"Poseidon" ist ein großartiger Beweis für die Verschwendung einer Industrie, ein unheimlich aufgeblasenes Unterfangen, das mit (offiziell) 160 Mio. Dollar Produktionskosten, inoffiziell liegt die Summe eher um die 200 Mio., zwar in der normalen Preisklasse Petersens liegt (zumindest mit "Troy" verglichen), sich anders aber als dessen bisherige Blockbuster als gigantischer Flop entpuppte: Niemand in den USA wollte das Remake von Ronald Neames "The Poseidon Adventure" sehen, der Film spielte dort bislang nicht einmal 60 Mio. Dollar ein. Verständlich eigentlich, wäre die Neuverfilmung, so unterirdisch schlecht sie auch eigentlich ist, nicht letztlich doch sehr unterhaltsam.
Das Original aus dem Jahre 1972 ist bereits alles andere als herausragend, doch im unüberschaubaren Groß der Katastrophenfilme der 70er Jahre zumindest ein Lichtblick, verstand Regisseur Neame es doch, all das spektakuläre Potential stets seiner Geschichte und den Figuren unterzuordnen, dabei vor allem unter Einsatz visuell brillanter Spezialeffekte. Petersen macht das alles eigentlich gar nicht so anders, doch ist das keine Entschuldigung für die schlichte Sinnlosigkeit dieses Films, der sich mit modernen Charakteren und (natürlich) verbesserten Effekten rühmt, aber besonders in dieser Hinsicht sang- und klanglos untergeht.
Erwartungsgemäß kommt nämlich alles wie erwartet. Dass der Film verhältnismäßig zügig zur Sache geht und nach gefühlten 10 Minuten, im Original vergeht eine halbe Stunde, bereits die Riesenwelle über das Schiffchen hereinbricht, ist dabei die einzige Überraschung, denn es kommt, wie es eben kommen muss: Die Gruppe, zwar ganz politisch inkorrekt nicht ethnisch durchmischt, aber doch für jeden was dabei, muss fortan ein Hindernis nach dem anderen überwinden. Die Katastrophe selbst ist ordentlich inszeniert und mit einigen netten kleinen Ideen versehen (der sich senkende Swimmingpool), angesichts des enormen Budgets jedoch sehr, sehr überschaubar und optisch nicht so wirklich realistisch umgesetzt. Tatsächlich war dieses erste Drittel auch schon der Großteil, in den die Jungs von der ILM ihre Arbeit investierten. Der von allen Beteiligten stolz angepriesene Prolog, bei dem die Kamera dem Wasser entsteigt und 360 Grad um das Schiff herumfährt, während wir Josh Lucas auf dem Deck joggen sehen dürfen, ist übrigens nichts anderes als eine technische Spielerei, die vielmehr das Gefühl evoziert, dass sich hier jemand wohl einfach etwas beweisen wollte, als wirklich zu erstaunen vermag. Petersen ist nichtsdestotrotz mehr als überzeugt:
"Das ist die kühnste, verrückteste Sequenz in der gesamten Geschichte des Computertricks - aber sie wirkt absolut fotorealistisch. Ich glaube nicht, dass die Zuschauer denken: ,Was für einer toller Computereffekt!‘ Stattdessen werden sie sich fragen: ,Was für ein tolles Schiff - wo haben sie das bloß aufgetrieben?‘".
Bleibt also von den (sehr erfreulichen) 90 Minuten Spielzeit noch ausreichend Platz für das zwischenmenschliche Gebären der bereits erwähnten Truppe. Dieses findet allerdings auch nicht so wirklich statt. Kurz: Den Rest des Films quälen sich der wie immer grimmig-sympathische Kurt Russell als Mischung aus ehemals erfolgreichem Feuerwehrmann und Ex-Bürgermeister, seine Filmtochter, die unendlich anstrengende Emmy Rossum, deren Freund Mike Vogel (unbekannt aus dem"Texas Chainsaw Massacre"-Remake), der Draufgänger und spätere Held Josh Lucas, Richard Dreyfuss als homosexueller Rentner, sowie eine Mutter mit ihrem Balg und einige andere, die allerdings zügig das Zeitliche segnen, durch viele kleine Ereignisse, die allesamt allerdings nicht wirklich aufregend miteinander verknüpft werden. Drehbuchautor Mark Protosevich äußert sich dazu wie folgt:
"In einer solchen Krise zeigen wir unseren wahren Charakter, sie bringt das Beste und Schlimmste in uns zum Vorschein. Für menschliche Beziehungen ist das eine Zerreißprobe - entweder wächst man noch enger zusammen, oder man trennt sich. Wenn sich ein geliebter Mensch als Feigling herausstellt, vergisst man das nie, aber wenn er sein Leben riskiert, um andere zu retten, wird man das auch nicht vergessen. Wir alle haben das Zeug zum Helden in uns. Unsere Persönlichkeit wird dadurch definiert, ob wir uns zum Handeln durchringen oder nicht."
Alles schön und gut, die Figurenzeichnung bleibt jedoch weitestgehend unterhalb der Wasseroberfläche, herrlich verdrehte Rollen wie die von Kevin Dillon haben nur Kurzzeitcharakter und die zahlreichen kleinen Minidialoge zwischen den Actionmomenten sorgen vielmehr für haufenweise unfreiwillige Lacher, stets unterlegt von der gewohnt anstrengenden Dudelei Klaus Badelts, dessen einfallslos wie eh und je gestaltete Komposition bei "Poseidon" keine wirkliche Stimmung aufkommen lassen will.
Es ist ohnehin die große Frage bei diesem Film, wo genau denn jetzt Petersen die immensen Kosten veranschlagt hat. Das Gebotene ist schlichtweg zu unspektakulär und technisch nicht überzeugend genug, die Darsteller dürften bezüglich ihrer Gage ebenfalls weit unter dem Durchschnitt moderner Blockbuster stehen und dafür, dass nicht einmal ein äußeres Schiffsset wie es beispielsweise im Fall von James Camerons "Titanic" gebaut worden ist, sondern ausschließlich Innenräume im Studio entstanden, ist das, was Warner uns hier als Epos verkaufen will, reichlich fad.
Bleibt der letzte und irgendwie auch entscheidende Punkt: "Poseidon" ist trotzdem ein gutes Stück Edeltrash, unheimlich kurzweilig, gleichermaßen unlogisch wie unterhaltsam und einfach schön doof. Dass für so etwas allerdings derart viel Geld ausgegeben werden muss, bleibt nicht fragwürdig, sondern schlicht und ergreifend unnötig.
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