April 17, 2008

Kino: IRON MAN

"Well, just pass him there, why should we even care?", fragen Black Sabbath in ihrem Klassiker "Iron Man" und besingen mit schweren Gitarren den Mythos vom Mann aus Eisen: "Nobody wants him, he just stares at the world". Und wenn am Ende des ersten "Iron Man"-Kinofilms, den Marvel selbst finanziert hat, eben jener Ozzy Osbourne-Hit den Abspann einstimmt, stellt sich diese Frage erneut: Hätte man auf die Abenteuer des Multimilliardärs Tony Stark als Realaction-Version nun verzichten können, oder entlockt der in erster Linie als Schauspieler denn Regisseur umtriebige Jon Favreau dem Stoff tatsächlich ein wenig mehr als bewegte Comic-Strips, ein wenig mehr eben als das, womit man sich zuletzt bei den "Fantastic Four", der "Elektra" oder dem "Ghost Rider" begnügen musste. Doch, ja, "Iron Man" ist kein wirklich guter Film, stellenweise ist er sogar ziemlich übel, aber er hat schwer was. Und das ist ausnahmsweise kein ödes Wortspiel.

Der größte Coup dürfte das Casting sein. Den Titelhelden mit Robert Downey Jr. zu besetzen, erweist sich in mehrfacher Hinsicht als Glücksfall. Ein immer wieder von seiner Drogensucht heimgesuchter Hollywoodstar spielt einen alkoholabhängigen und herzkranken Superhelden, das ist schon mal eine sichere Basis, dem nimmt man so was doch schließlich ab. Nun schneidet dieser erste Film den Komplex zwar nur an, in Hinblick auf weitere Kinoauswertungen wäre das jedoch ein reizvoller Aspekt der Geschichte. Downey Jr. gefällt als Tony Stark und dessen Alter Ego Iron Man aber auch deshalb grundsätzlich, weil er trotz einiger Überschneidungen mit der Figur eine so wunderbar unkommerzielle Wahl für die Rolle darstellt. Wie oft hatte man den Kerl schon abgeschrieben, und wie sehr hat man ihm alles, nur keine Hauptrolle in einem hoffentlich einträglichen Blockbuster dieses Schlages zugetraut. Entsprechend feinfühlig, zumindest im Rahmen eines mit Verkürzungen arbeitenden Comicfilms, nährt er sich dem geläuterten Helden. Überaus souverän trägt Downey Jr. das Spektakel auf seinen Schultern, sehr charismatisch gibt er die Figur, mit leicht zynischem Witz, betont komischen Sprüchen und lockerer Playboy-Attitüde.

Wenn die Besetzung des "Iron Man" also schon mal stimmt – und die ist ja doch ein wenig die halbe Miete –, dann können Jeff Bridges, Terrence Howard und Gwyneth Paltrow nur noch Bonbons für den süßen Nachgeschmack sein. Letztere hat zwar nicht wirklich viel zu tun und scheint meist der Anweisung zu folgen, möglichst so verträumt schläfrig wie Kirsten Dunst zu blinzeln, aber Howard gefällt trotz seiner doofen Rolle als Militär-Buddy. Und Bridges führt sich wie gewohnt blendend auf, der Mann kann einfach alles spielen, ob mit oder ohne Glatze, Vollbart oder Bierbauch, ob als freundlicher Nachbar von nebenan, ständig bekiffter Volltrottel oder nun Bösewicht Obadiah Stane, der sich als Iron Monger zum ersten Gegner des Helden hochspielt. Bridges scheint sich solche Rollen aus dem Ärmel zu schütteln, während ein Kevin Spacey die zumindest äußerlich ähnliche Figur Lex Luthor in "Superman Returns" mit verkrampftem Pokerface zum präsenzlosen Bösewicht von der Stange degradierte. Einzig etwas schade, dass man sich fürs Debüt aus dem großzügigen Fundus an Gegnern ausgerechnet jenen herauspickte, der dem Superhelden stark ähnelt und einem Charakterkopf wie Bridges nach der Transformation kaum die Möglichkeit zum Minenspiel offeriert (was schon Willem Dafoe im ersten "Spider-Man"-Film ein wenig zum Verhängnis wurde). Und es bleibt auch dabei: Auf etwaigen Zuwachs oder Cross-Over-Figuren wie Nick Fury (Samuel L. Jackson) muss man zumindest im ersten "Iron Man" noch verzichten.

