November 03, 2008

Kino: QUANTUM OF SOLACE

Nachdem die Bond-Serie in "Casino Royale" vor zwei Jahren zum Ursprung zurückkehrte und den Agenten im Geheimdienst seiner Majestät quasi neu zu erfunden versuchte, killt und fährt und rennt James Bond in seinem 22. Kinoeinsatz weiterhin unaufhörlich seiner Selbstfindung entgegen. Die neue Produzenten-Richtung des letzten Films wurde ja entsprechend gewürdigt, der Vorgänger war ein Kritiker- und Publikumserfolg, nüchtern gesprochen, und Daniel Craig erwies sich nach vorschnellen Unkenrufen als perfekter Bond- Darsteller mit harter Schale und weichem Kern.

Das erste 007-Sequel überhaupt, also tatsächlich der erste Film der langlebigen Serie, der unmittelbar und ganz konkret an seinen Vorgänger anknüpft, ist nun leider doch eine Enttäuschung: Gemessen an "Casino Royale", der heraus- ragenden Neuinterpretation des Mythos, wirkt "Quantum of Solace" nur wie ein Quantum schalen Nachgeschmacks – das aber hingegen auf hohem Niveau. Immerhin.

Die Geschichte setzt fort, was der erste Craig-Film zu erzählen begann: Nach dem tragischen Tod von Vesper Lynd, jener Frau, in die James Bond sich erst verliebte und dann von ihr betrogen wurde, ist der Geheimagent auf der Suche nach Antworten. Von Mr. White (Jesper Christensen) erhoffen sich er und seine Vorgesetzte M (Judi Dench) zu erfahren, wer genau hinter der Organisation steckt, die Vesper erpresst hat. Durch einen Verrat innerhalb des MI6 gelingt White jedoch noch während des Verhörs die Flucht. Über den Maulwurf in den eigenen Reihen gelangt Bond nach Haiti, wo er durch die schöne Camille (Olga Kurylenko) direkt zu Dominic Greene (Mathieu Amalric), einem mysteriösen Geschäftsmann, geführt wird.

Greene scheint nicht nur die treibende Kraft hinter der zwielichtigen Organisation zu sein, sondern verfügt auch über Kontakte zu verschiedenen Regierungen, die ihm bei seinem Komplott behilflich sind. Da Bond seine Ermittlungen gegen "Quantum" jedoch längst zu einem persönlichen Racheplan erklärt hat, wird er von M außer Gefecht gesetzt – und führt seinen Feldzug im Alleingang durch.

Der bislang kürzeste Bond-Film setzt den längsten fort: "Quantum of Solace" ist in gewisser Hinsicht also der kompromisslose "Casino Royale"-Nachschlag, eine Art Action- Epilog zur Romanze zwischen Bond und Lynd. Dieses Konzept ist zwar folgerichtig, wird aber nicht ausreichend umgesetzt: Denn die Emotionalität, die der Vorgänger so herausstellte, hätte hier noch – wenn auch in anderer, verschlüsselter Form – wesentlich stärker zum Tragen kommen müssen.

Schließlich funktioniert der gesamte Plot eines gebrochenen, von Rache angetriebenen Bonds nur über den emotionalen Unterbau, ähnlich wie in "Licence To Kill". Deshalb erschien es im Vorfeld auch sinnvoll, dass Marc Forster für die Regie verpflichtet wurde, immerhin hat sich dieser bislang durch gefühlvolle, wenn nicht gar sentimental verkitschte Filme wie "Monster’s Ball" bewährt.

Doch für nachdenkliche Zwischentöne hat der neue 007-Film nur wenig übrig. Auch auf den Sex mit dem Bond-Girl verzichtet er. Und selbst für den berühmten Vorstellungs- spruch bleibt keine Zeit. Momente wie in "Casino Royale", wo Bond in einer Dusche zusammensackt, wo sich also ein gewisser Tiefgang in die sonst so ironische und spektakuläre Serie einschlich, gibt es in "Quantum of Solace" fast keine. Und deshalb fällt es auch schwer, dem Geheimagenten auf seiner doch so persönlich motivierten Jagd zu folgen, wenn der Film den Zuschauer eigentlich völlig außen vor lässt.

Prinzipiell ist das neue Bond-Abenteuer eine einzige lange Actionhatz, die nur von vorübergehenden Verschnaufpausen unterbrochen wird. An mehr Drehorten als in keinem anderen Film der Reihe zuvor wird sich viel verfolgt, gefasst und getötet, gibt es allerlei Autocrashs und Faustkämpfe, ja, im Finale muss sich Bond sogar gegen seinen Axt schwingenden Gegner zur Wehr setzen. Leider erinnern die physischen Kraftakte des Helden 007 dabei, ähnlich wie schon ansatzweise im Vorgänger, verstärkt an die Rückkehr der körperlichen Kinoaction durch die Jason Bourne-Serie. Die von Bond inspirierten Filme inspirieren also Bond!

Die Actionszenen in "Quantum of Solace" beziehen sich dabei ziemlich genau auf "Das Bourne Ultimatum", wenn 007 seine Gegenspieler über Dächer verfolgt oder sich intensive Zweikämpfe mit Alltagsgegenständen liefert. Was beim offensichtlichen Vorbild bzw. Einfluss jedoch Genremaßstäbe gesetzt hat, wirkt hier eher abgespeckt und etwas müde. Bis auf einen fulminanten Kampf kopfüber an Seilen zu Beginn, fehlen im neuen Bond-Film ganz einfach prägnante Action-Einlagen und Stunts, die man nicht schon woanders besser gesehen hat. Insbesondere innerhalb der eigenen Serie.

Vermutlich war die Wahl des Regisseurs einfach nicht die günstigste: Forster scheint die Füllszenen möglichst sinnvoll um die vom 2nd Unit Director Dan Bradley inszenierten Actionszenen platzieren zu wollen, was den Einruck einer indifferenten Gesamtinszenierung aber nur noch verstärkt. Der Teil des Films mit dem besten Set-Piece, dem Opernhaus in Bregenz, bildet hier vielleicht noch den spektakulärsten und vor allem homogensten Moment: Unter den Hunderten Opernbesuchern der "Tosca" entlarvt Bond hinter der Bühne ein geheimes Meeting der Greene-Komplizen, was ähnlich spannend und clever in Szene gesetzt ist wie das grandiose Pokerspiel in "Casino Royale".

Solch starke Episoden gelingen dem Film immer mal wieder. Und "Quantum of Solace" hat gewiss seine Stärken: Der Score von David Arnold beispielsweise ist druckvoll und erneut weniger elektronisch als seine Arbeiten für die Brosnan-Bonds, und der Titelsong harmoniert wunderbar mit der elegant animierten Vorspannsequenz. Das alles mildert zweifellos die Enttäuschung darüber, dass einer der herausragenden Bonds eine ganz und gar nicht herausragende Fortsetzung spendiert bekommen hat.

Wenn kurioserweise am Schluss die Gun Barrel-Sequenz den Abspann einleitet, ist man fast verwundert, noch schnell etwas so Bond-Ikonisches in einem sonst so auffällig untypischen Bond-Film zu sehen. Aber die neue Linie, sie ist auch weiterhin richtig, trotz aller Schwächen, die "Quantum of Solace" mit sich bringt. Es ist erst der zweite Film des 007-Neubeginns – so gebe man dem MI6-Agenten also ruhig noch etwas Zeit, weniger Jason Bourne und mehr James Bond zu sein.


50% - erschienen bei: gamona