalität seiner Genreartgenossen.
70% - erschienen bei: gamona