Aber, lange Rede, kurzer Sinn: Ja, die Schauspieler, die sind hier wirklich ziemlich essentiell. Vor allem, da "Iron Man" mit Action eher geizt. Nur, Favreau ist ganz zweifellos ein besserer Regisseur als Nick Cassavetes, der den Film zunächst inszenieren sollte, aber so richtig brennt er nicht für den Stoff. Viel mag ihm nicht einfallen bei der Geburtsstunde des Helden, das ist doch alles recht streng nach Schema F gestrickt und folgt brav den Konventionen eines Superheldendebüts. Kurze Einführung des Arschlochs Stark, dann Gefangenschaft, Ausbruch und Besinnung – bis der Iron Man in vollendeter Montur durch die Lüfte fliegen darf, vergehen viele abgehakte Stationen und Leerläufe, die man mit Regieeinfällen trotz des schwächelnden Drehbuchs (immerhin aus der Feder der "Children of Men"-Autoren) hätte vermeiden oder zumindest aufpeppen können. Insbesondere der Mittelteil hängt ganz schön durch, vor allem da uns der Film alle Entwicklungsstufen seines Helden aufgedröselt vorspielt, was man mit fixer Montage gut und gerne um eine Viertelstunde hätte erleichtern können. Hier hält sich "Iron Man" auch ein wenig sehr auf mit seinem Subplot der liebäugelnden Turteltäubchen Pepper und Stark, was nicht recht in die Gänge kommen und durch die fehlende Chemie zwischen Paltrow und Downey Jr. ohnehin nicht so wirklich funktionieren will. Nebenbei: Dass der Film den Stoff modernisiert, ist sicherlich der einzig richtige Ansatz, die Ursprungsgeschichte aber nach Afghanistan zu verlagern (in der Vorlage ist es Vietnam), damit der Iron Man zwischenzeitlich noch einige Taliban-Milizen zermalmen darf, scheint indes nun nicht unbedingt die allercleverste Entscheidung.

Was das erste Abenteuer des Iron Man jedoch ganz dringend benötigt hätte, ist einen fähigen Komponisten, der ihm ein prägnantes Thema auf die Metallhaube schreibt. Der Score ist wahrlich eine Katastrophe in diesem Film, es gibt weder differenzierte Motive, noch überhaupt irgendeine erkennbare Anstrengung, Musik als Faktor, der über untergelegte Schrammelbeats hinausginge, zu begreifen. Zwei Stunden lang ertönt nur immer wieder das gleiche Getöse aus simplen Gitarrenriffs und schnellenden Drums – gänzlich verschenkt, denn der Soundtrack hätte schnell den Rest der Miete ausmachen können. Aber "Iron Man" darf sich diese Fehler irgendwie noch erlauben, er fühlt sich ohnehin nur wie ein Pilot an, der schon mal das Grundgerüst aufstellt. Es ist überdies auch ganz bestimmt eine Herausforderung, einem der verhältnismäßig weniger bekannten, oder zumindest nie bis zum Mainstream durchgedrungenen Marvel-Helden eine attraktive, erfolgreiche Kinoverpackung überzustülpen. Denn das Paradoxon eines Mannes, der seine Rüstungsmacht als neuer Gutmensch aufgibt, um jedoch mit noch martialischerer Gewalt jede eigene Ordnung zu verteidigen, kann auch dieser Film nicht überwinden. Aber mit jemandem wie Robert Downey Jr. ist diese Serie, so sollte sie eine werden, gut beraten, der Mann hat einfach schwer was an sich. Na ja, gut, doch ein Wortspiel.


60% - erschienen bei: Wicked-Vision