Tom Ludlow arbeitet beim LAPD und löst Kriminalfälle nach eigenem Ermessen meist im Alleingang, so zum Beispiel zu Beginn, als er ein Haus stürmt, um alles und jeden zu zerballern, damit zwei entführte Mädchen gerettet werden können. Das zieht selbstredend böse Folgen nach sich – man kennt das ja – mit den Vorgesetzten und, natürlich, auch mit der internen Ermittlung, so wie zum Beispiel in dem etwas vergessenen Thriller "Internal Affairs" (1990) oder dem Hongkong-Meisterstück "Infernal Affairs" (2002). Keanus Reeves’ Alter Ego legt sich hier demnach nicht nur mit einem wahren Paket von Polizeichef an, nämlich dem frisch Oscar gekürten Forest Whitaker, sondern auch dem undurch- sichtigen (nun ja, gut, lassen wir das erst einmal so) Captain Biggs, der von Hugh Laurie gespielt wird, dessen gegenwärtige, der Comedyserie "House M.D." geschuldete Popularität gleich beim ersten Auftritt für ein kollektives "Ohhh" im Saal sorgt, obwohl der Mann dem Kino- und TV-Geschäft schon seit über 30 Jahren die Treue hält.
In "Street Kings" geht es nun im Wesentlichen darum, wie sich Detektiv Ludlow gegen Korruption und Amtsmissbrauch zur Wehr setzt, wie er die Mörder seines ehemaligen Partners finden und zur Rechenschaft ziehen (meint: aus allen Winkeln zerfleddern) will, und das nicht nur, um seine Unschuld zu beweisen, sondern schlussendlich auch eine handfeste Polizeiverschwörung aufzudecken.
Es gibt dabei zwei Möglichkeiten, diese 110 Minuten ohne größere Schäden zu überstehen: Entweder nehme man in Kauf, wie unverschämt unoriginell, dummdreist und stümperhaft sich diese Geschichte anbietet, wie penetrant sie die ewig gleichen Genrestationen abgrast, die ewig gleichen Nigger/FuckYou/Faggot–Dialoge runterrasselt und ihrem Baller- und Posingmarathon eine begnadet vorhersehbare Schlusswendung hinten anstellt, einer etwaigen Unterhaltung zuliebe oder vielleicht auch, weil man für seine 8 Euro einfach nichts Besseres verdient hat. Oder man teile sich die Zeit in abwechselnde Schlafphasen und heimliches Gekicher ein, gelegentlich unterbrochen durch guten Willen, diesem immerhin von James Ellroy zu 50 Prozent mitverschuldeten Polizeithriller doch irgendetwas abgewinnen zu können. Letzteres machte ich mir strategisch zu Eigen und gebe es bereitwillig zur Nachahmung frei.
Warum nur kann ein guter solider Film über ein intaktes Polizeiwesen, über korrupte Machenschaften, unsittliche Verstrickungen und Gangstertum offenbar nicht darauf verzichten, einen vermeintlich authentischen Ausdruck durch imitierten Milieuslang, durch Arschlochfiguren, sich zur Schau stellende Gewaltausbrüche oder eitle Männercoolness erlangen zu wollen. Wieso müssen diese Geschichten immer wieder aus der gleichen abgegriffenen Pose erzählt werden, wieso ergehen sie sich in aufgesetzter Hartnäckigkeit, um hartnäckige Milieus abzubilden, wieso ergötzen sie sich am Inszenieren von Gewalt, um gewalttätige Gruppierungen darzustellen, und welchen Zweck erfüllen die sich immer wiederholenden Muster männlicher Selbstbestätigung. Warum begnügt sich ein Film wie "Street Kings" mit Behauptungen, wenn er es doch so leicht hat, seine moralische Geschichte über Entlarvung, Schuld und Sühne aus einer mit Klischees brechenden Perspektive zu erzählen. Die ganze aufgesetzte Eitelkeit, das ewige Demonstrieren von Manneskraft ist doch nur eine Rolle, die diese Figuren spielen, und diese Rolle müssen sie früher oder später ablegen. Doch der Film gibt ihnen keine Gelegenheit dazu, er vermeidet fast sklavisch jeden Tiefgang, weicht krampfhaft jeder Gefahr aus, die dem großspurigen Theater womöglich noch eine sensible Note verleihen könnte.
Alles, was David Ayer hier einfällt, ist einen schrecklich unbeholfenen Keanu Reeves mit einer Pistole herumfuchteln zu lassen, Übergänge mit Bildern der roten Abendsonne zu unterlegen und dazu nach Lust und Laune einige Hip-Hop-Klänge einzustreuen. Reeves war zwar noch nie ein Schauspieler, aber es tat zumindest nicht weh, wenn er unfähig war, selbst einfachste Emotionen rüberzubringen. Da wünscht man sich wahrlich die Schnarchnase aus "Point Break" zurück, wenn er sich mit Whitaker ein furioses Over-Acting-Duell nach dem anderen liefert (minutenlanges Gebrüll, in etwa so: "Now listen to me!" - "No, YOU listen to ME!!" - "NO, *YOU* LISTEN TO *ME* NOW!!!"). "Street Kings" bereichert den Copfilm in keiner Weise, er rezitiert nur, wiederholt, kocht auf Sparflamme Genreeinerlei hoch. Tausende Male hat man das alles schon gesehen, und dabei verlangt ja niemand einen neuen "Chinatown", sondern einfach nur etwas, über das sich vielleicht irgendjemand mal zwei, drei Gedanken gemacht hat. Andererseits geht das heikle Aprilloch, in das dieser Film hineinpositioniert wurde, auch schnell wieder vorüber. Und zwar jedes Jahr. Also durchhalten!
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